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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 05.08.2003
Aktenzeichen: 3 U 1663/03
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 823 Abs. 1 |
2. Wird die Tätowierung unprofessionell und technisch mangelhaft durchgeführt, so liegt darin eine Schadensersatzansprüche auslösende unerlaubte Handlung, da der Körper fahrlässig und widerrechtlich verletzt wird.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL
In Sachen
wegen Schadensersatzes,
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5.8.03
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 16.4.2003 wird zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 47 % und der Beklagte 53 %.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des nach dem Urteil jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis zur Berufungsrücknahme des Klägers am 5.8.2003 auf 49.102,- EURO, danach auf 22.602,- EURO festgesetzt.
Gründe:
I. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche wegen einer mangelhaften Tätowierung geltend.
Er hat sich im Sommer 2000 vom Beklagten ein sog. Tribal auf die Brust tätowieren lassen. Nach Ablauf von ca. 1,5 Jahren hat er geltend gemacht, dass die Tätowierung asymmetrisch und entgegen den Regeln der Kunst in die Brusthöfe hineintätowiert sei. Er hat in erster Instanz geltend gemacht
- einen Vorschuss von 7.000,-- EURO für eine großflächige Übertätowierung,
- ein angemessenes Schmerzensgeld von ca. 7.500,-- EURO
- die Feststellung des Schadensersatzpflicht des Beklagten für materielle und immaterielle Zukunftsschäden,
- 102,26 EURO Schadensfeststellungskosten.
Mit Schriftsatz vom 22.4.2002 hat er unter anderem ausführen lassen, dass die großflächige Übertätowierung noch nicht in Auftrag gegeben sei und er den Ausgang des Rechtsstreits (mit Sachverständigengutachten) abwarte, um festzustellen, ob und mit welchem Aufwand die Tätowierung zu entfernen sei.
Der Beklagte hat die Fehlerhaftigkeit seiner Arbeit bestritten und sich darauf berufen, dass der Kläger die Skizzierung auf seinem Körper, die der Tätowierung vorausgeht, gebilligt habe und nach Abschluss der Tätowierung begeistert gewesen sei.
Das Landgericht hat nach Einholung von zwei Sachverständigengutachten festgestellt, dass die vom Kläger behaupteten Mängel vorliegen und dem Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 3.500,- EURO, Kosten des Schadensfeststellung von 102,26 EURO verurteilt und im übrigen festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus der Anbringung eines großflächigen Tribals im Sommer 2000 zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritter übergehen. Die Klage hinsichtlich des Kostenvorschusses hat es abgewiesen.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Der Kläger hat die Klage mit der Berufungsbegründung erweitert, mit dem Ziel, weitere 25.000,-- EURO Schadensersatz zu erlangen. Als Schmerzensgeld hält er weitere 1.500,-- EURO für angemessen. Die Berufung hat er jedoch in der Verhandlung vom 5.8.2003 zurückgenommen.
Der Beklagte beantragt:
Das am 16.4.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Regensburg wird aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.
Er beruft sich auf Verjährung und darauf, dass der Kläger in die Tätowierung eingewilligt habe. Darüber hinaus enthalte die vom Kläger unterschriebene Einverständniserklärung einen Haftungsausschluss dahingehend, dass die aufgebrachte Tätowierung nicht mit der gewünschten Art und Form übereinstimmen muss. Schließlich sei die Beweiswürdigung des Landgerichts falsch, die Arbeit des Beklagten sei fehlerfrei.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens beider Parteien wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 511, 517, 519 ZPO. Sie hat keinen Erfolg.
1. Der Beklagte greift die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils an. Er hält den Sachverständigen Z für ungeeignet und sein Gutachten für unbrauchbar. Das Landgericht hat sich in den Gründen des Urteils mit der Sachkunde des Sachverständigen auseinandergesetzt, hat selbst die Tätowierung in Augenschein genommen und die Asymmetrie festgestellt.
Mit seinem Angriff auf die Beweiswürdigung macht der Beklagte eine Rechtsverletzung nach §§ 513, 546 ZPO geltend. Nach der Reform des Berufungsrechts ist die Beweiswürdigung des Tatrichters jedoch nur noch beschränkt nachprüfbar, nämlich darauf, ob sie in sich widersprüchlich ist, den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen zuwiderläuft oder Teile des Beweisergebnisses ungewürdigt lässt (Zöller, 23. Auflage, § 546 Rn. 13 ZPO). Solche Fehler liegen aber offensichtlich nicht vor.
2. Die Voraussetzungen einer unerlaubten Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB liegen vor, da der Beklagte fahrlässig und widerrechtlich den Körper des Klägers verletzt hat. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist die Tätowierung absolut unprofessionell und in keiner Weise technisch einwandfrei. Sie ist weder axial, horizontal, noch vertikal exakt angebracht, was absolute Voraussetzung für Motive dieser Art sei. Sie entspricht damit nicht den Regeln der Kunst. Die vom Kläger abgegebene Einwilligungserklärung, welche die Rechtswidrigkeit des Eingriffes beseitigen würde, bezog sich jedoch nur auf eine nach den Regeln der Kunst durchgeführte Arbeit.
Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Kläger vor der Tätowierung die auf den Körper aufgebrachte Skizze genehmigt habe. Dies wäre nur dann der Fall, wenn er die Genehmigung in Kenntnis der Mangelhaftigkeit erteilt hätte, wofür der Beklagte beweispflichtig ist. Für diese bestrittene Behauptung hat der Beklagte keinen Beweis angeboten. Insbesondere richtet sich das Beweisangebot betreffend die Zeugin Z nur darauf, dass der Kläger die Skizze akzeptiert hat, nicht darauf, dass er sie als fehlerhaft erkannt und akzeptiert hat. Die Ausführungen des Klägers, er habe die Asymmetrie erst erkannt, als er von Dritten darauf angesprochen worden sei, ist nachvollziehbar.
3. Ansprüche des Klägers sind nicht verjährt. Die Verjährungsfrist für Ansprüche aus unerlaubter Handlung beträgt nach § 852 BGB drei Jahre. Dies würde auch dann geltend, wenn mit dem gesetzlichen Anspruch aus § 823 BGB werkvertragliche Gewährleistungsansprüche mit einer kurzen Verjährungsfrist von 6 Monaten konkurrieren (BGHZ 55, 392), weswegen auch die Frage, ob der Vertrag über die Tätowierung als Werk- oder Dienstvertrag zu behandeln ist, dahinstehen kann.
4. Die Voraussetzungen einer Verwirkung liegen nicht vor. Der Kläger hat zwar seine Ansprüche erstmals 1,5 Jahre nach Abschluss der Tätowierung geltend gemacht, doch sind keine Umstände erkennbar, welche dies treuwidrig erscheinen lassen.
5. Der in der Einwilligungserklärung vereinbarte Haftungsausschluss ist unwirksam gemäß § 11 Nr. 10 a AGBG. Es handelt sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung nach § 1 AGBG, die vom Beklagten für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert wurde. Da sie die Haftung des Beklagten für alle Abweichungen der Tätowierung vom ausgewählten Muster ausschließt, ist sie unwirksam.
6. Der Feststellungsanspruch des angefochtenen Urteils und die Verurteilung zur Zahlung der Schadensfeststellungskosten sind Folge der unerlaubten Handlung. Insoweit wird auf das Urteil des Landgerichts Regensburg Bezug genommen.
7. Die Kostenentscheidung erging nach §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
8. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.
9. Die Revision gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, einer Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.
Ende der Entscheidung
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