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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 06.11.2006
Aktenzeichen: Verg 17/06
Rechtsgebiete: VOB/A, RL 18/2004/EG
Vorschriften:
VOB/A § 21 Nr.1 Abs. 2 Satz 5 | |
VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1b | |
RL 18/2004/EG Art. 43 Abs. 2 | |
RL 18/2004/EG Art. 43 Abs. 4 | |
RL 18/2004/EG Art. 48 Abs. 3 | |
RL 18/2004/EG Art. 48 Abs. 6 |
2. Das Erfordernis einer solchen Verpflichtungserklärung muss nicht in der Vergabebekanntmachung veröffentlicht werden; es genügt, dass die Vorlage in den Vergabeunterlagen gefordert wird.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS
Der Vergabesenat des Oberlandesgerichts München hat unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Vavra, der Richterin am Oberlandesgericht Willner und des Richters am Oberlandesgericht Ramm
am 6.11.2006
in dem Nachprüfungsverfahren
betreffend der Vergabe eines Bauauftrages für Erd- und Oberbauarbeiten der Bundesstraße 19, Ortsumfahrung Werneck
hier: sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 09.10.2006
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag der Beigeladenen vom 24.10.2006, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 09.10.2006 bis zu einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern, wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Vergabestelle, staatliches Bauamt Sch., schrieb die Erd- und Oberbodenarbeiten für die Bundesstraße 19, Ortsumfahrung W., im Offenen Verfahren nach § 3 a Nr. 1 VOB/A aus. Die Bekanntmachung wurde am 10.06.2006 im Amtsblatt der EU veröffentlicht.
Der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots lagen als Anlagen die Bewerbungsbedingungen EVM (B) BwB/E EG (im Folgenden 212 EG) und das Formblatt zur Auflistung der Unternehmerleistungen EFB U EG 317 (im Folgenden 317 EG) bei.
In Ziffer 3.3 der Bewerbungsbedingungen heißt es unter anderem:
"Das Angebot muss vollständig sein; unvollständige Angebote können ausgeschlossen werden.
Das Angebot muss die Preise und die in den Verdingungsunterlagen geforderten Erklärungen und Angaben enthalten."
In Ziffer 7 ist festgelegt:
"Beabsichtigt der Bieter, sich bei der Erfüllung eines Auftrags der Fähigkeiten anderer Unternehmen zu bedienen, muss er dem Auftraggeber hinsichtlich der Eignung nachweisen, dass ihm die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen. Er hat entsprechende Verpflichtungserklärungen dieser Unternehmen mit dem Angebot nachzuweisen".
Im Formblatt 317 EG heißt es:
"Ergänzung der Aufforderung zur Angebotsabgabe:
Mit dem Angebot sind:
- die Unternehmen zu benennen, deren Fähigkeiten sich der Bieter im Auftragsfall bedienen wird, und
- die Nachweise vorzulegen, dass ihm die erforderlichen Mittel dieser Unternehmen zur Verfügung stehen, ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen."
In einem den Vergabeunterlagen beigefügten Informationsblatt weist die Vergabestelle ausdrücklich darauf hin, dass zur Meidung eines Ausschlusses des Angebotes aus formalen Gründen die Bewerbungsbedingungen gemäß 212 EG zu beachten sind und ein vollständig ausgefülltes Formblatt 317 EG vorzulegen ist.
Überdies wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es "zwingend erforderlich" ist, für Nachunternehmer " eine separate Verpflichtungsermächtigung dieser Unternehmen mit dem Angebot abzugeben."
Der Submissionstermin fand am 26.07.2006 statt. 12 Firmen hatten Angebote abgegeben.
Nach rechnerischer Prüfung der Angebote liegt die Beigeladene mit 4.619.394,47 Euro brutto vor dem Angebot der Antragstellerin, das sich auf 4.951.392,67 Euro brutto beläuft.
Mit Formblatt 317 EG hat die Beigeladene erklärt, dass sie dort näher bezeichnete Leistungen an Nachunternehmer weitergeben wird. Verpflichtungserklärungen der benannten Nachunternehmer wurden von der Beigeladenen nicht vorgelegt.
Mit Schreiben vom 28.07.2006 teilte die Vergabestelle der Beigeladenen mit, dass ihr Angebot wegen Fehlens der Verpflichtungserklärungen ausgeschlossen werde.
Die Beigeladene hat den Ausschluss am 31.07.2006 gegenüber der Vergabestelle gerügt. Die Vergabestelle ist der Rüge gefolgt und hat den Ausschluss zurückgenommen. Mit Schreiben vom 23.08.2006 teilte die Vergabestelle der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot nunmehr rechnerisch an zweiter Stelle hinter dem Angebot der Beigeladenen liegt.
Die Antragstellerin rügte dies mit Schreiben vom 25.08.2006 und forderte den Ausschluss der Beigeladenen. Mit Schreiben vom 31.08.2006 wies die Vergabestelle die Rüge der Antragstellerin ab.
Mit Telefaxschreiben vom 08.09.2006 stellte die Antragstellerin Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Nordbayern.
Mit Beschluss vom 09.10.2006, dem Bevollmächtigten der Beigeladenen zugegangen am 10.10.2006, auf den wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, stellte die Vergabekammer Nordbayern fest, dass die Durchführung des Vergabeverfahrens die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt und verpflichtete die Vergabestelle, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen.
Hiergegen wendet sich die Beigeladene mit ihrer am gleichen Tag eingegangenen sofortigen Beschwerde vom 24.10.2006.
Sie macht geltend, dass die Vergabeunterlagen widersprüchlich seien. Insbesondere werde unter Ziffer 3.2 des Formblattes EVM (B) A EG (im Folgenden 211 EG) die Vorlage von Unterlagen gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A vom Verlangen der Vergabestelle abhängig gemacht. Der Bieter könne sich darauf verlassen, dass an dieser Stelle die vorzulegenden Nachweise abschließend genannt seien.
Im Übrigen sei der Auftraggeber an die Vorgaben aus der Bekanntmachung gebunden. Es sei unzulässig, im Nachhinein in den Vergabeunterlagen zusätzliche Forderungen aufzustellen. Soweit die Antragstellerin die Vergabeunterlagen so verstehen wolle, dass Eignungsnachweise bezüglich der Nachunternehmer bereits mit dem Angebot vorzulegen seien, liefe dies auf eine nicht statthafte Verschärfung der Bekanntmachung hinaus.
Ein Eignungsnachweis in Form einer Verpflichtungserklärung sei nur insoweit erforderlich, als sich der Bieter, was bei der Beigeladenen nicht der Fall sei, zum Nachweis seiner Eignung, weil er nicht selbst über die erforderliche Eignung zur Ausführung der Arbeiten verfüge, auf die Fähigkeiten eines anderen Unternehmers berufen müsse. Folglich sei ein Eignungsnachweis dann nicht erforderlich, wenn andere Unternehmen, wie hier, lediglich für die Erledigung wertmäßig und hinsichtlich der geforderten Fachkunde völlig untergeordneter Teilleistungen, die auf dem freien Markt ohne Weiteres und überall gekauft oder von leistungsfähigen Bietern selbst erbracht werden könnten, vorgesehen seien.
Im Übrigen entsprächen jedenfalls auch die von der Antragstellerin vorgelegten Verpflichtungserklärungen nicht dem zu fordernden Mindestinhalt.
Die Beigeladene beantragt,
die Entscheidung der Vergabekammer vom 09.10.2006, Az: 21.VK-3194-30/06, aufzuheben, den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 08.09.2006 zurückzuweisen, die Vergabestelle zu verpflichten, das Angebot der Beigeladenen zu werten und ihr als Mindestbietender den Zuschlag zu erteilen, gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und deren aufschiebende Wirkung nicht zu verlängern.
II.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB bis zur Entscheidung über die Hauptsache zu verlängern, ist, da das Rechtsmittel der Beigeladenen nach summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, abzulehnen.
Die zulässige Beschwerde der Beigeladenen ist unbegründet. Das Angebot der Beigeladenen ist zwingend von der Wertung auszuschließen. Die von der Beigeladenen gegen das Angebot der Antragstellerin vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
1. Die Vergabekammer hat zutreffend festgestellt, dass das Angebot der Beigeladenen, da die geforderten Verpflichtungserklärungen fehlen, zwingend gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe b VOB/A von der Wertung auszuschließen ist.
Die Beigeladene hat mit Formblatt 317 EG erklärt, dass sie Teilleistungen von Nachunternehmern erbringen lassen will. Entgegen Ziffer 7 der Bewerbungsbedingungen 212 EG und des Vorspannes zu Formblatt 317 EG hat die Beigeladene keine Verpflichtungserklärungen dieser Unternehmen vorgelegt.
a) Die Beigeladene beruft sich zu Unrecht darauf, dass die Vergabeunterlagen in diesem Punkt widersprüchlich seien. Zwar ist die Verpflichtungserklärung des Nachunternehmers in Ziffer 3.2 des Formblattes 211 EG nicht erwähnt. Das ist auch konsequent. Die dort in Bezug genommene Regelung des § 8 Nr. 3 Abs.1 Buchstabe a bis f VOB/A beschäftigt sich nicht mit Nachunternehmern. Dagegen ist auf Seite 1 des Formblattes 211 EG unmissverständlich dargelegt, dass dem Angebot die ausgefüllten Formblätter 212 EG und 317 EG beizufügen sind. Aus diesen ergibt sich zweifelsfrei, dass dem Angebot eine Verpflichtungserklärung beizufügen ist. In Ziffer 7 Satz 2 des Formblattes 212 EG ist diese Verpflichtung expressis verbis vorgegeben.
b) Die Vergabestelle war entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht verpflichtet, die Vorlage einer Verpflichtungserklärung bereits in der Bekanntmachung der Ausschreibung zu verlangen. Nach Artikel 47 Abs. 2 und 4, Artikel 48 Abs. 3 und 6 der Vergabekoordinierungsrichtlinie vom 31.3.2004, die mangels fristgerechter Umsetzung seit 1.2.2006 in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar geltendes Recht ist, können Nachweise zu Nachunternehmern sowohl in der Bekanntmachung als auch in den Vergabeunterlagen gefordert werden. Auch wenn in Artikel 48 Abs. 6, anders wie in Artikel 47 Abs. 4, die Passage über Nachunternehmer nicht in Bezug genommen ist, bleibt es, abgesehen davon, dass es sich dabei um ein Redaktionsversehen handeln könnte, dabei, dass, wenn schon die diesbezüglichen Angaben des Bieters selbst erst mit den Vergabeunterlagen gefordert werden können, dies erst recht für entsprechende Nachweise zum Nachunternehmer gilt. Im Übrigen ergibt sich auch aus Artikel 36 der Richtlinie in Verbindung mit Anhang VII Teil A zur Richtlinie, dass Verplichtungserklärungen nicht bereits in der Bekanntmachung gefordert werden müssen.
c) Der Senat vermag nicht zu erkennen, aus welchem Grund der Bieter von der Vorlage einer Verpflichtungserklärung für den Fall - unterstellt, dass dies bei der Beigeladenen der Fall ist - entbunden sein soll, dass er an Nachunternehmer nur lediglich wertmäßig und hinsichtlich der geforderten Fachkunde völlig untergeordnete Teilleistungen vergibt. Die Verpflichtungserklärung stellt nicht sicher, dass der Bieter fachkundig ist, sondern dass er verbindlich mit der Leistung des Nachunternehmers disponieren kann.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH 18.2.03-X ZB 43/02) ist die Gleichbehandlung aller Bieter (§ 97 Abs. 2 GWB) nur gewährleistet, wenn nur solche Angebote gewertet werden, die sämtliche geforderten Erklärungen unabhängig von deren Wettbewerbsrelevanz enthalten. Allenfalls bei kleineren und unwesentlichen Versehen, die offensichtlich ohne Wettbewerbs- und Verfahrensrelevanz sind, könnte im Anschluss daran das Absehen vom Ausschluss noch in Erwägung gezogen werden (BayObLG 27.7.04-Verg 14/04;VK Köln 30.8.06-VK VOB 27/06). Bezüglich der von der Beigeladenen nicht beigebrachten Verpflichtungserklärungen kommt eine Ausnahme nicht in Betracht (VK Bund 14.8.06-VK2-80/06; VK Südbayern 23.10.06-30-09/06). Die Verpflichtungserklärung, deren Vorlage von der Vergabestelle, wie ausgeführt, mehrfach gefordert war, stellt sicher, dass der Bieter, der sich der Mithilfe von Nachunternehmern bedienen will, ein tragfähiges und zuverlässiges Angebot unterbreitet. Die Vergabekammer hat zudem zutreffend dargelegt, dass die Beibringung einer Verpflichtungserklärung, da kostenträchtig, auch unmittelbar wettbewerbsrelevant ist.
Die Vergabestelle ist, da dies dem Transparenzgebot widersprechen würde, nicht berechtigt, nachträglich im Laufe des Vergabeverfahrens von der Vorlage ursprünglich geforderter Erklärungen wieder Abstand zu nehmen.
2. Soweit die Beigeladene vorbringt, dass die von der Antragstellerin vorgelegten Verpflichtungserklärungen unzureichend seien, kann dies ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Das Angebot der Antragstellerin ist nicht von der Wertung auszuschließen.
a) Es ist unerheblich, dass die Verpflichtungserklärungen an die Firma R. GmbH, also an ein Mitglied der Bietergemeinschaft, und nicht an die Bietergemeinschaft selbst gerichtet sind. Die Verpflichtungserklärung soll sicherstellen, dass der Bieter mit der Leistung des Nachunternehmers verbindlich disponieren kann. Dies ist auch dann der Fall, wenn ein Mitglied der Bietergemeinschaft den Anspruch aus der Verpflichtungserklärung für die Bietergemeinschaft geltend machen kann.
b) Das streitgegenständlichen Vorhaben - B 19, Ortsumfahrung W. - ist in sämtlichen von der Antragstellerin vorgelegten Verpflichtungserklärungen neben der jeweiligen Nachunternehmerleistung genannt. Dies reicht zur eindeutigen Konkretisierung des Inhalts der Erklärungen aus. Die Angabe "Erd- und Oberbauarbeiten" war deshalb als weitere Spezifizierung wie auch die Angabe des Bauzeitraumes, die teilweise fehlt, möglich, aber nicht, wie die Beigeladene meint, erforderlich.
Die Beigeladene konnte auch nicht aufzeigen, dass die von der Antragstellerin vorgelegten Erklärungen nicht rechtsverbindlich sind.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Die Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB sind Kosten des Beschwerdeverfahrens, über die entsprechend § 91 ff. ZPO einheitlich im Rahmen der Entscheidung über die Kosten in der Hauptsache zu befinden ist.
Ende der Entscheidung
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