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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 19.06.2001
Aktenzeichen: 1 U 925/01
Rechtsgebiete: AKB


Vorschriften:

AKB § 14
Beauftragt der Versicherer im Rahmen einer Regulierung in der Fahrzeug- (= Kasko -) Versicherung einen Sachverständigen mit der Erstattung eines Schadensgutachtens, so wird der Versicherungsnehmer in der Regel nicht in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

1 U 925/01

In Sachen

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts - den Richter am Oberlandesgericht - und die Richterin am Oberlandesgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.5.2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Amberg vom 12.2.2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Beschwer beträgt für den Kläger 11.666,48 DM.

Beschluß:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 11.666,48 DM festgesetzt.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch erfolglos.

1. Zu Recht hat das Landgericht bereits das Vorliegen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter verneint. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst Bezug auf die Ausführungen des Erstrichters in den Entscheidungsgründen des Endurteils des Landgerichts Amberg. Unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ist ergänzend folgendes auszuführen:

a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß durch die Erteilung eines Auftrags zur Erstattung eines Gutachtens auch Sorgfalts- und Schutzpflichten des Gutachters gegenüber am Vertrag ansonsten nicht beteiligten Dritten begründet werden können (BGH NJW 84, 355, 356; BGHZ 127, 378 ff.; BGH NJW 87, 1758 ff.; BGH NJW 97, 1235 f.; BGH MDR 2001, 623 ff.; OLG München r + s 1990, 273 f. sowie die Nachweise bei Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Auflage, § 328 Rn. 34; Gottwald in Münchner Kommentar, 3. Auflage, § 328 Rn. 111 bis 115).

Ob die Vertragsparteien Schutzpflichten auch zugunsten Dritter begründen wollten, ist durch Auslegung des Vertrages gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Soll das Gutachten als Entscheidungsgrundlage für einen Dritten zum Beispiel den Käufer, Kreditgeber oder Haftpflichtversicherer - dienen, so liegt hierin ein gewichtiges Indiz für eine vertraglich gewollte Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich des Gutachtensauftrags (siehe die zuvor zitierte Rechtsprechung).

b) Vorliegend ergibt die Auslegung des zwischen dem Versicherer und dem Gutachter geschlossenen Vertrages keine Einbeziehung des klagenden Versicherungsnehmers.

aa) Dem Berufungsführer ist allerdings insofern beizupflichten, als auch das vom Kaskoversicherer erholte Schadensgutachten Vermögensdispositionen des Versicherungsnehmers beeinflussen kann: Im Regelfall entscheidet er nämlich anhand des Gutachtens, ob eine Reparatur des Fahrzeuges noch lohnenswert ist oder ob eine Abrechnung auf der Basis des Wiederbeschaffungswertes vorzuziehen ist.

Diese faktischen Auswirkungen des Gutachtens auf vermögensrelevante Entscheidungen des Versicherungsnehmers sind aber eher mittelbarer Natur. Im Vordergrund steht der Zweck des Gutachtens, als Grundlage der Schadensberechnung des Kaskoversicherers - und somit des Auftraggebers - zu fungieren. Insofern unterscheidet sich der Fall erheblich von der Konstellation, die der in r + s 1990, 273 ff. veröffentlichten Entscheidung des OLG München zugrunde lag: Dort sollte das vom Versicherungsnehmer im Rahmen der Regelung eines Haftpflichtschadens erholte Gutachten als Grundlage der Schadensregulierung eines Dritten, des Haftpflichtversicherers, dienen.

bb) Die Vereinbarungen zwischen Versicherer und Gutachter sind zudem im Licht der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrversicherung (AKB) zu sehen.

Anders als in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung regeln die AKB in § 14 für die Fahrzeugversicherung das Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Schadens: In diesem Fall entscheidet ein Sachverständigenausschuß, der aus zwei Mitgliedern besteht, von denen der Versicherer und der Versicherungsnehmer je einen benennt (§ 14 Abs. 2 AKB); soweit sich die Ausschußmitglieder nicht einigen, entscheidet innerhalb der durch die Abschätzung gegebenen Grenzen ein Obmann, der vor Beginn des Verfahrens von den Ausschußmitgliedern gewählt werden soll; kommt eine Einigung über die Person des Obmanns nicht zustande, wird er durch das zuständige Amtsgericht benannt (§ 14 Abs. 3 AKB).

Aus dieser Verfahrensgestaltung ist zu folgern, daß der vom Versicherer bzw. Versicherungsnehmerin die Kommission delegierte Gutachter in allererster Linie Interessensvertreter der ihn benannt habenden Partei ist und vertragliche Beziehungen lediglich zwischen der benennenden Partei und dem Schiedsgutachter, nicht aber zwischen dem Schiedsgutachter und der Gegenpartei zustande kommen (ebenso Stiefel/Hofmann, Kraftfahrversicherung, 17. Auflage, § 14 AKB Rn. 4). Erst der Obmann des Schiedsgutachterausschußes, der mittelbar von beiden Parteien gewählt wird, steht dann beiden Parteien gleichmäßig gegenüber und hat eine dem Schiedsrichter angenäherte Stellung (Stiefel/Hofmann, a.a.O., Rn. 5).

Was das Sachverständigenverfahren nach § 14 AKB kennzeichnet, prägt aber bereits die Stellung des Sachverständigen zuvor bei der Beauftragung. Da das Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten über die Schadenshöhe in § 14 AKB geregelt ist, wird der vom Versicherer im Rahmen der Regulierung eines Kaskoschadens beauftragte Sachverständige von Anfang an vorrangig und entscheidend im Interesse seines Auftraggebers tätig. Angesichts der Besonderheiten des Regulierungsverfahrens bei einem Kaskoschaden entspricht die Einbeziehung des Versicherungsnehmers in den Schutzbereich des Vertrages zwischen Versicherer und Gutachter in der Regel nicht dem Willen der Vertragsparteien.

2. Ergänzend weist der Senat darauf hin, daß bei - unterstellter - Bejahung eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter der Kläger sich ein mitwirkendes Verschulden gemäß § 254 Abs. 2 BGB entgegenhalten lassen müßte. Er hat aus freien Stücken das Sachverständigenverfahren nicht weiterbetrieben, sondern sich gütlich mit dem Kaskoversicherer geeinigt. Wäre ihm aber tatsächlich durch ein falsches Gutachten ein Schaden entstanden, hätte es ihm oblegen, zumindest zu versuchen, den Schaden im Wege des Sachverständigenverfahrens nach § 14 AKB abzuwenden.

3. Da vertragliche Ansprüche zwischen den Parteien nicht bestehen, kommt eine Haftung der Beklagten dem Kläger gegenüber allein unter dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung in Betracht. Zwar stellt der Kläger eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung der Beklagten gemäß § 826 BGB in den Raum; substantiiert trägt er hierzu jedoch nichts vor.

Das Landgericht hat daher zu Recht die Klage abgewiesen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO, die Festsetzung der Beschwer auf § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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