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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 28.09.2005
Aktenzeichen: Verg 19/05
Rechtsgebiete: BKR, GWB, VOB/A, VOL/A, VgV


Vorschriften:

BKR Art. 1 lit. a
BKR Art. 1 lit. c
GWB § 99 Abs. 2
GWB § 99 Abs. 3
VOB/A § 1
VOL/A § 1
VgV § 2 Nr. 3
VgV § 2 Nr. 5
VgV § 2 Nr. 7
Die Lieferung von marktüblicher Beleuchtung für ein Bauvorhaben ohne individuelle Anfertigung oder Bearbeitung im Hinblick auf die baulichen Gegebenheiten und ohne Montage- oder Einbauarbeiten ist keine Bauleistung. Erreicht der Wert des Auftrags nicht den Schwellenwert von 200.000 Euro, ist das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet, auch wenn der geschätzte Gesamtauftragswert des Bauvorhabens über dem Schwellenwert liegt.
Tatbestand:

Das Staatliche Hochbauamt A. (Vergabestelle) schrieb im März 2005 im Rahmen der Baumaßnahme "Fachhochschule A. - Bebauung Südgaragengelände -" europaweit die Lieferung von Leuchten im Offenen Verfahren nach VOL/A aus. Den Gesamtauftragswert der Baumaßnahme schätzte die Vergabestelle intern auf 15.215.185,00 EUR netto. Hiervon veranschlagte sie 199.010,00 EUR netto als voraussichtliche Kosten für die Beleuchtungsanlagen und nahm die Leistung in die Liste des ausschreibungsbedürftigen 80%-Kontingents nach § 1 a Nr. 1 Abs. 2 VOB/A auf.

Ausweislich der Leistungsbeschreibung sollte der Bieter die geforderten Beleuchtungskörper komplett verdrahtet und mit allem Zubehör für die betriebsfertige Montage liefern. Nach Auftragserteilung war gemäß Absprache mit der örtlichen Bauleitung durch den Auftragnehmer mit der rechtzeitigen Bestellung für die termingerechte Lieferung zu beginnen sowie die jeweiligen Lieferzeiten pro Leistungsposition anzugeben. Die Lieferungen waren zeitlich mit der Elektro-Firma abzustimmen. Der Bieter hatte bei verschiedenen Positionen das angebotene Fabrikat und den Typ zu benennen. Der Zuschlag sollte nach Ziffer 5.3 der Angebotsaufforderung (Formblatt EVM (L) A EG) auf das wirtschaftlich günstigste Angebot im Hinblick auf Preis und Qualität erteilt werden.

Den Auftrag zur Montage der Beleuchtung auf der Baustelle hatte die Vergabestelle bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Zuge einer gesonderten Ausschreibung betreffend die Durchführung der Elektroinstallationsarbeiten an die Antragstellerin vergeben.

Zum Submissionstermin gaben 4 Bieter, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene, Angebote ab. Preislich lag die Antragstellerin mit ihrem Angebot an erster, die Beigeladene mit einem Nebenangebot an dritter, mit dem Hauptangebot an vierter Stelle. Zu einzelnen Positionen bot die Antragstellerin Bildschirmarbeitsplatzleuchten der Firma b. ohne Typenbezeichnung an.

Da der von der Vergabestelle mit der Prüfung der Angebote beauftragte technische Berater nach Öffnung der Angebote anhand der Angaben der Antragstellerin nicht feststellen konnte, welche der Leuchten aus dem Sortiment der Firma b. die Antragstellerin angeboten hatte, forderte er eine genauere Produktspezifizierung an. Die Antragstellerin ergänzte am 27.4.2005 per Fax ihre Angaben zu der Typenbezeichnung. Nach Erholung von Herstellerinformationen beurteilte der technische Berater das Angebot der Antragstellerin - ebenso wie das der zweitplazierten Bieterin - als nicht den Anforderungen des LV entsprechend und empfahl deren Ausschluss. Nach einer weiteren technischen Prüfung entschloss sich die Vergabestelle, das Hauptangebot der Beigeladenen anzunehmen.

Mit Schreiben vom 18.5.2005 teilte die Vergabestelle der Antragstellerin nach § 13 VgV mit, dass ihrem Angebot nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 VOB/A nicht der Zuschlag erteilt werden könne, da es nicht das wirtschaftlichste sei. Zur Erläuterung heißt es in dem Schreiben: "Angebotene Leuchten entsprechen nicht den LV-Vorgaben bzw. -forderungen." Es sei beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

Mit Schreiben vom 23.5.2005 legte die Antragstellerin Einspruch gegen die beabsichtigte Vergabeentscheidung ein. Nachdem die Vergabestelle am 25.5.2005 nochmals erklärte, dass das Angebot nicht annehmbar sei, da die angebotenen Fabrikate/Typen nicht den Vorgaben des LV entsprechen würden, stellte die Antragstellerin am 31.5.2005 Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer.

Die Antragstellerin trägt vor, dass die von ihr angebotenen Produkte allen Anforderungen des LV genügten. Die gegenteilige Beurteilung des technischen Beraters der Vergabestelle sei unzutreffend und beruhe auf unzureichenden Informationen. Der Ausschluss des Angebots sei unberechtigt, zumal die Vergabestelle die Entscheidung auf eine Vorschrift der VOB/A gestützt habe, anstatt die für den streitgegenständlichen Auftrag maßgebliche VOL/A heranzuziehen. Die Antragstellerin habe das wirtschaftlichste Angebot abgegeben und müsse den Zuschlag erhalten.

Die Antragsgegnerin steht demgegenüber auf dem Standpunkt, das Angebot der Antragstellerin sei nicht annehmbar.

Nach einem entsprechenden Hinweis an die Verfahrensbeteiligten hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 22.7.2005 als unzulässig verworfen. Auszugehen sei von dem Schwellenwert nach § 2 Nr. 3 VgV für Liefer- und Dienstleistungsaufträge in Höhe von 200.000 EUR netto, der vorliegend nicht erreicht sei, und nicht von den Schwellenwerten für Bauaufträge. Zwar habe die beabsichtigte Baumaßnahme eine weit über dem Schwellenwert liegende, geschätzte Gesamtauftragssumme, auch habe der Antragsgegner den streitgegenständlichen Auftrag in seine Berechnungstabelle zur Einhaltung der Baukoordinierungsrichtlinie (BKR) aufgenommen. Obwohl eine Ausschreibung nach VOB/A hätte erfolgen müssen, sei die Lieferung der Leuchten nach VOL/A ausgeschrieben worden. Der Antragsgegner habe damit die falsche Verdingungsordnung gewählt, dies habe die Antragstellerin jedoch nicht rechtzeitig gerügt. Eine Berücksichtigung der fehlerhaften Wahl der Verdingungsordnung von Amts wegen komme nicht in Betracht.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie ist der Auffassung, der Nachprüfungsantrag sei zulässig, da der streitgegenständliche Auftrag nach der VOB/A hätte ausgeschrieben werden müssen und der für Bauaufträge maßgebliche Schwellenwert erreicht sei. Mit der Rüge der falschen Verdingungsordnung und Vergabeart sei sie nicht präkludiert, da sie bis zur Akteneinsicht im Nachprüfungsverfahren darauf vertraut habe, dass der Antragsgegner den Auftrag ordnungsgemäß nach VOL/A ausgeschrieben habe und dabei von einem Schwellenwert über 200.000 EUR ausgegangen sei. Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet, da die Vergabestelle zahlreiche formelle und materielle Vergabeverstöße begangen habe.

Die Antragsgegnerin ist dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen getreten.

Der Zuschlag wurde am 24.8.2005 auf das Hauptangebot der Beigeladenen erteilt. Die Antragstellerin beantragt nunmehr, unter Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer festzustellen, dass sie durch den Antragsgegner im Ausschreibungsverfahren in ihren Rechten verletzt worden ist. Das Rechtsmittel erwies sich als unbegründet.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist mit dem Ziel der Feststellung einer Rechtsverletzung zulässig. Die Beschwerdeführerin hat als eine am Verfahren vor der Vergabekammer Beteiligte form- und fristgerecht eine Entscheidung der Vergabekammer angefochten (§ 116 Abs. 1, § 117 GWB). Nachdem sich das Verfahren in der Hauptsache durch die Erteilung des Zuschlags am 24.8.2005 erledigt hat, hat sie nach § 123 Satz 3 und Satz 4 GWB i.V.m. § 114 Abs. 2 GWB einen Antrag auf Feststellung einer Rechtsverletzung gestellt. Da die Feststellung einer Rechtsverletzung der Vorbereitung eines Schadensersatzanspruches wegen der Bindungswirkung des § 124 Abs. 1 GWB dienen kann, ist der Antragstellerin auch ein Feststellungsinteresse nicht abzusprechen.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Voraussetzung für die Feststellung einer Rechtsverletzung sind die Zulässigkeit und Begründetheit des ursprünglich gestellten Nachprüfungsantrags. Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, kann der Feststellungsantrag, der die Fortsetzung des Primärrechtsschutzes darstellt, keinen Erfolg haben.

1. Das Nachprüfungsverfahren ist mangels Erreichen des in § 2 Nr. 3 VgV genannten Schwellenwertes von 200.000 Euro netto nicht eröffnet. § 2 Nr. 5 und 7 VgV, der für Bauaufträge bzw. Lose von Bauaufträgen maßgeblich ist, ist vorliegend für die Bestimmung des Schwellenwertes nicht einschlägig, da der streitgegenständliche Auftrag als Liefer- und nicht als Bauvertrag zu qualifizieren ist.

a) Nach § 100 Abs. 1 GWB gilt der vierte Teil des GWB, dessen zweiter Abschnitt das Nachprüfungsverfahren zur Vergabekammer mit dem Rechtszug zum Vergabesenat regelt, nur für Aufträge, welche die in einer Rechtsverordnung nach § 127 Nr. 1 GWB festgelegten Schwellenwerte erreichen oder übersteigen. Der Verordnungsgeber hat die Schwellenwerte in § 2 VgV festgelegt. Welcher Schwellenwert erreicht werden muss, um ein Nachprüfungsverfahren einleiten zu können, hängt davon ab, welche Leistung Gegenstand des zu vergebenden Auftrags ist.

(1) Für Bauaufträge sieht der Verordnungsgeber einen Schwellenwert von 5 Millionen Euro vor. Wird ein solches Bauvorhaben losweise vergeben, zählen auch Lose unterhalb von 1 Million Euro mit einem addierten Wert ab 20 vom Hundert des Gesamtwertes aller Lose dazu (§ 2 Nr. 5 und 7 VgV).

Nach § 99 Abs. 3 GWB sind Bauaufträge entweder Verträge über die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung eines Bauvorhabens oder eines Bauwerks, das Ergebnis von Tief- und Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll, oder einer Bauleistung durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen (vgl. Art. 1 lit. a und lit. c BKR). Zur Ausführung eines Bauvorhabens zählen alle Arbeiten, die für ein Bauwerk oder an einem solchen erbracht werden, wie sie sich zum Beispiel aus dem "Verzeichnis der Berufstätigkeit im Baugewerbe entsprechend dem Allgemeinen Verzeichnis der wirtschaftlichen Tätigkeiten in der Europäischen Gemeinschaft (NACE)" ergeben, das als Anhang II der BKR Bestandteil der Richtlinie ist. Ergänzend kann, sofern sich kein Widerspruch zum gemeinschaftsrechtlich geprägten Begriff in § 99 Abs. 3 GWB ergibt, auf § 1 VOB/A und die dazu entwickelte Kasuistik zurückgegriffen werden (vgl. BayObLG vom 23.7.2002, Verg 17/02 m.w.N.). Danach sind Bauleistungen Arbeiten jeder Art, durch die eine bauliche Anlage hergestellt, instand gehalten, geändert oder beseitigt wird (§ 1 VOB/A). Lieferaufträge sind demgegenüber Verträge zur Beschaffung von Waren, die insbesondere Kauf oder Ratenkauf oder Leasing, Miete oder Pacht mit oder ohne Kaufoptionen betreffen. Die Verträge können auch Nebenleistungen umfassen (§ 99 Abs. 2 GWB, Art. 1 lit. a der Lieferkoordinierungsrichtlinie - LKR).

Vorliegend plant der Antragsgegner zwar die Errichtung eines Bauwerks. Für das Bauvorhaben hat die Vergabestelle eine weit über dem Schwellenwert nach § 2 Nr. 5 VgV liegende Gesamtauftragssumme von ca. 15 Millionen Euro veranschlagt. Da die Leistungen losweise vergeben werden, hat sie entsprechend § 2 Nr. 7 VgV eine Aufstellung über die Aufträge gemacht, die zum ausschreibungsbedürftigen 80%-Kontingent zählen sollen. In dieser Liste ist der Auftrag enthalten, für den die Antragstellerin den Zuschlag begehrt.

Gegenstand der streitgegenständlichen Ausschreibung ist jedoch ausschließlich eine Lieferverpflichtung ohne Montage- oder Einbauleistung. Nach der Leistungsbeschreibung werden marktübliche Beleuchtungskörper einschließlich Zubehör verlangt, wie sie eine Reihe von Herstellern anbieten, ohne dass eine spezifische Be- oder Verarbeitung oder Anpassung an die baulichen Gegebenheiten verlangt wird. Bei der geforderten Leistung handelt es sich damit nicht um eine Bauleistung im Sinne von § 1 VOB/A bzw. § 99 Abs. 3 GWB sowie Art. 1 lit. a und lit. c BKR. Denn der Begriff der Bauleistung setzt sowohl nach der VOB/A als auch nach § 99 Abs. 3 GWB bzw. Art. 1 lit. a und lit. c BKR eine Arbeitsleistung am Bauwerk voraus. Hierzu zählen die handwerklichen Leistungen vor Ort. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann auch die Lieferung von Gegen-ständen, die der Auftragnehmer den konkreten baulichen Verhältnissen anzupassen, vor Ort einzubauen oder zu montieren hat, eine Bauleistung sein. Aufträge, die dagegen nicht über den reinen Austausch einer Ware gegen Vergütung hinausgehen, die insbesondere die bloße Lieferung von Baustoffen oder Bauteilen ohne individuelle, auf das Bauvorhaben bezogene Be- oder Verarbeitung zum Gegenstand haben, haben keinen hinreichend engen funktionalen Zusammenhang mit der Erstellung des Bauwerks. Sie zählen nicht zu den Bau-, sondern zu den Lieferaufträgen (vgl. Rusam in Heiermann/Riedl/Rusam VOB 10. Aufl. § 1 Rn. 15, Rn. 26 a; Messerschmidt in Beck'scher VOB-Kommentar § 1 Rn. 30/31; Korbion in Ingenstau/Korbion VOB 15. Aufl. § 1 Rn. 43; Stickler in Reidt/Stickler/Glahs Vergaberecht § 99 Rn. 19).

Insoweit unterscheidet sich der Gegenstand des streitgegenständlichen Auftrags auch von anderen typischen Sachverhaltskonstellationen, bei denen die Rechtsprechung regelmäßig eine Bauleistung bejaht. Hierzu zählen beispielsweise die Fälle der Vergabe ausschreibungspflichtiger bauhandwerklicher Leistung zusammen mit einer nicht ausschreibungsbedürftigen Lieferverpflichtung (vgl. BayObLG vom 23.1.2003, Verg 2/03) oder die Lieferung und die Montage einer individuell angefertigten Ausstattung eines Gebäudes, die für die beabsichtigte Nutzung und damit zur Herstellung der funktionalen Einheit zwingend notwendig ist (vgl. OLG Dresden vom 2.11.2004 WVerg 11/04 "Lehrwerkstatt"). Allein der Umstand, dass die Vergabestelle die ausgeschriebenen Beleuchtungskörper für ein bestimmtes Bauvorhaben verwenden will, genügt nicht. Eine über den Beschaffungsvorgang hinausgehende bauvertragliche Tätigkeit, die eine Zuordnung als Bauleistung rechtfertigen könnte, ist nicht gegeben.

Unerheblich ist auch, dass die Antragstellerin aufgrund einer weiteren Ausschreibung die Elektroinstallation am Bauvorhaben übernommen hat und im Zuge dieses Auftrags zum Einbau bzw. der Montage der Beleuchtungskörper verpflichtet ist. Dass gerade die Antragstellerin den Zuschlag für diese Leistung erhalten hat, ist Zufall und verbindet nicht die getrennt ausgeschriebenen Leistungen zu einem Auftrag.

Auch der Umstand, dass die Vergabestelle den streitgegenständlichen Auftrag in das 80%-Kontingent nach § 1 a Nr. 1 Abs. 2 VOB/A aufgenommen hat, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Ob die zu vergebende Leistung als Liefer- oder Bauleistung zu qualifizieren ist, hängt nicht von der internen Beurteilung durch die Vergabestelle ab, sondern von den objektiven Gegebenheiten. Auch eine etwaige fehlerhafte Einordnung in das 80%-Kontingent nach § 2 Nr. 7 VgV ändert hieran nichts.

(2) Bei der Bemessung des Auftragswertes der ausgeschriebenen Maßnahme ist von der geschätzten Gesamtvergütung für die vorgesehene Leistung ohne Berücksichtigung der Umsatzsteuer auszugehen (§ 3 Abs. 1 VgV). Die Schätzung hat vor der Einleitung des Vergabeverfahrens zu erfolgen (§ 3 Abs. 10 VgV). Sie ist vom Auftraggeber pflichtgemäß nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Marktsituation und auf der Grundlage sorgfältiger betriebswirtschaftlicher Finanzplanung durchzuführen. Der Wert eines beabsichtigten Auftrags darf nicht in der Absicht geschätzt oder aufgeteilt werden, einen Auftrag der Anwendung des VgV zu entziehen (§ 3 Abs. 2 VgV).

Die Vergabestelle hat die voraussichtliche Auftragssumme für die Beleuchtungsanlage in ihrer internen, vor der Ausschreibung erstellten Liste mit 199.010,00 Euro netto veranschlagt. Anhaltspunkte dafür, dass der Betrag bei objektiver Betrachtung zu niedrig angesetzt wurde, liegen nicht vor. Die Schätzung steht insbesondere nicht im Widerspruch zum Ergebnis der Ausschreibung, denn alle Bieter haben Angebote zu einem deutlich unter 200.000 Euro liegenden Preis abgegeben.

Dass die Vergabestelle den Auftrag für die Lieferung der Beleuchtung aus sachfremden Gründen ohne Montage- bzw. Installationsarbeiten ausgeschrieben hat, dass dies insbesondere den Zweck hatte, sich vergaberechtlichen Pflichten zu entziehen, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Vergabestelle hat die Montage der Beleuchtungskörper als Teil der Elektroinstallationsarbeiten angesehen und den Auftrag für diese Leistungen in einer gesonderten Ausschreibung vergeben. Die Zusammenfassung dieser Arbeiten erscheint aus fachtechnischer Sicht sinnvoll und ist nicht zu beanstanden. Andererseits liegen keine Gründe vor, die Ausschreibung der Installationsarbeiten zwingend mit der Ausschreibung für die Lieferung der Beleuchtungskörper zu verbinden. Zwar sollen Bauleistungen in der Regel mit den zur Leistung gehörenden Lieferungen vergeben werden (§ 4 Nr. 1 VOB/A). Damit werden klare und voneinander abgrenzbare Verantwortungsbereiche geschaffen, für eine einheitliche Gewährleistung gesorgt und Streitpunkte über die Zuordnung etwaiger Mängel vermieden. Demgegenüber können jedoch auch wirtschaftliche oder technische Überlegungen Anlass für eine Trennung zwischen der Beschaffung von Gegenständen und deren Einbau in das Bauwerk sein. Vorliegend ermöglichte beispielsweise die gesonderte Ausschreibung der gewünschten Beleuchtung auch reinen Herstellerfirmen die Teilnahme am Wettbewerb. Zudem dürfte der Einbau von montagefertig gelieferten Leuchten keine großen handwerklichen oder organisatorischen Probleme aufwerfen, so dass auch insoweit eine gemeinsame Ausschreibung von Lieferung und Montage fachlich nicht geboten war.

Die geschätzte Vergütung für den streitgegenständlichen Auftrag erhöht sich auch nicht dadurch, dass mehrere Lose zu addieren sind. Bestehen die zu vergebenden Aufträge aus mehreren Losen, für die jeweils ein gesonderter Auftrag vergeben wird, müssen bei der Schätzung grundsätzlich alle Lose berücksichtigt werden (§ 3 Abs. 5 Satz 1 VgV). Bei Lieferaufträgen sind jedoch nur die Lose über gleichartige Lieferungen zu addieren (§ 3 Abs. 5 Satz 2 VgV). In der von der Vergabestelle erstellten Liste der zu vergebenden Leistungen ist kein weiterer Lieferauftrag über eine gleichartige Leistung enthalten.

§ 3 Abs. 7 VgV führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Die Vorschrift regelt die Schätzung des Auftragswertes von Bauleistungen. Bei diesen ist auch der geschätzte Wert der Lieferungen zu berücksichtigen, die für die Ausführung der Bauleistungen erforderlich sind und vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden. Vorliegend ist jedoch nicht der Auftragswert der Bauleistung, sondern der Auftragswert des Lieferauftrags zu bestimmen.

b) Auch § 2 Nr. 2 VgV, der für die Ausschreibung von Lieferaufträgen durch oberste oder obere Bundesbehörden sowie bestimmte Bundeseinrichtungen einen Schwellenwert von 130.000 Euro vorsieht, eröffnet nicht das Nachprüfungsverfahren. Auftraggeber für das Vorhaben ist eine Landesbehörde. Auf die Frage, ob die geplante Fachhochschule teilweise durch Bundesmittel finanziert wird, kommt es nicht an. § 2 Nr. 2 VgV stellt ausschließlich darauf ab, welche Behörde den Auftrag vergibt und nicht welcher Haushaltsetat zur Bezahlung des Auftrags vorgesehen ist.

c) Ebenso wenig folgt die Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens daraus, dass die Vergabestelle für den streitgegenständlichen Auftrag eine europaweite Ausschreibung durchgeführt und darin auf die Zuständigkeit der Vergabekammer nach § 104 GWB hingewiesen hat. Ausschließlich maßgeblich für die Anwendbarkeit der §§ 97 ff GWB ist, ob der geschätzte Auftragswert den in der Verordnung zu § 100 Abs. 1 GWB festgelegten Schwellenwert erreicht. Weder eine irrtümliche noch eine freiwillige Unterwerfung der Vergabestelle unter die Bestimmungen des GWB hat Einfluss auf den gesetzlich festgelegten Rechtsweg. Eine etwaige Selbstbindung des öffentlichen Auftraggebers beschränkt sich auf sein eigenes Verhalten, eine vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Überprüfungsmöglichkeit durch die Vergabekammer bzw. den Vergabesenat für Aufträge unterhalb des Schwellenwerts kann dadurch nicht eröffnet werden (vgl. OLG Stuttgart vom 12.8.2002, 2 Verg 9/02 = NZBau 2003, 340; OLG Düsseldorf vom 31.3.2004, Verg 74/03 = IBR 2004, 637).

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