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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 26.02.2009
Aktenzeichen: 12 W 307/09
Rechtsgebiete: HGB, GVG, ArbGG


Vorschriften:

HGB § 84 Abs. 1
HGB § 84 Abs. 2
HGB § 92a Abs. 1
GVG § 13
GVG § 17a
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3
ArbGG § 5 Abs. 1
ArbGG § 5 Abs. 3
1. Grundlage der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist allein der Sachvortrag der Klagepartei, da nur er den Streitgegenstand bestimmt; Einwendungen der Beklagtenpartei sind insoweit unbeachtlich.

2. Zur Abgrenzung zwischen selbständigem und unselbständigem Handelsvertreter.


Oberlandesgericht Nürnberg

Az.: 12 W 307/09

In Sachen

wegen Rückzahlung

hier: Beschwerde

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg -12. Zivilsenat- durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Herz am 26.02.2009 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen des Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29.12.2008 (Az.: 6 O 10581/07) wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Die Beschwerde zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen.

IV. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des Rechtswegs.

Die Klägerin, für die der Beklagte auf Grund Vermittlungsvertrages mit der Vermittlung von Versicherungsprodukten, Finanzierungen und Kapitalanlagen betraut war, nimmt diesen mit ihrer vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth erhobenen Klage als Handelsvertreter im Sinne des 84 Abs. 1 HGB auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen in Anspruch. Auf den zwischen den Parteien am 09.11.2005/16.11.2005 geschlossenen "Vermittlervertrag" wird Bezug genommen (Anlage K 1).

Das Vertragsverhältnis der Parteien wurde seitens der Klägerin mit Schreiben vom 12.01.2007 (Anlage K2) zum 31.03.2007 gekündigt.

In den Monaten Oktober 2006 bis März 2007 verdiente der Beklagte (ohne Berücksichtigung von Provisionsvorschüssen) insgesamt Provisionen in Höhe von 1.652,57 EUR.

Der Beklagte hat die Rechtswegzuständigkeit gerügt; er meint, er sei nicht selbständiger Handelsvertreter, sondern Arbeitnehmer der Klägerin gewesen; gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 3a, 5 Abs. 1 ArbGG, § 84 Abs. 2 HGB sei deshalb der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht eröffnet. Jedenfalls sei aber nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben. Er habe für die Klägerin regelmäßig in deren Geschäftsstelle gearbeitet und habe seine Arbeitszeit nicht frei einteilen, sondern sich nach den Öffnungszeiten der Geschäftsstelle und ihm vorgegebenen Terminen richten müssen; bei seiner Tätigkeit sei er weisungsgebunden gewesen.

Die Klägerin meint, der Beklagte sei selbständiger Handelsvertreter gewesen, so dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 13 GVG eröffnet sei. Der Beklagte zähle auch nicht zu den von § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG, § 92a HGB erfassten Handelsvertretern; es sei ihm nicht vertraglich untersagt gewesen, für weitere Unternehmen tätig zu sein, sondern lediglich ein Wettbewerbsverbot vereinbart worden. Dem Beklagten sei es damit jederzeit möglich gewesen, für weitere nicht mit ihr im Wettbewerb stehende Unternehmer tätig zu werden, zumal Art und Umfang der vertraglich verlangten Tätigkeit im Handelsvertretervertrag nicht festgelegt gewesen seien. Arbeitszeiten seien dem Beklagten nicht vorgegeben worden, dieser sei vielmehr hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitseinteilung und Wahl seines Arbeitsortes frei gewesen; Termine habe er jederzeit ändern und verlegen können. Die Arbeitstätigkeit des Beklagten sei nicht durch Weisungen geregelt worden; im Übrigen hätten etwaige Weisungen nach den vertraglichen Vorgaben die Stellung des Beklagten als selbständiger Handelsvertreter nicht berühren dürfen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 29.12.2008, auf den Bezug genommen wird (Bl. 67ff. dA), den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für zulässig erklärt.

Gegen diesen, ihm am 19.01.2009 zugestellten Beschluss richtet sich die per Telefax am 02.02.2009 und im Original am 03.02.2009 beim Oberlandesgericht eingegangene sofortige Beschwerde des Beklagten, mit der beantragt wird, den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für unzulässig zu erklären (Bl. 72ff. dA).

Die Klägerin hat Zurückweisung der sofortigen Beschwerde beantragt (Bl. 81f. dA).

Mit Beschluss vom 06.02.2009 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch sonst zulässig.

Die sofortige Beschwerde bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

1. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist grundsätzlich für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten eröffnet § 13 GVG. Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis ist jedoch der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten, die insoweit ausschließlich zuständig sind, gegeben, § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG.

Maßgeblich ist somit, ob der Beklagte als Handelsvertreter der Klägerin oder als deren Arbeitnehmer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig war.

a) Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen (§ 84 Abs. 1 Satz 1 HGB). Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (§ 84 Abs. 1 Satz 2 HGB).

Handelsvertreter gelten nur dann als Arbeitnehmer im Sinne des ArbGG (für die der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet ist), wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a HGB Mindestarbeitsbedingungen festgesetzt werden können, und wenn sie während der letzten 6 Monate des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000,00 EUR vertragliche Vergütung einschließlich Provision bezogen haben (§ 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG).

Die Festsetzung solcher Mindestarbeitsbedingungen ist möglich für das Vertragsverhältnis eines Handelsvertreters, der vertraglich nicht für weitere Unternehmer tätig werden darf (sog. Einfirmenvertreter) oder dem dies nach Art und Umfang der von ihm verlangten Tätigkeit nicht möglich ist (§ 92a Abs. 1 Satz 1 HGB).

b) Wer dagegen, ohne selbständig in oben genannten Sinne zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfts zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, ist kein Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB, gilt als Angestellter (§ 84 Abs. 2 HGB) und ist damit Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 1 ArbGG).

2. Grundlage der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist allein der Sachvortrag der Klagepartei, da nur er den Streitgegenstand bestimmt; Einwendungen der Beklagtenpartei sind insoweit unbeachtlich (BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 22.03.1976 -GSZ 2/75, BGHZ 67, 81 - Auto-Analyzer; Beschluss vom 11.07.1996 - V ZB 6/96, BGHZ 133, 240; Beschluss vom 04.03.1998 - VIII ZB 25/97, NJW 1998, 2057; Zöller/Lückemann, ZPO 27. Aufl. § 13 GVG Rn. 54; jeweils m.w.N.).

Ob für eine Streitigkeit der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist, beurteilt sich hierbei weder nach der vorgetragenen Anspruchsgrundlage noch nach der Bewertung durch die klagende Partei. Entscheidend ist vielmehr, ob sich das Klagebegehren nach den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen bei objektiver Würdigung aus einem Sachverhalt herleitet, der nach dem bürgerlichen Recht zu beurteilen ist (BGH a.a.O.; BGH, Urteil vom 25.02.1993-111 ZR 9/92, NJW 1993, 1799). Denn die rechtliche Bewertung, ob der Tatsachenvortrag der Klagepartei die behauptete Zulässigkeit des Zivilrechtsweges ergibt, obliegt gleichermaßen wie die Überprüfung der Schlüssigkeit des materiellen Klagevorbringens allein dem angerufenen Gericht. Dies gilt selbst dann, wenn die zuständigkeits- und die anspruchsbegründenden Tatsachen zusammenfallen. Auch dann kommt nicht eine auch nur vorläufige oder summarische Prüfung der für die Zuständigkeitsfrage entscheidungserheblichen Rechtsnormen in Betracht. Vielmehr muss sich auch die behauptete Zuständigkeit schlüssig aus dem Klagevorbringen ergeben; lediglich Beweise brauchen nicht erhoben zu werden (BGH a.a.O. m.w.N.).

3. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist nicht nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 3a, 5 Abs. 1 ArbGG, § 84 Abs. 2 HGB eröffnet, weil sich das Klagebegehren nach den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen bei objektiver Würdigung aus einem Sachverhalt herleitet, der als Handelsvertreterverhältnis im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB und damit nach dem von den ordentlichen Gerichten zu beurteilenden bürgerlichen Recht zu beurteilen ist.

Für die Abgrenzung des selbständigen Handelsvertreters zum unselbständigen Angestellten hat sich das Gesetz im Bereich der Vermittlung von Geschäften und Versicherungen für Dritte auf die in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB angeführten beiden Kriterien ("wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann") beschränkt. Zwar sind dabei alle Umstände des Falles in Betracht zu ziehen und schließlich in ihrer Gesamtheit zu würdigen (BAG, Urteil vom 21.01.1966 - 3 AZR 183/65, BAGE 18, 87). Die heranzuziehenden Anknüpfungspunkte müssen sich jedoch diesen gesetzlichen Unterscheidungsmerkmalen zuordnen lassen.

Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt Widersprechen sich Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung, so ist letztere maßgebend. Dabei kommt es auf eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles an (BGH, Beschluss vom 04.03.1998 a.a.O.; BAG, Urteil vom 15.12.1999 - 5 AZR 770/98, NZA 2000, 481 m.w.N.; Baumbach/Hopt, HGB 33. Aufl. § 84 Rn. 36).

a) Der Beklagte war in seiner Arbeitszeitgestaltung im Wesentlichen frei.

aa) Für die Frage, ob der Handelsvertreter in seiner Arbeitszeithoheit eingeschränkt ist, ist allein auf das rechtliche Dürfen gegenüber dem Unternehmer abzustellen; faktische Zwänge bleiben unberücksichtigt (BAG, Urteil vom 15.12.1999 a.a.O.; LAG Nürnberg ZIP 1999,769; OLG Naumburg OLGR 2004, 303; OLG Brandenburg, Beschluss vom 24.07.2007 - 12 W 25/07).

Die freie Bestimmung der Arbeitszeit eines Selbständigen erstreckt sich nicht nur auf die Festlegung von Anfang und Ende eines Arbeitsabschnitts, sondern auch auf die Festlegung des gesamten Arbeitsumfangs, also der Arbeitsdauer.

bb) Nach § 3 Satz 4 des Vermittlervertrages unterlag der Beklagte hinsichtlich seiner Arbeitszeit keinem Weisungsrecht, war vielmehr in der Gestaltung seiner Arbeitszeit und Arbeitseinteilung ausdrücklich frei, konnte diese also frei bestimmen. Tatsächlich war er in seiner Entscheidung, wann er mit welchen (potenziellen) Kunden Besprechungstermine durchführte, autonom. Zwar waren ihm Termine für Kundengespräche durch ein Call-Center zunächst vorgegeben, jedoch war es dem Beklagten unstreitig möglich, diese Gesprächstermine (nach entsprechender Vereinbarung mit dem jeweiligen Gesprächspartner) wieder zu verlegen. Dass er mit den (potenziellen) Kunden nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit Vermittlungsgespräche führen konnte, sondern sich nach deren Anwesenheit und deren Wünschen zu richten hatte, ändert daran nichts. Ein derartiger faktischer Zwang berührt die Möglichkeit der freien Bestimmung der Arbeitszeit gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB nicht, denn mit freier Bestimmung der Arbeitszeit ist nur die (rechtliche) Freiheit gegenüber dem Unternehmer gemeint. Es ist auf das rechtliche Dürfen gegenüber dem Unternehmer abzustellen (siehe oben).

cc) Soweit die Beschwerde darauf abstellt, dass mehrmals pro Woche feste Termine stattgefunden hatten (nämlich eine "Montagsrunde" von 10.00 Uhr bis 13.00 Uhr, ein wöchentliches persönliches Gespräch mit dem Geschäftsstellenleiter von 30 bis 60 Minuten Dauer sowie ein Verkaufstraining mittwochs von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr), ist dieser Sachverhalt von der Klägerin bereits teilweise anders dargestellt (Zeitaufwand bestritten; keine Pflicht zur Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen - vgl. § 4 Abs. 1 a des Vertrags der Parteien - und am "Montagsmeeting") und deshalb nicht ohne weiteres zugrunde zu legen (siehe oben unter II 2). Zudem würde selbst eine zeitliche Inanspruchnahme des Beklagten von wöchentlich 5 1/2 bis 6 Stunden Dauer nicht entscheidend für einen Arbeitnehmerstatus sprechen.

dd) Eine zeitliche Weisungsgebundenheit kann zwar auch aus der Festlegung eines in einer bestimmten Zeitspanne zu erledigenden Mindestsolls folgen. Dies ist jedoch dann nicht anzunehmen, wenn die Grenzen so gesetzt sind, dass den Mitarbeitern ein erheblicher Spielraum verbleibt (BAG, Urteil vom 15.12.1999 a.a.O.). Hiervon ist im Streitfall wohl auszugehen, nachdem der Beklagte selbst vorträgt, in der Regel hätten (lediglich) zwei Kundentermine am Tag stattgefunden. Da der Beklagte indes konkrete Darlegungen über den hierfür erforderlichen Zeitaufwand unterlassen hat, können durch die Kundenzahl bedingte zeitliche Bindungen nicht festgestellt werden.

b) Der Beklagte konnte seine Tätigkeit auch im Wesentlichen frei gestalten.

aa) Bereits kraft Gesetzes (§ 675 i.V.m. § 665 BGB) hat der Vertreter allgemeine Weisungen in Bezug auf den Inhalt seiner Tätigkeit zu befolgen. Dabei darf in der Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbranche wegen der außerordentlichen Vielgestaltigkeit und Schwierigkeit des maßgeblichen Rechts und der sehr hohen finanziellen Risiken der Rahmen für zulässige Weisungen nicht zu eng gezogen werden. Mit dem Selbständigenstatus eines Handelsvertreters ist es also durchaus vereinbar, dass er einem Weisungsrecht unterliegt. Ebenso ist es mit dem Selbständigenstatus vereinbar, wenn die Weisungsrechte im Vertrag konkretisiert werden (OLG Brandenburg, Beschluss vom 24.07.2007 - 12 W 25/07; BAG, Urteil vom 15.12.1999 a.a.O.).

bb) Eine zu einem Arbeitsverhältnis führende Einschränkung ergibt sich auch nicht ohne weiteres aus § 3 Satz 1 des Vermittlervertrages, wonach der Beklagte verpflichtet war, sich an die ihm von der Klägerin und deren Geschäftsstellenleiter erteilten Weisungen "im Hinblick auf die Wahrnehmung seiner Aufgaben gemäß diesem Vertrag" zu halten (zudem in § 3 Satz 2 des Vertrags bestimmt ist, dass Weisungen die Stellung des Vermittlers als selbständiger Unternehmer nicht berühren dürfen).

Weisungen, die sich auf das zu vermittelnde Produkt beziehen, schränken nicht die Selbständigkeit des Vertreters ein, weil dessen Tätigkeit lediglich darin besteht, Verträge zu vermitteln. Der Vertreter vertreibt also nicht ein eigenes Produkt, sondern vermittelt das Produkt eines anderen. Den Inhalt des Vertrags(-angebots) bestimmt allein der Unternehmer.

Davon zu unterscheiden sind Weisungen, die sich auf Berichtspflichten oder sonstige Anzeigepflichten beziehen. Einer umfassenden Kontrolle unterliegt nur der Arbeitnehmer; der Selbständige braucht sich Kontrollen nicht in gleichem Maße gefallen zu lassen. Andererseits ist zu beachten, dass der Handelsvertreter gemäß § 86 Abs. 2 HGB dem Unternehmer "die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen" hat. Was unter den Begriff "erforderliche Nachrichten" fällt, bestimmt sich unter sachgerechter Abwägung der Interessen des Mtarbeiters danach, was das objektive Interesse des Unternehmers nach Besonderheit und Dringlichkeit des Falles erfordert (BGH, Urteil vom 24.09.1987 - I ZR 243/85, WM 1988, 33). Der Grad zulässiger Kontrolle ist überschritten, wenn der Betroffene verpflichtet wird, umfangreich Über seine Tätigkeit Bericht zu erstatten, und der Unternehmer damit die Möglichkeit hat, ihn zu überprüfen und durch entsprechende Sanktionsmöglichkeiten sicherzustellen, dass ein bestimmtes Mindestsoll erfüllt wird (BAG, Urteil vom 15.12.1999 a.a.O. m.w.N.).

cc) Die Beschwerde beruft sich hinsichtlich einer Weisungsgebundenheit des Beklagten auf die diesem vorgegebenen Kundentermine. Im Hinblick auf deren grundsätzlich immer mögliche Verlegbarkeit vermag jedoch allein die Vorgabe von bestimmten Gesprächszeitpunkten noch nicht eine Weisungsunterworfenheit des Beklagten zu begründen.

dd) Die Beschwerde beruft sich weiter darauf, dem Beklagten sei durch die als Anlagen zum Vermittlervertrag vereinbarte Richtlinie für die EDV-Nutzung (Anlage B6) und Richtlinie für die Dokumentation von Kundenkontakten und die Herausgabe von Werbematerial (Anlage B7) in allen Einzelheiten vorgegeben, wie er sich bei seiner Tätigkeit zu verhalten gehabt habe; wegen dieser Reglementierung, die sich auch in entsprechendem E-Mail-Verkehr (Anlage B3) zeige, sei von Weisungsgebundenheit auszugehen.

Nach § 4 Abs. 2 des Vermittlervertrags hatte die Klägerin dem Beklagten eine EDV-Ausrüstung (Laptop sowie Software) zur Verfügung gestellt. Im Hinblick auf das Eigentum der Klägerin hieran sowie auf die in dieser EDV gespeicherten Kundendaten war die Klägerin daher grundsätzlich zu einer Nutzungsregelung berechtigt; der Beklagte hatte auch insoweit die Interessen der Klägerin wahrzunehmen (§ 86 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB). In der entsprechenden Nutzungsrichtlinie (Anlage B6) vermag der Senat eine über normale Sicherheitsmaßnahmen hinausgehende Reglementierung, die als Weisungsunterworfenheit des Beklagten gewertet werden könnte, nicht zu erkennen.

Die nach § 2 Abs. 8 des Vermittlervertrags vereinbarte Dokumentation von Kundenkontakten und der Aushändigung von Material an Kunden wird in der entsprechenden Richtlinie (Anlage B7) näher geregelt. Wenn die Klägerin den Beklagten bei seiner Tätigkeit dadurch unterstützte, dass sie ihm Informations-, Werbe- und Verkaufsmaterial zur Verfügung stellte, entspricht dies der gesetzlichen Verpflichtung des Unternehmers gegenüber dem Handelsvertreter, wie sie in § 86a HGB geregelt ist. Im Hinblick auf das berechtigte Interesse der Klägerin an Qualitätssicherung im Rahmen komplexer Anlageberatungen sowie im Hinblick auf deren Haftung ihren (vom Beklagten vermittelten) Kunden gegenüber ist auch hinsichtlich der Dokumentation von Kundenkontakten eine Regelung berechtigt; der Beklagte hatte auch insoweit die Interessen der Klägerin wahrzunehmen (§ 86 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB). In der entsprechenden Nutzungsrichtlinie (Anlage 87) vermag der Senat eine über normale Dokumentationsmaßnahmen hinausgehende Reglementierung, die als Weisungsunterworfenheit des Beklagten gewertet werden könnte, nicht zu erkennen.

Aus dem Anlagenkonvolut B3 schließlich vermag der Senat lediglich zu erkennen, dass der Beklagte zur Übermittlung von "Terminsstatistiken", "offenen Provisionen", "Meldungen" über Termine und Kunden, "Unterlagen" etc. gebeten wurde; worum es sich hierbei im Einzelnen handelt, ist nicht vorgetragen. Der Umstand, dass der Beklagte aufgefordert wurde, Meldungen über seine Geschäftstätigkeit zu machen, spricht nicht gegen seine Selbständigkeit und begründet für sich keine Weisungsunterworfenheit; grundsätzlich hat jeder Handelsvertreter dem Unternehmer gegenüber die erforderlichen Mitteilungen zu geben, insbesondere ihn von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen (§ 86 Abs. 2 HGB). Dass dem Beklagten abverlangte Auskünfte oder Unterlagen in diesem Sinne nicht "erforderlich" waren, ist nicht substanziiert dargelegt. Es ist daher nicht ersichtlich, ob die von ihm verlangten Angaben über die "erforderlichen Nachrichten" im Sinne des § 86 Abs. 2 HGB hinausgingen.

c) Aus dem vereinbarten Wettbewerbsverbot folgt kein Indiz für oder gegen die Selbständigkeit des Beklagten.

aa) § 11 des Vermittlervertrages enthält zwar ein Konkurrenzverbot. Ein solches steht der Selbständigkeit eines Handelsvertreters jedoch nicht entgegen. Dieser hat gemäß § 86 Abs. 1 HGB die Interessen seines Unternehmers wahrzunehmen und darf deshalb sogar ohne ausdrückliches Wettbewerbsverbot nicht in einer Weise tätig werden, die sich zum Schaden des Unternehmers auswirken kann (BAG, Urteil vom 15.12.1999 a.a.O.; vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 24.07.2007 -12 W 25/07).

bb) Zudem wäre selbst eine weitergehende Beschränkung dahingehend, dass der Betroffene ausschließlich für das vertragsgebundene Unternehmen - also auch nicht für Unternehmen, die in anderen Sparten tätig sind - oder Unternehmen anderer Branchen - als Handelsvertreter tätig werden darf (sog. Einfirmenvertreter), mit der Selbständigkeit ohne weiteres vereinbar, ohne dass hierfür auf die Interessenwahrungspflicht rekurriert werden müsste. Die Zulässigkeit einer solchen Beschränkung gegenüber selbständigen Handelsvertretern ergibt sich ohne weiteres aus § 92a HGB. Daraus, dass § 92a HGB die Möglichkeit eröffnet, eine Betätigung für fremde Versicherungsunternehmen auch dann zu verbieten, wenn spartenfremde Versicherungsverträge vermittelt werden sollen, ergibt sich, dass die Beschränkung im Vertretervertrag auf eine oder mehrere Versicherungssparten ebenfalls mit der Selbständigkeit des Vertreters vereinbar ist.

d) Dem Beklagten war durch die Vereinbarung einer Vergütung auf der Basis umsatzabhängiger Provisionen in § 8 des Vertrags ein für die selbständige Tätigkeit typisches unternehmerisches Risiko auferlegt Auch die Vereinbarung eines Vorschusses (§ 9) und einer Stornoreserve (§ 10) sprechen für eine selbständige Vertreterstellung. Soweit die Beschwerde meint, ein entsprechendes unternehmerisches Risiko des Beklagten habe - abgesehen von geringen Unkosten für Büro, Parkplatz, Telefon etc. - völlig gefehlt, ist dies gerade im Hinblick auf das Risiko, tatsächlich eine Provision in Höhe des Vorschusses zu erzielen, nicht nachvollziehbar.

e) Soweit die Beschwerde darauf verweist dass nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV Anhaltspunkte für eine Beschäftigung, also eine nichtselbständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis, eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers sind, folgt hieraus keine abhängige Stellung des Beklagten. Die diesbezügliche widerlegliche gesetzliche Vermutung ist in ihrem Anwendungsbereich auf das SGB beschränkt und gilt nicht für Handelsvertreter, die im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und über ihre Arbeitszeit bestimmen können (Baumbach/Hopt a.a.O. § 84 Rn. 35).

f) Nach alledem ergibt auch die Gesamtwürdigung nicht, dass der Beklagte in der Gestaltung seiner Tätigkeit und der Bestimmung seiner Arbeitszeit so eingeschränkt war, dass das Rechtsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis anzusehen wäre.

g) Nachdem nach den für die Rechtswegentscheidung zugrunde zulegenden Tatsachen (siehe oben II 2) bei objektiver Würdigung der Beklagte als Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB anzusehen ist, ist die Vorschrift des § 5 Abs. 1 ArbGG - die arbeitnehmerähnliche Personen Arbeitnehmern gleichstellt - auf ihn nicht anwendbar. § 5 Abs. 3 ArbGG enthält nämlich eine insoweit vorgehende spezielle Zuständigkeitsregelung für Handelsvertreter (vgl. BAG, Urteil vom 15,07.1961 - 5 AZR 472/60, DB 1961, 1200). § 5 Abs. 1 ArbGG begründet somit keine Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte.

4. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist auch nicht nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 3a, 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG, § 92a HGB eröffnet, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen.

a) Der Beklagte war kein Handelsvertreter, der vertraglich nicht für weitere Unternehmer tätig werden darf (Einfirmenvertreter kraft Vertrags) gemäß § 92a Abs. 1 Satz 1 Fall 1 HGB.

Dem Beklagten war vertraglich nicht untersagt, für weitere Unternehmer tätig zu werden. Sein Vermittlervertrag enthält in § 11 zwar ein Wettbewerbsverbot; dieses umfasst jedoch nur eine Tätigkeit für Konkurrenzunternehmen der Klägerin sowie den Eigenvertrieb von der Klägerin angebotener Produkte jeweils während der Vertragslaufzeit, nicht jedoch - weitergehend - ein umfassendes Verbot anderweitiger Tätigkeit (also auch eine Tätigkeit für NichtWettbewerber der Klägerin). Ein derart eingeschränktes Wettbewerbsverbot in der Vertragszeit folgt für einen Handelsvertreter indes bereits ohne besondere Vereinbarung aus seiner Verpflichtung, das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen (§ 86 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB) (Baumbach/Hopt, HGB 33. Aufl. § 86 Rn. 26 m.w.N.). Eine derartige Wettbewerbsabrede genügt daher nicht den Voraussetzungen des § 92a Abs. 1 Satz 1 Fall 1 HGB (BAG, Beschluss vom 15.02.2005 - 5 AZB 13/04, BAGE 113, 308; OLG Düsseldorf OLGR 2005, 540; OLG Brandenburg, Beschluss vom 24.07.2007 - 12 W 25/07; Baumbach/Hopt a.a.O. § 92a Rn. 3).

b) Der Beklagte war auch kein Handelsvertreter, dem nach Art und Umfang der von ihm verlangten Tätigkeit nicht möglich war, für weitere Unternehmer tätig zu werden (faktischer Einfirmenvertreter), § 92a Abs. 1 Satz 1 Fall 2 HGB.

aa) Ob einem Handelsvertreter in diesem Sinne die Tätigkeit für weitere Unternehmer möglich ist, beurteilt sich nach dem ihm erteilten Auftrag und den sich aus seinem Vertrag ergebenden Pflichten, wobei zu prüfen ist, ob ihm nach den durchschnittlichen Fähigkeiten eines normal arbeitsfähigen Handelsvertreters Spielraum für die Vertretung eines weiteren Unternehmers verbleibt (vgl. Staub/Brüggemann, HGB § 92a Rn. 4).

bb)

Eine zeitliche Festlegung einer bestimmten Wochenarbeitszeit findet sich im Vermittlervertrag des Beklagten nicht. Dessen Vortrag einer regelmäßigen täglichen Arbeitszeit von acht Stunden war von der Klägerin bestritten worden und kann deshalb nicht zugrunde gelegt werden (vgl. oben 112).

cc) Auch aus der Höhe des vereinbarten monatlichen Provisionsvorschusses von 2.000,00 EUR (§ 9 des Vermittlervertrags) folgt nicht hinreichend sicher, dass dem Beklagten die Tätigkeit für einen weiteren Unternehmer nicht möglich war. Zwar muss ein derartiger Provisionsvorschuss "verdient" werden, so dass sich in der Höhe dieses Vorschusses Leistungserwartungen der Klägerin zeigen, die einen erheblichen wirtschaftlichen Erfolgsdruck auslösen können. Andererseits wurden diese Leistungserwartungen der Klägerin vertraglich nicht näher konkretisiert; die Vorschusszahlungen der Klägerin hatten bereits per se lediglich einen vorläufigen Charakter und konnten zudem nach billigem Ermessen der Klägerin hinsichtlich Höhe und Laufzeit jederzeit geändert werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 des Vermittlervertrags). Das Verhältnis von Arbeitsaufwand des Beklagten und Höhe der verdienten Provisionen wird zudem wesentlich davon bestimmt, in welcher Höhe üblicherweise in der Branche Provisionen anfallen und welcher Arbeits- und Zeitaufwand hierfür üblicherweise anfällt. Insoweit ist indes kein substanziierter Sachvortrag des Beklagten erfolgt. Aus den allein vorgetragenen durchschnittlich zwei Kundenterminen pro Tag ergeben sich insoweit keine Erkenntnisse (vgl. oben II 3 a dd).

dd) Mangels zeitlicher Festlegung führt auch die vertraglich geregelte gewisse räumliche Einbindung (insbesondere in die Geschäftsstellenorganisation) nicht dazu, dass der Beklagte nur für die Klägerin hätte tätig werden können. Dessen zeitlicher Einsatz, insbesondere für Beratung und Vermittlung von Kunden, lag zudem in seiner eigenen Disposition. Die Einbindung in die Geschäftsstellenorganisation zur Absprache von Urlaubs- und Vertretungszeiten sowie zur Behandlung und Koordinierung von Kundenanrufen ermöglicht ebenfalls keine quantitative Einschätzung des Umfangs der vom Beklagten der Klägerin zu leistenden Dienste.

ee) Zusammenfassend vermag der Senat nicht festzustellen, dass der Beklagte seine volle Arbeitskraft bei der Klägerin einzubringen verpflichtet war, ihm deshalb eine Tätigkeit für weitere Unternehmer nicht möglich war.

5. Die Voraussetzungen einer Rechtswegzuweisung an die Arbeitsgerichte sind damit nicht eröffnet. Vielmehr handelt es sich um eine normale bürgerliche Rechtsstreitigkeit, für die der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist, § 13 GVG.

Die sofortige Beschwerde bleibt damit in der Sache ohne Erfolg.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren hat der Senat gemäß § 3 ZPO entsprechend einer Bewertung des Interesses des Beschwerdeführers, den mit der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte verbundenen Ausschluss eines Kostenerstattungsanspruchs gemäß § 12a ArbGG abzuwenden, auf den Betrag der geschätzten Anwaltskosten erster Instanz ermittelt (vgl. Zöller/Lückemann, ZPO 27. Aufl. § 17a GVG Rn. 20).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde zum Bundesgerichtshof gemäß § 17a Abs. 4 Sätze 4 und 5 GVG liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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