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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 01.03.2007
Aktenzeichen: 2 Ws 73/07
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 50
StVollzG § 67
StVollzG § 69
StVollzG § 70
Bei Strafgefangenen kann für einen Anschluss an die digitale SAT-Anlage ein "Energiekostenbeitrag" verlangt werden; denn Strafgefangene haben kein subjektives Recht auf eine ihren Wünschen entsprechende Ausgestaltung des Fernsehempfangs. Die Ausgestaltung des Fernsehempfangs steht vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen der Vollzugsbehörde; dabei muss allerdings das nach Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Recht auf Informationsfreiheit gewährleistet sein.
2 Ws 73/07

Nürnberg, den 01.03.2007

In der Strafvollstreckungssache

des Strafgefangenen

wegen Zugang zur anstaltseigenen Sat-Anlage und Einziehung der Fernbedienung;

hier: Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen

erlässt der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch die unterzeichneten Richter nach Anhörung des Generalstaatsanwalts in Nürnberg folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Dem Strafgefangenen wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gewährt.

II. Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ... mit dem Sitz in ... vom 06.12.2006 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Justizvollzugsanstalt ... verpflichtet wird, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats über die Frage der Trennung des TV-Geräts des Strafgefangenen von der anstaltseigenen Antennenanlage und über die Belassung der Fernbedienung für das TV-Gerät des Strafgefangenen zu entscheiden.

III. Von den Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben der Strafgefangenen und die Staatskasse jeweils die Hälfte zu tragen. Seine notwendigen Auslagen hat der Strafgefangene selbst zu tragen.

IV. Der Beschwerdewert wird auf 300,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit JMS vom 06.11.2003, Gz.: 4474/VIIa-6733/03, wurde bestimmt, dass auch Gefangene/Sicherungsverwahrte an den Kosten für den Betrieb ihrer Geräte zu beteiligen sind. Die Justizvollzugsanstalt ... hat daraufhin mit Verfügung des Anstaltsleiters vom 14.02.2006 die Regelung getroffen, dass ab 01.04.2006 für Fernsehgeräte der Strafgefangenen/Sicherungsverwahrten pro Gerät und Monat ein "Energiekostenbeitrag" in Höhe von 1 € erhoben wird, soweit dieses TV-Gerät am digitalen Fernsehempfang angeschlossen ist. Die Regelung erfolgte dahingehend, dass ab 01.04.2006 ein Anschluss der ausgegebenen oder auszugebenden TV-Geräte nur noch nach Abgabe einer entsprechenden Einverständniserklärung (Energiekostenbeitragserklärung) möglich ist, in der sich der Gefangene/Sicherungsverwahrte zur Zahlung von jeweils 1 € pro Gerät und Monat verpflichtet. Bereits ausgehändigte Geräte werden dabei dem Gefangenen/Sicherungsverwahrten belassen sowie der Anschluss an die digitale Sat-Anlage aufrechterhalten, soweit dieser die Einverständniserklärung zur Zahlung gegeben hat. Begründet wurde dieser "Energiekostenbeitrag" damit, dass bei der Nutzung eines TV-Geräts unter Anschluss an die digitale Sat-Anlage von einem grundsätzlich höheren TV-Konsum auszugehen ist, als bei einer Empfangsmöglichkeit lediglich der Sender ARD, ZDF und weniger dritter öffentlich rechtlicher Programme. Nach dem Inhalt dieser Regelung werden Insassen der Justizvollzugsanstalt ... welche nicht bereit sind, diesen Beitrag zu leisten, vom digitalen Fernsehempfang, der für die anstaltseigenen TV-Sateliten-Empfangsanlage gewährleistet ist, ausgeschlossen. Um deren Informationsinteresse gerecht zu werden, wird ihnen jedoch der Betrieb eines eigenen TV-Geräts, der ihnen mittels terrestrischen Empfangs den Empfang von ARD und ZDF sowie von verschiedenen dritten Programmen ermöglicht, kostenfrei gestattet. Die Gefangenen/Sicherungsverwahrten der Justizvollzugsanstalt ... wurden über die geplante Vorgehensweise durch die Informationsschrift vom 28.02.2006 in Kenntnis gesetzt. In dieser Schrift ist u.a. Folgendes ausgeführt: "Es wurde festgestellt, dass beispielsweise für ein Fernsehgerät bei einer täglichen Nutzungsdauer von 5 Stunden und Standby-Betrieb ca. 1,50 € Stromkosten im Monat entstehen. Für den dreimaligen täglichen Gebrauch von Heißwasserbereitern (Tauchsieder) entstehen Stromkosten von monatlich ca. 1,10 €. Die durchschnittliche fünfstündige Nutzung einer Tischlampe verursacht monatlich Stromkosten in Höhe von ca. 0,80 €.

Unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten, wird von Besitzern von TV-Geräten mit Anschluss an die digitale Sat-Anlage ab 01.04.2006 ein "Energiekostenbeitrag" von 1,00 € pro Monat erhoben (Hausgeld, Taschengeld oder freies Eigengeld)."

Da sich der Strafgefangene weigerte, den "Energiekostenbeitrag" zu bezahlen, erging am 10.04.2006 gegen ihn ein Bescheid mit folgendem Inhalt: "Sie haben sich geweigert, den ab 01.04.2006 zu erhebenden Energiekostenbeitrag in Höhe von 1,00 €/Monat zu leisten. Ihr TV-Gerät wird daher von der anstaltseigenen Antennenanlage getrennt und die Fernbedienung wird eingezogen. Um dem Informationsbedürfnis gerecht zu werden, wird der Betrieb ihres TV-Gerätes mit einer Zimmerantenne gestattet. Es wird ihnen Gelegenheit gegeben, sich bis 30.04.2006 eine Zimmerantenne zu beschaffen. Nach diesem Termin erfolgt die endgültige Trennung von der anstaltseigenen Antennen-Anlage."

Der Strafgefangene wurde dann am 05.05.2006 vom digitalen Fernsehempfang ausgeschlossen.

Am 11.05.2006 wurde die Fernbedienung für den Fernseher des Strafgefangenen aus seinem Haftraum entnommen und zu seiner Habe weitergeleitet.

Dies wurde damit begründet, dass der Besitz der Fernbedienung den Empfang von Videotext ermögliche, die Gefangenen der Justizvollzugsanstalt ... seien jedoch vom Videotextempfang aus Sicherheitsgründen (Empfang von SMS-Botschaften per Videobotschaft) ausgeschlossen. Bisher sei dieser Ausschluss dadurch sichergestellt worden, dass das Videotextsignal über die gemeinsame TV-Sateliten-Empfangsantenne ausgeblendet werde. Beim terrestrischen Empfang sei dies jedoch nicht möglich, so dass ein Ausschluss vom Videotextempfang nur über den Einzug der Fernbedienung gewährleistet werden könne.

Mit Schreiben vom 05.05.2006 beantragte der Strafgefangene die Justizvollzugsanstalt ... im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm unverzüglich Zugang zur anstaltseigenen Sat-Anlage vorläufig wieder zu gestatten und die angekündigte Maßnahmen, die Fernbedienung für sein TV-Gerät einzuziehen, zu widerrufen.

Nachdem der Erlass dieser einstweiligen Anordnung durch die Strafvollstreckungskammer abgelehnt wurde, konnte der Strafgefangene in der Folgezeit das Programm des ZDF in angemessener Qualität und das Programm der ARD und das dritte Programm nur eingeschränkt empfangen. Er hat im weiteren Verfahren darauf hingewiesen, dass gemäß einer Ankündigung in den empfangenen Programmen ab 06.12.2006 die analoge Ausstrahlung der Programme eingestellt wird und er dann mit einer Zimmerantenne keine Programme mehr empfangen kann.

Mit Schreiben vom 23.06.2006 lehnte er den erkennenden Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zuletzt stellte er im Hauptsacheverfahren die Sachanträge,

- die Anstalt zu verpflichten, ihm den Zugang zur anstaltseigenen Sat-Anlage wieder kosten frei zu gestatten,

- die Anstalt zu verpflichten, ihm seine Fernbedienung wieder auszuhändigen,

- die Anstalt zu verpflichten, die in seiner Fernbedienung enthaltenen Batterien wieder herauszugeben.

Die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ... mit dem Sitz in ... hat mit Beschluss vom 06.12.2006 folgende Entscheidung getroffen:

"1. Der Antrag auf Ablehnung von Richter am Amtsgerichts ... wegen Besorgnis der Befangenheit wird als unzulässig verworfen.

2. Auf den Antrag des Strafgefangenen ... vom 05.05.2006 wird die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt ... vom 10.04.2006, wonach das TV-Gerät des Antragstellers von der anstaltseigenen Antennenanlage getrennt und die Fernbedienung des TV-Geräts eingezogen wurde, aufgehoben.

Die Justizvollzugsanstalt ... wird verpflichtet, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Frage der Trennung des TV-Geräts des Antragstellers von der anstaltseigenen Antennenanlage und über die Belassung der Fernbedienung für das TV-Gerät des Antragstellers beim Antragsteller zu entscheiden.

3. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Antragstellers.

4. Der Streitwert wird auf 300 € festgesetzt."

Gegen diesen Beschluss, der dem Strafgefangenen am 08.12.2006 zugestellt wurde, hat er am 11.01.2007 zu Protokoll des Rechtspflegers des Amtsgerichts ... Rechtsbeschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde beantragt. Mit der Rechtsbeschwerde rügt er die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist als fristgerecht zu behandeln, da dem Strafgefangenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde zu gewähren war. Der Wiedereinsetzungsantrag des Strafgefangenen ist zulässig und begründet, da dieser durch die Erklärung des zuständigen Rechtspflegers glaubhaft gemacht hat, dass das Anforderungsschreiben der Justizvollzugsanstalt ... vom 03.01.2007 per Fax an diesem Tag beim Amtsgericht eingegangen ist und es dem Urkundsbeamten ... aus dienstlichen Gründen nicht möglich war, den Rechtsmittelführer früher aufzusuchen.

Der Antragsteller ist durch die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer auch beschwert. Sein Antrag im Hauptsacheverfahren ging dahingehend, dass das Gericht in der Sache selbst wie von ihm beantragt entscheidet, während die Strafvollstreckungskammer lediglich eine Verpflichtung zur Neuverbescheidung ausgesprochen hat (vgl. OLG Celle ZfStRVo 1991, 123).

Auch die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG liegen vor, da es zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zu ermöglichen.

A. Verfahrensrüge:

Zulässige Verfahrensrügen, die die Voraussetzungen des § 118 Abs. 2 Satz 2 StVollzG erfüllen würden, wurden nicht erhoben.

Das gilt insbesondere für die behauptete fehlerhafte Entscheidung über den Ablehnungsantrag.

Nach § 120 Abs. 1 StVollzG sind auf das Rechtsbeschwerdeverfahren in erster Linie die Vorschriften der Strafprozessordnung über die Revision entsprechend anzuwenden. Gemäß §§ 338 Nr. 3, 28 Abs. 2 Satz 2 StPO ist daher der die Richterablehnung zurückweisende Beschluss nur zusammen mit dem gegen die Entscheidung in der Hauptsache vom Strafvollzugsgesetz zur Verfügung gestellten Rechtsmittels, nämlich der Rechtsbeschwerde, angreifbar und zwar mit einer Verfahrensrüge, in der durch § 118 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 StVollzG vorgeschriebenen Form (OLG Stuttgart MDR 1986, 79).

Wird eine Verfahrensrüge erhoben, so müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen in der Rechtsbeschwerdeschrift so vollständig angegeben werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein anhand der Begründung, ohne Bezugnahme auf Unterlagen, feststellen kann, ob der Verfahrensfehler - die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt - zu bejahen ist (vgl. Calliess-Müller/Dietz StVollzG 10. Aufl. § 118 Rn. 2 m.w.N.).

Diesen Voraussetzungen genügt die erhobene Rüge nicht. So trägt der Strafgefangene zur Begründung seines Ablehnungsgesuches unter anderem vor, der abgelehnte Richter habe willkürlich gehandelt, da er einen Eilantrag in der selben Sache (StVK 153/2006) als zulässig behandelt habe, einen Eilantrag im vorliegenden Verfahren jedoch als unzulässig, ohne den von ihm gestellten Antrag im Verfahren StVK 153/2006 mitzuteilen. Es müssen jedoch auch die Tatsachen bezeichnet werden, die die Fehlerhaftigkeit des gerichtlichen Beschlusses ergeben (OLG Düsseldorf VRS Band 64, 40).

B. Sachrüge:

1. Die Sachrüge hat nur insoweit Erfolg, dass die Justizvollzugsanstalt ... angewiesen wird, über die hier gegenständlichen Fragen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu verbescheiden.

Der Senat hat sich mit der Frage eines "Energiekostenbeitrages" erstmals zu befassen, insoweit liegen jedoch bereits Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte, nämlich des thüringischen Oberlandesgerichts (StV 2006, 593) und des OLG Koblenz (ZfStrVo 2006, 177; 179) vor.

Zur Frage eines "Energiekostenbeitrages" für einen Anschluss an die digitale Sat-Anlage ist grundsätzlich Folgendes auszuführen:

Gemäß § 69 Abs. 2 i.V.m. § 70 StVollzG hat der Strafgefangene unter den dort genannten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Zulassung eines eigenen Hörfunk- und Fernsehgeräts. Nicht geregelt ist dabei die über den gewöhnlichen Antennenempfang hinausgehende technische Ausgestaltung des Fernsehempfangs. Der Strafgefangene hat daher kein subjektives Recht, eine seinen Wünschen entsprechende Ausgestaltung des Fernsehempfangs verlangen zu können. In welcher Weise dies geschieht, steht im pflichtgemäßen Ermessen der Vollzugsbehörde (OLG Frankfurt NStZ-RR 2004, 127). Dies gilt zumindest insoweit, als das nach Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Recht auf Informationsfreiheit nicht tangiert ist.

Die Einführung eines "Energiekostenbeitrages" für den Anschluss an die digitale Sat-Anlage stellt somit in der Sache eine Benutzungsregelung bezüglich des Fernsehempfangs dar.

Es trifft zwar zu, dass eine gesetzliche Grundlage für das geforderte Entgelt nicht besteht, diese ist im vorliegenden Fall jedoch auch nicht erforderlich.

Insbesondere handelt es sich bei dem "Energiekostenbeitrag" für den Anschluss an die digitale Sat-Anlage nicht um einen Haftkostenbeitrag im Sinne des § 50 StVollzG.

Nach allgemeiner Meinung beschränkt § 50 StVollzG den Haftkostenbeitrag auf die Aufwendungen, die durch den Lebensunterhalt, die Unterbringung und die Verpflegung des Gefangenen verursacht werden (vgl. Calliess/Müller-Dietz a.a.O. § 50 Rn. 2). Zwar schließt es der Begriff der Unterbringungskosten nicht aus, auch den "Energiekostenbeitrag" für die Zurverfügungstellung eines Satellitenfernsehanschlusses zur Nutzung eines privaten Fernsehgerätes im Haftraum darunter zu fassen. Dass dies aber nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht, ergibt sich bereits aus § 50 Abs. 2 StVollzG. Indem dort bestimmt wird, dass der Haftkostenbeitrag in Höhe des Betrages erhoben wird, der nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB IV durchschnittlich zur Bewertung der Sachbezüge festgesetzt ist, wird deutlich, dass zu den Haftkosten nicht von der Anstalt konkret festgesetzte Entgelte für die Inanspruchnahme bestimmter Anstaltseinrichtungen verstanden werden sollen (Thüringisches Oberlandesgericht a.a.O. m.w.N.).

Das Strafvollzugsgesetz enthält auch keine sonstige Ermächtigungsgrundlage, aufgrund derer ein "Energiekostenbeitrag" für die Benutzung des anstaltseigenen Satelliten-Fernsehanschlusses für private Fernsehgeräte einseitig festgesetzt und gefordert werden kann.

Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen, eine Entgeltzahlungsverpflichtung des Gefangenen für bestimmte Leistungen der Justizvollzugsanstalt durch Vereinbarung in Gestalt eines öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Vertrags zwischen der Justizvollzugsanstalt und dem einzelnen Gefangenen zu begründen. Eine Anordnung der Justizvollzugsanstalt, wonach für die Inanspruchnahme der jeweiligen Leistung ein bestimmtes Entgelt in Form eines "Energiekostenbeitrages" gezahlt werden muss, wobei dies im vorliegenden Fall in Form einer vom Gefangenen abzugebenden Einverständniserklärung zu erfolgen hat, ist dahingehend zu verstehen, dass die Leistungsgewährung vom Abschluss eines derartigen Vertrages abhängig ist.

Ob eine Leistung an den Gefangenen einen Abschluss eines die Entgeltlichkeit der Leistung begründeten Vertrages geknüpft werden darf, oder ob sie kostenlos zu gewähren ist, richtet sich maßgeblich nach dem Charakter der Leistung. Eine unentgeltliche Zurverfügungstellung kann nur insoweit verlangt werden, als die jeweilige Leistung zur sachgerechten Durchführung des Strafvollzugs, insbesondere zur Erreichung der Vollzugsziele erforderlich ist oder ihre kostenfreie Gewährung einem Gebot effektiven Grundrechtsschutzes entspricht.

Fernsehen ist in weiten Kreisen der Bevölkerung zentraler Teil der Freizeitgestaltung. Neben der Unterhaltung dient Fernsehen der Bildung und der Information. Insbesondere in Bezug auf seine Informationsfunktion unterfällt es dem Schutzbereich des Grundrechtes aus Art. 5 Abs. 1 GG. Dieser grundrechtlichen Schutzposition Rechnung tragend, hat der Gesetzgeber in § 69 Abs. 2 StVollzG bestimmt, dass eigene Fernsehgeräte unter den Voraussetzungen des § 70 StVollzG zugelassen werden müssen (Thüringisches Oberlandesgericht a.a.O.). Daraus ist jedoch nicht abzuleiten, ob der Anschluss an der anstaltseigenen Sat-Anlage für den Gefangenen kostenfrei möglich sein muss. Ob und ggf. in welcher Höhe dem Gefangenen eine Beteiligung an den Betriebskosten eines eigenen Fernsehgerätes in seinem Haftraum abverlangt werden kann, hängt vielmehr maßgeblich davon ab, ob der Gefangene seinen Bedarf an Unterhaltung, Bildung und Information durch Fernsehen auch auf andere Weise befriedigen kann, als die Nutzung einer Leistung, für die er einen "Energiekostenbeitrag" zu zahlen hat. Es ist also nicht so, dass dem Gefangenen der Empfang sämtlicher Programme des öffentlich rechtlichen Fernsehen und des Privatfernsehen kostenfrei gestattet werden muss.

Die Geltendmachung von Stromkosten über die Grundversorgung hinaus entspricht auch den grundsätzlichen Prinzipien des Strafvollzugsgesetzes. Hierfür ist insbesondere der Angleichungsgrundsatz des § 3 StVollzG heranzuziehen, der grundsätzlich auf einen Ausgleich der unterschiedlichen Lebensverhältnisse in Freiheit und Vollzug abzielt (Calliess/Müller-Dietz a.a.O. § 3 Rn. 3). Durch die Beteiligung an den Stromkosten wird dem Gefangenen verdeutlicht, dass auch außerhalb der Justizvollzugsanstalt Strom und sonstige Energie nicht kostenlos zu erhalten ist. Darüber hinaus ist die Beteiligung von Strafgefangenen an den über die Grundversorgung hinausgehenden Kosten dem Strafvollzug nicht fremd. Begehrt der Strafgefangene z.B. über die Grund Versorgung der dreimaligen täglichen Verpflegung hinaus weitere Nahrungs- und Genussmittel, so muss er diese aus eigenen Mitteln bestreiten (OLG Koblenz ZfStrVo 2006, 177).

Es liegt auf der Hand, dass durch den Anschluss an die anstaltseigene Sat-Anlage und die damit gewährleistete Programmvielfalt auch von einem größeren Fernsehkonsum und damit zwangsläufig von einem höheren Stromverbrauch auszugehen ist als bei Gemeinschaftsfernsehen oder bei einem Empfang, der sich auf drei öffentlich-rechtliche Sender beschränkt und dies automatisch auch zu höheren Stromkosten führt.

Bedenken bestehen auch nicht gegen die Höhe des erhobenen "Stromkostenbeitrages". Die Pauschale ist auch unter Berücksichtigung der typischerweise stark eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten der Strafgefangenen verhältnismäßig. Sie bewegt sich im Rahmen dessen, was auch von anderen Justizvollzugsanstalten als Stromkostenpauschale gefordert wird. So wurde in dem Fall, den das Oberlandesgericht ... zu entscheiden hatte, eine Stromkostenpauschale von 2,00 € für den Gebrauch von Tauchsieder, Rasierapparat und Lampe monatlich verlangt (vgl. OLG Koblenz ZfStrVo 2006, 179). Im Übrigen verfügte der Strafgefangene im fraglichen Zeitraum im vorliegenden Fall über durchschnittliche monatliche Arbeitseinkünfte in Höhe von 260 €.

Danach bestehen gegen die Erhebung eines "Stromkostenbeitrages" in der angegebenen Höhe von 1,00 € monatlich im vorliegenden Fall keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

2. Im konkreten Fall gilt:

Bei der Bewertung der Rechtmäßigkeit der von der Justizvollzugsanstalt ... getroffenen Maßnahme war auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen, da es sich um belastende Maßnahmen mit Dauerwirkung handelt (vgl. Calliess/Müller-Dietz a.a.O. § 115 Rn. 9). Dabei ist zu unterscheiden für die Zeit bis 05.12.2006 und die Zeit ab 06.12.2006.

a) Für die Zeit bis 05.12.2006 ist Folgendes zu berücksichtigen:

Während der Entzug der Fernbedienung eines TV - Gerätes als Gegenstand der Freizeitbeschäftigung nur unter den Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 StVollzG möglich ist und hierfür von der Justizvollzugsanstalt auch ausdrücklich Sicherheitsgründe geltend gemacht wurden (Empfang von SMS-Botschaft per Videotext) stellt die Trennung des Gefangenen von der anstaltseigenen Sat-Anlage unter Belassung des eigenen Fernsehgerätes und Ermöglichung des Empfanges von drei Programmen (1 Programm mit angemessener, 2 Programme mit schlechter Qualität) mittels einer Zimmerantenne keinen Widerruf der Erlaubnis zum Besitz eines TV-Gerätes dar, sondern eine Einschränkung der bisherigen Benutzungsregelung. Insoweit hat der Strafgefangene lediglich einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung. Wie bereits dargelegt besitzt er kein subjektives Recht auf eine seinen Wünschen entsprechende Ausgestaltung des Fernsehprogramms.

Sowohl die Entscheidung nach § 70 Abs. 3 StVollzG i.V.m. § 70 Abs. 2 StVollzG hinsichtlich des Entzugs der Fernbedienung als auch die Entscheidung über die weitere Programmgestaltung stellen Ermessensentscheidungen dar. Nach § 115 Abs. 5 StVollzG darf die Strafvollstreckungskammer nicht ihr Ermessen anstelle des Ermessens der Vollzugsbehörde setzen Etwas anderes gilt nur für den Fall, wenn das Ermessen auf Null reduziert ist, so dass nur noch eine Entscheidung in der Sache möglich ist (vgl. Arloth-Lückemann StVollzG § 115 Rn. 12). Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Liegt keine Spruchreife vor, so spricht das Gericht die Verpflichtung aus, den Strafgefangenen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts - neu - zu bescheiden, § 115 Abs. 4 Satz 2 StVollzG.

Die lediglich erfolgte Verpflichtung zur Neuverbescheidung durch die Strafvollstreckungskammer unter Hinweis auf zu berücksichtigende Vertrauensschutzgesichtspunkte ist somit entgegen der Ansicht des Strafgefangenen insoweit nicht zu beanstanden.

b) Für die Zeit ab 06.12.2006 gilt Folgendes:

Die Strafvollstreckungskammer ist auf das Vorbringen des Gefangenen, ab 06.12.2006 sei nur noch digitales Fernsehen möglich und er könne dann mittels einer Zimmerantenne keine Fernsehprogramme mehr empfangen, nicht eingegangen.

Hier wird die Justizvollzugsanstalt ... zu prüfen haben - was bisher nicht erforderlich war - wie ab diesem Zeitpunkt dem grundrechtlich geschützten Recht des Gefangenen auf Informationsfreiheit Rechnung getragen werden kann.

aa) Sollte aus technischen Gründen nur noch die Möglichkeit des Gemeinschaftsfernsehens für den Gefangenen bestehen, so läge hierin ein Widerruf der Erlaubnis zum Betreiben eines eigenen Fernsehgerätes, der nur unter den Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 StVollzG möglich ist. Das Oberlandesgericht ... hat dies aus Gründen der Gefährdung der Ordnung der Anstalt als zulässig angesehen (vgl. OLG Koblenz ZfStRVo 2006, 179). Hier wären allerdings Vertrauensschutzgesichtspunkte in besonderem Umfang zu berücksichtigen (vgl. BVerfG StV 1994, 432).

bb) Sollte dem Gefangenen aus technischen Gründen auch weiterhin ein Fernsehempfang mittels seines eigenen Fernsehgerätes möglich und dadurch sein grundrechtlich geschütztes Recht auf Informationsfreiheit gewährleistet sein, wovon bei einem Empfang zumindest der öffentlich-rechtlichen Sender (ARD, ZDF und ein drittes Programm) auszugehen ist, so wird bei der vorzunehmenden Ermessensentscheidung ebenfalls zunächst zu prüfen sein, ob die Widerrufsvoraussetzungen des § 70 Abs. 3 StVollzG i.V.m. § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG vorliegen, nämlich eine Gefährdung des Vollzugsziels oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt. In diesem Fall werden Vertrauensschutzgesichtspunkte eher von nachrangiger Bedeutung sein.

Sollten bei der geänderten Programmgestaltung durch Trennung von der anstaltseigenen Sat-Anlage (die wie bereits dargelegt nur eine Einschränkung der bisherigen Benutzungsregelung und keinen Widerruf der Erlaubnis zum Besitz eines TV - Gerätes darstellt) keine Gründe nach § 70 Abs. 2 StVollzG geltend gemacht werden, so wird bei der vorzunehmenden Ermessensentscheidung Vertrauensschutzgesichtspunkten eine größere Bedeutung beizumessen sein.

cc) Ein Entzug der Fernbedienung ist nur unter den Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 StVollzG möglich. Von Seiten der Justizvollzugsanstalt ... wurde bereits eine Gefährdung der Sicherheit der Anstalt geltend gemacht. Die JVA wird dies weiter darzulegen und dann nach § 70 Abs.3, Abs.2 StVollzG eine Ermessensentscheidung vorzunehmen haben.

Die Frage der Aushändigung allein der Batterien stellt sich erst, wenn feststeht, dass keine Aushändigung der Fernbedienung erfolgt. In diesem Fall wird der Strafgefangenen dies zunächst bei der Justizvollzugsanstalt zu beantragen haben.

C. Kostenentscheidung: § 121 StVollzG.

D. Streitwert: §§ 60, 65, 52 GKG.

Ende der Entscheidung

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