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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 21.02.2001
Aktenzeichen: 12 U 4297/00
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 87
HGB § 89 b
1. Die Verlegung des Sitzes eines Kunden aus dem Bezirk eines Handelsvertreters in den Bezirk eines anderen ist keine Teilbeendigung des Vertragsverhältnisses. Ein Ausgleichsanspruch scheidet in diesem Fall jedenfalls bei nicht erheblichen Provisionseinbußen aus.

2. Geschäfte mit bezirksfremden Kunden, die früher ihren Sitz im Gebiet des Bezirksvertreters hatten, sind diesem gegenüber nicht provisionspflichtig.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

12 U 4297/00 1 HK O 1211/00 LG Regensburg

In Sachen

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.2.2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 26. Oktober 2000 wird zurückgewiesen. Die auf Auskunft gerichtete geänderte Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 9.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Sicherheit kann auch durch selbstschuldnerische, unwiderrufliche und unbefristete Bürgschaft einer als Zoll- oder Steuerbürgin zugelassenen Bank oder öffentlichen Sparkasse mit dem Sitz in der Europäischen Union erbracht werden.

V. Die Beschwer des Klägers beträgt 66.258,65 DM.

Beschluß:

Der Berufungsstreit wird auf 66.258,65 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger macht einen Ausgleichsanspruch wegen teilweiser Beendigung eines Handelsvertreterverhältnisses, hilfsweise ein Auskunftsverlangen zur Vorbereitung von Provisionsforderungen geltend.

Der Kläger war seit August 19891 Handelsvertreter für die Einzelfirma F O. Mit der Beklagten als deren Rechtsnachfolgerin setzte er das Handelsvertreterverhältnis aufgrund Vertrages vom 20.1.1992 fort.

Der Kläger ist Bezirksvertreter. Hinsichtlich des räumlichen Umfangs enthält der Vertrag folgende Regelung:

I. Umfang der Vertretung:

1. Die Firma O GmbH bestellt Herrn J B für das Gebiet, welches auf beiliegender Anlage 1 zu diesem Vertrag näher bezeichnet ist, als Handelsvertreter.

PLZ-Gebiete: Österreich, + Kassel, 1, 5, 6. S. Karte, 8 außer München und Regensburg.

Dies schließt nicht aus, daß die Firma O in diesen Gebieten selbst Geschäfte tätigen kann.

2. Die Handelsvertretung erstreckt sich auf alle Produkte der Firma O GmbH.

3. Sofern der Handelsvertreter einen Filialisten beliefert und dieser Filialen in anderen Gebieten, die vom Gebietsschutz nicht umfaßt sind, beliefert, bedeutet dies nicht gleichzeitig einen Anspruch auf diese Gebiete der weiteren Filialen".

Hinsichtlich der Provision enthält der Vertrag die folgenden Bestimmungen:

IV. Provision:

1. Der HV erhält für alle Waren, die in seine Gebiete geliefert werden, 10 % vom netto Rechnungsbetrag. Für Aufträge, die der HV abschließt und deren Lieferungen in Filialen fließen, die außerhalb seiner Bezirke liegen, beträgt die Provision 5 % des netto Rechnungsbetrages.

Der HV erhält eine Provision von 5 % für Aufträge, die er bei Einkaufsverbänden, Konzernen in Fremdgebieten abschließt, deren Zentrale in seinem Gebiet sind.

2. Tätigt ein HV im Gebiet des anderen Geschäfte, so erhält er hierfür nicht die Provision. Die Provision fällt dem HV zu, in dessen Gebiet das Geschäft getätigt wurde, ausgenommen hiervon sind Filialisten, Einkaufsverbände, Konzerne, deren Zentrale im Gebiet des HV ist."

Ende 1997 verlegte ein Kunde der Beklagten, die Fa. N S, seine Zentrale in W aus dem Bezirk des Klägers nach H in den Bezirk des Handeslvertreters L Weiterhin erteilten die Filialbetriebe der Fa. N S im Bezirk des Klägers keine weiteren Aufträge. Die Bestellungen wurden nunmehr nur noch von der Firmenzentrale erteilt.

Dorthin erfolgten auch die Lieferungen.

Aus Umsätzen mit der Fa. N S bezog der Kläger im Jahr 1997 Provisionen in Höhe von 67.011,15 DM. In der Folgezeit beendete die Fa. S die Geschäfbsbeziehungen zur Beklagten. Der letzte Auftrag wurde der Beklagten von der Fa. Sch am 23.9.1998 erteilt.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, daß die Sitzverlegung einer teilweisen Vertragsbeendigung gleichzusetzen sei und ihm ein Ausgleichsanspruch zustehe, den er nach dem Durchschnitt der letzten 5 Jahresprovisionen aus Geschäften mit der Fa. S mit 52.856,52 DM errechnete. Hilfsweise hat er den Standpunkt vertreten, daß ihm auch nach der Sitzverlegung der Fa. S Provisionsansprüche zustünden.

Die Beklagte hat die Sitzverlegung der Fa. S nicht als Teilbeendigung angesehen, die Anwerbung der Fa. S als Kunden durch den Kläger bestritten und Provisionsansprüche nach der Sitzverletzung der Fa. S in einen anderen Bezirk verneint.

Hinsichtlich des weiteren Vortrages der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge, wird auf das Ersturteil Bezug genommen.

Mit am 26. Oktober 2000 verkündetem Endurteil hat das Landgericht Regensburg die Klage in vollem Umfange abgewiesen. Es ist dabei der Argumentation der Beklagten gefolgt, wonach die Verlegung des Sitzes eines Kunden in einen anderen Bezirk keine Teilbeendigung sei und eine analoge Anwendung des § 89 b HGB mangels eines gravierenden Eingriffs ausscheide. Auch aus Billigkeitsgründen stünde dem Kläger wegen der Beendigung der Geschäftsbeziehung im Jahre 1998 zwischen der Beklagten und der Fa. S kein Ausgleichsanspruch zu. Auch Provisonsansprüche für Geschäfte aus einem anderen Bezirk stünden dem Kläger nicht zu. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.

Mit seinem Rechtsmittel verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Begehren in vollem Umfange weiter. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Ersturteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens aber 52.856,42 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Hilfsweise beantragt er,

die Beklagte zu verurteilen, Auskunft über die Höhe der Provisionszahlungen bezüglich der Geschäfte mit dem Kunden S für den Zeitraum Juli 1997 bis zur Geschäftsbeendigung zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und auch hinsichtlich des geänderten Hilfsantrages die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Ersturteil und trägt unwidersprochen vor, daß der Kläger 1997 Provisionen in Höhe von 310.000,-- DM erhalten habe. 1997 habe sein Umsatz noch 3 Mio. DM betragen, im Jahre 2000 nur noch 0,5 Mio. DM. Auch ohne Berücksichtigung des Umsatzes mit der Fa. S betrage sein Umsatzrückgang 77 %. Weiterhin hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, daß von ehemals 32 S-Filialen bereits vor der Sitzverlegung 8 Filialen keine Bestellungen mehr aufgegeben hätten, 4 Filialen sich selbständig gemacht hätten und weiter beim Kläger bestellten, 2 Filialen geschlossen worden seien und 2 weitere Filialen sich selbständig gemacht hätten und nunmehr im Bezirk des Handelsvertreters L lägen. Im übrigen sei ein Ende der Geschäftsbeziehung bereits zum Zeitpunkt der Sitzverlegung abzusehen gewesen, nachdem die neuen Eigentümer, die B-Gruppe, eine andere Geschäftsstrategie verfolgten.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahrens wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung sowohl den Ausgleichsanspruch wie auch den Auskunftsanspruch verneint. Im Berufungsverfahren hat der Kläger keine Tatsachen vorgetragen die eine andere Beurteilung rechtfertigen.

1) Auf eine direkte Anwendung des § 89 b HGB kann der Kläger seinen Ausgleichsanspruch nicht stützen. Nach dem eindeutigen Wortlaut erfordert die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters die Beendigung seiner Vertragsbeziehung zu dem Unternehmer. Der Handelsvertretervertrag zwischen den Parteien besteht indes ungeachtet der Sitzverlegung der Zentrale der Fa. S weiter.

2) Der Kläger kann einen Ausgleichsanspruch auch nicht auf eine analoge Anwendung oder erweiterte Auslegung des § 89 b HGB stützen. Ob eine Teilbeendigung des Handelsvertretervertrages zu einem Ausgleichsanspruch führen kann hat der BGH beider Verkleinerung des einem Warenvertreter zugewiesenen Bezirks offengelassen (NJW 1965, 1136). Im Falle der Übertragung der Verwaltung von Versicherungsverträgen aus dem Bestand des Versicherungsvertreters auf einen Versicherungsmakler hat der Bundesgerichtshof eine Teilbeendigung verneint (NJW 1994, 193).

Soweit die Kommentarliteratur die Sitzverlegung eines Kunden einer teilweisen Vertragsbeendigung gleichstellt, wird für einen Ausgleichsanspruch vorausgesetzt, daß es sich um einen Kunden gehandelt haben muß, dessen Nachbestellungen zu wesentlichen Provisionseinnahmen im Vergleich zu seinen übrigen Einnahmen führten (Küstner/von Manteuffel/Erwers, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. II, 6. Aufl., Randnote 292). Diese Voraussetzung hat der Kläger auch im 2. Rechtszug nicht dargetan. Der Anteil von Provisionen aus Geschäften mit der Fa. S an den Gesamtprovisionen des Klägers im Jahr 1997, beträgt 21,6 %. Hinzu kommt, daß in den vom Kläger genannten Provisionen auch solche enthalten sind, die sich auf Geschäfte mit Filialen der Fa. S beziehen, die zum Teil vor der Sitzverlegung stillgelegt wurden, zum Teil vor der Sitzverlegung nicht mehr bei der Beklagten bestellten und teilweise unter geänderter Rechtsform weiterhin im Bezirk des Klägers liegen, so daß er insoweit keine Provision verloren hat.

Abgesehen davon scheidet wegen der im Rahmen des § 89 b HGB vorzunehmenden Billigkeitsprüfung ein etwaiger Ausgleichsanspruch auch deshalb aus, weil die Fa. S ihre Vertragsbeziehung zur Beklagten im September 1998 beendete und der Beklagten daher kein längerer Vorteil erwuchs. Die von der Beklagten bestrittene Behauptung des Klägers, er habe die Fa. S als Kunden geworben, kann dabei dahinstehen.

Wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, kann der Kläger aus der - bestrittenen - Kündigung von Exklusivverträgen mit der Firma S keine Ansprüche ableiten, da es eine Entscheidung des Unternehmers ist, ob er einen Kunden in einem bestimmten Gebiet ausschließlich beliefern will.

3) Auch der in der Berufungsinstanz neugefaßte Hilfsantrag des Klägers ist ohne Erfolg.

a) Zwar liegt insoweit eine Klageänderung vor, denn während der Kläger in erster Instanz Auskunft über alle vom Handelsvertreter L für die Beklagte vermittelten Geschäfte begehre, sind nun Gegenstand des Auskunftsbegehrens die von der Beklagten für den Zeitraum Juli 1997 bis zur Geschäftsbeendigung getätigten Provisionszahlungen bezüglich geschäfte mit der Fa. S.

Deshalb ist auch im Tenor gesondert über den geänderten Antrag zu entscheiden.

Das Übergehen auf diesen geänderten Hilfsantrag ist sachdienlich (§v 523; 263 f ZPO), denn es gibt dem Senat die Möglichkeit, umfassend einen vom Kläger behaupteten Provisionsanspruch zu prüfen, der seine Grundlage in Geschäften der Beklagten mit der Fa. S hat.

b) In der Sache ist der geänderte Hilfsantrag jedoch unbegründet.

Der Kläger als bisher zuständiger Bezirksvertreter kann für die Folgegeschäfte der Fa. S nämlich nach der Sitzverlegung nicht aus § 87 Abs. 1 2. Alt. HGB Provision fordern. § 87 Abs. 2 HGB begründet zwar gegenüber, der Vorschrift des 87 Abs. 1 HGB bezüglich des Verursachungsprinzips eine Erweiterung, da der Handelsvertreter auch ohne seine Mitwirkung für Geschäfte aus seinem Bezirk Provision erhält. Die allgemeine, Vorschrift des § 87 Abs. 1 HGB wird aber durch Abs. 2 dahingehend eingeschränkt, daß die für den Bezirksvertreter provisionspflichtigen Geschäfte räumlich begrenzt werden. Ein Bezirksvertreter kann Provision nur aus solchen Geschäften beanspruchen, die mit Kunden Zustande gekommen sind, die in seinem Bezirk ansässig sind. Geschäfte, die mit bezirksfremden Kunden zustande kommen, sind für den Bezirksvertreter grundsätzlich nicht provisionspflichtig und zwar auch dann nicht, wenn es sich um Geschäfte mit solchen Kunden handelt, die der Bezirksvertreter früher einmal geworben hat (Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. I, 3. Aufl., Rn 833 ff.).

4) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO, § 25 Abs. 2 GKG. Den Wert des Auskunftsanspruchs hat der Senat auf 1/5 der erwarteten Provisionsforderung geschätzt und dabei als objektiven Anhaltspunkt die Provisionszahlung für die Fa. S im Jahre 1997 in Höhe von 67.011,15 DM zugrunde gelegt. Aus dem Wert des Auskunftsanspruchs in Höhe von 13.402,23 DM und dem geforder- ten Ausgleichsanspruch in Höhe von 52.856,52 DM ergibt sich der Gesamtstreitwert von 66.258,75 DM.

Ende der Entscheidung

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