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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 18.02.2009
Aktenzeichen: 9 WF 1417/08
Rechtsgebiete: GKG
Vorschriften:
GKG § 40 | |
GKG § 48 |
Im Laufe des Verfahrens eingetretene Veränderungen sind nur zu berücksichtigen, wenn sich diese bereits zum Zeitpunkt des Antragseingangs für die nächste Zeit sicher abgezeichnet haben.
9 WF 1417/08
Nürnberg, den 18.2.2009
In der Familiensache
wegen Ehescheidung,
hier: Streitwertbeschwerde,
erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg, 9. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch den unterzeichneten Einzelrichter folgenden
Beschluss:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts S H , Schwabach, wird der Streitwertbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Schwabach vom 16.09.2008 (3 F 306/07) bezüglich der Ehescheidung abgeändert.
Der Streitwert für die Ehescheidung wird auf 9.838,95 € festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Rechtsanwalts S H gegen den Beschluss vom 16.09.2008 zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Beim Familiengericht war das Scheidungsverfahren der Parteien anhängig mit den Folgesachen elterliche Sorge, Versorgungsausgleich, Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt und Güterrecht, wovon die Folgesache Unterhalt einen erheblichen Aktenumfang erreichte.
Das Scheidungsverfahren wurde mit der Antragsschrift der Antragstellervertreter vom 04.04.2007 eingeleitet, die am 05.04.2007 beim Familiengericht eingegangen ist. Zu diesem Zeitpunkt verfügte lediglich der Antragsteller über Einkommen. Die Antragsgegnerin nahm ab 01.11.2007 eine versicherungspflichtige Tätigkeit auf.
Die Partien waren Eigentümer einer Eigentumswohnung, die zum Zeitpunkt des Eingangs der Antragsschrift vermietet war.
Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 16.09.2008 den Streitwert für das Scheidungsverfahren festgesetzt. Hierbei setzte es für die Ehescheidung einen Wert von 7.489,68 € fest. Dabei ging es von einem monatlichen Nettoeinkommen des Antragstellers von 2.746,56 € aus, verminderte es um 250,00 € wegen des gemeinsamen minderjährigen Kindes auf 2.496,56 €. Den dreifachen Betrag, nämlich 7.489,68 €, setzte es als Streitwert für die Ehescheidung an.
Hiergegen richtet sich die im eigenen Namen eingelegte Beschwerde des Rechtsanwalts S H , Prozessbevollmächtigter der Antragsgegnerin.
Er trägt hierzu vor:
Bei der Bemessung des Streitwerts sei nicht auf den Zeitpunkt des Antragseingangs, sondern auf den der Beendigung des Scheidungsverfahrens abzustellen. § 48 GKG sei als Sondervorschrift anzusehen, die die Regelung des § 40 GKG verdränge. Es sei deshalb das Arbeitseinkommen der Antragsgegnerin von monatlich rund 1.800,00 € netto einzubeziehen, zumal die Arbeitsaufnahme durch die Antragsgegnerin zwischen den Parteien vereinbart worden sei. Außerdem seien die Mieteinnahmen mit 250,00 € monatlich einzubeziehen. Beim Antragsteller sei von einem monatlichen Nettoeinkommen von rund 3.800,00 € auszugehen. Zum laufenden Nettoeinkommen von rund 3.000,00 € komme noch die Privatnutzung des Geschäftsfahrzeugs und die anteilige Steuererstattung für 2007 in Höhe von 7.400,00 €. Der Streitwert für das Scheidungsverfahren betrage deshalb 16.050,00 €.
Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Beschwerde gemäß § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG wegen grundsätzlicher Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfrage zugelassen.
Es haben unter anderem vorgelegen Verdienstbescheinigungen des Antragstellers und dessen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007.
II.
Die gemäß § 66 Abs. 2 GKG zulässige Beschwerde ist nur teilweise begründet. Der Streitwert für das Scheidungsverfahren ist auf 9.838,95 € festzusetzen.
Die Bestimmung des Streitwerts für Ehesachen ist in § 48 GKG geregelt. Da eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit vorliegt, ist der Streitwert gemäß § 48 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien nach Ermessen zu bestimmen. Absatz 3 des § 48 GKG regelt, dass für die Einkommensverhältnisse das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute einzusetzen ist. Welches Nettoeinkommen einzusetzen ist, das zum Zeitpunkt der Antragstellung oder das zum Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung, regelt § 48 GKG nicht. Dies ist den allgemeinen Wertvorschriften, nämlich § 40 GKG zu entnehmen. Danach ist der Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend. Mit Antragstellung ist der Zeitpunkt der Anhängigkeit, also des Antragseingangs bei Gericht gemeint (Hartmann, Kostengesetze, 36. Auflage, Rn 3 zu § 40 GKG). Eine davon abweichende Regelung, wie der Beschwerdeführer meint, durch eine "lex speziales" liegt somit nicht vor.
Eine Modifizierung ist lediglich insoweit vorzunehmen, als sich eine Änderung der Einkommensverhältnisse für die nächste Zeit bereits zum Zeitpunkt des Antragseingangs sicher abzeichnet.
Dagegen lässt sich nicht einwenden, die bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten neben den Einkommens- und Vermögensverhältnissen zusätzlich zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls, nämlich Umfang und Bedeutung der Sache ließen sich erst bei Abschluss des Verfahrens beurteilen. Dies trifft zwar zu, führt aber nicht zwingend dazu, dass für die Beurteilung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien entgegen der Regelung des § 40 GKG ebenfalls auf den Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung abzustellen ist. Soweit der Umfang und die Bedeutung der Sache beim Streitwert zu berücksichtigen sind, kann in diesem Einzelfall bei Verfahrensende aus diesen Gründen eine Korrektur des Streitwerts erfolgen, der sich im Übrigen gemäß §§ 40, 48 Abs. 3 GKG nach dem in den letzten drei Monaten vor Antragstellung erzielten Einkommen richtet.
Dementsprechend wird in Rechtsprechung und Literatur nur vereinzelt die Meinung vertreten, es sei der Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung auch für die Beurteilung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse entscheidend (so Schneider-Herget, Streitwertkommentar, 12. Auflage, Rn 1262,1397, sowie die in Rn 1262 zitierte OLG-Rechtsprechung, die allerdings vor in Kraft treten des Kostenrechtsänderungsgesetzes von 1994 ergangen ist, z. B. OLG Koblenz, FamRZ 1993, 827; Schneider MDR 1991, 401). Ebenso vereinzelt geblieben sind Meinungen, die danach unterscheiden wollen, ob seit Antragseingang Verbesserungen oder Verschlechterungen der Einkommens- und Vermögensverhältnisse eingetreten sind. Zum Beispiel will OLG Zweibrücken bis zum Instanzende eingetretene Verbesserungen der Verhältnisse, nicht aber Verschlechterungen berücksichtigen (Beschluss vom 27.06.2001, FamRZ 2002, 225). Dagegen hat das Oberlandesgericht Bremen nur gravierende Verschlechterungen berücksichtigt (JurBüro 1984, 731).
Die absolut herrschende Meinung, der auch der Senat aus den genannten Gründen folgt, stellt für die Bemessung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien auf den Zeitpunkt des Antragseingangs ab und berücksichtigt - abgesehen von den oben dargestellten Einschränkungen - nachträgliche Änderungen nicht (Hartmann, a. a. O., Rn 37 zu § 48 GKG; Zöller-Herget, 27. Auflage, § 3 ZPO, Rn 16, Stichwort Ehesachen; FA-FamR/Keske, 6. Auflage, 17. Kapitel, Rn 20; OLG Koblenz, FamRZ 2003, 1681 für den Rechtszustand ab 24.06.1994; OLG Karlsruhe, JurBüro 2003,141; OLG Dresden, Beschluss vom 08.08.2002, FamRZ 2003, 1676).
Es kommt deshalb hier für die Streitwertfestsetzung aufgrund der Einkommensverhältnisse der Parteien auf die letzten drei Monate vor Antragseingang an (OLG Dresden, a. a. O.). Da der Scheidungsantrag am 04.04.2007 beim Familiengericht eingegangen ist, ist auf die Monate Januar bis März 2007 abzustellen.
Auf dieser Grundlage ist der Streitwert für die Ehescheidung wie folgt festzusetzen:
Im genannten Zeitraum hat die Antragsgegnerin kein berücksichtigungsfähiges Einkommen erzielt. Es ist deshalb für den Streitwert insoweit kein Einkommen anzusetzen. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass sie seit 01.11.2007 Einkommen aus einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis erzielt. Dieses Einkommen wäre nach den oben dargestellten Grundsätzen im Streitwert nur zu berücksichtigen, wenn es sich zum Zeitpunkt des Antragseingangs bereits für die nächste Zeit sicher abgezeichnet hätte. Dies ist aber nicht der Fall. Zwischen Antragseingang und Arbeitsaufnahme liegen rund 6 Monate. Es ist darüber hinaus nicht ersichtlich, dass die Arbeitsaufnahme zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits sicher gewesen ist. Allein die Absprache der Parteien, dass die Antragsgegnerin nach Vollendung des 3. Lebensjahres der gemeinsamen Tochter, also erst im Februar 2008, bzw. ab Eintritt des Kindes in den Kindergarten wieder ins Berufsleben eintreten sollte, begründet keine sichere Aussicht auf Einkommenserwerb.
Das auf Seiten des Antragstellers einzusetzende Einkommen ist aufgrund der vorliegenden Unterlagen zu berücksichtigen.
Anzusetzen ist das Nettoeinkommen nach Steuer. Steuererstattungen sind deshalb anteilig zu berücksichtigen (Keske, a. a. O.). Aus dem vorgelegten Steuerbescheid für 2007 ergibt sich eine Steuererstattung in Höhe von 6.976,32 €. Dies entspricht monatlich 581,36 €. Die erstattete Kirchensteuer ist nicht dargetan und kann deshalb nicht berücksichtigt werden.
Das monatliche Nettoeinkommen des Antragstellers im Zeitraum Januar bis März 2007 betrug ausweislich der vorliegenden Verdienstbescheinigungen 2.948,29 €. Zuzüglich anteilige Steuererstattung ergibt sich ein Betrag von 3.529,65 €. Hiervon sind im Hinblick auf die gemeinsame Tochter 250,00 € abzusetzen, sodass 3.279,65 € verbleiben. Der dreifache Wert (§ 48 Abs. 3 GKG) beträgt 9.838,95 €.
Weitere Änderungen sind nicht vorzunehmen.
Die Privatnutzung des Geschäftswagens ist bereits im Bruttogehalt des Antragstellers berücksichtigt.
Mieteinnahmen wären anzusetzen, wenn ein positiver Nettomietertrag erzielt worden wäre. Aus dem Steuerbescheid für 2007 ergeben sich jedoch nur Verluste aus Vermietung und Verpachtung. Soweit diese Verluste zu einer Steuererstattung führten, wurde dies beim Nettoeinkommen des Antragstellers berücksichtigt.
Eine Änderung ergibt sich auch nicht aus dem Umfang der Sache. Zwar hatte die Folgesache Unterhalt einen erheblichen Umfang. Für den für die Scheidung anzusetzenden Streitwert ist dies jedoch ohne Belang, da es lediglich auf den Umfang der Scheidungssache ankommt (OLG Dresden, Beschluss vom 02.09.2002, FamRZ 2003, 1677). Insoweit liegt kein überdurchschnittlicher Umfang vor. Ebenso wenig sind Gründe ersichtlich, die eine Streitwerterhöhung wegen der Bedeutung der Sache rechtfertigen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 66 Abs. 8 GKG).
Ende der Entscheidung
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