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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 13.06.2003
Aktenzeichen: 6 W 1531/03
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 148 | |
ZPO § 150 | |
ZPO § 252 | |
ZPO § 74 |
2. Die Aufnahme kann nicht mit der Begründung versagt werden, dem Kläger sei im Parallelverfahren, das der Beklagte betreibe, der Streit verkündet worden, die Interventionswirkung gebiete die Aussetzung.
6 W 1531/03
In Sachen
erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 6. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden
Beschluß:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des Landgerichts Regensburg vom 15. April 2003 aufgehoben.
Das Verfahren ist fortzusetzen.
Gründe:
I.
Die Beklagte war Generalunternehmerin für die Errichtung eines Bauwerks auf einem Grundstück in der W S in M Subunternehmerin für Heizungs- und Sänitärarbeiten an diesem Bauwerk war die Klägerin. Diese macht mit der Klage einen restlichen Werklohnanspruch von 70.823,85 DM geltend, die die Beklagte unter Hinweis auf Mängel einbehalten hat. Die Beklagte wiederum ist Klägerin eines ebenfalls beim Landgericht R anhängigen Rechtsstreits gegen den Auftraggeber mit einer Restforderung von 1,378 Millionen DM, der sich der Auftraggeber unter Hinweis auf eine Vielzahl von Mängel, unter anderem auch am Gewerk der Klägerin widersetzt (Az. 1 O 1739/99). In diesem Verfahren hat die Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits der Klägerin am 31. Januar 2000 den Streit verkündet, nachdem ihr die vorliegende Klage vom 22. Dezember 1999 zugestellt worden war.
Das Landgericht Regensburg hat mit Beschluß vom 29. Februar 2000 auf Antrag der Beklagten das Verfahren bis zum Abschluß des Verfahrens 1 O 1739/99 gemäß § 148 ZPO ausgesetzt. Zur Begründung hat es angeführt, das Verfahren zwischen Auftraggeber und der Beklagten sei vorgreiflich. Der vorliegende Prozeß könne nicht vor rechtskräftigem Abschluß dieses Verfahrens abgeschlossen werden, da sonst die Interventionswirkung der §§ 74 Abs. 1, 68 ZPO unterlaufen würde.
Diese Aussetzung nahm die Klägerin zunächst hin. In dem anderen Verfahren wurde ein Gutachten des Sachverständigen erholt, das sich auch mit den streitgegenständlichen Mängeln befaßte. Dazu nimmt der Sachverständige in seinem Gutachten auf Seite 180 bis 187 Stellung. Die Klägerin, die dem Gutachten entnimmt, mangelfrei gearbeitet zu haben, hat daraufhin am 26. April 2002 die Aufhebung der Aussetzung und Fortsetzung des Rechtsstreits beantragt. Diesen Antrag hat das Landgericht am 21. Mai 2002 abgelehnt. Die Interventionswirkung der Streitverkündung würde unterlaufen, wenn der vorliegende Rechtsstreit fortgesetzt werde. Zwar dürfe auch das Interesse der Klägerin an einem effektiven Rechtsschutz nicht vernachlässigt werden, unter Abwägung der beiderseitigen gegenseitigen Interessen sei das Gericht jedoch der Ansicht, daß es bei der Aussetzung des Verfahrens zum derzeitigen Zeitpunkt zu verbleiben habe.
Auch diesen Beschluß hat die Klägerin hingenommen, hat aber am 19. März 2003 erneut einen Antrag gestellt, das Verfahren nunmehr fortzusetzen, da der Ausgang des anderen Streitverfahrens ungewiß sei, es würden ständig neue Mängel geltend gemacht, die mit dem Gewerk der Klägerin nichts zu tun hätten, es sei damit zu rechnen, daß der Rechtsstreit noch Jahre dauere, während die sie betreffenden Mängelrügen zu ihren Gunsten nach dem vorliegenden Sachverständigengutachten geklärt seien.
Mit Beschluß vom 15. April 2003 hat das Landgericht auch diesen Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Klägerin sei zuzugeben, daß viel dafür spreche, daß der Auftraggeber in dem Paralellverfahren den Prozeß lediglich verschleppe, doch "droht eine Durchbrechung der Rechtskraft einer möglicherweise divergierenden Entscheidung im Paralellverfahren nach §§ 322 Abs. 1, 74 Abs. 1, 68 ZPO." Dieses Interesse der Beklagten an Rechtssicherheit müsse nach Ansicht des Gerichts im konkreten Fall zumindest derzeit Vorrang vor. dem Anspruch der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz haben.
Dagegen richtet sich die am 28. April 2003 eingegangene Beschwerde der Klägerin, der die Kammer nicht abgeholfen hat.
II.
1. Die Beschwerde der Klägerin ist als sofortige Beschwerde in entsprechender Anwendung von § 252 ZPO zulässig. Das Gesetz sieht zwar ausdrücklich nur ein Rechtsmittel bei Anordnung der Aussetzung oder Ablehnung der Aussetzung vor, während es sich hier um einen Antrag handelt, eine rechtswirksame Aussetzung aufzuheben. Ein solcher Aufhebungsantrag ist grundsätzlich zulässig, er entspricht dem Wesen des Parteienprozesses. Wird eine Aufhebung einer Aussetzung abgelehnt, so ist die Interessenlage für die Partei die gleiche, wie wenn eine Aussetzung gegen ihren Willen angeordnet wird. In entsprechender Anwendung des § 150 ZPO ist auch gegen eine solche ablehnende Entscheidung eine sofortige Beschwerde zuzulassen (vgl. auch Baumbach-Hartmann ZPO, 61. Auflage § 151 Rn 5).
Daß bereits vor Jahresfrist ein Aufhebungsantrag abgelehnt worden war und die Klägerin dies hingenommen hat, schneidet ihr nicht das Recht ab, unter Berufung auf den weiteren Zeitablauf, diesen Antrag erneut zu stellen.
2. Die sofortige Beschwerde ist begründet, da angesichts des gegebenen Einzelfalls die gebotene Ermessensausübung durch das Erstgericht zu einer Fortsetzung des Verfahrens hätte führen müssen.
Die Aussetzung eines Verfahrens gemäß § 148 ZPO ist eine Ermessensentscheidung des Prozeßgerichts und im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nur auf Verfahrens- und Ermessensfehler hin prüfbar (vgl. Zöller/Greger ZPO, 23. Auflage, § 252 Rn 3).
a) Im Rahmen der Ausübung dieses Ermessens durfte das Erstgericht nach der Streitverkündung durch die Beklagte das vorliegende Streitverfahren aussetzen. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des OLG München (NJW RR 98, 576) und des OLG Hamm (MDR 94, 618) an. Die Aussetzung wurde auch von der Klägerin zunächst hingenommen, da in dem Paralellverfahren über die Mängel Beweis erhoben worden war und so doppelte Gutachterkosten vermieden werden konnten.
Insoweit ist auch zunächst keine Zeitversäumnis zu Lasten der Klägerin eingetreten.
b) Da mittlerweile über diese Mängel längst ein Gutachten erstattet ist und der Paralellrechtsstreit über eine Vielzahl weiterer Mängel anderer Gewerke geführt wird und zudem vom Prozeßgericht die Vermutung der Prozeßverschleppung durch die dortige Beklagte geteilt wird, widerspricht ein weiteres Zuwarten den Interessen der Klägerin soweit, daß eine Fortführung der Aussetzung nicht mehr vertretbar erscheint.
Demgegenüber greift auch der vom Erstgericht in allen Entscheidungen als wesentlich angesehene Gesichtspunkt der Interventionswirkung (die mit der Rechtskraft nichts zu tun hat) gemäß § 74 Abs. 1, 68 ZPO nicht durch. Denn die Beklagte kann die Interventionswirkung unschwer in der Weise erreichen, daß sie dem Beklagten des Paralellverfahrens in diesem Verfahren den Streit verkündet, so daß für das Paralellverfahren, falls das vorliegende Verfahren früher entschieden werden sollte, die Wirkung des § 68 ZPO in umgekehrter Weise einträte.
c) In jedem Fall kann eine weitere Aussetzung der Klägerin deshalb nicht zugemutet werden, weil in dem Paralellrechtsstreit das Gewerk der Klägerin nur mit wenigen Prozent beteiligt ist und die Klägerin so gezwungen würde, mit ihrer im Vergleich zum dortigen Gesamtstreitwert verhältnismäßig geringen Forderung zuzuwarten, bis der gesamte Streit zwischen der Beklagten und ihrem Auftraggeber rechtskräftig (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO, 23. Auflage § 68 Rn 4) entschieden ist. Dies kann noch viele Jahre dauern.
3. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da es sich nicht um eine das Verfahren abschließende sondern nur um eine den Verfahrensgang betreffende Entscheidung handelt (vgl. OLG Köln OLG-R 98/90).
4. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 574 ZPO).
Ende der Entscheidung
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