Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 13.09.2004
Aktenzeichen: 7 UF 829/04
Rechtsgebiete: VAHRG


Vorschriften:

VAHRG § 1 II
Läßt der Träger einer privatrechtlichen Rentenversicherung eine Realteilung jedenfalls auch durch Halbierung des Deckungskapitals zu, so ist die Realteilung in dieser Form durchzuführen, da dies dem Sinn und Zweck des Versorgungsausgleichs am besten entspricht.
7 UF 829/04

Nürnberg, den 13.09.2004

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 7. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Bayern-Versicherung Lebensversicherung AG vom 31.3.2004 wird das Endurteil des Amtsgerichts - Familiengericht Neustadt a.d.Aisch vom 9.9.2003 (Az. 2 F 76/03) in Nr. 2. 2. Absatz des Tenors abgeändert wie folgt:

Zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei der Bayern-Versicherung (Rentenversicherung Nr. ...) wird für die Antragsgegnerin bei der Bayern-Versicherung eine aufgeschobene Leibrenten-Versicherung in Höhe von monatlich 41,17 Euro begründet. Beginn der Rentenversicherung ist der 1. des Monats, der auf den Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Gerichts folgt. Beginn der Rentenzahlung ist der Zeitpunkt, zu dem die Antragsgegnerin das für die Rentenversicherung des Antragstellers maßgebliche Rentenbeginnalter erreicht.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 500.-- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien haben am 23.8.1996 geheiratet. Mit Schriftsatz vom 11.2.2003, der Antragsgegnerin zugestellt am 12.3.2003, hat der Antragsteller die Scheidung der Ehe beantragt. Die Ehezeit begann somit am 1.8.1996 und endete am 28.2.2003. In dieser Zeit haben beide Parteien Versorgungsanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung (LVA Oberfranken und Mittelfranken) erworben, und zwar der Antragsteller eine solche in Höhe von 152,56 Euro und die Antragsgegnerin eine solche in Höhe von 108,97 Euro.

Der Antragsteller hat darüberhinaus bei der Bayern-Versicherung während der Ehezeit eine Anwartschaft auf Zahlungen aus einem privatrechtlichen Rentenversicherungsvertrag erworben. Ausweislich der Auskunft der Bayern-Versicherung vom 22.4.2003 beträgt das ehezeitliche Deckungskapital für diesen Vertrag, für den nach dem Geschäftsplan eine Realteilung zulässig ist, 7.561,35 Euro.

Auf der Grundlage dieser Auskunft hat das Amtsgericht - Familiengericht - Neustadt a.d.Aisch mit Urteil vom 9.9.2003

- die Ehe der Parteien geschieden und

- unter Nr. 2. den Versorgungsausgleich geregelt wie folgt:

Vom Versicherungskonto Nr. ... des Antragstellers bei der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken werden auf das Versicherungskonto Nr. ... der Antragsgegnerin bei der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken Rentenanwartschaften von monatlich 21,80 Euro bezogen auf den 28.2.2003 übertragen. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkt umzurechnen.

Zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei der Bayern Versicherung werden durch Realteilung für die Antragsgegnerin bei der LVA Oberfranken und Mittelfranken Rentenanwartschaften von monatlich 17,15 Euro bezogen auf den 28.2.2003 begründet.

Das Gericht hat dabei das ehezeitliche Deckungskapital von 7.561,35 Euro unter Anwendung der Barwertverordnung in eine monatliche dynamische Rente in Höhe von 34,31 Euro umgerechnet.

Das Urteil wurde der Bayern Versicherung nicht zugestellt.

Mit Schreiben vom 9.3.2004, beim Oberlandesgericht Nürnberg per Telefax eingegangen am 9.3.2004, hat die Bayern Versicherung gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich in Nr. 2. 2. Absatz des Endurteils vom 9.9.2003 Beschwerde eingelegt und diese mit Schreiben vom 31.3.2004, beim Oberlandesgericht Nürnberg eingegangen am 1.4.2.004, im wesentlichen wie folgt begründet:

Nach § 1 Abs. 2 VAHRG erfolge die Realteilung in der Weise, dass für den Ausgleichsberechtigten ein Anrecht außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung begründet werde. Das Erstgericht habe jedoch inhaltlich statt der Realteilung ein analoges Quasi-Splitting gemäss § 1 Abs. 3 VAHRG angeordnet. Die Begründung einer entsprechenden Anwartschaft für die Antragsgegnerin in der gesetzlichen Rentenversicherung würde dazu führen, dass diese Anwartschaft nach § 225 SGB VI von der Beschwerdeführerin refinanziert werden müsse.

Der Senat hat eine ergänzende Auskunft der Beschwerdeführerin erholt und den Beteiligten die beabsichtigte Entscheidung mitgeteilt. Die Beteiligten haben dagegen keine Einwendungen erhoben.

II.

Das Rechtsmittel der Bayern-Versicherung ist als befristete Beschwerde statthaft, da das Urteil des Erstgerichts nur hinsichtlich einer Folgesache nach § 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO angefochten wird (§ 621 e i. V. m. § 629 a Abs. 2 ZPO).

Das Rechtsmittel ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig. Denn die Frist von einem Monat bzw. von zwei Monaten zur Einlegung bzw. Begründung des Rechtsmittels hat wegen der fehlenden Zustellung erst mit Ablauf des 9.2.2004 begonnen (§ 621 e Abs. 3 i. V. m. §§ 517, 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Die befristete Beschwerde ist auch begründet, weil die Begründung von Anwartschaften für die Antragsgegnerin in der gesetzlichen Rentenversicherung zu Lasten der privatrechtlichen Versorgungsanwartschaft des Antragstellers bei der Beschwerdeführerin keine zulässige Form der Realteilung darstellt.

Hierzu ist im Hinblick auf die Beschwerdebegründung und die ergänzende Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 9.7.2004 im einzelnen folgendes auszuführen:

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 VAHRG kann das Familiengericht für einen Ehegatten ein Anrecht außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung begründen, wenn die für das Anrecht des Verpflichteten maßgebende Regelung dies vorsieht. Insoweit bestimmt sich das Nähere nach den Regelungen über das auszugleichende und das zu begründende Anrecht (§ 1 Abs. 2 Satz 2 VAHRG). Dies bedeutet, dass eine Realteilung im vorliegenden Fall grundsätzlich nur in der Form erfolgen kann, dass für die Antragsgegnerin ein Anrecht außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung begründet wird, und sich das Nähere in erster Linie danach bestimmt, was in dem auszugleichenden privatrechtlichen Anrecht des Antragstellers gegenüber der Bayern-Versicherung geregelt ist.

Nach der Auskunft der Bayern-Versicherung kann eine Realteilung daher nur in der Form erfolgen, dass zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei der Bayern-Versicherung eine Leibrentenversicherung bei der Bayern-Versicherung zu denjenigen Bedingungen begründet wird, die die Bayern-Versicherung für eine Realteilung vorsieht, und die sich im einzelnen aus der Beschwerdeschrift vom 9.3.2004 ergeben.

Problematisch ist insoweit nur die Höhe der für die Antragsgegnerin zu begründenden Versicherung. Die Beschwerdeführerin hat insoweit zunächst eine Realteilung in der Form vorgeschlagen, dass beiden Parteien eine etwa gleichhohe Rente zustehen soll. Dies würde im konkreten Fall im Hinblick auf die unterschiedliche Lebenserwartung von Männern und Frauen dazu führen, dass für die Begründung des Anspruchs der Antragsgegnerin mehr als die Hälfte des ehezeitlichen Deckungskapitals eingesetzt werden müsste. § 1 Abs. 2 Satz 2 VAHRG gewährt dem Träger des auszugleichenden Rechts in gewissem Umfang eine Gestaltungsfreiheit. Hinsichtlich privatrechtlicher Leibrentenversicherungen ist fraglich, ob die Begründung gleichhoher Renten mit dem Halbteilungsgrundsatz vereinbar ist (bejahend: Rehme in: Staudinger, BGB § 1 VAHRG Neubearbeitung 2004, RdNr. 22; verneinend: Winter in: Soergel, BGB, 13. Aufl., R 1 VAHRG, RdNr. 42 sowie Gutdeutsch in: Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 4. Auflage, 7. Kapitel Rdnr. 136 und Hahne in: Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Auflage, Teil VI, Rdnr. 189). Diese Frage bedarf jedoch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

Denn die Beschwerdeführerin hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass eine Realteilung durch gerichtliche Entscheidung auch in der Form erfolgen kann, dass für jede der beiden Parteien eine Rente unter Zugrundelegung des hälftigen ehezeitlichen Deckungskapitals begründet wird. Eine derartige Durchführung der Realteilung wird dem Sinn und der Systematik des Versorgungsausgleichs am besten gerecht (vgl. Winter a.a.O., RdNr. 43; Borth, Versorgungsausgleich 3. Auflage, Rdnr. 479). Der Senat ist daher der Auffassung, dass eine Realteilung - wenn dies vom Träger des zu teilenden Rechtes zugelassen wird - grundsätzlich in dieser Form zu erfolgen hat.

Nach der ergänzenden Auskunft der Beschwerdeführerin vom 9.7.2004 ergibt sich für die Antragsgegnerin bei einer hälftigen Aufteilung des Deckungskapitals eine monatliche Rente in Höhe von 41,17 Euro. In dieser Höhe war daher eine aufgeschobene Leibrentenversicherung für die Antragsgegnerin bei der Beschwerdeführerin zu begründen.

Eine von der Beschwerdeführerin angeregte Verrechnung mit anderen Anwartschaften ist im vorliegenden Fall nicht möglich, da der Antragsteller im Rahmen des Versorgungsausgleichs insgesamt ausgleichspflichtig ist.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 93 a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 17 a Nr. 1 GKG a. F.. § 49 GKG in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5.5.2004 (BGBl I Seite 718) kommt nicht zur Anwendung, da das Rechtsmittel vor dem 1.7.2004 eingelegt worden ist (§ 72 Nr. 1 GKG n. F.).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 621 e Abs. 2 i. V. mit § 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück