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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 14.09.2000
Aktenzeichen: 8 U 1855/00
Rechtsgebiete: VVG, AKB
Vorschriften:
VVG § 152 | |
AKB § 10 Abs. 2 lit. c |
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL
8 U 1855/00 8 O 284/96 LG Nürnberg-Fürth
Verkündet am 14. September 2000
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In Sachen
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und im schriftlichen Verfahren aufgrund des Sach- und Streitstandes vom 18. August 2000
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth abgeändert.
II. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger im Rahmen des bestehenden Kfz.-Versicherungsvertrages alle Leistungen zu ersetzen, die dieser aufgrund seiner Verantwortlichkeit für das Schadensereignis vom 27.08.1994 an die dort beteiligten Unfallgegner zu bewirken hat und es zu unterlassen hat, Regreß zu nehmen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Beschwer der Beklagten wird auf DM 12.800,00 festgesetzt.
Beschluß:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.800,00 DM festgesetzt.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Im Berufungsverfahren ist kein Beweis erhoben worden.
Entscheidungsgründe:
1. Die Entscheidung im schriftlichen Verfahren ist gemäß § 128 Abs. 2 ZPO zulässig.
2. Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 511 ff. ZPO).
3. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
3.1. Die Feststellungsklage ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.
3.2. Der Kläger hat gemäß § 10 (1) AKB gegenüber der Beklagten Anspruch auf Deckungsschutz wegen der Ansprüche der durch den Verkehrsunfall vom 27.08.1994 geschädigten Dritten.
Der Anspruch ist nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Bruder des Klägers, der in Beziehung auf die mit der Beklagten bestehenden Haftpflichtversicherung unstreitig dessen Repräsentant war, den Unfall bei einer Amokfahrt möglicherweise vorsätzlich verursacht hat.
3.2.1 Zu Unrecht hat das Landgericht die Klageabweisung auf § 61 VVG gestützt und die Einstandspflicht der Beklagten schon deswegen als ausgeschlossen erachtet, weil der Bruder des Klägers jedenfalls grob fahrlässig den Unfall, den Versicherungsfall, herbeigeführt hat. Für die Haftpflichtversicherung, die dem geltend gemachten Anspruch zugrunde liegt, wird § 61 VVG durch § 152 VVG eingeschränkt (vgl. Prölss/Martin, 26. Aufl., § 152 VVG Rn. 1).
3.2.2 Nach dieser Vorschrift ist die Haftung des Versicherers ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Eintritt der Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist, widerrechtlich herbeigeführt hat. Vorliegend hat der Kläger als Halter des von seinem Bruder geführten Pkw den durch den Unfall geschädigten Dritten gemäß § 7 StVG wegen ihres Schadens, einzustehen.
Der Ausschluß des Versicherungsschutzes gemäß § 152 VVG gilt gegenüber dem Versicherungsnehmer, hier dem Kläger, nur, wenn er selbst vorsätzlich und rechtswidrig gehandelt hat. Das Verhalten des gemäß § 10 (2) c AKB mitversicherten Fahrers braucht er sich nicht anrechnen zu lassen (vgl. BGH VersR 71, 239, 241).
3.2.3 Zu keiner anderen Beurteilung führt der Umstand, daß hier der Unfallverursacher Repräsentant des Klägers war. Das bedeutet, daß er bezüglich der Erfüllung von Verpflichtungen und Obliegenheiten aus dem vom Kläger abgeschlossenen Versicherungsvertrag an dessen Stelle tritt (vgl. Prölss/Martin, a.a.O. § 6 VVG Rn. 58). Dabei sind bezüglich der Handlungen des Repräsentanten solche der Vertrags- und der Risikoverwaltung zu unterscheiden. In dem Bereich der Risikoverwaltung gehört das hier strittige Handeln des Bruders des Klägers, denn jene betrifft das Handeln hinsichtlich des Eintritts des Versicherungsfalls und bei der Schadensausweitung bzw. -begrenzung (vgl. Knappmann, VersR 97, 262). Wie die Überlassung der versicherten Sache an einen Repräsentanten nicht zur Ausweitung des Pflichtenkreises, welcher den Versicherungsnehmer trifft, führen kann, kann die Repräsentantenstellung eines Dritten auch nicht zur Einschränkung des dem Versicherungsnehmer zugesagten Versicherungsschutzes führen. Der Fahrer des Kraftfahrzeugs gehört in der Kfz-Haftpflichtversicherung nach § 10 (2) c AKB zum mitversicherten Personenkreis. "Das bedeutet, mittelbar, auch einen Schutz des Versicherungsnehmers. Die Kfz-Haftpflichtversicherung soll den Versicherungsnehmer auch vor den Gefahren schützen, die aus dem Gebrauch des Kraftfahrzeugs drohen, wenn es einem Dritten überlassen ist. Das ist bei dem Führen durch einen Repräsentanten nicht anders". Das Verhalten beim Fahren ist dem Versicherungsnehmer nicht zuzurechnen (Knappmann a.a.O. S. 263, OLG Hamm r+s 1995, 41; Prölss/Martin, a.a.O., § 6 Nr. 59). Daraus folgt, daß ein ohne wissen des Versicherungsnehmers von dem Fahrer seines Fahrzeugs vorsätzlich herbeigeführter Unfall den Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers unberührt läßt, auch wenn es sich bei dem Fahrer um seinen Repräsentanten handelt (vgl. OLG Köln, r+s 2000, 316; Stiefel/Hoffmann, 17. Aufl., RdNr. 50 zu § 6 VVG). Der Verlust des Versicherungsschutzes ist in diesem Fall auf den vorsätzlich und rechtswidrig handelnden Fahrer beschränkt.
Dementsprechend ist die Beklagte nicht berechtigt, dem Kläger den Versicherungsschutz zu versagen und wegen der dem geschädigten Dritten gemäß § 3 Nr. 1 (und Nr. 4) PflVG geleisteten Entschädigung von dem Versicherungsnehmer Ersatz zu verlangen. Vorliegend kann deshalb auf sich beruhen, ob der Bruder des Klägers den strittigen Verkehrsunfall vorsätzlich (mit bedingtem Vorsatz) verursacht hat oder ob etwa seine Verantwortlichkeit gemäß § 827 BGB ausgeschlossen war, wie der Kläger behauptet.
4. Kosten: § 91 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Festsetzung der Beschwer der Beklagten: § 546 Abs. 2 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 546 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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