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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 24.04.2001
Aktenzeichen: 3 U 4393/00
Rechtsgebiete: BORA
Vorschriften:
BORA § 7 |
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL
3 U 4393/00 3 O 4973,/99 LG Nürnberg-Fürth
In Sachen
wegen Unterlassung; UWG,
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schicker und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Seidel und Prof. Dr. Haberstumpf aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.4.2001
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 08.11.2000 (Az.: 3 O 4973/99) in Ziffer I. 1. und 2. abgeändert:
II. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug haben die Klägerin 40 % und die Beklagten 60 % zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Leistung von Sicherheit in Höhe von 7.000,-- DM abzuwenden, falls diese vor der Vollstreckung nicht in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
V. Die Beschwer der Klägerin beträgt 40.000,-- DM.
VI. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Beschluß:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.000,-- DM festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin ist die berufsständische Organisation der Rechtsanwälte für den Bezirk des Oberlandesgerichts Nürnberg. Die beiden Beklagten sind in N. zugelassene Rechtsanwälte. Sie betreiben in einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zusammen mit einer Vielzahl von anderen Kollegen eine Rechtsanwalts-, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei. Unter der Überschrift "& Partner" veröffentlichten sie u.a. am 12.1.1999 in der S. Zeitung sowie am 29.1. und 17.4.1999 in den Werbeanzeigen. Wegen des Inhalts dieser Anzeigen wird auf die mit der Klageschrift vorgelegten und im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Anlagen K1, K2 und K4 (Bl. 62, 63 und 65 dA.) Bezug genommen.
Die Klägerin hat diese und eine weitere Anzeige der Beklagen als wettbewerbswidrig beanstandet und sie vorgerichtlich vergeblich zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung aufgefordert. Hinsichtlich der im Berufungsverfahren noch anhängigem Unterlassungsansprüche hat die Klägerin im ersten Rechtszug vorgetragen, die Anzeigen der Anlagen K1, K2 und K4 verstießen gegen § 7 Abs. 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA). Nach dieser Vorschrift dürften als Teilbereiche der Berufstätigkeit nur Interessen- und/oder Tätigkeitsschwerpunkte benannt werden, wobei nicht mehr als 5 Benennungen zulässig seien, davon höchsten 3 Tätigkeitsschwerpunkte. Interessen- und Tätigkeitsschwerpunkte seien jeweils als solche zu bezeichnen. Die Angaben müßten zudem personenbezogen sein. Diesen Anforderungen würden die angegriffenen Anzeigen nicht gerecht. Sie hielten weder die im Gesetz vorgeschriebene Anzahl noch die Schwerpunktqualifizierung noch das Erfordernis des Personenbezuges ein. Der Verstoß gegen § 7 BORA begründe gleichzeitig auch einen Verstoß gegen § 1 UWG Die Klägerin hat deshalb u. a. folgende Anträge gestellt:
I. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu DM 500.000,--, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, in Zeitungen und Presseerzeugnissen, die im Bezirk der Rechtsanwaltskammer Nürnberg erscheinen, Inserate zu schalten,
a) in denen Schwerpunktangaben eine gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA (Berufsordnung der Rechtsanwälte) vorgeschriebene Anzahl überschreitet;
b) in denen Interessen- und/oder Tätigkeitsschwerpunkte ohne Bezug auf einen bestimmten Rechtsanwalt genannt werden, es sei denn, die Angaben treffen auf jeden einzelnen in der Kanzlei tätigen Anwalt zu.
Die Beklagten haben Antrag auf Klageabweisung gestellt.
Sie haben Bedenken gegen die Klagebefugnis der Klägerin geäußert, da die Berufsordnung abschließend festgelegt habe, welche Maßnahmen die Rechtsanwaltskammern gegen Mitglieder ergreifen dürften. Es bestehe der Verdacht, daß das Vorgehen gegen die Beklagten nur dazu diene, ein Mandat für Vorstandsmitglieder der Klägerin zu beschaffen. Die Belange der Anwaltschaft als Ganzes seien nicht berührt, weshalb im hiesigen Kammerbezirk auch kein anderer Rechtsanwalt die Anzeigen der Beklagten beanstandet habe. Im übrigen liege ein Verstoß gegen § 7 BORA nicht vor. Nach § 6 BORA dürfe der Rechtsanwalt sachlich und berufsbezogen über seine Dienstleistung informieren; weshalb in Praxisbroschüren, Rundschreiben und anderen vergleichbaren Informationsmitteln weitere als die nach § 7 BORA erlaubten Hinweise gegeben werden dürften. Bei den beanstandeten Zeitungsanzeigen handele es sich um solche anderen vergleichbaren Informationsmittel i. S. von § 6 Abs. 2 BORA. Darunter fielen nicht nur Stellenanzeigen, sondern auch Sonderveröffentlichungen der hier vorliegenden Art, in denen zulässigerweise über die Tätigkeitsbereiche der Kanzlei berichtet werde. Das Verlangen der Klägerin, die Tätigkeits- und Interessenschwerpunkte den in der Kanzlei der Beklagten tätigen Anwälten zuzuordnen, beeinträchtige sie in ihrer Berufsfreiheit und verletze den Gleichheitsgrundsatz. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anzeigen seien 85 Rechtsanwälte tätig gewesen; inzwischen sei diese Zahl auf deutlich über 100 angewachsen. Müßten sämtliche in der Kanzlei der Beklagten tätigen Rechtsanwälte namentlich mit ihren Tätigkeits- und/oder Interessenschwerpunkten genannt werden, wäre der Rahmen einer Anzeige in Sonderbeilagen der Tagespresse gesprengt und eine Ungleichbehandlung gegenüber Einzelanwälten oder kleineren Kanzleien herbeigeführt.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat ohne Durchführung einer Beweisaufnahme in seinem am 8.11.2000 verkündeten Endurteil die Beklagten u. a. wie folgt verurteilt:
I. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,--, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Zeitungen und Presseerzeugnissen, die im Bezirk der Rechtsanwaltskammer Nürnberg erscheinen, Inserate zu schalten,
1. in denen Schwerpunktangaben eine gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA (Berufsordnung der Rechtsanwälte) vorgeschriebene Anzahl überschreiten;
2. in denen Interessen- und/oder Tätigkeitsschwerpunkte ohne Bezug auf einen bestimmten Rechtsanwalt genannt werden, es sei denn, die Angaben treffen auf jeden einzelnen in der Kanzlei tätigen Anwalt zu ...
Soweit darüberhinaus eine Verurteilung erfolgt ist, ist das Urteil rechtskräftig geworden. Auf seine Begründung (Bl. 61 bis 80,d. A.) wird Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil haben die Beklagten am 15.12.2000 form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis 15.2.2001 verlängerten Begründungsfrist begründet.
Mit ihrer Berufung wenden sie sich allein gegen die Verurteilung in Ziffer I. 1. und 2. des angefochtenen Urteils. Sie wiederholen im wesentlichen ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug. Sie sind ferner der Meinung, daß § 7 BORA verfassungswidrig sei, weil er diejenigen Rechtsanwälte unangemessen benachteile, die trotz einer sehr langen Berufserfahrung in vielen Bereichen die Angaben auf 3 Tätigkeitsschwerpunkte beschränken und diejenigen Gebiete, in denen sie ebenfalls stark vertiefte Kenntnisse und besondere praktische Erfahrungen aufzuweisen hätten, als Interessenschwerpunkte bezeichnen müßten. Wollte man § 7 BORA nicht als verfassungswidrig ansehen, dann müßte jedenfalls, um eine übermäßige Einschränkung der Berufsfreiheit zu vermeiden, eine Zeitungsanzeige, in der nicht einzelne Rechtsanwälte, sondern nur die Kanzlei unter genauer Beschreibung ihrer Tätigkeitsbereiche vorgestellt werde, als anderes vergleichbares Informationsmittel i. S. von § 6 Abs. 2 BORA bewertet werden.
Die Beklagten stellen deshalb den Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagten verurteilt worden seien, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Zeitungen und Presseerzeugnissen, die im Bezirk der Rechtsanwaltskammer Nürnberg erscheinen, Inserate zu schalten,
1. in denen Schwerpunktangaben eine gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA (Berufsordnung der Rechtsanwälte) vorgeschriebene Anzahl überschreiten,
2. in denen Interessen- und/oder Tätigkeitsschwerpunkte ohne Bezug auf einen bestimmten Anwalt genannt werden, es sei denn, die Angaben treffen auf jeden in der Kanzlei tätigen Anwalt zu.
Die Klägerin beantragt dagegen, die Berufung der Beklagten abzuweisen. Ferner wird beantragt, die Revision zuzulassen.
Sie vertritt die Ansicht, das Erstgericht habe zu Recht einen Verstoß gegen § 7 BORA angenommen. Anzeigen in Tageszeitungen, auch wenn sie als Sonderveröffentlichungen gekennzeichnet seien, seien mit Praxisbroschüren, Rundschreiben und Homepages nicht vergleichbar.
Ausschlaggebend sei, daß diese Werbemittel in aller Regel an einen begrenzten Adressatenkreis gerichtet seien und zudem häufig nur auf Anforderung versandt würden. Wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes würden solche Mittel als Werbung erkannt und ohne Kenntnis des Inhalts weggeworfen. Anders sei die Situation bei Zeitungsanzeigen, die an eine unbestimmte Vielzahl von Adressaten gerichtet seien. Die Unterscheidung, die die BORA für Informationsmittel treffe, sei daher verfassungsrechtlich unbedenklich, was inzwischen auch der Bundesgerichtshof bestätigt habe. Auch das Erfordernis der namentlichen Zuordnung der Tätigkeits- und/oder Interessenschwerpunkte zu den in der Kanzlei tätigen Anwälte verstoße nicht gegen Art. 3 GG. Niemand verlange von den Beklagten, in einer Zeitungsanzeige alle 85 oder 166 Rechtsanwälte namentlich aufzuführen und ihnen Tätigkeits- und/oder Interessenschwerpunkte zuzuordnen. Denkbar sei durchaus, nur einzelne der spezialisierten Anwälte insoweit aufzuführen. Art. 12 Abs. 1 GG erfordere kein Sonderrecht für Großkanzleien. Im übrigen enthalte § 6 Abs. 2 BORA keine Freizeichnung von den Voraussetzungen des § 7 BORA, so daß auch Praxisbroschüren mindestens an die Vorgaben dieser Vorschrift gebunden seien. Jede andere Auffassung liefe auf die Freigabe irreführender Werbung hinaus. Die beanstandeten Angaben seien zudem irreführend, weil nach den Ausführungen der Beklagten selbst keinesfalls alle 85 bzw. 166 Anwälte in den genannten Bereichen schwerpunktmäßig tätig seien und es in ihrer Kanzlei Anwälte gebe, die weniger als 2 Jahre nachhaltig in ihrem Beruf tätig seien.
Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und die vorgelegten Urkunden Bezug genommen.
Der Senat hat keinen Beweis erhoben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten gegen Ziffer I. 1. und 2. des angefochtenen Endurteils ist begründet. Durch die Angabe von mehr als 5 Beratungsgebieten ohne ihre Zuordnung zu bestimmten in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit den Beklagten zusammenarbeitenden Rechtsanwälten in den Anlagen K1, K2 und K4 haben diese nicht gegen § 7 BORA verstoßen und deshalb wettbewerbswidrig gehandelt.
I.
Die klagende Rechtsanwaltskammer ist gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG klagebefugt und aktivlegitimiert, wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche auch gegen die Beklagten als ihre Mitglieder auf dem Zivilrechtsweg durchzusetzen. Dies entspricht gefestigter Rechtsprechung (BGH GRUB 1998, 836 - Zweigstellenverbot; GRUR 1999, 825 - Steuerberatung auf Fachmessen, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Der Funktionsbereich und Aufgabenkreis der Rechtsanwaltskammer reicht nämlich über die ihr durch Gesetz oder Satzung ausdrücklich zugewiesene Aufgabe hinaus und umfaßt auch diejenigen Belange der Anwaltschaft, die den Berufsstand als Ganzes berühren (BGH a.a.O.; vgl. auch Feurich/Braun, BRAO, 3. Aufl., § 73 RdNr. 6 ff.; Henssler/Prütting, BRAO, § 73 RdNr. 7 ff.), was sich nicht zuletzt aus der generalklauselartigen Fassung des § 73 Abs. 1 Satz 2 BRAO und der nur beispielhaften Aufzählung ("insbesondere") von einzelnen Aufgaben in § 73 Abs. 2 BRAO ergibt. Da sie somit berufen sind, die Belange der ihr angehörenden Rechtsanwälte zu wahren und zu fördern, gehören die Rechtsanwaltskammern zu den Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen i. S. von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Eine Beschränkung der Klagebefugnis auf die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen von Nichtanwälten oder Nichtmitgliedern läßt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Dies könnte im Gegenteil den Vorwurf begründen, als würden die Rechtsanwaltskammern parteiisch nur rein wirtschaftliche Interessen ihrer Mitglieder ohne Rücksicht darauf verfolgen, ob diese ihrerseits die Regeln des fairen Wettbewerbs einhalten.
Ebenso schließt die Möglichkeit berufsrechtlicher Maßnahmen die Geltendmachung von wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen nicht aus, mit denen bestimmte Verhaltensweisen gerade als Wettbewerbsverstöße angegriffen werden. Anwaltsgerichtliche Maßnahmen können nach § 113 Abs. 1 BRAO nur im Fall schuldhafter Pflichtverletzungen ergriffen werden, während der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch kein Verschulden voraussetzt. Anders als die anwaltsgerichtliche Ahndung von Pflichtverletzungen, die primär eine Reaktion auf individuelles Fehlverhalten darstellt, ist die wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage weit besser geeignet, im Interesse der gesamten organisierten Anwaltschaft und der Allgemeinheit eine nähere Bestimmung des zulässigen Wettbewerbsverhaltens von Anwälten herbeizuführen und einige Grundlagen ihrer beruflichen Tätigkeit zu klären. Die zivilrechtliche Unterbindung einer wettbewerbswidrigen Handlung hat deshalb in der Regel auch weniger belastendere Auswirkungen auf den betreffenden Anwalt als eine anwaltsgerichtliche Ahndung. Der BGH weist zudem zutreffend darauf hin, daß die der Rechtsanwaltskammer als Verband zur Förderung gewerblicher Interessen eingeräumte Klagebefugnis unvollständig wäre, wenn an einem Wettbewerbsverstoß neben einem Anwalts auch andere Personen beteiligt sind und nur gegen diese vorgegangen werden könnte. Aus diesen Gründen vermag der Senat nicht zu erkennen, weshalb die Zuweisung der Klagebefugnis nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG an eine Rechtsanwaltskammer zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch Mitglieder gegen die Verfassung verstoßen könnte. Eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einer vergleichbaren Angelegenheit, wie von den Beklagten im Schriftsatz vom 20.4.2001 beantragt, kommt danach nicht in Betracht.
Daß die in diesem Verfahren angestrebte Klärung der Frage, ob die beanstandeten Anzeigen gegen § 7 BORA verstoßen und welchen genauen Anwendungsbereich diese Vorschrift hat, den Berufsstand der Anwälte als Ganzen berührt, steht außer Frage. Die übrigen Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG, erhebliche Anzahl von Mitbewerbern, ausreichende Verbandsausstattung und Eignung zur wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs, sind ebenfalls zweifellos gegeben.
II.
Der Senat ist der Ansicht, daß die beanstandeten Anzeigender Anlagen K1, K2 und K4 andere vergleichbare Informationsmittel i. S. von 6 Abs. 2 BORA darstellen und deshalb von den Beschränkungen des § 7 BORA freigestellt sind.
1. In diesen Anzeigen wird jeweils für die Kanzlei der Beklagten und der mit ihnen in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossenen Rechtsanwälte geworden Es wird u. a. darauf hingewiesen, daß der Kanzlei 85 Rechtsanwälte angehören und ihr Beratungsspektrum u. a. Gesellschaftsrecht, Vertragsrecht, Beteiligungserwerb, Unternehmensnachfolge, Arbeitsrecht und gewerblichen Rechtsschutz bis hin zum öffentlichen Recht und zur Prozeßvertretung umfaßt. Dadurch hätten sie auch in den Beratungsfeldern der Informationstechnologie, der Telekommunikation, des Energiewirtschaftsrechts, des Medienrechts und des Going Public wesentliche Positionen erreicht. Es werden also insgesamt 12 Betätigungsfelder der Rechtsanwälte der Kanzlei aufgeführt, die einzelnen Personen nicht zugeordnet sind. Für den angesprochenen Verkehr ist aus dem Gesamtzusammenhang deutlich erkennbar, daß die Beratungsund Vertretungstätigkeit auf den genannten Feldern zu den Schwerpunkten der Kanzlei insgesamt gehört. Er erfährt jedoch nicht, welche Anwälte auf welchen Gebieten tätig sind, welche Kompetenzen sie im einzelnen besitzen und für wen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BORA erfüllt sind.
Die Anzeigen stehen insoweit nicht in Einklang mit § 7 BORA, als sie den Begriff "Tätigkeitsschwerpunkt" nicht verwenden (§ 7 Abs. 1 Satz 3) die Zahl von 3 Tätigkeitsschwerpunkten überschreiten (§ 7 Abs. 2 Satz 2) und die aufgezählten Beratungsfelder einzelnen Anwälten nicht zuordnen.
2. Die verfassungskonforme Auslegung dieser Vorschrift ergibt aber, daß sie im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist. § 7 BORA regelt die Berufsausübung von Rechtsanwälten. Solche Regelungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässig, wenn sie durch hinreichende Gründe des gemeinen Wohls gerechtfertigt sind, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (zuletzt Bundesverfassungsgericht NJW 2001, 354 m. w. Nw.).
Die in § 7 BORA vorgenommene Unterscheidung zwischen Interessen- und Tätigkeitsschwerpunkten dient den Interessen der Rechtsuchenden an einer zutreffenden Information. Mit ihr trägt der Satzungsgeber diesen Informationsinteressen daran Rechnung, mit der Hervorhebung eines Teilbereiches anwaltlicher Berufsausübung auch darüber informiert zu werden, ob der Rechtsanwalt sich im wesentlichen Umfang bereits mit dem Rechtsgebiet befaßt hat, auf dem der Rechtsuchende Hilfe erwartet, oder ob sich lediglich sein Interesse auf die Wahrnehmung eines bestimmten Bereiches richtet. Die Unterscheidung dient demgemäß letztlich der Verhindung einer Irreführung der Rechtsuchenden. Die Regelung ist geeignet, dieses Ziel zu verwirklichen und schränkt die Freiheit der Berufsausübung der Betroffenen nicht übermäßig ein (BGH Anwaltsblatt 2001, 240). Dies gilt auch im Hinblick auf die in § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA vorgesehene zahlenmäßige Beschränkung für die Benennung von Tätigkeits- und/oder Interessenschwerpunkten. Auch dieses gesetzliche Mittel ist geeignet, einer Irreführung des rechtsuchenden Publikums entgegenzuwirken, in dem sie die uferlose Angabe von Bereichen verbietet, die das Publikum eher verwirren als aufklären. Die zahlenmäßige Beschränkung ist daher ein geeignetes, erforderliches und zumutbares Mittel, sicherzustellen, daß ein Rechtsanwalt die von ihm angegebenen Rechtsgebiete auch tatsächlich beherrscht (BGH NJW 1997, 2523; OLG Nürnberg MDR 2000, 547; Anwaltsgericht Freiburg NJW 2000; 1657; Feurich/Braun, a.a.O., § 7 BO RdNr. 4).
3. Dies schließt indes nicht aus, daß es Fälle gibt, in denen ein berechtigtes Interesse des Anwalts anzuerkennen ist, sich in der Öffentlichkeit darzustellen, ohne die Bindungen des § 7 BORA beachten zu müssen. Solche Fälle sind etwa dann gegeben, wenn nicht die Person des Anwalts und seine Fähigkeiten im Vordergrund stehen, sondern die Ausrichtung seiner Kanzlei. So würde es z. B. im Rahmen einer Stellenanzeige meist unzumutbar sein, alle in einer Kanzlei tätigen Anwälte namentlich aufzuführen und deren Tätigkeits- bzw. Interessenschwerpunkte unter Beachtung von § 7 BORA anzugeben, da dies geeignet ist, den Effekt der Anzeige zu beeinträchtigen (vgl. Bundesverfassungsgericht Anwaltsblatt 1996, 233), und für den Stellungssuchenden, der in erster Linie erfahren will, welche Ausrichtung die inserierende Kanzlei insgesamt hat, meist von geringem Interesse ist. Dementsprechend sieht auch § 6 Abs. 2 BORA für Praxisbroschüren, Rundschreiben und andere vergleichbare Informationsmittel vor, daß in ihnen weitere als nach § 7 BORA erlaubte Hinweise gegeben werden dürfen. § 6 Abs. 2 BORA stellt somit ein Korrektiv dar, um unverhältnismäßige Beschränkungen durch die Anwendung von § 7 BORA zu vermeiden (vgl. BGH Anwaltsblatt 2001, 240 unter Ziffer 3 a. am Ende). Dies ist bei der Abgrenzung beider Vorschriften zu beachten.
Unter Praxisbroschüren werden allgemein umfangreichere Informationen über Kanzleien verstanden, die üblicherweise deren Geschichte, Ausrichtung und Rechtsgebiete, auf denen sie tätig ist, die Namen und Qualifikationen der Anwälte und/oder sonstige Umstände darstellen. Unter den Begriff fällt die reine Textzusammenstellung wie die farbig ausgestaltete Hochglanzbroschüre und das Faltblatt der kleineren Anwaltskanzlei (Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, § 6 RdNr. 111 ff. und Anhang § 10 "Praxisbroschüre"; Feurich/Braun, a.a.O., § 43 b, RdNr. 61). Rundschreiben sind allgemein formulierte, ganz oder gleichlautende Schreiben von Rechtsanwälten an Mandantenoder ein breiteres Publikum, das z. B. Informationen über die Kanzlei oder über neuere rechtliche Entwicklungen und Entscheidungen enthalten können (Hartung/Holl, a.a.O., § 6 RdNr. 119 ff. und Anhang § 10 "Rundschreiben"; Feurich/Braun, § 43 b RdNr. 60). Unter anderen vergleichbaren Informationsmitteln. werden vornehmlich Homepages und E-mails verstanden (Hartung/Holl, a.a.O., § 6 RdNr. 124 f.).
Als Beispiele, auf die dagegen in erster Linie § 7 BORA zugeschnitten ist, werden in der Literatur die herkömmlichen - bislang allein zulässigen - Werbeträger wie Kanzleischilder, Briefköpfe, Plakate (vgl. Deichfuß. Anwaltsblatt 2001, 109) genannt. Der Ansicht der Klägerin, daß dazu auch Zeitungsanzeigen schlechthin zu zählen sind, ist nicht zu folgen. Zeitungsanzeigen auf der einen Seite und Praxisbroschüren, Rundschreiben oder Homepages auf der anderen Seite unterscheiden sich weder hinsichtlich ihres Verbreitungsgrades noch hinsichtlich des Adressatenkreises so wesentlich voneinander, daß dies ihre Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte. Adressaten sind jeweils sowohl potentielle wie auch aktuelle Mandanten. Während eine Zeitungsanzeige in einem nur regional erscheinenden Presseorgan einen begrenzten Verbreitungsgrad haben kann, können Rundschreiben, E-mails und Praxisbroschüren zulässigerweise an eine sehr große Anzahl von möglichen Interessenten versandt werden (vgl. den Fall OLG München, Betriebsberater 2000,, 1003, wo eine l2-seitige Kanzleibroschüre etwa 30.000 Adressaten übermittelt wurde). Auch der Hinweis, Praxisbroschüren und Rundschreiben würden von den Empfängern leicht als Werbung erkannt und von den meisten ohne Kenntnisnahme des Inhalts weggeworfen, während Zeitungsanzeigen eher zur Kenntnis genommen würden, trägt nicht. Ob es einen solchen Erfahrungssatz gibt, kann vom Senat nicht beurteilt werden. Mindestens ebenso wahrscheinlich ist es, daß ein Zeitungsleser, der sich gerade nicht für die Dienstleistungen von Anwälten interessiert, deren Anzeigen überliest.
Sowohl § 6 Abs. 2 wie auch § 7 BORA stehen unter der Gene- ralklausel des § 6 Abs. 1 BORA (Hartung/Holl, a.a.O., § 6 RdNr. 22), der die Information über die Dienstleistung und Person des Rechtsanwalts erlaubt, soweit die Angaben sachlich unterrichten und berufsbezogen sind, und der auf § 43 b BRAO bezogen ist. Danach darf ein Rechtsanwalt für seine Informationswerbung alle Werbeträger und -methoden benutzen (Henssler/Prütting a.a.O., § 43 b RdNr. 36 f.). Daraus folgt, daß die Differenzierung zwischen § 6 Abs. 2 und 7 BORA nicht nach dem benutzten Werbeträger getroffen werden kann, sondern allein nach dem Inhalt des jeweiligen Werbemittels. So kann es nämlich keinen relevaten Unterschied machen, ob eine dem Inhalt nach klassische Praxisbroschüre in eine Homepage eingestellt, in einer Zeitungsanzeige veröffentlicht oder als Rundschreiben bzw. E-Mail verschickt wird, während umgekehrt die Angabe von Tätigkeitsund/oder Interessenschwerpunkten für einen namentlich genannten Anwalt in einer Praxisbroschüre den Vorgaben des BORA zu entsprechen hat.
Vergleicht man diejenigen Informationsmittel, die - einschließlich der Zeitungsanzeige in der bislang nur zulässigen Form - dem Anwendungsbereich des § 7 BORA zugeordnet werden mit denen, die in § 6 Abs. 2 BORA angesprochen sind, so wird erkennbar, daß es sich bei letzteren um solche handelt, die typischerweise inhaltlich aufwendiger gestaltet sind und detaillierte Informationen enthalten. In ihnen können deshalb Informationen über den Zuschnitt der Kanzlei und deren Tätigkeitsgebiete in einer Weise gegeben werden, die die Gefahr der Irreführung des Publikums durch eine bloße Aufzählung und Benennung solcher Gebiete minimieren (vgl. auch Deichfuß, Anwaltsblatt 2001, 109). Das spricht dafür, dem Anwendungsbereich des § 7 BORA diejenigen Sachverhalte zuzuweisen, in denen wie auf Praxisschildern, Briefköpfen, Umzugs-, Kanzleieröffnungs-, Urlaubsund ähnlichen Zeitungsanzeigen (siehe den Sachverhalt der Entscheidung des Senates vom 15.2.2000, MDR 2000, 547) über die Tätigkeit eines namentlich genannten Rechtsanwalts berichtet wird und die Angabe von Interessen- oder Tätigkeitsschwerpunkten für sich und ohne nähere Erläuterung steht, während § 6 Abs. 2 BORA in den Fällen gilt, in denen ein Bedürfnis besteht, unabhängig von der Beschränkung des § 7 BORA nicht über die persönliche Qualifikation von Rechtsanwälten, sondern über die Kanzlei detaillierter und unter näherer Erläuterung von deren Tätigkeitsbereichen zu unterrichten.
4. Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall ein Verstoß gegen § 7 BORA nicht zu bejahen. Gemäß § 43 b BRAO i. V. mit § 6 Abs. 1 BORA muß es einer aus mehreren Anwälten bestehenden Kanzleigrundsätzlich gestattet sein, über ihr gesamtes Dienstleistungsangebot auch in Zeitungsanzeigen sachlich, und berufsbezogen zu unterrichten. Das schließt ein, die Bereiche anzugeben, in denen die Kanzlei insgesamt schwerpunktmäßig tätig ist. Wenn dies im vorliegenden Fall innerhalb einer größeren Zeitungsanzeige geschieht, in der der Leser darüber informiert wird, daß die Kanzlei 85 Anwälte umfaßt, sie vornehmlich wirtschaftsrechtlich im Rahmen der Integration der Weltwirtschaft ausgerichtet ist, dann dient die anschließende Angabe von Beratungs- und Vertretungsgebieten für den Leser erkennbar der näheren Erläuterung dieser Ausrichtung der Kanzlei. Indem noch zusätzliche Informationen über die Verbindungen der Kanzlei mit anderen Organisationen gegeben werden, entspricht der Inhalt der beanstandeten Anzeigen eher der einer Praxisbroschüre als einer klassischen Zeitungsanzeige, die über die Kanzleieröffnung, Eintritt eines neuen Mitarbeiters, den Umzug, die Urlaubsabwesenheit u.s.w. unterrichtet und daneben auch Angaben über Tätigkeits- und/oder Interessensschwerpunkte der betreffenden Anwälte enthält.
Ähnlich wie im Fall der Stellenanzeige ist es für die Kanzlei der Beklagten im vorliegenden Fall nicht zumutbar, alle in ihr zusammengeschlossenen Rechtsanwälte namentlich mit den Betätigungsfeldern aufzuführen oder den genannten Beratungsfeldern die Namen aller hier schwerpunktmäßig tätigen Anwälte hinzuzufügen. Die Angabe nur einiger Anwälte würde diese gegenüber anderen ungerechtfertigt herausheben und beim angesprochenen Verkehr eher den unzutreffenden Eindruck hervorrufen, als seien nur diese insoweit spezialisiert und nachhaltig tätig.
Die Gefahr der Irreführung, der mit der Fassung von § 7 BORA begegnet werden woll, besteht hier nicht. Der Leser erkennt angesichts der genannten Zahl von 85 Rechtsanwälten deutlich, daß mit der Angabe von Beratungsfeldern nicht einzelne Anwälte, sondern das gesamte Dienstleistungsangebot der Kanzlei beworben wird. Er wird deshalb nicht annehmen, daß jeder der 85 Anwälte auf allen Gebieten dieselbe Kompetenz besitzt. Der Verkehr entnimmt vielmehr den Anzeigen, daß es für jedes der genannten Gebiete wenigstens mehrere Anwälte in der Kanzlei gibt, die auf ihm schwerpunktmäßig tätig sind. Er wird deshalb erwarten, daß er, wenn er wegen eines Rechtsfalles sich beraten lassen will, an einen dieser Spezialisten verwiesen wird. Daß dieser Eindruck unzutreffend ist, ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht behauptet.
In Fällen der hier vorliegenden Art, in denen ein Bedürfnis besteht, über eine Kanzlei selbst und deren gesamtes Leistungsangebot ohne Nennung von einzelnen Anwälten und deren Berufsqualifikationen zu informieren, erscheint es nicht durch hinreichende Gründe des gemeinen Wohls gerechtfertigt, die inserierende Kanzlei an den Vorgaben des § 7 BORA festzuhalten. Die verfassungskonforme Auslegung gebietet es daher, die beanstandeten Anzeigen als "andere vergleichbare Informationsmittel" i. S. von § 6 Abs. 2 BORA zu werten, die von den Bestimmungen des § 7 BORA freigestellt sind.
Der Ansicht der Klägerin, § 6 Abs. 2 BORA lasse zwar weitere Hinweise zu, bedeute aber keine Freistellung von den Voraussetzungen des § 7 BORA, ist für den vorliegenden Fall nicht zu folgen, in dem in nicht irreführender Weise für das gesamte Dienstleistungsangebot einer Kanzlei geworben wird und in dem ein berechtigtes Bedürfnis besteht, die Namen der einzelnen Rechtsanwälte der Kanzlei nicht aufzuführen.
III.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 91 und 92 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision für die Klägerin wird gemäß § 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugelassen, da die Fragen nach dem Anwendungsbereich und die Reichweite des § 7 BORA und seine Abgrenzung zu § 6 Abs. 2 BORA von grundsätzlicher Bedeutung für die werbliche Selbstdarstellung von Rechtsanwälten sind und in der Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet werden.
Ende der Entscheidung
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