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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 23.07.2009
Aktenzeichen: 14 U 622/09 (1)
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2 S. 1
BGB § 145
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Nürnberg

Az.: 14 U 622/09

In dem Rechtsstreit

wegen Erfüllung

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg -14. Zivilsenat- durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rebhan, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Holzberger und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Wißmann am 23.07.2009 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 35.999,82 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Berufung ist durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen. Zur Begründung wird zunächst auf den gerichtlichen Hinweis vom 10. Juni 2009 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO). Das Vorbringen im Schriftsatz vom 20. Juli 2009 gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Insoweit wird ergänzend Folgendes ausgeführt:

1. Der Senat hält daran fest, dass die Beklagte mit der Einstellung des Flachbildschirmes im Internet noch kein gemäß § 145 BGB verbindliches Angebot abgegeben, sondern lediglich zur Abgabe eines Angebots aufgefordert hat ("invitatio ad offerendum").

a) Dies gilt auch, wenn man davon ausgeht, dass die Beklagte über ein Warenwirtschaftssystem verfügt, bei dem der Warenbestand bei jeder Bestellung um die Anzahl der bestellten Artikel reduziert wird, so dass die Beklagte davor geschützt wird, Artikel anzubieten, die nicht oder nicht in ausreichender Anzahl vorhanden sind.

Der Kläger hat in der Berufungsbegründung insoweit vorgetragen:

"Der Unterzeichner hat die Probe aufs Exempel gemacht und auf der Internetseite der Beklagten nach einem Fernsehgerät recherchiert. Es handelt sich um einen Plasma-Fernseher zum Preis von 749,99 Euro. Das System führte zu der Frage: Verfügbarkeit prüfen. Der Kunde gibt an dieser Stelle seine Postleitzahl ein, in meinem Fall diejenige von ... und erhält wenige Sekunden später die Information zur Liefermöglichkeit. In diesem Fall war der Artikel ausverkauft.

Bei ausverkauften Artikeln nimmt das System gar keine Bestellung an.

Nunmehr erläutert der Kläger dies dahingehend, dass der Kunde von Stufe zu Stufe geführt werde, wobei - nach Bestätigung der Verfügbarkeit - die Ware virtuell in den Warenkorb gelegt werde.

Dies ändert nichts daran, dass jedenfalls bis zur Stufe, in der der Kunde auf dem Bildschirm den gewünschten Kaufgegenstand aufruft und seine Postleitzahl eingibt, um dessen Verfügbarkeit zu prüfen, seitens der Beklagten lediglich eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots vorliegen kann. Es stellt sich somit die Frage, auf welcher Stufe der Internetpräsentation diese "invitatio ad offerendum" der Beklagten zum rechtsverbindlichen Angebot wird. Dies könnte frühestens mit der Mitteilung der Verfügbarkeit der Fall sein, so dass das vom Kunden veranlasste "Einlegen" in den Warenkorb zur Annahme des Angebots durch die Beklagte führen würde, wovon offenbar der Kläger ausgeht.

Angesichts dieser "Bestellstufen" liefe in der Tat das Argument des möglicherweise nicht ausreichenden Vorrats leer.

b) Gleiches gilt aber nicht für die Bonitätsprüfung. Denn wenn die Mitteilung der Verfügbarkeit eines Kaufgegenstandes bereits das Angebot darstellen sollte, brauchte es zu dessen Annahme durch den Kunden nur noch eines einzigen Schrittes, nämlich des Einlegens in den Warenkorb, damit ein Vertrag zustande kommt. Damit wäre aber der Beklagten jede Bonitätsprüfung abgeschnitten, da ihr zu diesem Zeitpunkt weder Name noch sonstige Daten des Kunden bekannt sind.

Die hierzu vertretene Ansicht der Klägers, solange der Artikel virtuell im Warenkorb liege, stehe das bindende Angebot der Beklagten nach der Verkehrssitte und der Anschauung der Kunden unter dem Vorbehalt der Bonität des Käufers, ist rechtlich nicht haltbar. Eine derartige Verkehrsanschauung existiert nicht. Woraus der Kläger eine solche ableitet, ist nicht ersichtlich.

Im Übrigen stünde der Zugrundelegung einer derartigen allgemeinen Verkehrsanschauung entgegen, dass die Beklagte in Ziff. 4 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausdrücklich darauf hinweist, dass der Kaufvertrag erst dann zustande kommt, "wenn wir Ihre Bestellung durch Lieferung der Ware bzw. durch die Mitteilung der Auslieferung annehmen." Diese werden zwar erst mit Abschluss des Kaufvertrags Bestandteil desselben, können aber zur Auslegung der Erklärungen der Beklagten herangezogen werden, da sie dem Kunden auf der Seite zugänglich sind. Spätestens hierdurch wird dem Kunden deutlich vor Augen geführt, dass das "Internetangebot" der Beklagten, gleich auf welcher Stufe, noch kein bindendes Angebot darstellt, sondern ein solches vom Kunden selbst ausgehen muss.

c) Gegen die Annahme, dass die Einräumung der Möglichkeit, Waren in den Warenkorb einzulegen sowie das Einlegen selbst bereits die Wirkungen von rechtsverbindlichen Willenserklärungen haben, spricht auch der gerichtsbekannte Umstand, dass in den Warenkorb eingelegte Waren jederzeit vom Kunden wieder aus diesem entfernt werden können. Irgendeine rechtliche Qualität kommt der Zurverfügungstellung eines Warenkorbs und der Einlage in denselben somit nicht zu.

d) Wenn aber demzufolge unter Berücksichtigung der schützenswerten Interessen sowohl des Käufers als auch des Internetanbieters das Einlegen in den Warenkorb keinesfalls bereits zum Vertragsschluss führen kann, kommt erst ein späterer Akt als Angebot auf Abschluss eines Vertrags in Betracht, nämlich der Übergang des Kunden vom Warenkorb auf den Bestellvorgang ("Zur Kasse gehen"), während dessen der Kunde seine persönlichen Daten und die Art und Weise der Zahlung einzugeben hat.

e) Auch die Ausführungen des Klägers zur Bonitätsprüfung widerlegen seine Ansicht, die Beklagte gebe mit ihrem Internetauftritt - möglicherweise auch erst in einer späteren Stufe - ein verbindliches Angebot ab, das der Kunde nur noch anzunehmen brauche. Der Kläger trägt nämlich vor, das EDV-System entscheide, ob die Bestellung bestätigt, abgelehnt oder gegen Anzahlung oder gegen Vorauszahlung angenommen werde.

Dies steht gerade seiner Ansicht entgegen, die Beklagte gebe mit ihrem Internetangebot ein rechtsverbindliches Angebot ab, das der Kunde nur noch anzunehmen brauche. Denn die Annahme oder Ablehnung einer Bestellung des Kunden setzt voraus, dass erst der Kunde und nicht zuvor die Beklagte ein rechtsverbindliches Angebot abgegeben hat.

Der Senat hält somit an seiner Auffassung fest, dass das "Internetangebot" der Beklagten nicht als Angebot i.S.d. § 145 BGB in Betracht kommt, sondern erst die Bestellungen des Klägers vom 25.9.2007 um ca. 19.02 Uhr und um ca. 19.16 Uhr Angebote gemäß § 145 BGB zum Erwerb von insgesamt 18 Flachbildschirmen darstellen.

2. Der Senat hat ausführlich begründet, warum er die Bestellbestätigung der Beklagten nicht als Annahme des klägerischen Angebots ansieht. Die vom Kläger vorgelegte Eingangsbestätigung der Fa. ... ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles ohne Bedeutung. Im Übrigen versucht der Kläger lediglich seine rechtliche Würdigung an die Stelle derjenigen des Senats zu setzen, ohne dass er relevante Umstände aufzeigt, die der Senat bei der rechtlichen Würdigung nicht bedacht hätte.

Der Senat hat sich auch mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 2005 (Az.: VIII ZR 79/04, NJW 2005, 976) auseinandergesetzt und auf den Unterschied zwischen den Sachverhalten des hiesigen und des dortigen Verfahrens hingewiesen, der gerade darin liegt, dass dort eine nunmehrige Bearbeitung des Auftrags von der Versandabteilung bestätigt wird. Im Gegensatz zum vorliegenden Fall kann der Kunde hieraus ableiten, der Internethändler habe bereits die Versendung des bestellten Gegenstandes vorbereitet oder eingeleitet, woraus der Schluss gezogen werden kann, dass er sich vertraglich gebunden hat.

3. Der Senat ist - ohne dass es entscheidend hierauf ankäme - nach wie vor der Auffassung, dass auch der Grundsatz von Treu und Glauben dagegen spricht, dass sich die Beklagte an einem Vertrag - dessen Zustandekommen unterstellt - festhalten lassen müsste. Treu und Glauben bilden eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung, ohne dass sich ein Vertragspartner hierauf berufen müsste. Die Gründe, weshalb der Senat von einem treuwidrigen Ausnutzen eines Fehlers der Beklagten durch den Kläger ausgeht, sind im Hinweisbeschluss ausführlich dargelegt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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