Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 03.07.2002
Aktenzeichen: 4 U 1001/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 255
1. Zu den Sorgfaltspflichten des Führers eines Rettungsfahrzeugs, der bei Rotlicht eine Kreuzung überqueren will.

2. Rechnet ein Kfz.-Sachverständiger, von der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall eingeschaltet hatte, statt nach konkretem Zeitaufwand pauschal ab und hat der Geschädigte keinen Anlass, die Angemessenheit der so errechneten Vergütung in Zweifel zu ziehen, so muss ihm der Schadensersatzpflichtige die aufgewendeten Gutachterkosten auch dann ersetzen, wenn dieser selbst sie für überhöht hält. Jedoch kann der Ersatzpflichtige verlangen, dass ihm der Geschädigte eventuelle Ansprüche gegen den Sachverständigen auf Rückzahlung überhöhter Vergütung abtritt.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

4 U 1001/02

Verkündet am 03. Juli 2002

In Sachen

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Behrschmidt und die Richter am Oberlandesgericht Braun und Redel aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten zu 1) und die Anschlußberufung der Klägerin hin wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 22. Februar 2002 abgeändert.

II. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 3.915,35 Euro nebst 8 % Zinsen hieraus seit 10. Oktober 2000 zu zahlen.

III. Im übrigen wird die Klage abgewiesen und werden Berufung und Anschlußberufung zurückgewiesen.

IV. Von den Gerichtskosten beider Instanzen tragen die Klägerin 63 %, die Beklagte zu 2) 37 %.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) im vollen Umfang und die der Beklagten zu 2) zu 26 %.

Die Beklagte zu 2) trägt 37 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluß:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.341,57 Euro festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Parteien streiten um die Haftungsverteilung und den Umfang des zu ersetzenden Schadens aus einem Verkehrsunfall, der sich auf regennasser Fahrbahn zur Nachtzeit ereignete und bei dem ein Rettungsfahrzeug des Roten Kreuzes nach Überfahrung eines Rotlichts im Kreuzungsbereich mit einem nach Angaben der Klägerin ihr gehörenden PKW zusammenstieß.

Die vom Rettungsfahrzeug befahrene dreispurige Schwabacher Straße in Nürnberg quert die mehrspurigen Fahrbahnen des Frankenschnellwegs an zwei aufeinander folgenden Kreuzungen. Diese Kreuzungen liegen in engem Abstand und sind beide durch eigene Lichtzeichenanlagen geregelt. Vor Erreichen der ersten Kreuzung hatte der Beklagte zu 1) als Fahrer des Rettungsfahrzeugs seine Geschwindigkeit auf ca. 25 km/h gedrosselt. Auf der zweiten Spur der Schwabacher Straße fahrend überfuhr er mit derselben Geschwindigkeit das Rotlicht der zweiten Kreuzung. Diese Kreuzung ist wegen Busch- und Baumbestands schlecht einsehbar. Aus der Sicht des Beklagten zu 1) querte der Ehemann der Klägerin mit deren Fahrzeug die zweite Kreuzung von rechts kommend auf der äußersten linken Spur des Frankenschnellwegs. Der Kreuzung will sich der Ehemann der Klägerin mit einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h genähert haben. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit in diesem Bereich beträgt 60 km/h.

Bei dem bei der Beklagten zu 2) versicherten Rettungsfahrzeug war unstreitig das Blaulicht eingeschaltet. Umstritten ist dagegen, wann zusätzlich auch das Martinshorn eingeschaltet wurde. Ebenso ist streitig, ob ein weiteres, den Frankenschnellweg auf der mittleren Spur befahrendes Fahrzeug vor der Unfallkreuzung aufgrund der Warnsignale des Rettungsfahrzeugs angehalten worden war.

Die Beklagte zu 2) zahlte vorprozessual auf den Unfallschaden der Klägerin 3.500 DM.

Das Landgericht hat eine Schadensquote von 80 % : 20 % zu Lasten der Beklagten festgelegt.

II.

Die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin sind zulässig.

1. Die Berufung des Beklagten zu 1) hat in vollem Umfang Erfolg, da er als Fahrer eines im Einsatz befindlichen Rettungsfahrzeugs nicht für den entstandenen Schaden haftet (§ 829 Abs. 1 BGB i.V.m. Artikel 34 GG), was das Landgericht nicht beachtet hat.

Wie sich aus der polizeilichen Unfallaufnahme ergibt, befand sich der Beklagte zu 1) im Rettungsdiensteinsatz. Der Bayerische Rettungsdienst ist, wie auch der anderer Bundesländer, öffentlich-rechtlich organisiert (vergleiche im einzelnen: OLG Nürnberg DAR 2001,512). Als Mitarbeiter des Roten Kreuzes ist der Beklagte zu 1) zwar kein Beamter. Da er jedoch im Streitfall als Hilfsperson für den hoheitlichen Aufgabenbereich einer Rettungsfahrt eingesetzt wurde, handelte er in Ausführung eines öffentlichen Amtes und genießt von daher das Haftungsprivileg des § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Artikel 34 GG (BGH NJW 91,2954; OLG Nürnberg a.a.O.). Dieses Haftungsprivileg gilt auch für die Haftung nach dem Straßenverkehrsrecht (BGH NJW 92, 2882, 2884).

2. Die Berufung der Beklagten zu 2) ist unbegründet.

a) Die generelle Haftung der Beklagten zu 2) ergibt sich aus §§ 7, 17 StVG, § 3 Nr. 1 PflVersG.

b) Zu Unrecht wendet sich die Berufung erneut gegen die vom Landgericht bejahte Aktivlegitimation der Klägerin.

Das Landgericht hat zu dieser Frage den Ehemann der Klägerin, die unstreitig die Halterin des Fahrzeugs war, vernommen und hieraus die Überzeugung gewonnen, daß das Fahrzeug im Eigentum der Klägerin stand. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hierzu ist nicht zu beanstanden. Insbesondere entspricht der vom Ehemann der Klägerin geäußerte Begriff "gehörte" dem Sprachgebrauch juristischer Laien für das Eigentum am Fahrzeug. Die von den Beklagten aufgestellten Vermutungen zur Eigentümerstellung irgendwelcher dritter Personen sind rein spekulativ und durch nichts belegt. Zweifel an der Richtigkeit der diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts begründen sie in keiner Weise (§ 529 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO n.F.).

c) Nicht zu beanstanden ist auch die vom Landgericht vorgenommene Haftungsverteilung von 80 % : 20 %. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die diesbezügliche Begründung des Landgerichts. Die hiergegen erhobenen Angriffe der Berufung und Anschlußberufung veranlassen lediglich folgende weitere Ausführungen.

aa) Da sich das Rettungsdienstfahrzeug im Einsatz befand, konnte es für sich Sonderrechte im Sinn von § 38 StVO in Anspruch nehmen. Auch ein Sonderrechtsfahrzeug bleibt jedoch grundsätzlich an die Verkehrsregeln gebunden, wobei die anderen Verkehrsteilnehmer allerdings dem Sonderrechtsfahrzeug freie Bahn zu schaffen haben. Grundsätzlich dürfen Sonderrechte nur unter größtmöglicher Sorgfalt wahrgenommen werden (BGHZ 63, 327, 329). Insbesondere bei der Weiterfahrt bei "rot" muß sich der Sonderrechte in Anspruch nehmende Fahrzeugführer vergewissern, daß sämtliche Verkehrsteilnehmer ihn bemerkt haben und ihm Vorrang einräumen (BGH a.a.O.; KG VRS 100,329; OLG Hamm VersR 97, 1547 f.; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Auflage, § 35 StVO Rdnr. 8 m.w.N.). Selbst wenn andere Fahrzeuge bereits angehalten haben, darf er sich nicht darauf verlassen, daß auch die übrigen Verkehrsteilnehmer Blaulicht und Martinshorn überhaupt wahrgenommen haben bzw. hierauf entsprechend reagieren werden. Besteht insoweit keine Sicherheit, muß sich der Fahrzeugführer im Schritttempo bewegen und darf sich in die Kreuzung nur "hineintasten".

bb) Diesen Sorgfaltspflichten ist der Beklagte zu 1) in keiner Weise nachgekommen. Nach den überzeugenden Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen, an deren Richtigkeit auch die Beklagten nicht zweifeln, fuhr der Beklagte zu 1) mit 25 km/h in die Kreuzung ein. Erst 0,7 Sekunden bzw. 3,37 m vor der Anstoßstelle bremste er sein Rettungsfahrzeug scharf ab. Zum Zeitpunkt dieses Bremsvorgangs war das klägerische Fahrzeug bereits 1,72 Sekunden im Sichtbereich des Beklagten zu 1), der dann mit einer Geschwindigkeit von 10 km/h auf das bereits stehende klägerische Fahrzeug auffuhr.

Aus diesen Feststellungen ergibt sich, daß der Beklagte zu 1) entgegen seiner Behauptung sich keineswegs in die Kreuzung hineintastete, sondern die von ihm zu fordernde besondere Aufmerksamkeit in erheblichem Maße verletzte.

cc) Andererseits war der Unfall auch für den Ehemann der Klägerin nicht unvermeidbar. Dieser begann zwar, wie der Sachverständige ausgeführt hat, mit seinem Bremsvorgang bereits 31,33 m vor der Anstoßstelle, ohne das Rettungsfahrzeug bereits in seinem Sichtbereich zu haben. Er hätte jedoch noch früher auf die Warnsignale reagieren können. Das Martinshorn war für den Ehemann der Klägerin nämlich bei aufmerksamer Fahrweise 3 Sekunden vor dessen Reaktionspunkt wahrzunehmen. Hätte der Ehemann der Klägerin nach einer Reaktionszeit von 1 Sekunde bereits abgebremst, was ein besonders umsichtiger Fahrer angesichts der unklaren Verkehrssituation nach Ertönen des Martinshorns getan hätte, so hätte er das klägerische Fahrzeug vor der Fahrlinie des Beklagten zu 1) zum Stehen gebracht und der Unfall wäre dadurch vermieden worden.

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang behauptet, das Martinshorn sei erst unmittelbar vor dem Zusammenstoß zu hören gewesen, ist dies durch die Beweisaufnahme widerlegt. Der Sachverständige hat den Zeitpunkt des Einschaltens des Martinshorns der Auswertung der Diagrammscheibe des Krankenwagens durch die Firma M V entnommen. Die Unrichtigkeit dieser Auswertung vermochte die Klägerin nicht darzutun. Einer neuerlichen Auswertung bedurfte es deshalb nicht. Ebensowenig liegen hinreichende Anzeichen dafür vor, daß der Sachverständige die Hörbarkeit des Martinshorns für den Ehemann der Klägerin falsch ermittelt hat. Der Sachverständige hat die örtlichen Begebenheiten berücksichtigt; im übrigen kennt auch der Senat die Unfallstelle und weiß, daß die Bepflanzung auf den Seitenstreifen des Frankenschnellwegs keine nennenswerte Einschränkung der Ausbreitung von Schallwellen bewirkt. Schließlich hat die Klägerin selbst nicht behauptet, daß etwa durch Einschalten eines Autoradios oder durch sonstige Lärmquellen im Fahrzeug die Hörbarkeit der Signaltöne beeinträchtigt worden wäre. Letztlich spricht der vom Ehemann der Klägerin eingeleitete Bremsvorgang gerade dafür, daß der Ehemann der Klägerin das Martinshorn schon früher wahrgenommen hat; denn zum Zeitpunkt des Abbremsens des klägerischen Fahrzeugs war das Rettungsfahrzeug für den Ehemann der Klägerin gerade nicht sichtbar.

Unter Abwägung sämtlicher Umstände, insbesondere des unvorsichtigen Einfahrens des Beklagten zu 1) in die besonders gefährliche und schlecht einsehbare Kreuzung bei Rotlicht und auf nasser Fahrbahn, hält der Senat in Übereinstimmung mit dem Erstgericht eine Schadensquote von 80 : 20 zu Lasten der Beklagten zu 2) für angemessen. Hierbei kann dahinstehen, ob neben dem klägerischen Fahrzeug ein anderes Fahrzeug noch vor der Kreuzung angehalten hat.

d) Zu Recht hat das Landgericht sämtliche von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen seinem Urteil zugrunde gelegt.

aa) Soweit sich die Beklagten gegen die Abrechnung des Sachschadens auf Gutachtensbasis wenden, sind ihre diesbezüglichen Rügen unbegründet. Nach ständiger Rechtsprechung kann der Geschädigte zur Bestimmung der Höhe des Unfallschadens einen anerkannten Kfz-Sachverständigen beiziehen und auf der Basis dieses Gutachtens abrechnen. (BGH NJW 89,3009; OLG Hamm NJW RR 99,253; Hentschel, a.a.O., § 12 StVG Rdnr. 6 m.w.N.). Diese Gutachten sind regelmäßig für die dem Tatrichter obliegende Schadensschätzung (§ 287 ZPO) verwendbar, soweit nicht Anhaltspunkte für Mängel des Gutachtens vorliegen (BGH a.a.O.).

Solche Anhaltspunkte hat die in der Schadensabwicklung erfahrene Beklagte zu 2) nicht hinreichend dargetan. Soweit diese rügt, der Sachverständige hätte nicht die Laufleistung des beschädigten Fahrzeugs anhand des Tachostandes bestimmen dürfen, sondern eigene Feststellungen zur "wahren Laufleistung" treffen müssen, hat sie selbst keinerlei Anhaltspunkte dafür benannt, daß die diesbezüglichen Tachoangaben unrichtig sein könnten. Der Sachverständige hatte bei einem damals 4 1/2-jährigen VW-Passat-Variant in gepflegtem Zustand und einem Tachostand von 152.876 km nicht den geringsten Anlaß, zusätzliche Untersuchungen zur "wahren Laufleistung" des Fahrzeugs anzustellen. Die Beklagte zu 2) verhält sich im übrigen widersprüchlich, wenn sie einerseits angeblich überhöhte Sachverständigenkosten moniert, andererseits aber von Sachverständigen ohne jeglichen Anlaß aufwendige und damit kostenträchtige Untersuchungen zur Laufleistung verlangt.

Ebensowenig ist es zu beanstanden, daß der Sachverständige keine Feststellungen zur Anzahl der Vorbesitzer getroffen hat. Diese könnten allenfalls für die Frage des Wiederbeschaffungswertes von Bedeutung sein. Da der Sachverständige aber den Wiederbeschaffungswert inklusive Mehrwertsteuer auf 16.500,00 DM, die Reparaturkosten dagegen auf brutto 11.743,99 DM geschätzt hat und die Beklagte zu 2) auch nicht dargetan hat, daß der Wiederbeschaffungswert bei einer höheren Anzahl von Vorbesitzern unter 11.000 DM betragen hätte, sind keine Anzeichen dafür vorhanden, daß sich die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten nicht mehr im Rahmen des sogenannten Integritätsinteresses des Geschädigten gehalten hätten.

Substantiierte Einwendungen zur Feststellung des Reparaturaufwands durch den von der Klägerin beauftragten Sachverständigen, der die jeweiligen Schadenspositionen genau aufgeschlüsselt hat, hat die Beklagten nicht erhoben. Von daher konnte sich das Landgericht zur Schadensschätzung auf das Gutachten dieses Sachverständigen stützen und mußte kein zusätzliches Gerichtsgutachten einholen.

bb) Die Klägerin kann auf Gutachtensbasis abrechnen und muß sich nicht auf die ihr tatsächlich entstandenen Reparaturkosten verweisen lassen. Durch die glaubhafte Aussage des Ehemanns der Klägerin ist erwiesen, daß das Fahrzeug tatsächlich repariert wurde und daß dies in Eigenregie geschah. Da es dem Schädiger nach geltendem Recht nicht zu Gute kommen kann, wenn der Geschädigte das Fahrzeug überhaupt nicht oder in Eigenregie repariert, darf der Geschädigte in Höhe der fiktiven Werkstattkosten abrechnen (BGHZ 61,56; BGH NJW 89, 3009; Palandt/Heinrichs, 6l. Auflage, § 249 BGB Rdnr. 8; Hentschel a.a.O. Rdnr. 23; Greger, Haftpflichtrecht des Straßenverkehrs, 3. Auflage Anh. I Rdnr. 57 ff.). Zum Nachweis der erforderlichen Reparaturkosten genügt i.d.R. die Vorlage eines Sachverständigengutachtens (s.o.).

cc) Soweit das Landgericht eine Nutzungsausfallentschädigung von sechs Tagen zuerkannt hat, ist dies ebensowenig zu beanstanden. Der Ehemann der Klägerin hat als Zeuge bestätigt, daß das Fahrzeug tatsächlich repariert wurde und die Reparatur mindestens acht Tage dauerte. Aufgrund der vorgelegten Lichtbilder erscheint eine solche Reparaturdauer durchaus plausibel. Auch der Sachverständige hat die notwendige Reparaturdauer auf bis zu sechs Tagen geschätzt. Die Beklagten haben nicht dargetan, daß die Klägerin in dieser Zeit keine Nutzungsmöglichkeit oder keinen Nutzungswillen gehabt hätte.

dd) Die Klägerin hat auch Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen Gutachterkosten. Gutachterkosten gehören, wenn sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind, zum Herstellungsaufwand (BGH NJW 74, 34, 35; OLG Hamm NZV 94,393; OLG Stuttgart NJW RR 96,255), Da es sich im vorliegenden Fall bei geschätzten Reparaturkosten von über 11.000 DM nicht um einen Bagatellschaden handelte, konnte die Klägerin, ohne gegen ihre Schadensminderungspflicht zu verstoßen, ein solches Gutachten erholen.

Die Klägerin kann den vollen Ersatz der ihr entstandenen Sachverständigenkosten ersetzt verlangen, die sie durch Vorlage der Sachverständigenrechnung bewiesen hat. Dabei bedarf es keiner Beweisaufnahme zu der Frage, ob die in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten überhöht waren, wie die Beklagte behauptet.

Hinsichtlich der Streitpunkte, ob der Geschädigte nur Anspruch auf Ersatz von angemessenen "Honoraren" von Sachverständigen hat, wie der Sachverständige mangels spezieller Tarife gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen seine Leistungen bewerten darf und ob der Geschädigte von dem Sachverständigen zumindest eine detaillierte Rechnung verlangen muß bzw. der Schädiger das Fehlen einer solchen Rechnung - zum Beispiel nach Zeitaufwand und Stundensatz - dem Geschädigten entgegenhalten kann, gibt es mittlerweile eine Vielzahl von amtsgerichtlichen Entscheidungen (vgl. nur die zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kommenden Entscheidungen der Amtsgerichte Herne-Wanne, Essen und Dortmund, alle abgedruckt in NZV 99, 254 ff.).

Bei der Ersatzpflicht für Gutachterkosten ist generell auf das anerkennenswerte Rechtsverfolgungsinteresse des Geschädigten abzustellen. Dieser darf sich, wie ausgeführt, zur Feststellung seines Schadens eines Sachverständigen bedienen. Dabei ist er regelmäßig nicht verpflichtet, sich nach dem "günstigsten" Sachverständigen zu erkundigen. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte kann der Geschädigte vielmehr davon ausgehen, daß sich der Sachverständige, der nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten i.S.v. §§ 254 Abs. 1 S. 1, 278 BGB ist (OLG Hamm DAR 97,275 f.), im Rahmen des ihm eingeräumten billigen Ermessens bei der Bemessung seiner Sachverständigenvergütung hält. Es ist dem Geschädigten auch nicht zuzumuten, ohne konkreten Anlaß auf einer genauen Aufschlüsselung der vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Kosten zu bestehen oder es gar auf einen Rechtsstreit mit dem Sachverständigen hinsichtlich der Angemessenheit dieser Kosten ankommen zu lassen. Insbesondere kann der Laie nicht ohne weiteres abschätzen, welchen Zeit- und Materialaufwand der von ihm eingeschaltete Kfz-Sachverständige tatsächlich hat. Hat demgemäß der Geschädigte keine Hinweise darauf, daß die für das Gutachten in Rechnung gestellten "Gebühren" völlig aus dem üblichen Rahmen fallen bzw. in keinerlei vernünftigem Verhältnis zur erbrachten Leistung stehen, so kann er diese Kosten vom Schädiger ersetzt verlangen. Der Senat, folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen von Grunsky (NZV 2000,4 ff.), der zu Recht auch darauf hinweist, daß die Rechtsprechung auch beim Ersatz von überhöhten Mietwagen- bzw. Reparaturkosten dem Geschädigten in der Regel keinen Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht zur Last legt, wenn er von der Angemessenheit dieser Kosten ausgegangen ist und diese Kosten deshalb bezahlt hat.

Im Streitfall hat der Sachverständige für die Erstellung seines Gutachtens pauschal 670 DM verlangt. Die zusätzlichen Kosten für Fahrt, Fotos, Schreibauslagen usw. sind detailliert aufgeführt und von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen worden. Der Gesamtbetrag von netto 838 DM für das ausführliche und bebilderte Gutachten hält sich, wie der Senat aus eigener Kenntnis weiß, durchaus im Rahmen des Marktüblichen. Hinweise dafür, daß es sich insoweit um eine Scheinrechnung handelte oder die Klägerin diese aus September 2000 stammende Rechnung noch nicht bezahlt hätte, liegen nicht vor. Von daher sind diese Kosten der Klägerin zu erstatten, wobei die Beklagten allerdings die Abtretung etwaiger Rückforderungsanprüche der Klägerin gegen den Sachverständigen wegen überhöht in Rechnung gestellter Leistungsentgelte gemäß § 255 BGB verlangen könnte (Grunsky a.a.O.). Ein solches Verlangen haben die Beklagten aber nicht gestellt. Der Senat ist jedenfalls der Ansicht, daß die dem Geschädigten obliegende Schadensminderungspflicht nicht so hoch geschraubt werden kann, daß der Streit der Haftpflichtversicherungen mit einem nicht unerheblichen Teil der Kfz-Sachverständigen auf dem Rücken der Geschädigten ausgetragen wird.

3. Soweit die Klägerin in ihrer Anschlußberufung auch den Ersatz der auf die fiktiven Reparaturkosten entfallenden Mehrwertsteuer verlangt, hat ihr Rechtsmittel Erfolg.

Offensichtlich ging auch das Landgericht davon aus, daß nach geltender Rechtslage ein Geschädigter die fiktiven Reparaturkosten einschließlich der auf sie entfallenden Mehrwertsteuer verlangen kann (BGHZ 61,56; BGH NJW 89, 3009). Zu Unrecht hat das Landgericht aber den Anspruch auf Ersatz der Mehrwertsteuer mit der Begründung verneint, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, daß sie nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Insoweit verkennt das Landgericht die Beweislastverteilung.

Eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug ist im Rahmen des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigen. Grundsätzlich trägt der Schädiger, der Vorteilsausgleichspositionen behauptet, die Beweislast hierfür (BGHZ 94, 195, 217; Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2. Auflage, § 249 Rdnr. 14 m.w.N.). Da der Schädiger aber in der Regel die näheren wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten nicht kennt, muß es im Fall des Vorsteuerabzugs genügen, daß der Schädiger Anhaltspunkte für eine solche Berechtigung vorträgt, die der Geschädigte dann entkräften müßte (vergleiche auch HansOLG MDR 98, 1249).

Im vorliegenden Fall haben die Beklagten solche Anhaltspunkte nicht dargetan. Sie haben vielmehr geradezu ins Blaue hinein eine Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin behauptet, ohne wenigstens darzulegen, daß diese zum Beispiel einen Gewerbebetrieb führt. Auch sonst sind keine Hinweise vorhanden, die die Behauptung, der Klägerin, als Arbeitnehmerin beschäftigt zu sein, als zweifelhaft erscheinen ließen. Da die Beweislast bei den Beklagten liegt, aber nur die Klägerin für ihre Behauptung, reine Arbeitnehmerin zu sein, Beweis angetreten hat, bedurfte es hierzu keiner weiteren Beweisaufnahme.

4. Nach alldem ist das Endurteil des Landgerichts auf die Berufung der Klägerin insoweit abzuändern und die Mehrwertsteuer den Reparaturkosten hinzuzurechnen.

Der der Klägerin noch zu ersetzende Schaden errechnet sich demnach wie folgt:

Anwaltskosten 698,51 DM Reparaturkosten einschließlich Mehrwertsteuer 11.703,62 DM 6 Tage Nutzungsausfall 582,00 DM Sachverständigenkosten 972,08 DM 13.947,21 DM hiervon 80 % 11.157,77 DM ./. vorgerichtlich bezahlt 3.500,00 DM 7.657,77 DM

Umgerechnet 3.915,35 Euro

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1, 100 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, insbesondere der Senat nicht von einer höchstrichterlichen oder obergerichtlichen Entscheidung abweicht (§ 543 Abs. 2 ZPO n.F.).

Ende der Entscheidung

Zurück