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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 10.01.2000
Aktenzeichen: 10 WF 4338/99
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO, RPflG


Vorschriften:

BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 1
BRAGO § 32 Abs. 1
BRAGO § 52
ZPO § 91
ZPO § 92
ZPO § 97
ZPO § 3
ZPO § 515 Abs. 3
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 91 Abs. 1
RPflG § 11 Abs. 1
Leitsätze:

1. Der Berufungsbeklagte darf einen Rechtsanwalt für die Rechtsmittelinstanz beauftragen, sobald das Rechtsmittel eingelegt ist. Wird die Berufung zurückgenommen, ohne dass Berufungsantrag und Berufungsbegründung erfolgten, ist eine 13/20 Prozeßgebühr aus dem Streitwert und eine 13/10 Prozeßgebühr aus dem Gebührenstreitwert für den Antrag nach § 515 Abs. 3 ZPO zu erstatten.

2. Die Kosten für einen Verkehrsanwalt des Berufungsbeklagten sind in diesem Fall nicht erstattungsfähig.


Oberlandesgericht Nürnberg

Beschluß

vom 10.01.2000

Aktenzeichen: 10 WF 4338/99 2 F 710/98 AG Regensburg

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 10. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Regensburg vom 18.10.1999 (2 F 710/98) dahingehend abgeändert, daß die vom Beklagten zu erstattenden Kosten auf 316,49 DM nebst 4 % Zinsen ab 21.04.1999 festgesetzt werden.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger zu 4/5, der Beklagte, zu 1/5.

III. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 492,90 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beklagtenvertreter haben gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Regensburg vom 27.11.1998 (2 F 710/98) Berufung eingelegt und Antragstellung sowie Berufungsbegründung einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Mit Schriftsatz vom 15.01.1999 haben die Rechtsanwälte D , N angezeigt, daß sie den Kläger im Berufungsverfahren vertreten und Zurückweisung der Berufung des Beklagten beantragt. Die Berufung des Beklagten wurde nicht begründet und mit Schriftsatz vom 11.02.1999 zurückgenommen. Der Senat hat antragsgemäß mit Beschluß vom 08.04.1999 dem Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt. Mit Kostenfestsetzungsbeschluß vom 18.10.1999, den Beklagtenvertretern zugestellt am 19.10.1999, hat das Familiengericht auf Antrag der Klägervertreter die vom Beklagten zu erstattenden Kosten auf 722,68 DM festgesetzt, nämlich eine 13/10 Prozeßgebühr aus einem Gegenstandswert von 4.000,-- DM und die Kosten des Verkehrsanwalts. Hiergegen richtet sich die am 02.11.1999 beim Amtsgericht Regensburg eingegangene sofortige Beschwerde des Beklagten. Er ist der Auffassung, es sei lediglich eine 6,5/10 Prozeßgebühr zu erstatten; die Kosten, des Verkehrsanwalts seien nicht erstattungsfähig.

II.

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß findet gemäß § 104 Abs. 3 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG die sofortige Beschwerde statt. Diese wurde form- und fristgerecht eingelegt (§§ 569, 577 Abs. 2 ZPO) und ist somit zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist auch i.w. begründet, denn die Verkehrsanwaltsgebühr ist nicht erstattungsfähig, die Prozeßgebühr aus dem Streitwert der Hauptsache lediglich zu 13/20. Zusätzlich ist eine 13/10 Prozeßgebühr aus dem Kostenstreitwert für den Antrag nach § 515 Abs. 3 ZPO zu erstatten.

Es ist zunächst davon auszugehen, daß bei der Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren der allgemeine kostenrechtliche Grundsatz anzuwenden ist, daß nur diejenigen Kosten erstattet werden können, die für eine zweckentsprechende Rechtsverteidigung notwendig waren (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Der Senat geht mit der überwiegend vertretenen Ansicht davon aus, daß der Rechtsmittelbeklagte einen Rechtsanwalt für die Rechtsmittelinstanz beauftragen darf, sobald das Rechtsmittel eingelegt ist (Zöller-Herget, 21. Aufl., Rn. 13, Stichwort "Berufung" zu § 91 ZPO, von Eicken in "Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte", 12. Aufl., Rn. 20 zu § 31 BRAGO m.w.N.; OLG Nürnberg, MDR 93, 283). Ob etwas anderes gilt, wenn die Berufung erklärtermaßen nur zur Fristwahrung eingelegt wurde, braucht hier nicht entschieden zu werden, da eine derartige Einschränkung nicht erfolgte.

Inwieweit die Prozeßgebühr gemäß § 91 Abs. 1 ZPO zu ersetzen ist, hängt davon ab, ob der Antrag, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen, zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war. Andernfalls vermindert sich diese Gebühr gemäß § 32 Abs. 1 BRAGO auf die Hälfte (13/20), da infolge der Berufungsrücknahme Erledigung des Auftrags eingetreten ist. Der Senat ist mit der herrschenden Meinung (Zöller-Herget, von Eicken, OLG Nürnberg, jeweils a.a.O.) der Auffassung, daß vor dem Vorliegen von Berufungsbegründung und Berufungsanträgen grundsätzlich keine Notwendigkeit für einen Zurückweisungsantrag besteht. Erst durch den Berufungsantrag und dessen Begründung bezeichnet der Berufungsführer nämlich den Umfang der Berufung und die noch streitigen Fragen. Erst dann wird eine sachliche Verteidigung des Rechtsmittelgegners notwendig. Die vorgeschaltete Antragstellung auf Zurückweisung der Berufung mag zwar zweckmäßig sein, damit der Zurückweisungsantrag später nicht vergessen wird, notwendig zur Wahrnehmung der Rechte des Mandanten ist sie aber nur unter besonderen Umständen, die hier nicht vorliegen. Es ist daher gemäß § 32 Abs. 1 BRAGO die Hälfte der 13/10 Prozeßgebühr, also eine 13/20 Prozeßgebühr angefallen.

Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Verkehrsanwaltes richtet sich nach § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO. Danach sind diese Kosten nur ausnahmsweise erstattungsfähig, wenn der Partei die unmittelbare mündliche Information ihres auswärtigen Prozeßbevollmächtigten aus sachlichen Gründen unmöglich oder aus persönlichen Gründen unzumutbar ist oder wenn die Kosten einer unmittelbaren Information die des Verkehrsanwaltes erreichen oder überschreiten würden (Zöller-Herget, Rn. 13, Stichwort "Verkehrsanwalt" zu § 91 ZPO). Dies gilt in verstärktem Maße im Rechtsmittelverfahren. Da der Sachverhalt regelmäßig bereits weitgehend im ersten Rechtszug geklärt wurde und ein Urteil darüber vorliegt, ist die Bestellung eines Verkehrsanwaltes nur notwendig, wenn in der Berufung die Sache auf eine wesentlich veränderte tatsächliche Grundlage gestellt worden ist (von Eicken, a.a.O., Rn. 43 zu § 52 BRAGO). Da im vorliegenden Fall eine Berufungsbegründung nicht erfolgt ist, bestand keine Notwendigkeit für die Bestellung eines Verkehrsanwaltes. Sie ergibt sich auch nicht aus der Benennung eines geeigneten Rechtsanwalts für das Rechtsmittelverfahren, denn sie wird durch die Prozeßgebühr des erstinstanzlichen Rechtsanwalts abgegolten (von Eicken, a.a.O., Rn. 43 zu § 52 BRAGO).

Es ist somit lediglich eine 13/20 Prozeßgebühr aus einem Gegenstandswert von 4.000,-- DM zu erstatten und eine 13/10-Gebühr aus dem Wert der Kosten (bis 600,-- DM) im Berufungsverfahren (OLG Nürnberg MDR 93, 283), so daß sich folgende Rechnung ergibt:

 13/20 Prozeßgebühr aus 4.000,-- DM 172,25 DM
13/l0 Prozeßgebühr aus 600,-- DM 65,-- DM
Pauschale gem. § 26 BRAGO 35,59 DM
Zwischensumme 272,84 DM
16 % Mehrwertsteuer 43,65 DM
Gesamtsumme 316,49 DM.

Kosten: §§ 92, 97 ZPO.

Beschwerdewert: § 3 ZPO.



Ende der Entscheidung

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