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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 12.12.2007
Aktenzeichen: 12 U 195/07
Rechtsgebiete: BGB, VVG
Vorschriften:
BGB § 823 | |
VVG § 156 | |
VVG § 157 |
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES
Az.: 12 U 195/07
Verkündet am 12. Dezember 2007
In dem Rechtsstreit
wegen Forderung
erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg -12.Zivilsenat- durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Ciriacy-Wantrup, Richterin am Oberlandesgericht Schoen und Richter am Oberlandesgericht Schulze-Weckert auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2007 folgendes
Endurteil:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21.12.2006 und das ihm zugrundeliegende Verfahren aufgehoben.
II Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 502.748,66 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten zusammen mit dem ... (im Folgenden ...) als Haftpflichtversicherung der Insolvenzschuldnerin, der ... GmbH (im Folgenden Insolvenzschuldnerin), auf Schadensersatz wegen Bodenverunreinigungen auf dem Betriebsgrundstück im Bereich des ... Hafengebietes, ...str. ... in ... in Anspruch.
Die Klägerin ist als Rechtsnachfolgerin des Freistaates Bayern Eigentümerin des genannten Grundstücks, an welchem dieser der .... GmbH ..., ...str., ... ein Erbbaurecht eingeräumt hatte, das am 14.11.1973 ins Grundbuch eingetragen wurde. Die Erbbauberechtigte und ihre Rechtsnachfolgerin, die Insolvenzschuldnerin, über deren Vermögen am 1.3.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, betrieben auf diesem Grundstücke einen Metallschmelzbetrieb. Die Insolvenzschuldnerin und ihre Rechtsvorgängerin hatten mit dem ... einen Industrie-Umwelt-Haftpflichtversicherungsvertrag, beginnend ab 16.6.97, geschlossen. Versichertes Risiko ist die gesetzliche Haftpflicht der Insolvenzschuldnerin wegen Personen- und Sachschäden durch Umwelteinwirkungen auf Boden, Luft und Wasser für die gemäß Ziffer 2 der Versicherungspolice gegebenen Risiken (K 3, Ziffer 1.1.2.). Eingeschlossen waren auch gesetzliche Haftpflichtansprüche wegen Sachschäden, die durch allmähliche Einwirkung von Temperatur, Gasen, Dämpfen, Feuchtigkeit von Niederschlägen sowie durch Abwasser entstehen (K 3, Ziffer 1.1.4.). Gemäß Ziffer 1.1.1. der Police richtet sich der Versicherungsschutz - von Ausnahmen abgesehen - nach den Bestimmungen der AHB. § 7 AHB bestimmt, dass Versicherungsansprüche vor ihrer endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers nicht übertragen werden dürfen. Nach einem Wasserrohrbruch auf dem Betriebsgelände im Jahre 1998 wurde eine Grundwasserkontamination mit Schwermetallen festgestellt. Für die hierdurch entstandenen und noch entstehenden Schäden nimmt die Klägerin den Beklagten und den ... beschränkt auf Leistung auf die Entschädigungsforderung der Insolvenzschuldnerin gegen den ... aus der Haftpflichtversicherung, in Anspruch. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin. Mit Schreiben vom 10.1.2005, gerichtet an den Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, hat er die Freigabe etwaiger Ansprüche der Insolvenzschuldnerin gegen den Umwelthaftpflichtversicherer (...) wegen Kontaminationen auf dem Betriebsgelände, soweit sie dem Anwendungsbereich des § 157 VVG unterfallen, erklärt.
Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien in erster Instanz und ihrer Antrage wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf Bl. 4 bis 6 des Endurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21.12.2006 Bezug genommen.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Teilurteil vom 21.12.2006 die Klage gegen den Beklagten abgewiesen.
Im Wesentlichen hat es hierzu ausgeführt:
Der Beklagte sei nicht passiv legitimiert.
Die Klägerin sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass ihre Schadensersatzansprüche als Forderungen zur Insolvenzmasse grundsätzlich von dem Beklagten als Insolvenzverwalter zu befriedigen seien. Auch stellten die aus dem Schadensereignis sich ergebenden Deckungsansprüche der Schädigerin ein zur Insolvenzmasse gehörendes Aktivvermögen dar. Durch die mit Schreiben des Beklagten vom 10.1.2005 gegenüber dem Geschäftsführer der in Solvenzschuldnerin erklärte Freigabe dieses Aktivvermögenspostens, also des Deckungsanspruches der Insolvenzschuldnerin gegen den Haftpflichtversicherer, sei das Aktivvermögen der Insolvenzmasse jedoch um diesen Anspruch verringert worden. Damit sei der gegen die Insolvenzmasse gerichteten Forderung der Klägerin auf Schadensersatz das entsprechende Äquivalent entzogen worden. Die durch den Beklagten erklärte Freigabe sei auch gegenüber der Klägerin wirksam, weil diese hierdurch nicht beeinträchtigt werde. Durch das Schadensereignis entstehe zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger ein (gesetzliches) Schuldverhältnis. Wenn der Schädiger für einen Schadensfall versichert und seine Verantwortlichkeit für den Schaden festgestellt sei, habe der Schädiger Anspruch gegen seinen Versicherer auf Erstattung des Schadensbetrages. Diese zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsbeziehungen würden grundsätzlich auch dann fortdauern, wenn über das Vermögen des Schädigers ein Insolvenzverfahren eröffnet werde, insoweit werde nur dem Schädiger die Möglichkeit genommen, über sein Vermögen frei zu verfügen. Wie jeder andere Gläubiger des Insolvenzschuldners habe der Geschädigte nunmehr seine Ansprüche gegen die Insolvenzmasse geltend zu machen. Nur für den Fall, dass für die Schadensersatzforderung des Geschädigten ein Haftpflichtanspruch gegen den Versicherer bestehe, stehe dem Geschädigten eine Sonderstellung in Form eines Absonderungsrechts gem. § 157 VVG zu. Dies setze jedoch voraus, dass der eigentliche Schädiger als Schuldner der Schadensersatzforderung vermögenslos sei und wegen des bestehenden Insolvenzbeschlages seines Vermögens nicht in Anspruch genommen werden könne. Wenn aber der Insolvenzverwalter Teile des an sich dem Insolvenzschuldner zustehenden Vermögens aus dem Insolvenzbeschlag freigebe, sei die Vermögenslosigkeit des Insolvenzschuldners beendet. Durch die Freigabe könne die Insolvenzschuldnerin daher die sich aus dem Versicherungsvertrag ergebenden Ansprüche wieder selbständig geltend machen, ohne hieran durch das weiterlaufende Insolvenzverfahren gehindert zu sein. Die Insolvenzschuldnerin werde damit vermögensrechtlich und juristisch in genau die Lage versetzt, in der sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewesen sei. Die (teilweise) Aufhebung der Vermögensbeschlagnahme durch die Freigabeerklärung für einen bestimmten Vermögensgegenstand stelle auch keine Verfügung im Sinne des § 156 Abs. 1 VVG dar, durch die mit diesem Gegenstand verbundene Rechte auf eine andere Person übertragen werden. Rechtsinhaber dieses Gegenstandes sei auch nach der Insolvenzeröffnung stets die Insolvenzschuldnerin als die ursprüngliche Berechtigte geblieben. Mit der Freigabeerklärung erlange sie ihre ursprüngliche Befugnis zurück, wieder über diesen Gegenstand disponieren zu können. Durch die Freigabe werde auch nicht in das der Klägerin zustehende Absonderungsrecht nach § 157 VVG eingegriffen. Die Klägerin könne vielmehr die ihr zustehenden Ansprüche, wie vor dem Insolvenzverfahren auch, wieder unmittelbar gegen den Schädiger geltend machen und (wegen der diesem nunmehr wieder zustehenden Deckungsforderung) auch durchsetzen. Ein Zusammenhang mit sonstigen, weiterhin zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen sei nicht gegeben. Sie habe nur formal eine Stellung innerhalb des Insolvenzverfahrens verloren, ihre übrigen sich aus der Stellung als Geschädigte ergebenden Rechte und Ansprüche gegenüber dem Schädiger seien nicht beeinträchtigt. Die Abgabe der Freigabeerklärung durch den Insolvenzverwalter sei auch sachgemäß. Hierdurch werde vermieden, dass er mit dem Gläubiger eines Schadensersatzanspruches auf Kosten der Insolvenzmasse und damit zum Nachteil der übrigen Insolvenzgläubiger einen Rechtsstreit führen müsse, durch dessen Ausgang für die Insolvenzmasse zugunsten der übrigen Insolvenzgläubiger nichts gewonnen werden könne, weil die Entschädigungsleistung der Versicherung wegen des Absonderungsrechts in voller Höhe an die Geschädigte weiterzureichen sei. Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BGH vom 25.4.1989, VersR 1989, 730, in der der BGH dem Geschädigten das Recht eingeräumt habe, sein Absonderungsrecht aus der Versicherungsforderung ohne den Umweg über das konkursrechtliche Prüfungsverfahren durch unmittelbare Klage auf Zahlung gegen den Konkursverwalter geltend zu machen, stehe nicht entgegen, weil aufgrund der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters ein Absonderungsrecht der Klägerin nicht mehr bestehe. Eine Passivlegitimation des Beklagten bestünde nur hinsichtlich etwaiger überschießender Ansprüche, für die ein Absonderungsrecht mangels Versicherungsleistung nicht bestehe und die weiterhin gegen die Insolvenzmasse gerichtet seien. Die Klägerin habe aber ausdrücklich ihre Klageforderung auf die Beträge beschränkt, für die eine Einstandspflicht der Versicherung besteht.
Die Klägerin hat gegen dieses Teilurteil Berufung eingelegt.
Sie trägt vor:
Zutreffend stelle das Landgericht fest, dass zwei verschiedene Ansprüche von Bedeutung seien, nämlich Schadensersatzansprüche, die Insolvenzforderungen darstellten, und die sich aus dem Schadensereignis ergebenden Deckungsansprüche gegen den Haftpflichtversicherer der Insolvenzschuldnerin, bei denen es sich um ein zur Masse gehörendes Aktivvermögen handele. Richtig habe das Erstgericht auch ausgeführt, dass dieses Aktivvermögen aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben und damit das Aktivvermögen der Insolvenzmasse um diese Vermögensposition verringert sei. Entgegen der Meinung des Landgerichts sei diese Freigabe jedoch sowohl insolvenzrechtlich als auch nach den Bestimmungen des VVG der Klägerin gegenüber unwirksam. Diese sei in ihren Rechten auch erheblich beeinträchtigt. Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde der Schadensersatzanspruch des Schädigers zur Insolvenzforderung, die sich gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter richte. Der Deckungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag werde zum Aktivvermögen der Insolvenzmasse. Sowohl hinsichtlich des Schadensersatzanspruches als auch hinsichtlich des Deckungsanspruches trete eine entscheidende Rechtsänderung ein. Die Klägerin selbst habe keinen Haftpflichtanspruch gegen den Versicherer. Vielmehr habe nur der haftpflichtversicherte Schädiger einen sog. Deckungsanspruch gegen den Versicherer. Dieser Deckungsanspruch sei aufgrund des "Trennungsprinzips" vom Haftpflichtanspruch des Gläubigers gegen den Schädiger zu unterscheiden. Der Haftpflichtanspruch des Geschädigten sei im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter zu befriedigen. Daran ändere sich entgegen der Meinung des Landgerichts auch durch eine Freigabe seitens des Insolvenzverwalters nichts, selbst wenn dieser, wie nicht, zur Freigabe berechtigt wäre. Die Forderung des Geschädigten bleibe in der Insolvenzmasse. Auch der Insolvenzverwalter sei den gesetzlichen Vorschriften des materiellen Rechts und damit der Vorschrift des § 156 VVG unterworfen. Nur eine rechtmäßige Freigabe eines Anspruches aus dem aktiven Insolvenzvermögen habe zur Folge, dass dieses Vermögen aus dem Insolvenzbeschlag herausgenommen und in das insolvenzfreie Vermögen des ursprünglichen Schuldners überführt werde. Entgegen der Meinung des Landgerichts stelle die Freigabe ein dinglich wirkendes Verfügungsgeschäft über die Entschädigungsforderung gem. § 156 VVG dar, weil hierdurch die Verfügungsbefugnis über den Deckungsanspruch gegen den Versicherer und damit das Aktivvermögen auf die Insolvenzschuldnerin übertragen und damit das Aktivvermögen aus der Masse entfernt werde. Dies sei gemäß § 156 Abs. 1 S. 1 VVG gegenüber der Klägerin unwirksam. Die Freigabe sei auch insolvenzrechtlich unzulässig. Es liege eine sog. "echte Freigabe" vor. Eine solche komme dann in Betracht, wenn die Kosten für die Verwaltung und Verwertung des Gegenstandes den voraussichtlichen Verwertungserlös übersteigen würden, es sich insoweit um unnütze Massegegenstände handele, bezüglich der der Insolvenzverwalter sich von unnötigen Lasten befreien und sein Haftungsrisiko beschränken könne. Der Deckungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag sei jedoch keineswegs ein unnützer Massegegenstand, sondern wertvolles Aktivvermögen, auf dem keine Kosten lasten würden, die für die Verwaltung oder Verwertung des Gegenstandes so hoch wären, dass sie den voraussichtlichen Verwertungserlös übersteigen würden. Da § 156 ein gesetzliches Veräußerungsverbot gem. § 135 BGB enthalte, führe ein Verstoß gegen diese Bestimmung auch dann zur relativen Unwirksamkeit, wenn keine Benachteiligung des Geschädigten eintreten würde. Entgegen der Meinung des Erstgerichts sei durch die Freigabe aber auch in das der Klägerin zustehende Absonderungsrecht nach § 157 VVG eingegriffen worden. Das Absonderungsrecht der Klägerin gem. § 157 VVG diene der Durchsetzung des Schadensersatzanspruches des Geschädigten in der Insolvenz des Schädigers. Der Geschädigte könne - ohne Durchlaufen des insolvenzrechtlichen Prüfungsverfahrens - unmittelbar gegen den Insolvenzverwalter auf Zahlung aus der Entschädigungsforderung gegen den Versicherer klagen. Der Insolvenzverwalter sei insoweit passiv legitimiert. Wäre die Freigabe wirksam erfolgt, der Deckungsanspruch somit aus dem Aktivvermögen der Insolvenzmasse entfernt, müsste sich die Klägerin wegen der Entschädigung wieder an die Insolvenzschuldnerin wenden. Gegen diese bestehe aber - hierin liege der entscheidende Fehler des erstinstanzlichen Urteils - kein Schadensersatzanspruch mehr, denn dieser sei, wie sich aus dem Trennungsprinzip ergebe, nach wie vor im Passivvermögen der Insolvenzmasse verblieben. Eine Klage gegen die Insolvenzschuldnerin auf Schadensersatz würde an deren fehlender Passivlegitimation scheitern. Die Klägerin hätte keineswegs einen Absonderungsanspruch nach § 157 VVG gegen die Insolvenzschuldnerin mehr, sondern müsste nach Erhalt eines obsiegenden Urteils wegen der Entschädigungssumme einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen diese als Drittschuldnerin erwirken. Der grundlegende Irrtum des Erstgerichts bestehe darin, dass es davon ausgehe, der Schadensersatzanspruch der Klägerin folge dem Deckungsanspruch des Schädigers gegen den Versicherer. Das Gegenteil sei der Fall. Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten, der infolge der Insolvenzeröffnung in das Passivvermögen der Insolvenzmasse gelangt sei, bleibe dort, selbst wenn die Freigabe des Deckungsanspruches wirksam erfolgt wäre. Eine Überleitung des Schadensersatzenspruches von dem Passivvermögen der Insolvenzmasse erfolge nicht automatisch, sondern setze wiederum eine Verfügung des Insolvenzverwalters über den Schadensersatzanspruch, also über einen Teil des Passivvermögens der Insolvenzmasse voraus. Ein derartiger Vorgang sei aber weder erfolgt, noch behauptet, noch zulässig. Der Insolvenzverwalter könne kein Passivvermögen aus der Insolvenzmasse entfernen, er bleibe passiv legitimiert. Daher sei die Freigabe des Deckungsanspruches des Insolvenzschuldners gegen den Haftpflichtversicherer aus insolvenzrechtlicher Sicht auch unzulässig, weil der Deckungsanspruch des Schädigers gegen den Haftpflichtversicherer durch die Freigabe aus der Hand gegeben werde, obwohl das Passivvermögen, nämlich der Schadensersatzanspruch des Geschädigten, nicht aus der Insolvenzmasse entfernt werden könne.
Die Klägerin stellt folgenden Antrag:
I. Das Teilurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21.12.2006 wird aufgehoben.
II.1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 502.748,66 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, beschränkt auf Leistung aus der Entschädigungsforderung der Firma ... ... GmbH gegen den ... aus der Industrie-Police Umwelt-Haftpflichtversicherung Nr. ... wegen Kontaminierungsschäden auf dem Anwesen ...straße ... in ... Hafen (Schaden-Nr. des ...).
Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von Sanierungsansprüchen in Höhe von 502.748,66 EUR wegen des Kontaminierungsschadens am Grundstück ...straße ... in ... Hafen freizustellen, beschränkt auf Leistung aus der Entschädigungsforderung der Firma ... GmbH gegen den ... aus der Industrie-Police Umwelt-Haftpflichtversicherung Nr. ... wegen Kontaminierungsschäden auf dem Anwesen ...straße ... in ... Hafen (Schaden-Nr. des ...).
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte wegen weiterer über die in Ziff. II 1 genannten Beträge hinausgehende Kontaminierungsschäden dem Kläger zu Schadensersatz verpflichtet ist und diesen von Ersatzansprüchen freizustellen hat, beschränkt auf Leistung aus der Entschädigungsforderung der ... GmbH gegen den ... aus der Industrie-Police Umwelt-Haftpflichtversicherung Nr. ... wegen Kontaminierungsschäden auf dem Anwesen ...straße ... in ... Hafen (Schaden-Nr. des ...).
Weiterhin beantragt die Klägerin Zurückweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Nürnberg-Fürth.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21.12.2006 zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Klägerin übersehe, dass sie mit der Entscheidung des Erstgerichts ihre Schadensersatzansprüche nicht verliere, vielmehr sei allein maßgeblich, ob und in weicher Weise der Insolvenzverwalter persönlich für die Schadensersatzansprüche des Geschädigten einzustehen habe. Der Beklagte sei gem. § 80 InsO als Insolvenzverwalter berechtigt gewesen, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über dieses Vermögen zu verfügen. Als solcher sei er auch zur Freigabe der Deckungsansprüche des Gemeinschuldners gegenüber der Haftpflichtversicherung aus der Vermögensmasse der Gemeinschuldnerin berechtigt und sogar verpflichtet gewesen. Im Übrigen stelle die Freigabe auch keine Verfügung über den freigegebenen Gegenstand dar, vielmehr falle die gem. § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter übergegangene Verfügungsbefugnis auf die Insolvenzschuldnerin zurück. Das zwischen Insolvenzschuldnerin und Haftpflichtversicherung bestehende Rechtsverhältnis bestehe auch dann fort, wenn über das Vermögen des Schädigers das Insolvenzverfahren eröffnet werde. Insoweit liege eine Änderung in der Person des Verfügungsberechtigten vor. Die Freigabe steile lediglich den alten Zustand wieder her. Der Schädiger könne bei einer etwaigen Inanspruchnahme durch den Geschädigten seine Deckungsansprüche wieder gegenüber seinem Versicherer geltend machen, welche dann wiederum die Ersatzleistung an den Geschädigten erbringen könne. Im Ergebnis stelle sich die Situation nicht anders dar, als wenn das Insolvenzverfahren (z.B. wegen unerwarteten Vermögenszuflusses bei der Insolvenzschuldnerin) beendet würde und die bisher bestehenden Verfügungsbeschränkungen aufgehoben würden. Insoweit sei auch nicht in das Absonderungsrecht der Klägerin gem. § 157 VVG eingegriffen worden.
Die Klägerin hat hierauf repliziert, dass es vorliegend nicht darum gehe, ob und in welcher Weise der Insolvenzverwalter persönlich für Schadensersatzansprüche des Geschädigten einstehen solle oder nicht, es somit nicht um das persönliche Einstehen des Insolvenzverwalters gehe, sondern um dessen Passivlegitimation kraft Amtes. Einstehen müsse lediglich das Massevermögen und auch dieses nur soweit es aufgrund des Versicherungsvertrages von der Haftpflichtversicherung gedeckt sei. Daher führe allein der Haftpflichtversicherer diesen Rechtsstreit, auch für den Beklagten was sich aus § 3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB), ergebe, welche gem. Ziffer 1.1.1. der streitgegenständlichen Umwelthaftpflichtversicherungspolice einbezogen sei. Nach § 3 I AHB umfasse die Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers auch die Prüfung von Haftpflichtanfragen, die Abwehr unberechtigter Ansprüche, sowie den Entschädigungsersatz. Gem. § 3 II Ziff. 3 AHB habe der Haftpflichtversicherer den Rechtsstreit auf seine Kosten für den Beklagten zu führen. So sei es hier geschehen. Nur wegen des Trennungsprinzips habe die Klägerin den Beklagten als Insovenzverwalter gesondert verklagen müssen, weil die Klägerin als Geschädigte keinen Direktanspruch gegen den Versicherer habe.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis nicht erhoben.
II.
Auf die zulässige Berufung der Klägerin war das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21.12.2006 aufzuheben und zur weiteren Verhandlung an das Gericht des ersten Rechtszuges deshalb zurückzuverweisen, weil die Klage gegen den Beklagten insgesamt abgewiesen worden war, der Streit sowohl über den Grund als auch den Betrag des Anspruches zur Entscheidung noch nicht reif ist, und die Klägerin die Zurückverweisung beantragt hat (§ 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).
1. Der Beklagte ist auch nach Freigabe "etwaiger Ansprüche der Insolvenzschuldnerin gegen den Umwelthaftpflichtversicherer (...)" wegen Kontaminationen auf dem ehemaligen Betriebsgelände, der Insolvenzschuldnerin in ..., ...straße, soweit sie dem Anwendungsbereich des § 157 VVG unterfallen, für die von der Klägerin behaupteten Schadensersatzansprüche aus § 823 BGB passivlegitimiert.
1.1 Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schädigerin hatte die Klägerin ihren behaupteten Schadensersatzanspruch ausschließlich gegenüber der Schädigerin geltend zu machen. Einen Anspruch gegen den Versicherer (...) hatte die Klägerin aufgrund des in der Haftpflichtversicherung einschlägigen Trennungsprinzips zwischen Deckungsverhältnis und Haftpflichtversicherungsverhältnis demgegenüber nicht (Römer/Langheidt, Rn 121 VVG), weil zwischen dem geschädigten Dritten und dem Versicherer - außer in der Kraftfahrzeug-Pflichtversicherung (§ 3 Nr. 1, 2 PflVersG) - keinerlei Rechtsbeziehungen bestehen (Prölss/Martin, VVG, § 156 Rn 1, BGH VII, 245). Insoweit ist der geschädigte Dritte gehalten, den Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers zu pfänden und sich überweisen zu lassen, um gegen den Versicherer vorgehen zu können (BGH VersR 57, 731, Prölss/Martin, a.a.O., Rn 1).
1.2 Entgegen der Meinung des Landgerichts bestehen diese Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten nicht unverändert fort, wenn über das Vermögen des Schädigers ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Es tritt nicht nur eine Änderung insoweit ein, als mit Bestellung eines Insolvenzverwalters dem Schädiger rechtlich jedwede Möglichkeit genommen wird, über sein Vermögen (auch zugunsten des Geschädigten) frei verfügen zu können, vielmehr wird, wie die Klägerin zutreffend ausführt, der Schadensersatzanspruch des Geschädigten zur Insolvenzforderung, die sich gegen den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes richtet und die dieser grundsätzlich durch Zahlung aus der Masse zu befriedigen hat, sobald der Anspruch durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist (§ 154 Abs. 1 VVG). Dementsprechend muss der Geschädigte seine Schadensersatzforderung zur Tabelle anmelden und diese im Bestreitensfalle durch Feststellungsklage titulieren lassen (Münchener Kommentar/Ganter, InsO, § 51 Rn 238; Neufeld, Handbuch des Insolvenzrechts, § 88, Rn 123). Hat der Schädiger eine Haftpflichtversicherung, hat er gegen seinen Haftpflichtversicherer einen Anspruch auf Freistellung von Schadensersatzansprüchen des Geschädigten, § 3 Abs. 3 Nr. 1 AHB. Der Versicherer hat begründete Schadensersatzansprüche zu befriedigen und unbegründete Ansprüche abzuwehren (Neufeld, a.a.O., § 28 Rn 120). In der Insolvenz des Schädigers (Versicherungsnehmer) gibt § 157 VVG dem Geschädigten ein eigens für den Fall des Bestehens einer Haftpflichtversicherung geschaffenes Absonderungsrecht. Danach kann der Geschädigte wegen des ihm gegen den Schädiger zustehenden Schadensersatzanspruchs abgesonderte Befriedigung gem. § 157 VVG verlangen, vorausgesetzt der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist fällig und rechtskräftig (Neufeld a.a.O.). Entgegen der Meinung des Landgerichts wurde die Klägerin durch die Freigabe des Deckungsanspruches des Schädigers gegenüber der Haftpflichtversicherung durch den Insolvenzverwalter nicht genau in die Lage versetzt, in der sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestanden hat. Zwar wurde hierdurch der Insolvenzbeschlag hinsichtlich des Deckungsanspruches des Schädigers gegenüber der Haftpflichtversicherung gelöst und dieser ist wieder in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners gefallen (Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., 2007, § 23 Rn 77), demgegenüber bleibt aber der Schadensersatzanspruch der geschädigten Klägerin in der Insolvenzmasse verhaftet. Insoweit ist eine Freigabe durch den Insolvenzverwalter auch gar nicht möglich, weil Gegenstand der Freigabe nur alle der Masse angehörenden Gegenstände sein können. Nicht freigegeben werden können hingegen Pflichten oder Verbindlichkeiten (Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, a.a.O., Rn 76). Eine Schuld kann ein Insolvenzverwalter niemals freigeben, denn diese wird zur Masseverbindlichkeit. Freigeben kann der Insolvenzverwalter vielmehr nur zur Insolvenzmasse gehörendes Aktivvermögen, also Immobilien, bewegliche Sachen oder Forderungen, die der Schuldner gegen Dritte hatte (Müko, InsO, a.a.O., § 1 Rn 47). Damit hat der Geschädigte auch nach Freigabe des Deckungsanspruches des Schädigers gegen die Haftpflichtversicherung seinen vor Insolvenzeröffnung bestehenden unmittelbaren Anspruch gegen den Schädiger nicht zurückerlangt, vielmehr ist dieser nach wie vor im Passivvermögen der Insolvenzmasse verblieben und damit gegen den Insolvenzverwalter geltend zu machen.
1.3 Für das weitere Verfahren ist zu bemerken:
Für die vorliegende Entscheidung konnte offen bleiben, ob die durch den Beklagten erklärte Freigabe des Deckungsanspruchs gemäß § 156 Abs.1 VVG unwirksam ist. Für diese Frage ist zu bedenken, dass die Freigabe einer Verfügung im Sinne der genannten Vorschrift zumindest ähnlich ist. Denn unter einer Verfügung versteht man jede Handlung, die unmittelbar auf Änderung, Übertragung, Belastung oder Vernichtung eines Rechts gerichtet ist (Prölss-Martin, VVG, 27.AUfl. § 156 Rn 4). Im vorliegenden Fall bewirkt die Freigabe, dass die Verfügungsbefugnis über den Deckungsanspruch vom Beklagten auf den Schädiger übergeht. Sie hat damit quasi eine dingliche Wirkung (vgl. Ringstmeier, a.a.O.,Rn 78), ähnlich, wie wenn der Forderungsinhaber wechselt. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass der BGH in einer Entscheidung vom 7.12.2006, AZ: IX ZR 161/04 ausgeführt hat, dass bei einer Freigabe eines Anspruches aus der Insolvenzmasse § 401 BGB, eine Vorschrift des Abtretungsrechts, entsprechend anwendbar sei.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten, das zurückverweisende Urteil enthält keine Kostenentscheidung (Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 538 Rn 58).
Gem. § 21 GKG sind die durch das Berufungsverfahren angefallenen Gerichtskosten nicht zu erheben.
Aufhebende und zurückverweisende Urteile sind für vorläufig vollstreckbar zu erklären (Zöller, a.a.O., § 538 Rn 59). Aus ihnen kann die Vollstreckung insoweit betrieben werden, als erst die Vorlage eines für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils das Vollstreckungsorgan nach §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO nötigt, eine eingeleitete Vollstreckung aus dem aufgehobenen Urteil einzustellen und getroffene Maßnahmen aufzuheben (vgl. Münchener Komm., ZPO, § 704 Rn 6).
3. Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof für den Beklagten gemäß § 543 Abs.2 Ziffer 2 ZPO zugelassen, weil die Frage, ob die Passivlegitimation des Insolvenzverwalters, der einen zur Insolvenzmasse gehörenden Deckungsanspruch gegenüber einer Haftpflichtversicherung bei gleichzeitig im Passivvermögen vorhandenen Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den Schädiger in der Insolvenzmasse, in Wegfall gerät, soweit dem Senat bekannt, höchstrichterlich noch nicht entschieden ist.
Ende der Entscheidung
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