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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 09.02.2007
Aktenzeichen: W (KAPMU) 1/06
Rechtsgebiete: KapMuG


Vorschriften:

KapMuG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
KapMuG § 4 Abs. 4
1. Gegen die Entscheidung des Landgerichts, den Musterfeststellungsantrag gemäß § 4 Abs. 4 KapMuG zurückzuweisen, weil innerhalb von vier Monaten nach Bekanntmachung des zeitlich ersten Musterfeststellungsantrags nicht die erforderliche Anzahl gleichgerichteter Anträge beim Prozessgericht gestellt worden ist, ist die sofortige Beschwerde statthaft.

2. Bei der Frage, ob das gem. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 KapMuG erforderliche Quorum erreicht ist, ist nicht darauf abzustellen, ob in den Verfahren, in denen Musterfeststellungsanträge gestellt wurden, mindestens 10 Kläger auftreten, sondern vielmehr entscheidend, ob in mindestens 10 Verfahren Musterfeststellungsanträge gestellt worden sind.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: W (KAPMU) 1/06

In dem Rechtsstreit

wegen Musterfeststellungsantrag

hier: sofortige Beschwerde

erlässt der Senat für Kapitalanleger-Musterverfahren des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter am 09.02.2007 folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 16.10.2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Beschwerdeführer tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 10.000,00 festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit ihrer Klage vom 24.09.2004 verlangen die Kläger zu 1) bis 14) in einfacher Streitgenossenschaft Schadensersatz wegen des Erwerbs von Aktien der Infomatec AG aufgrund behaupteter unrichtiger Ad-hoc-Mitteilungen.

Der Klägervertreter stellte mit Schriftsatz vom 20.01.2006 beim Landgericht Augsburg für die Kläger zu 2), zu 3), zu 7), zu 8) bis zu 10), zu 12) bis 14) einen Musterfeststellungsantrag mit verschiedenen Feststellungszielen. Hinsichtlich des Inhalts des Antrags wird auf Bl. 379/449 d.A. verwiesen.

Am 06.04.2006 hat das Landgericht Augsburg beschlossen, den Musterfeststellungsantrag im Klageregister öffentlich bekannt zu machen. Der Musterfeststellungsantrag wurde am 18.05.2006 im Klageregister veröffentlicht.

Mit Beschluss vom 16.10.2006, der dem Klägervertreter am 19.10.2006 zugestellt worden ist, hat das Landgericht Augsburg den Antrag auf Herbeiführung einer Entscheidung über den Musterfeststellungsantrag zurückgewiesen.

Zur Begründung führt das Landgericht aus, dass die Voraussetzungen für eine Vorlage gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 2 KapMuG nicht vorlägen, da innerhalb von vier Monaten nach Bekanntmachung des ersten Antrags lediglich in vier weiteren Verfahren gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge gestellt worden seien. Unerheblich sei, dass in den fünf im Klageregister eingetragenen Verfahren mehr als 10 Kläger aufträten. Für den Begriff der "weiteren Verfahren" sei schon nach dem allgemeinen Wortsinn auf gesondert erfasste Vorgänge mit eigenem Aktenzeichen abzustellen.

Für diese Auslegung spreche auch der Sinn und Zweck des Gesetzes:

In Fällen, in denen eine Vielzahl erstinstanzlicher Gerichte mit gleichartigen Kapitalanlagenhaftungsfällen befasst sei, sollten zur Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen und aus Gründen der Prozessökonomie bestimmte Streitpunkte obergerichtlich mit Bindungswirkung vorab entschieden werden. Dies setze voraus, dass sich die fraglichen Streitpunkte tatsächlich in einer ganzen Reihe weiterer Verfahren stellten, ohne eine Vorabentscheidung durch das Oberlandesgericht also tatsächlich die selben Sachfragen in zahlreichen Beweisaufnahmen gesondert geklärt werden müssten und inhaltlich widersprüchliche Entscheidungen drohten. Falls auf die Gesamtzahl der in den eingetragenen Verfahren auftretenden Kläger abzustellen wäre, hätte dies zur Folge, dass das Oberlandesgericht auch dann entscheiden müsste, wenn nur in einem Verfahren 10 Kläger oder mehr beteiligt seien. In solch einer Konstellation sei die Herbeiführung einer Entscheidung über den Musterfeststellungsantrag jedoch sinnwidrig, weil widersprüchliche Entscheidungen nicht drohten und auch es gerade nicht prozessökonomisch sei, während des laufenden Verfahrens erster Instanz die Klärung einzelner Fragen vorab auf das Rechtsmittelgericht zu verlagern.

Gegen diesen Beschluss haben die Klägerinnen zu 3), zu 9), zu 12) und zu 13) mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 02.11.2006, der am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt. Die Klägerinnen machen geltend, dass der Begriff "Verfahren" in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KapMuG nicht streng formal und wortlautorientiert zu verstehen sei; vielmehr sei der Sinn des KapMuG zur Beschleunigung von Verfahren und Schaffung einer effektiven Rechtschutzmöglichkeit einzubeziehen. Es müsse daher ausreichen, wenn die weiteren neun Anträge innerhalb eines streitgenössischen Verfahrens gestellt würden. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass im Falle einer Verfahrenstrennung unstreitig 10 Anträge vorliegen würden. Im Gesetz finde sich keinerlei Hinweis darauf, dass es sich bei einer streitgenössischen Antragstellung nur um einen Antrag handele. Dem Gesetzgeber sei ersichtlich daran gelegen gewesen, das Zustandekommen von 10 gleichgerichteten Anträgen so einfach wie möglich zu gestalten. Eine rein formale Auslegung entspreche ersichtlich nicht den Intentionen des Gesetzgebers. In den vier weiteren im Klageregister eingetragenen Verfahren hätten weiteren 60 Kläger, insgesamt also 69 Kläger, gleichgerichtete Anträge nach dem KapMuG gestellt.

Das Landgericht Augsburg hat am 06.11.2006 beschlossen, der sofortigen Beschwerde nicht abzuhelfen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

1. Gegen die Entscheidung des Landgerichts, den Musterfeststellungsantrag gemäß § 4 Abs. 4 KapMuG zurückzuweisen, weil innerhalb von vier Monaten nach Bekanntmachung des zeitlich ersten Musterfeststellungsantrags nicht die erforderliche Anzahl gleichgerichteter Anträge beim Prozessgericht gestellt worden ist, ist die sofortige Beschwerde statthaft (so auch Zöller/Vollkommer, ZPO; 26. Auflage, § 77 Anh. Rn. 3; Möllers/Weichert NJW 2005, 2737, 2739; a.A. Vorwerk/Wolf/Fullenkamp, KapMuG, § 4 Rn. 36).

Zwar ist die sofortige Beschwerde in § 4 Abs. 4 KapMuG nicht ausdrücklich als Rechtsmittel gegen diese Entscheidung genannt. Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde folgt auch nicht aus § 9 Abs. 1 KapMuG. Zum einen bezieht sich Abschnitt 2 des KapMuG mit den Vorschriften der §§ 6-15 auf die Durchführung des Musterverfahrens vor den Oberlandesgerichten und nicht auf die Vorlage an diese, zum anderen erklärt § 9 Abs. 1 KapMuG nur die im ersten Rechtszug für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften der ZPO für entsprechend anwendbar - mithin lediglich den ersten Abschnitt des 2. Buches der ZPO mit den §§ 253 bis 495 ZPO - und daher gerade nicht die Vorschriften über die sofortige Beschwerde gem. §§ 567 ff ZPO.

Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde gegen Entscheidungen nach § 4 Abs. 4 KapMuG ergibt sich jedoch aus § 3 EGZPO in Verbindung mit § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.

Beim Verfahren nach dem Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger - Musterverfahren vom 16.08.2005 (KapMuG) handelt es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne von § 3 EGZPO und § 13 GVG, da der für den Gegenstand der Musterklageanträge maßgebliche Sachverhalt dem privaten Recht zuzuordnen ist (Zöller/Gummer a.a.O., § 13 GVG Rn. 13), der vor den ordentlichen Gerichten im Sinne von § 12 GVG zu verhandeln ist.

§ 3 Abs. 1 EGZPO verweist auch auf die Vorschriften über die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff ZPO.

Da im KapMuG die sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung des Prozessgerichts gemäß § 4 Abs. 4 KapMuG nicht im Sinne von § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ausdrücklich bestimmt ist, kommt eine solche nur bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in Betracht. Es muss sich danach um eine eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidung handeln, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.

Falls eine Entscheidung nur nach vorheriger mündlicher Verhandlung erlassen werden darf, ist die sofortige Beschwerde nur zulässig, wenn sie im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist; mangelt es daran, dann kommt nur eine Anfechtung zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsache in Betracht (Zöller/Gummer a.a.O., § 567 Rn. 30).

Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass vor Erlass des Vorlagebeschlusses eine mündliche Verhandlung stattzufinden hat, da es sich bei dem Musterfeststellungsantrag um einen Sachantrag im Sinne von § 297 ZPO handele (vgl. hierzu Gundermann/Härle VuR 2006, 457/459).

Der Senat folgt dieser Auffassung nicht. Gemäß § 3 Abs. 1 EGZPO in Verbindung mit § 128 Abs. 4 ZPO ergeht die Entscheidung des Landgerichts nach § 4 Abs. 1 KapMuG vielmehr ohne mündliche Verhandlung (so auch Gundermann/Härle, a.a.O.). Für die Durchführung des Vorlageverfahrens ist in Abschnitt 1 des KapMuG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht vorgeschrieben.

Der Musterfeststellungsantrag stellt ein das Verfahren betreffendes Gesuch dar. Zwar kann unter Umständen das Beschwerderecht außerhalb des Erkenntnisverfahrens ausgeschlossen sein, z. B. bei einem Vorlagebeschluss zur Normenkontrolle nach Art. 100 GG (OLG Köln MDR 1970, 852; Gummer/Zöller a.a.O., § 567 Rn. 36). Ein solcher Ausschluss ist für das Vorlageverfahren gemäß §§ 1 ff KapMuG aber nicht anzunehmen.

Die Systematik des KapMuG spricht gegen einen Ausschluss der Anfechtbarkeit von Entscheidungen gemäß § 4 Abs. 4 KapMuG. Während §§ 2 Abs. 1 Satz 2, 4 Abs. 1 Satz 2, 7 Abs. 1 Satz 2 und 8 Abs. 2 Satz 3 KapMuG ausdrücklich die Anfechtung der dort genannten Entscheidungen ausschließen, fehlt eine entsprechende Regelung in § 4 Abs. 4 KapMuG.

Der Ausschluss der Anfechtung in den genannten Vorschriften soll regelmäßig der Gefahr einer Verfahrensverschleppung durch die Antragsgegner entgegenwirken. Diese Gefahr besteht bei einem Beschluss des Prozessgerichts, den Antrag gemäß § 4 Abs. 4 KapMuG zurückzuweisen im Regelfall nicht, da von der Zurückweisung die Antragsteller selbst betroffen sind.

Auch aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 4 KapMuG "weist das Prozessgericht den Antrag zurück und setzt das Verfahren fort" folgt nicht, dass eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Prozessgerichts nicht stattfinden soll (a.A. Vorwerk/Wolf/Fullenkamp, KapMuG, § 4 Rn. 36). Die Vorschrift ist vielmehr so zu verstehen, dass eine Fortsetzung des Verfahrens stattfindet, wenn der Musterfeststellungsantrag rechtskräftig zurückgewiesen wurde. Darüber, ob die Entscheidung des Prozessgerichts anfechtbar ist, enthält § 4 Abs. 4 KapMuG demgegenüber keine Aussage.

Zwar ist es dem zurückgewiesenen Antragsteller nicht verwehrt, erneut einen Musterfeststellungsantrag zu stellen. Falls sich in der Sache keine Änderung ergeben hat, besteht für ihn aber der die naheliegende Gefahr, dass sein Antrag aus denselben Gründen zurückgewiesen wird, ohne dass er eine Überprüfung der Auffassung des Prozessgerichts herbeiführen kann.

Allerdings findet sich auch in der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Kapitalanlegern - Musterverfahren (BT-Drs. 15/5091) zu § 4 KapMuG kein Hinweis auf eine Anfechtbarkeit eines Zurückweisungsbeschlusses gemäß § 4 Abs. 4 KapMuG. Vergleichbar ist die Rechtslage jedoch mit dem Fall des § 1 Abs. 3 KapMuG. Danach weist das Prozessgericht unzulässige Musterfeststellungsanträge durch Beschluss zurück. Hierzu führt die Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 15/5091 Seite 21) aus, dass die sofortige Beschwerde gegen einen ablehnenden Beschluss stattfindet. Sachliche Gründe, weshalb eine Zurückweisung des Musterfeststellungsantrags nach § 1 Abs. 3 hinsichtlich der Anfechtbarkeit anders zu behandeln wäre als eine Zurückweisung nach § 4 Abs. 4 KapMuG sind nicht erkennbar.

Die sofortige Beschwerde wurde form- und fristgerecht gemäß § 569 ZPO erhoben.

2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet, da die für die Vorlage an das Oberlandesgericht erforderliche Anzahl gleich gerichteter Anträge nicht gestellt worden ist und das Landgericht daher den Musterfeststellungsantrag zu Recht zurückgewiesen hat.

Es kann offenbleiben, ob es sich hierbei um einen Antrag mit mehreren Feststellungszielen handelt oder ob jedes Feststellungsziel als eigener Musterfeststellungsantrag zu werten ist. Gegen die gleichzeitige Stellung mehrerer Musterfeststellungsanträge bestehen jedenfalls keine Bedenken.

Voraussetzung für eine Vorlage an das Oberlandesgericht ist nach § 4 Abs. 1 Satz 1 KapMuG allerdings, dass neben dem Verfahren, in dem der zeitlich erste Musterfeststellungsantrag gestellt wurde, innerhalb von vier Monaten nach seiner Bekanntmachung in mindestens neun weiteren Verfahren gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge gestellt wurden. Diese Voraussetzung liegt, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, hier nicht vor.

Im Klageregister waren zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts Augsburg - und sind auch weiterhin - insgesamt lediglich fünf Verfahren mit gleich gerichteten Musterfeststellungsanträgen eingetragen. Nach § 4 Abs. 4 KapMuG ist bei Verfehlen der Mindestanzahl von Verfahren der Musterfeststellungsantrag zurückzuweisen; das Prozessgericht hat insoweit keinerlei Ermessen. Die erforderliche Mindestanzahl von 10 Verfahren ist auch nicht dadurch erreicht, dass im vorliegenden Verfahren neun Kläger einen Musterfeststellungsantrag gestellt haben und nach unstreitigem Vortrag der Beschwerdeführer in den vier weiteren Verfahren in denen Musterfeststellungsanträge gestellt wurden, 60 weitere Kläger auftreten.

Zwar wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 4 KapMuG auch dann erfüllt sind, wenn in einem Rechtsstreit mindesten 10 Kläger als Streitgenossen auftreten (Reuschle, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz - KapMuG, Einführung Texte Materialien, 2006, Seite 33; Gundermann/Härle a.a.O. Seite 458; LG Stuttgart ZIP 2006, 1731/1732).

Der Senat folgt dieser Auffassung jedoch nicht. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut ist die Zahl der einzelnen Verfahren und nicht die Zahl der Kläger, die in dem jeweiligen Verfahren als Streitgenossen verbunden sind, entscheidend (so auch Vorwerk/Wolf/Fullenkamp, KapMuG, § 4 Rn. 11).

Es findet sich weder im Gesetzestext selbst noch in der Begründung des Gesetzentwurfs ein Hinweis darauf, dass es abweichend vom klaren Wortlaut nicht auf die Zahl der Verfahren, sondern auf die Zahl der Kläger ankommt, wenn sich diese im Falle der subjektiven Klagenhäufung in einem Verfahren zusammengeschlossen haben.

Im Falle der Streitgenossenschaft bestehen mehrere Prozessrechtsverhältnisse und Prozesse, die in einem Verfahren zur gemeinsamer Verhandlung, Beweisaufnahme und Entscheidung verbunden sind (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Auflage, Vorbemerkung vor § 59 Rn. 1). Es ist daher zwischen einzelnen Prozessrechtsverhältnissen und dem Verfahren insgesamt zu unterscheiden.

Gegen eine solche Auslegung spricht auch der Gesetzeszweck. Das KapMuG wurde gerade für die Fälle konzipiert, in denen eine Streitgenossenschaft nach §§ 59, 60 ZPO den Interessen von Kapitalanlegern nicht entspricht und die Möglichkeit der Verfahrensverbindung nicht ausreicht (Begründung des Entwurfs BT-Drs. 15/5091, Seite 13).

Der Gesetzgeber hat bewusst eine Mindestzahl von 10 Verfahren gesetzt und erst ab Bereichen dieser Zahl die Durchführung eines mit nicht unerheblichem Aufwand verbundenen Musterverfahrens als gerechtfertigt angesehen. Ziel des Kapitalanleger - Musterverfahrens ist es gerade, eine in verschiedenen Prozessen zu klärende Musterfrage einheitlich mit Breitenwirkung feststellen zu lassen (Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 15/5091, Seite 20). Schließen sich dagegen in einem Verfahren eine größere Anzahl von Klägern als Streitgenossen zusammen, besteht das Bedürfnis für die Durchführung eines Kapitalanleger - Musterverfahrens nicht. Es kann vielmehr in einem solchen Verfahren eine einheitliche Verhandlung, gemeinsame Beweisaufnahme und einheitliche Entscheidung stattfinden. Sollte es möglich sein, bereits in Verfahren, in denen mindestens 10 Klägers als einfache Streitgenossen auftreten, ein Musterverfahren durchzuführen, würde das weitere Anliegen des Gesetzgebers, eine Justizentlastung zu bewirken, geradezu konterkariert, da neben das Prozessverfahren noch das Musterverfahren hinzutreten würde. Eine Entlastung der Justiz würde nicht eintreten, da eine ggf. erforderliche Beweisaufnahme in diesem Fall lediglich in das Musterverfahren verlagert werden würde.

Der Musterfeststellungsantrag kann gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 KapMuG nicht nur vom Kläger sondern auch vom Beklagten gestellt werden. Es würde sich daher dann auch die Frage stellen, ob die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 KapMuG zu bejahen sind, wenn in einem Verfahren mit mindestens 10 Klägern der einzige Beklagte den Antrag auf Durchführung des Musterverfahrens stellen würde. Eine solche Möglichkeit böte - ungeachtet der Unzulässigkeit des Musterfeststellungsantrags gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 KapMuG - die Möglichkeit erheblicher Verfahrensverzögerungen.

Soweit die Kläger als Streitgenossen in einem Verfahren auftreten und sich im Laufe dieses Verfahrens ergibt, dass ein Kapitalanleger-Musterverfahren durchgeführt werden soll, haben die Streitgenossen die Möglichkeit eine Prozesstrennung gemäß § 145 ZPO zu beantragen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass gerade bei Kapitalanlageverfahren die Durchführung von Massenverfahren aufgrund subjektiver Klagehäufung zumeist wenig zweckmäßig ist, da es sich bei den Anlageentscheidungen um individuell geprägte Willensentschlüsse handelt (BGH NJW 2005, 2450/2453). Häufig ist daher in derartigen Massenverfahren die subjektive Klagenhäufung von vornherein wenig sachgerecht und kann Anlass für das Prozessgericht sein, bereits unmittelbar nach Klageerhebung eine Prozesstrennung durchzuführen.

In Fällen der vorliegenden Art wird den Klägern durch die Zurückweisung des Antrags gemäß § 4 Abs. 4 KapMuG auch nicht endgültig die Möglichkeit zur Durchführung eines Kapitalanleger-Musterverfahrens genommen. Konsequenz der Zurückweisung des Antrags ist, dass gemäß § 2 Abs. 5 KapMuG die gespeicherten Daten im Klageregister zu löschen sind und gemäß § 4 Abs. 4 KapMuG das Prozessgericht das Verfahren fortführt. Falls sich nachträglich die erforderliche Anzahl von 10 Verfahren - ggf. nach Verfahrenstrennung gemäß § 145 ZPO - ergibt, steht es den Antragstellern frei, erneut einen Antrag auf Durchführung des Kapitalanleger-Musterverfahrens zu stellen (Begründung zum Entwurf BT-Drs. 15/5091, Seite 23).

Umgekehrt besteht auch nicht die ernsthafte Gefahr, dass durch eine Prozessverbindung Antragstellern durch das Prozessgericht die Möglichkeit zur Durchführung eines Kapitalanleger-Musterverfahrens genommen werden kann. Zwar stehen sowohl Prozesstrennung als auch Prozessverbindung im Ermessen des Gerichts. Die Entscheidung ist aber am Zweck der jeweiligen Norm zu orientieren (Zöller/Greger, a.a.O., § 147 Rn. 3). Zumindest dann, wenn bereits ein Musterfeststellungsantrag gestellt worden ist, dürfte daher im Regelfall eine Prozessverbindung, die dazu führt, dass das nach § 4 Abs. 1 Satz 4 KapMuG erforderliche Quorum unterschritten wird, ermessensfehlerhaft sein (Vorwerk/Wolf/Fullenkamp, KapMuG, § 1 Rn. 45).

Gegen die Überlegung, auf die Zahl der in einem Verfahren gebundenen Kläger abzustellen, spricht auch der Gesichtspunkt der Registerklarheit, der es den zuständigen Prozessgerichten ermöglichen soll festzustellen, ob bei demselben oder anderen Gerichten die ausreichende Zahl von Musterfeststellungsanträgen gestellt worden ist. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 KapMuG und § 1 Klageregisterverordnung enthält das Klageregister keine Angaben über die Zahl der Kläger. Wenn es nicht auf die Zahl der Verfahren, sondern auf die der Kläger ankäme, wäre es weder dem Prozessgericht selbst noch dem rechtsuchenden Publikum daher möglich, durch die Einsicht in das Klageregister festzustellen, ob das nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG erforderliche Quorum bereits erreicht ist.

Eine weitergehende Überprüfung dahingehend, ob im vorliegenden Fall die gestellten Musterfeststellungsanträge überhaupt nach § 1 Abs. 3 KapMuG zulässig sind, findet durch das Beschwerdegericht daher nicht statt, da der Beschluss des Landgerichts einen Musterfeststellungsantrag im Klageregister bekannt zu machen, gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 KapMuG unanfechtbar ist.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 3 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sind gegeben. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind bisher höchstrichterlich nicht geklärt; sie sind aufgrund der Tatsache, dass hierzu ein Meinungsstreit besteht, klärungsbedürftig. Sie sind auch klärungsfähig und können sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen (Reichold in Thomas/Putzo, a.a.O., § 511 Rn. 20).

Ende der Entscheidung

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