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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 30.05.2000
Aktenzeichen: 3 U 783/00
Rechtsgebiete: ZPO, UWG


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
UWG § 25
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2
UWG § 7 Abs. 1
UWG § 7 Abs. 3 Nr. 2
UWG § 7
Zur Abgrenzung von Sonderangebot und Sonderveranstaltung bei der Werbung mit einem Firmenjubiläum.
3 U 783/00 3 O 10494 LG Nürnberg-Fürth

Verkündet am 30. Mai 2000

Oberlandesgericht Nürnberg

IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S und die Richter am Oberlandesgericht Honorarprofessor Dr. H. und S aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Endurteil des Landgerichtes Nürnberg-Fürth vom 9. Februar 2000 (Az.: 3 O 10494/99) abgeändert.

II. Der Verfügungsbeklagte wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, Ordnungshaft auch für den Fall, daß das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, jeweils zu vollziehen am Geschäftsführer, wegen Zuwiderhandlung

untersagt,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs eine Sonderveranstaltung durch Verbreitung eines Werbeprospektes mit folgenden werblichen Elementen anzukündigen:

Gestaltung der Titelseite mit dem Blickfang:

Danke für 50 starke Jahre

und der Jahreszahlgegenüberstellung

1949.....................1999 Neubeginn in N

und im inneren des Werbeblattes:

- Jetzt hat W seinen großen Auftritt: 50 Jahre nach dem Neubeginn in N zeigen wir - wie eh und je - unsere ganze Leistungskraft;

- mit Fotos und herausgestellten Jahreszahlen versehene Hinweise zur Unternehmensgeschichte unter der Überschrift "W Story";

- Jahreszahlgegenüberstellung 1949 - 1999 auf jeder Doppelseite;

- Alle im Prospekt enthaltenen Waren preisreduziert angeboten, überwiegend Preisgegenüberstellung mit dem zusätzlichen Hinweis "jetzt nur"

- Dankeschön-Gewinnspiel mit der Gewinnfrage nach dem W-Neubeginn in N

und/oder

eine derart angekündigte Sonderveranstaltung durchzuführen.

III. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

Beschluß:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 100.000,-- DM festgesetzt.

Tatbestand und Entscheidungsgründe

I.

Gemäß § 543 Abs. 1 ZPO wird von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen. Es wird insoweit auf die Gründe des angefochtenen Ersturteiles und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Endurteil des Landgerichtes Nürnberg-Fürth vom 09.02.2000 ist begründet. Die Verfügungsbeklagte ist verpflichtet, die Verbreitung von Werbeprospekten der beanstandeten Art sowie die Durchführung der darin angekündigten Sonderveranstaltung zu unterlassen.

1. Die Darlegung und Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes ist gemäß § 25 UWG entbehrlich. Die danach bestehende Dringlichkeitsvermutung ist nicht widerlegt. Die Verfügungsbeklagte ließ den Werbeprospekt Anfang Dezember 1999 mit den Ausgaben der N Presse verteilen. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ging bereits am 21.12.1999 bei Gericht ein.

Daß die Verfügungsklägerin die für einen rechtsfähigen Verband im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG erforderliche personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung besitzt, ist gerichtsbekannt.

2. Der Verfügungsanspruch der Klägerin ist gegeben, da die Beklagte eine Sonderveranstaltung im Sinne von § 7 Abs. 1 UWG ankündigte und durchführte. Bei einer Gesamtbetrachtung des beanstandeten Prospektes liegt nicht nur ein nach der Rechtsprechung des BGH auch außerhalb des 25-Jahres-Rythmus des § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG zulässiger Hinweis auf ein Firmenjubiläum in Verbindung mit einer branchen- oder firmenüblichen Werbung vor.

Die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder des Senates gehören, erblicken in der beanstandeten Werbung die Ankündigung einer den regelmäß8gen Geschäftsverkehr unterbrechenden Verkaufsveranstaltung. Auf das Firmenjubiläum wird nicht nur im Rahmen einer üblichen Werbung hingewiesen, von dem Hinweis auf das Jubiläum wird vielmehr der gesamte Charakter des Prospektes maßgebend beeinflußt. Die erste Seite der Werbung wird geprägt durch den hervorgehobenen Satz "Danke für 50 starke Jahre W". Im unteren Teil der ersten Seite wird nochmals der Bezug zwischen dem Neubeginn in N 1949 und dem Jubiläumsjahr 1999 herausgestellt. Bei der Bewertung der Verkehrsanschauung ist zu beachten, daß die Verfügungsbeklagte mit einem besonderen Jubiläum, nämlich einem 52. Jahrestag wirbt. Dem Verbraucher ist, auch wenn er keine Kenntnisse von den gesetzlichen Vorschriften hat, bewußt, daß derart runde "Geburtstage" von Handelsunternehmen zu großen Sonderveranstaltungen benutzt werden dürfen und fast allgemein Anlaß für besonders günstige Angebote sind. Gestärkt wird die Verbrauchererwartung im vorliegenden Fall noch dadurch, daß sich die Verfügungsbeklagte bei den Kunden bedankt. Der Verbraucher geht davon aus, daß eine derartige Danksagung nicht nur in Worten, sondern vor allem in günstigen Angeboten zum Ausdruck kommt. Demgemäß setzt er die im Katalog angegebenen reduzierten Preise in Verbindung mit dem Jubiläum und nimmt an, daß dies die Veranlassung für umfangreiche Preisherabsetzungen sei. Verdeutlicht wird das für den Verkehr vor allem noch dadurch, daß die Preisreduzierungen weitgehend mit dem Vermerk "jetzt nur" versehen sind. Die Verbindung der Angebote zum Jubiläum wird weiterhin dadurch betont, daß auf jeder Doppelseite des Prospektes durch Bezugnahme auf die Firmengeschichte der Verfügungsbeklagten seit 1949 und die Angabe der Jahreszahlen 1949 als Datum des Neubeginnes in N und 1999 als Jubiläumsjahr ein Zusammenhang zu den danebenstehenden Angeboten mit den "jetzt nur" herabgesetzten Preisen hergestellt wird. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung des von der Werbung ausgehenden Eindruckes muß auch beachtet werden, daß auf Seite 2 des Prospektes unter farblicher Hervorhebung der zweiten Zeile steht:

"Jetzt hat W seinen großen Auftritt:

50 Jahre nach dem Neubeginn

in N zeigen wir - wie eh und je -

unsere ganze Leistungskraft."

Auch wenn in diesem Hinweis angemerkt ist, daß die Leistungskraft "wie eh und je" gezeigt werde, so wird beim Verbraucher durch die Formulierungen "Jetzt hat W seinen großen Auftritt" und "50 Jahre nach dem Neubeginn" der Eindruck verstärkt, es werde momentan für einen begrenzten Zeitraum anläßlich des 50jährigen Jubiläums die Leistungskraft durch besondere Angebote gezeigt. Letztlich wird auch mit dem auf der letzten Seite des Prospektes befindlichen "Dankeschön Gewinnspiel", bei dem die Gewinnfrage dahin lautet, vor wieviel Jahren der W-Neubeginn in N war, nochmals das 50jährige Jubiläum hervorgehoben. Anzumerken ist dabei, daß selbstverständlich ein solches Gewinnspiel allein wie auch die sonstigen obengenannten Umstände jeweils für sich gesehen nicht gebieten, im vorliegenden Fall nicht nur eine übliche Werbung mit Sonderangeboten und dem Hinweis auf ein Jubiläum, sonder vielmehr eine Sonderveranstaltung im Sinne von § 7 UWG anzunehmen. Die Gesamtbetrachtung des Werbeprospektes vermittelt dem Verkehr in äußerst deutlicher und eindringlicher Art und Weise, daß hier eine außergewöhnliche, auf einem einmaligen Anlaß beruhende Veranstaltung beworben wird. Die in § 7 Abs. 1 UWG normierten Kriterien für die Annahme einer Sonderveranstaltung, also einer Verkaufsveranstaltung im Einzelhandel, die außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs stattfindet, der Beschleunigung des Warenabsatzes dient und den Eindruck der Gewährung besonderer Kaufvorteile hervorruft, sind sowohl hinsichtlich der Ankündigung als auch der Durchführung gegeben.

3. Ohne Erfolg beruft sich die Verfügungsbeklagte darauf, daß ihr die Verfügungsklägerin rechtsmißbräuchlich jegliche Jubiläumsveranstaltung versagen wolle, gerade aber der Neubeginn im zerstörten N nach den Schrecken des Krieges ein Unternehmensjubiläum rechtfertige. Nach der allgemeinen Rechtsprechung (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Auflage, Rd. 62 zu § 7 UWG mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung) darf jeweils nur nach Ablauf von 25 Jahren ein Jubiläumsverkauf stattfinden. Auch ein unzulässiger Jubiläumsverkauf setzt diese Sperrfrist in Gang. Unstreitig hat die Verfügungsbeklagte vor einigen Jahren anläßlich des 50jährigen Jubiläums der Gründung des Unternehmens im Jahre 1938 eine Sonderveranstaltung durchgeführt. Eine erneute Sonderveranstaltung ist demgemäß frühestens 75 Jahre nach dem Gründungsdatum 1938 wieder zulässig. Falls die Verfügungsbeklagte tatsächlich der Meinung sein sollte, aus den unter Ziffer 5 ihres Schriftsatzes vom 17.01.2000 genannten Gründen sei keine Kontinuität seit Gründung des Unternehmens gegeben, hätte sie die Sonderveranstaltung anläßlich des 50jährigen Gründungsjubiläums nicht durchführen dürfen. Aber unabhängig davon, ob die damalige Sonderveranstaltung zulässig war oder nicht, durfte die Verfügungsbeklagte vor Ablauf von 25 Jahren keinen erneuten Jubiläumsverkauf, auch nicht im Hinblick auf den Neubeginn vor 50 Jahren in N veranstalten.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil wird mit seiner Verkündung rechtskräftig (§ 545 ZPO).

Ende der Entscheidung

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