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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 23.04.2001
Aktenzeichen: 4 W 1394/01
Rechtsgebiete: BRAGO
Vorschriften:
BRAGO § 6 |
1) Auch nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zur Rechts- und Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft steht dem Rechtsanwalt für die Vertretung mehrerer persönlich verklagter Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft ein Mehrvertretungs-Zuschlag nach § 6 BRAGO zu, gleich, ob die Gesellschafter allein oder ob sie neben der Gesellschaft verklagt sind.
Dies gilt entsprechend, wenn die Gesellschafter am Verfahren zwar nicht als Partei beteiligt sind, wohl aber als Streithelfer mit dem Ziel, durch Unterstützung der Hauptpartei einen, ihnen (auch) persönlich drohenden Regress abzuwenden.
4 W 1394/01 1 O 1908/97 LG Regensburg
Nürnberg, den 23.4.2001
In Sachen
wegen Forderung,
erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 4. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden
Beschluss:
Tenor:
I. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Regensburg vom 21. März 2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte tränt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 609,60 DM.
Gründe:
I.
Das Rechtsmittel ist zulässig.
1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft; eines Erinnerungsverfahrens bedurfte es nicht (§ 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO; § 11 Abs. 1 RPflG; vgl. OLG Nürnberg, JurBüro 1999, 537 m.w.N.).
2. Für die sofortige Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzunssbeschluss besteht nach zutreffender Rechtsansicht kein Anwaltszwang (§ 569 Abs. 2 Satz 2 § 78 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 13 RPflG; vgl. Senat, Az. 4 W 1394/01; OLG Nürnberg - 3. Zivilsenat -, OLG-Report 2000, 72; Thomas-Putzo. ZPO, 22. Auflage. § 104 Rn 44 iVm § 569 Rn 10; aM OLG Nürnberg - 6. Zivilsenat -, MDR 1999, 894). Das Rechtsmittel konnte daher - wie geschehen - auch von einem nicht beim Oberlandesgericht Nürnberg zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden.
II.
Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat die von der Beklagten beanstandete Erhöhungsgebühr für die Prozessbevollmächtigten der Streithelfer zu Recht angesetzt (§ 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO).
1. Mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen einem Rechtsanwalt, der mehrere als BGB-Gesellschafter in Anspruch genommene Einzel-Gesellschafter vertritt, eine Erhöhungsgebühr nach § 6 BRAGO zusteht, hat sich der Senat bereits in seinem Beschluss vom 23. Januar 2001 eingehend befasst (Az 4 W 4159/00). Er ist dabei zusammengefasst in zwei Leitsätzen - zu folgendem - Ergebnis gekommen:
- Für die Vertretung mehrerer Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft steht dem Rechtsanwalt jedenfalls im Passiv Prozess ein Mehrvertretungs-Zuschlag nach § 6 BRAGO zu.
- Dies gilt entsprechend, wenn die Gesellschafter am Verfahren zwar nicht als Partei beteiligt sind, wohl aber als Streithelfer mit dem Ziel, durch Unterstützung der Hauptpartei den ihnen in einem nachfolgenden Passiv-Prozess drohenden Regress abzuwenden.
Zur Begründung hat der Senat damals ausgeführt:
"Im Falle eines Regressprozesses der Beklagten gegen die Ingenieur-Gesellschaft hätten deren einzelnen Mitglieder für eine eventuelle Vertragsverletzung mangels gegenteiliger Vereinbarungen nicht mir mit dem Gesellschaftsvermögen gehaftet, sondern darüber hinaus persönlich mit ihrem gesamten übrigen Privatvermögen, und zwar als Gesamtschuldner (§ 421 BGB; Palandt-Sprau. BGB. 60. Aufl., § 718 Rn 8, 7; m.w.N).
Jedenfalls soweit sie als Gesamtschuldner in Anspruch genommen worden wären - davon ist im Zweifel auszugehen -, hätte jeder haftende Gesellschafter die in seiner Person bestehenden Einwendungen gegen die Schadensersatzforderung gesondert geltend machen können (§ 425 BGB). Je nach Sachlage hätte dies zur Folge haben können, dass die Klage gegen die einzelnen Mitglieder der Gesellschaft nicht mit einem einheitlichen Ergebnis endete, sondern unterschiedlich ausfiel.
Die tragenden Erwägungen, mit denen ... (angeführt sind einige andere Senate des OLG Nürnberg ...) für die dort behandelten Aktivprozesse der Gesamthand zum gegenteiligen Ergebnis gekommen sind, treffen somit auf die konkrete Fallgestaltung gerade nicht zu. Denn hier geht es nicht nur um gesamthänderisch gebundenes Vermögen einer als Einheit, nämlich als teilrechtsfähiges Gebilde verstandenen Gesamthands-BGB-Gesellschaft, sondern zugleich um das Privatvermögen der ... einzelnen Gesellschafter selbst.
Vor diesem haftungsrechtlichen Hintergrund ist es nach Sinn und Zweck des § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO gerechtfertigt und geboten, dem mit der Abwehr einer Gesamtschuld-Haftung beauftragten Rechtsanwalt einen Mehrvertretungs-Zuschlag zuzubilligen. Dies ist nicht zuletzt dadurch gerechtfertigt, dass sich durch die Vertretung einer Mehrzahl von Personen nicht nur die Arbeitsbelastung des Rechtsanwalts erhöhen kann, sondern auch sein Haftungsrisiko (jedenfalls bei der § 6 BRAGO zu Grunde liegenden typisierenden Betrachtungsweise).
Im konkreten Fall sind die Streithelfer zwar noch keiner unmittelbaren Klage in einem Passivprozess ausgesetzt. Ihnen droht jedoch eine Rückgriffs-Haftung als Gesamtschuldner und - falls es zum Rechtsstreit kommt - ein Passivprozess, sofern die von ihnen unterstützte Beklagte den anhängige Prozess verliert. Einem solchen Passivprozess soll die Nebenintervention der Gesellschafter gerade vorbeugen; im Ergebnis läuft ihre Streithilfe zu Gunsten der Beklagten auf eine Art "Vorwärts-Verteidigung" hinaus. Aus Sicht des Rechtsanwalts der BGB-Gesellschafter ist somit die Lage mit der Vertretung der Gesellschafter in einem Passivprozess durchaus vergleichbar und rechtfertigt eine Gleichbehandlung."
2. An der Richtigkeit der damaligen Überlegungen hat sich durch das wenige Tage später ergangene Grundsatz-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Januar 2001 zur Rechts- und Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft (NJW 2001, 1056 ff. = MDR 2001, 459 ff) nichts geändert. Eher im Gegenteil: Gerade die prozessuale Annäherung der BGB-Gesellschaft an die OHG macht es auch künftig "praktisch immer ratsam, neben der Gesellschaft auch die Gesellschafter persönlich zu verklagen (vgl. BGH aaO. unter A 4, letzter Absatz; vgl. hierzu Karsten Schmidt, NJW 2001, 993/1000). Dadurch öffnet der Gläubiger den Weg, bei der Vollstreckung nicht nur auf das Gesellschafts-Vermögen zuzugreifen, sondern auch auf das Privatvermögen der Gesellschafter (mit der weiteren Möglichkeit, unter den Voraussetzungen des § 736 ZPO zusätzlich in das Gesellschafts-Vermögen zu vollstrecken, vgl. BGH aaO. unter A II 3, 4). Ähnlich wie bei der OHG haften hierbei die Gesellschafter untereinander als Gesamtschuldner, die Gesellschaft - wenn sie denn mitverklagt ist - haftet neben den Gesellschaftern "wie eine Gesamtschuldnerin" (BGH aaO. unter B).
Die Sachlage unterscheidet sich damit wesentlich von der Fallgestaltung, die dem kürzlich veröffentlichten Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 26. Februar 2001 (NJW 2001, 1072) zu Grunde lag und für die das OLG Karlsruhe eine Erhöhungsgebühr abgelehnt hatte. Zum einen handelte es sich dort um einen Aktivprozess, zum anderen hatte die Klägerin ihre Klage ausdrücklich als BGB-Gesellschaft erhoben.
3. Vorliegend wurden die beiden Gesellschafter zwar nicht als Partei verklagt. Jedoch wollten sie durch ihre Nebenintervention auf Seiten des Klägers vermeiden, im Falle eines für den Kläger ungünstigen Prozessausgangs selbst mit in Anspruch genommen zu werden. Damit stellt sich für den von den beiden Streithelfern beauftragten Rechtsanwalt die Sachlage ähnlich dar wie bei der Beauftragung durch mehrere Parteien: Durch die Vertretung mehrerer Personen, die im Falle eines Misserfolgs am Ende möglicherweise mit ihrem Privatvermögen haften, wächst gewöhnlich nicht nur seine Arbeitsbelastung, sondern auch sein Haftungsrisiko (vgl. oben 1 a.E.).
Hinzu kommt, dass die Klägerin ihren späteren Streithelfern den Streit nicht ausdrücklich als "BGB-Gesellschaft", d.h. (nur) in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit verkündet hatte, sondern unbeschränkt. Die Streithelfer selbst traten denn auch dem Rechtsstreit weder ausdrücklich nur als Gesamthänder bei noch gebrauchten sie die möglicherweise (wenn auch keineswegs zwingend) auf eine Gesamthand hindeutende Bezeichnung "Gesellschaft". Vielmehr verwendeten sie die neutrale, für die rechtliche Einordnung wenig aussagekräftige Bezeichnung "Architektengemeinschaft", bestehend aus den beiden namentlich angeführten Architekten. Für eine Auslegung, wonach sowohl die Streitverkündung als auch der Streitbeitritt nur dem gesamthänderisch gebundenen Gesellschaftsvermögen gegolten hätten, ist nichts ersichtlich; aus den oben dargelegten Erwägungen würde sie den Interessen der Beteiligten auch nicht gerecht. Folgerichtig haben die Streithelfer im Prozessvergleich vom 23. August 2000 ihren Anteil an den Sanierungskosten (Nr. III) und an den Kosten des Rechtsstreits (Nr. IV) nicht etwa als Gesamthand übernommen, sondern ausdrücklich "als Gesamtschuldner", also unbeschränkt und unter Haftung mit ihrem Privatvermögen.
Nach allem erfolgte der Ansatz einer Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO zu Recht.
III.
1) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2) Den Wert des Beschwerdegegenstandes hat der Senat auf 60 % der angesetzten Erhöhungsgebühr veranschlagt; das entspricht dem Kostenanteil, den die Beklagte in Nr. IV des Prozessvergleichs übernommen hatte.
Ende der Entscheidung
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