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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 12.04.2005
Aktenzeichen: Verg 6/05
Rechtsgebiete: VOB/A


Vorschriften:

VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b
VOB/A § 24 Nr. 3
VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3
Ein Angebot, welches den Umfang des geplanten Nachunternehmereinsatzes nur unvollständig enthält, ist zwingend auszuschließen. Die Unvollständigkeit der Angaben kann sich insoweit aus den eingereichten Formblättern zur Preisermittlung ergeben, auch wenn diese nicht Vertragsbestandteil sind. Die Unvollständigkeit der Angaben kann nicht im Rahmen von Nachverhandlungen geheilt werden.
Gründe:

I.

Das Straßenbauamt S. (im Folgenden: Vergabestelle) schrieb europaweit den Neubau der Saaletalbrücke im Offenen Verfahren aus. Die Antragstellerin gab mit 6.859.507,95 EUR brutto das preisgünstigste Hauptangebot ab; die Beigeladene lag mit 7.024.669,21 EUR brutto an zweiter Stelle. Im Formular EVM BwB/E war unter Ziffer 6 "Nachunternehmer" vermerkt: "Beabsichtigt der Bieter, Teile der Leistung von Nachunternehmern ausführen zu lassen, muss er in seinem Angebot Art und Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen angeben und auf Verlangen die vorgesehenen Nachunternehmer benennen." Die Antragstellerin erklärte unter Ziffer 5.1 des Formulars EVM Ang, Leistungen, auf die ihr Betrieb eingerichtet sei, im eigenen Betrieb auszuführen. Unter Ziffer 5.2 gab sie an, die in der beigefügten Liste aufgeführten Leistungen an Nachunternehmer zu übertragen, weil ihr Betrieb nicht auf diese Leistungen eingerichtet sei. In der Liste des Formblattes EVM NU waren von der Antragstellerin "Bewehrungsarbeiten - Spannstahl + Schlaffstahl, Bohrpfahlarbeiten sowie Verbauarbeiten" benannt; diese Positionen machen einen Betrag von 2.053.555,86 EUR aus. Im Formblatt zur Preisermittlung EFB Preis 1b sind die Nachunternehmerleistungen mit 3.029.456 EUR netto beziffert. Über die in der Nachunternehmer-Liste aufgeführten Leistungen hinaus sind im Formular EFB - Preis 2 für weitere Ordnungsziffern des Leistungsverzeichnisses Kosten für Nachunternehmer eingesetzt.

Im Bietergespräch vom 12.8.2004 sagte die Antragstellerin zu, eine Liste mit den anteiligen Leistungen, die durch Nachunternehmer ausgeführt werden, vorzulegen, wobei unterschieden werden sollte in konzerneigene Nachunternehmerleistungen und Nachunternehmerleistungen von Fremdfirmen. Ebenso sollte das Formblatt EFB Preis 2 um eine solche Spalte ergänzt und die fehlenden und unstimmigen Angaben im Formblatt EFB - Preis 1b nachgereicht werden. Mit Schreiben vom 16.8.2004 reichte die Antragstellerin die verlangten Unterlagen ein. Aus ihnen ergab sich für eigene Leistungen, Konzernleistungen und für Nachunternehmerleistungen von Fremdfirmen jeweils derselbe Zuschlag, sowie über die bereits benannten Nachunternehmerleistungen hinaus weitere Gewerke, die an Nachunternehmer übertragen werden sollten. Bei den Gewerken Erdarbeiten, Straßenbauarbeiten und Abdichtungsarbeiten war als Nachunternehmer "NU/Konzernleistung" verzeichnet; unten auf dem Formular (Anlage 10 zu dem Schreiben) war als weiterer Vermerk angebracht: "Konzern behält sich Einstiegsrecht vor!" Die "möglichen Konzernleistungen (anstelle von Nachunternehmerleistungen)" wurden in einem weiteren Schreiben vom 20.8.2004 konkretisiert; die Gewerke entsprachen den im Schreiben vom 16.8.2004 mit dem Vermerk "NU/Konzernleistung" angegebenen Gewerken.

Auf den verbliebenen Widerspruch zwischen den Angaben auf den Formblättern EVM NU (Nachunternehmerleistungen von 2.053.555,86 EUR), EFB Preis 1b (Nachunternehmerleistungen von 3.029.456,00 EUR) sowie der Anlage 10 zum Schreiben vom 16.8.2004 wurde die Antragstellerin am 30.11.2004 von der Vergabestelle aufmerksam gemacht und um Klärung bis zum 1.12.2004 gebeten. Mit Fax vom 2.12.2004 erklärte die Antragstellerin die unterschiedlichen Beträge damit, dass sie im Formblatt EVM NU nur diejenigen Nachunternehmerleistungen aufgelistet habe, die sie selbst auf keinen Fall ausführen könne. Der zutreffend errechnete Betrag von 2.053.555,86 EUR sei um 94.772,55 EUR zu kürzen, da in der Position Spannstahl ein entsprechender Eigenleistungsanteil enthalten sei. Die Gesamtnachunternehmerleistungen wurden in einer beigegebenen Liste untergliedert in konzernfremde mit "A" gekennzeichnete Leistungen, die bereits im Formblatt EVM NU aufgeführt waren, und solche, die mit "S" gekennzeichnet waren. Zur Erklärung führte die Antragstellerin aus, alle in der Aufstellung aufgeführten Leistungen mit Ausnahme der mit "A" gekennzeichneten Positionen könnten sowohl als Nachunternehmer- bzw. als Konzernleistung ausgeführt werden.

Die Oberste Baubehörde in Bayerischen Staatsministerium des Innern schlug mit Schreiben vom 20.12.2004 dem zuständigen Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vor, den Zuschlag auf das Hauptangebot der Beigeladenen zu erteilen. Das Angebot der Antragstellerin sei auszuschließen, weil es widersprüchliche Angaben zum geplanten Nachunternehmereinsatz enthalte. Die Antragstellerin habe im Formular EVM NU diejenigen Leistungen aufgelistet, die auf jeden Fall an Nachunternehmer vergeben werden sollten und sich ansonsten die Vergabe weiterer Nachunternehmerleistungen bis zur Höhe der im Formblatt EFB Preis 1b genannten Summe vorbehalten. Die Erklärungen zu Art und Umfang eines beabsichtigten Nachunternehmereinsatzes seien demnach in sich widersprüchlich, weil die Antragstellerin Ziffer 5.1 des Formblattes EVM Ang nicht angekreuzt und damit eine Vergabe von Leistungen, auf die ihr Betrieb eingerichtet sei, an Nachunternehmer ausgeschlossen habe. Das Bundesministerium stimmte dem Vergabevorschlag zu. Dementsprechend teilte die Vergabestelle der Antragstellerin mit Schreiben vom 12.1.2005 mit, es sei beabsichtigt, den Zuschlag auf das Hauptangebot der Beigeladenen zu erteilen. Ihr Angebot werde gemäß § 25 Nr. 1 VOB/A ausgeschlossen, weil es nicht vollständig und widersprüchlich sei. Auf Rügeschreiben der Antragstellerin vom 18.1.2005 erläuterte die Vergabestelle im Schreiben vom 20.1.2005 nochmals den Widerspruch zwischen den Angaben auf den Formularen EFB Preis 1b und EVM NU.

Am 24.1.2005 stellte die Antragstellerin Nachprüfungsantrag. Ihre Angaben zum geplanten Nachunternehmereinsatz seien nicht widersprüchlich. Sie habe stets und auch im Bietergespräch erläutert, dass sie auf dem Formular EVM NU diejenigen Leistungen aufgeführt habe, die nicht durch die Konzerne der Bietergemeinschaft erbracht werden könnten. Die Angaben im Formular Preis EFB 1b enthielten demgegenüber alle diejenigen Fremdleistungen, die nicht durch die Bietergemeinschaft selbst erbracht werden könnten. Da das Formular EFB Preis 1b keine Unterscheidung zwischen konzerneigenen und fremden Nachunternehmerleistungen vorsehe, habe sich zwangsläufig eine Differenz ergeben müssen. Konzernleistungen seien keine Leistung der Bietergemeinschaft, sondern ebenfalls Nachunternehmerleistungen. Da der Kostenzuschlag aber für alle Leistungsarten gleich sei, seien Verschiebungen zum Nachteil des Auftraggebers nicht möglich.

Mit Beschluss vom 8.3.2005 lehnte die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag ab. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie einen Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung verbunden hat.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Die Entscheidung der Vergabekammer ist der Antragstellerin am 9.3.2005 zugestellt worden, so dass das am 23.3.2005 bei Gericht eingegangene Rechtsmittel fristgerecht war. Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil die sofortige Beschwerde der Antragstellerin nach der im Verfahren nach § 118 GWB gebotenen summarischen Prüfung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 118 Abs. 2 Satz 1 GWB).

2. Die Vergabestelle hat zu Recht das Angebot der Antragstellerin nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A von der Wertung ausgeschlossen. Die Angaben der Antragstellerin zu dem von ihr beabsichtigten Nachunternehmereinsatz in ihrem Angebot sind unvollständig.

a) Ein Angebot, das entgegen § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A nicht sämtliche von der Vergabestelle geforderten Erklärungen enthält, ist nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOB/A zwingend auszuschließen. Trotz des Wortlauts "sollen" kann ein Angebot eines Bieters nur dann in die Wertung kommen, wenn es die Preise und die vom öffentlichen Auftraggeber geforderten Erklärungen vollständig enthält. Der Bieter muss im Rahmen des Zumutbaren angeben und erklären, was ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert und somit als Umstand ausgewiesen ist, der für die Vergabeentscheidung relevant sein soll (BGH Beschluss vom 18.2.2003 - X ZB 43/02). Fordert der Auftraggeber bestimmte Erklärungen, müssen diese demnach grundsätzlich und ohne Rücksicht darauf, ob und in welcher Weise sie Wettbewerbsrelevanz haben, abgegeben werden. Zu diesen Erklärungen zählen auch Angaben dazu, ob und in welchem Umfang der Bieter Nachunternehmer einsetzen will. Angaben zu Art und Umfang eines geplanten Nachunternehmereinsatzes müssen so gestaltet sein, dass der Auftraggeber weiß, für welche Leistungen in welchem Umfang Nachunternehmer eingesetzt werden sollen (BayObLG Beschluss vom 25.9.2003 - Verg 14/03). Der Ausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs.1 Buchst. b VOB/A ist zwingend; dem öffentlichen Auftraggeber steht kein wie immer gearteter Ermessensspielraum zu, da er sonst gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen würde. Eine Ausnahme kann nur dann gemacht werden, wenn eine Wettbewerbsrelevanz der geforderten Erklärung offensichtlich ausgeschlossen ist, das Fehlen der geforderten Erklärung also unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu einer Wettbewerbsverzerrung führen kann (BayObLG Beschluss vom 27.7.2004 - Verg 14/04; Beschluss vom 28.5.2003 - Verg 6/03.). Da die Erklärungen des Bieters in seinem Angebot Willenserklärungen sind, sind sie bei Unklarheiten zur Feststellung ihres Inhalts zunächst auszulegen. Bei der Auslegung nach § 133 BGB ist auf die Sicht einer verständigen Vergabestelle in deren damaliger Situation abzustellen (BayObLG Beschluss vom 27.7.2004 - Verg 14/04).

b) Die Antragstellerin hat im Formular EVM Ang durch Ankreuzen des entsprechenden Kästchens 5.2 erklärt, sie werde Nachunternehmer nur für solche Leistungen einsetzen, auf die ihr Betrieb nicht eingerichtet sei. Die Auslegung des Wortes "Betrieb" ergibt hier, dass nur die Gesellschaften der Bietergemeinschaft selbst gemeint sein können. Eine Auslegung dahingehend, dass hier zusätzlich konzernverbundene Unternehmen gemeint sein könnten, Betrieb also im Sinne von Konzernverbund zu verstehen sei, wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Unternehmen der Bietergemeinschaft Mutterunternehmen eines Konzerns wären, die unmittelbar auf die Töchterunternehmen zugreifen könnten (vgl. hierzu OLG Saarbrücken Beschluss vom 21.4.2004 - 1 Verg 1/04; VK Sachsen Beschluss vom 19.1.2004 - 1/SVK/158/03; Beschluss vom 13.5.2002 - 1/SVK/27/02; VK Lüneburg Beschluss vom 29.4.2004 - 203-VgK-11/2004). Denn dann wäre aufgrund der Beherrschung eine verbindliche Verpflichtung der Töchterunternehmen wie im eigenen Betrieb möglich. Davon kann hier nicht die Rede sein. Zum einen trägt die Antragstellerin selbst eine solche Konstellation nicht vor, und zum anderen ergibt sich im Gegenteil aus dem Vermerk "Konzern behält sich Einstiegsrecht vor" auf der Anlage 10 zum Schreiben der Antragstellerin vom 16.8.2004, dass die Bietergemeinschaft oder eines der beteiligten Unternehmen von anderen Konzernunternehmen abhängig ist. Damit sind die Leistungen, welche durch konzernverbundene Unternehmen durchgeführt werden sollen, nicht als Eigenleistungen, sondern als Nachunternehmerleistungen zu qualifizieren (vgl. VK Sachsen aaO). Die Eigenleistung endet dort, wo der Bieter keine Möglichkeit hat, Art und Durchführung der Leistung selbst zu bestimmen. Aus diesem Grund ist die Vergabestelle auch nicht dazu verpflichtet, Eigenleistungen in Leistungen, die im eigenen Betrieb erbracht werden, und Leistungen, die durch konzernverbundene Unternehmen erbracht werden, zu unterteilen.

Selbst wenn die Antragstellerin den Begriff Betrieb als "Konzern" verstanden haben sollte, kann dies an der gefundenen Auslegung nichts ändern. Entscheidend ist bei der Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen der objektive Erklärungswert. Es ist nach § 133 BGB darauf abzustellen, wie der Erklärungsempfänger eine Willenserklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 133 Rn. 9). Die Vergabestelle muss ohne nähere Anhaltspunkte deshalb nicht damit rechnen, dass unter Leistungen im eigenen Betrieb auch Leistungen konzernverbundener Unternehmen zu verstehen sein sollen (vgl. hierzu OLG Frankfurt Beschluss vom 27.6.2003 - 11 VErg 4/03). Im Übrigen hätte, legt man die Auslegung der Antragstellerin zugrunde, diese konsequenterweise das Kästchen 5.1 zusätzlich ankreuzen müssen, da sie ja - wie sich aus dem Formular EFB Preis 1b und Anlage 10 zum Schreiben vom 16.8.2004 ergab - Leistungen, auf die der Konzern eingerichtet war, möglicherweise an konzernfremde Unternehmen vergeben wollte. Aufgrund dieser Auslegung wäre ihr Angebot deshalb wegen Widersprüchlichkeit auszuschließen.

c) Das Angebot der Antragstellerin besagt, dass nur solche Leistungen auf Nachunternehmer übertragen werden sollen, zu denen der eigene Betrieb nicht in der Lage ist. Zur näheren Erläuterung des geplanten Nachunternehmereinsatzes hat die Vergabestelle weiter Angaben auf dem übersandten Formular EVM NU dazu verlangt, um welche Leistungen es sich im Einzelnen handelt. Die Antragstellerin hat hier drei Teilleistungen klar und eindeutig beschrieben. Hierin liegt zugleich die Erklärung, dass sie alle anderen Leistungen selbst erbringen und nicht auf Nachunternehmer übertragen werde.

Diesen Angaben widersprechen aber die weiteren Erklärungen, welche die Antragstellerin auf dem gleichzeitig von ihr eingereichten Formblatt EFB Preis 1b gemacht hat. Zwar wird das Preisblatt nicht Vertragsbestandteil, doch dient es zur Abklärung und Kontrolle der vertraglichen Erklärungen eines Bieters. Auch wenn die Angaben im Angebot selbst zu einer rechtsverbindlichen und letztlich einklagbaren Verpflichtung führen, muss sich die Vergabestelle mit diesen Angaben nicht zufrieden geben, wenn sich aus den weiteren eingereichten Unterlagen oder dem Bietergespräch Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die rechtsverbindlich abgegebenen Erklärungen unvollständig sind (vgl. BGH Beschluss vom 18.5.2004 - X ZB 7/04; OLG Frankfurt Beschluss vom 27.6.2003 - 11 Verg 4/03). Aus dem Formular EFB Preis 1b sind Nachunternehmerleistungen in weitaus höherem Umfang ersichtlich, da nun nicht nur die drei bisher geschilderten Teilleistungen, sondern weitere Teilleistungen in erheblichem Umfang aufgeführt sind. Schon bei Einreichung des Angebotes lag damit ein deutlicher Widerspruch hinsichtlich des Umfangs des geplanten Nachunternehmereinsatzes vor. Die Antragstellerin hat zudem in sämtlichen nachfolgenden Gesprächen und Schreiben gegenüber der Vergabestelle erläutert, dass sie über die im Formblatt EVM NU bezeichneten Leistungen hinaus weitere Nachunternehmerleistungen vergeben werde. Der von ihr dargelegte Umfang übersteigt den im Angebot selbst angegebenen beträchtlich, nämlich um ein Drittel. Die Angaben im Formular EVM NU sind demnach von Anfang an nur scheinbar vollständig gewesen, da ein Drittel der geplanten Nachunternehmerleistungen nicht aufgeführt ist. Um ein vollständiges Angebot abzugeben, hätte die Antragstellerin auch die weiteren von ihr geplanten Nachunternehmerleistungen benennen müssen.

d) Bei der Erklärung über Art und Umfang eines geplanten Nachunternehmereinsatzes handelt es sich grundsätzlich um eine kalkulationserhebliche Erklärung, die sich wegen ihrer erheblichen Bedeutung für die Beurteilung der Sachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit eines Bieters auf die Wettbewerbsstellung auswirkt (BayObLG Beschluss vom 15.4.2003 - Verg 5/03 m.w.N.). Eine Wettbewerbsrelevanz kann ihr auch dann nicht abgesprochen werden, wenn wie hier, für alle Leistungen derselbe Kostenzuschlag berechnet wird, wodurch zwar eine Preismanipulation zum Nachteil der Vergabestelle ausscheidet, ein kalkulatorischer Wettbewerbsvorteil für den Bieter aber bestehen bleibt.

e) Die Unvollständigkeit hat die Antragstellerin beim Bietergespräch vom 12.8.2004 dahingehend zu erklären versucht, dass sie bei den Eintragungen im Formular EVM NU die Leistungen der konzernverbundenen Unternehmen nicht als Nachunternehmerleistung behandelt habe, wohl aber bei den Eintragungen im Preisblatt. Dies stimmt mit den Berechnungen der Vergabestelle und den anschließend von der Antragstellerin eingereichten und überarbeiteten Formularen überein. Ob die zusätzlich geplanten Nachunternehmerleistungen durch Fremdfirmen oder durch konzernverbundene Unternehmen erbracht werden sollten, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, weil wegen des fehlenden Weisungsrechts der Antragstellerin auch die Leistungen konzernverbundener Unternehmen als Nachunternehmerleistungen zu qualifizieren sind. Das Bietergespräch hat somit offenbart, dass die Erklärung der Antragstellerin in ihrem Angebot, sie wolle nur drei Teilleistungen auf Nachunternehmer übertragen, von Anfang an unzutreffend und unvollständig war. Es ist deutlich geworden, dass die Antragstellerin die von ihr zusätzlich an Nachunternehmer zu vergebenden Leistungen praktisch im Begriff Betrieb "versteckt" hat (vgl. zu einem ähnlichen Problem bei Preisangaben BGH Beschluss vom 18.5.2004 - X ZB 7/04), da sie den Begriff Betrieb im Angebot selbst als Konzern verstehen will, im Preisformular aber nicht.

Es ist aber weder Aufgabe der Vergabestelle noch ist es für sie zumutbar, erst durch intensive Durchsicht der Angebotsunterlagen herauszufinden, in welchem Umfang der Bieter den Einsatz von Nachunternehmerleistungen angeboten (BayObLG Beschluss vom 15.4.2003 - Verg 5/03) und in welchem Sinne er einen Begriff der Angebotsunterlagen jeweils verstanden haben will. Die Vergabestelle muss sich vielmehr darauf verlassen können, dass der Umfang des geplanten Nachunternehmereinsatzes präzise und unmissverständlich dargelegt und derselbe Begriff nicht in einem Formblatt auf diese, in einem anderen Formblatt auf jene Weise verwendet wird.

f) Trotz der Aufklärung im Bietergespräch und den hiermit im Zusammenhang stehenden Schreiben und Erläuterungen seitens der Antragstellerin, welche nun zu einer Klarheit über den Umfang des Nachunternehmereinsatzes geführt haben, kann das Angebot der Antragstellerin nicht in die Wertung aufgenommen werden. Sinn von Nachverhandlungen nach § 24 VOB/A ist es lediglich, dem Auftraggeber zur näheren Abklärung des Angebotsinhalts weitere Informationen an die Hand zu geben. Unstatthaft ist es jedoch, ein unvollständiges Angebot durch Nachverhandlungen erst vollständig zu machen (BayObLG Beschluss vom 15.4.2003 - Verg 5/03), denn dann würde der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt (Rusam in Heiermann/Riedl/Rusam VOB/A 10. Aufl. § 24 Rn. 22). Jeder Bieter muss sich darauf verlassen können, dass nicht nur für ihn, sondern auch für alle anderen Bieter die Unabänderbarkeit des einmal abgegebenen Angebots gilt, und dass Sonderverhandlungen mit einzelnen Bietern nicht zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung dieser Bieter führen. Verhandlungen über eine nachträgliche Verschiebung der Anteile zwischen Hauptunternehmer und Nachunternehmer sind wegen der inhaltlichen Abänderung des Angebots nicht mehr von § 24 VOB/A gedeckt (OLG Frankfurt Beschluss vom 27.6.2003 - 11 Verg 4/03; VK Münster Beschluss vom 23.10.2002 - VK 11/02). Es war somit für die Antragstellerin nicht mehr statthaft, den bei Angebotsabgabe nur unvollständig erklärten Nachunternehmereinsatz im Rahmen des Bietergespräches zu vervollständigen.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats Kosten des Beschwerdeverfahrens, über die im Rahmen der Entscheidung über die Hauptsache zu befinden sein wird.

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