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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 23.01.2004
Aktenzeichen: 1 AGH 20/03
Rechtsgebiete: BRAO, InsO, VVG


Vorschriften:

BRAO § 14 Abs. 1 Nr. 9
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 9
BRAO § 16 Abs. 6 S. 2
BRAO § 51
BRAO § 51 Abs. 1 S. 1
InsO § 21 Abs. 1
InsO § 21 Abs. 2 Nr. 1
InsO § 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt.
InsO § 22 Abs. 1 S. 2
InsO § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
VVG § 158 c
VVG § 158 c Abs. 2
VVG § 158 c Abs. 2 S. 1
VVG § 158 c Abs. 2 S. 2
1. Die Rechtsanwaltskammer muss, bevor sie die Zulassung eines Anwalts zur Rechtsanwaltschaft wegen Nichtunterhaltens der Berufshaftpflichtversicherung (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO) widerruft, nicht die einmonatige Nachhaftungsfrist gemäß § 158 c Abs. 2 S. 2 VVG abwarten.

2. Der Widerrufsgrund des § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO ist erfüllt, wenn die Berufshaftpflichtversicherung des Anwalts nicht mehr besteht. Ob den vorläufigen Insolvenzverwalter, der für den Anwalt bestellt worden ist, ein Verschuldensvorwurf trifft, weil er eine Weiterzahlung der Haftpflichtversicherungsprämie abgelehnt hat, unterliegt hingegen nicht der Prüfungskompetenz der Rechtsanwaltskammer.

3. Der Widerrufsgrund des § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO ist nicht im Nachhinein zweifelsfrei wieder entfallen, wenn der Anwalt und das Versicherungsunternehmen darüber streiten, ob eine neue Berufshaftplichtversicherung wirksam begründet worden ist oder nicht.


Anwaltsgerichtshof des Landes Sachsen-Anhalt BESCHLUSS

1 AGH 20/03

verkündet lt. Protokoll am 23.01.2004

In dem anwaltsgerichtlichen Verfahren

...

hat der 1. Senat des Anwaltsgerichtshofs des Landes Sachsen-Anhalt in Naumburg unter Mitwirkung

des Rechtsanwalts Freitag als Vorsitzenden,

der Rechtsanwältin Sander und der Rechtsanwältin Siebert als anwaltliche Beisitzerinnen,

des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Engel und der Richterin am Oberlandesgericht Henze-von Staden als richterliche Beisitzer

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2003 beschlossen:

Tenor:

I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

II. Die Gerichtskosten trägt der Antragsteller; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

III. Der Geschäftswert für das Hauptsacheverfahren (Az.: 1 AGH 20/03) wird auf 45.000, - EUR, derjenige für das Eilverfahren (Az.: 1 AGH 21/03) wird auf 15.000, - EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, geboren am 07.06.1955 in A. , ist durch Verfügung des Ministerrats der DDR vom 04.09.1990 als Rechtsanwalt mit Sitz in Magdeburg zugelassen worden. Seit der Einführung der dem GVG entsprechenden Gerichtsstrukturen im Land Sachsen-Anhalt besteht die Zulassung des Antragstellers beim Landgericht und beim Amtsgericht Magdeburg fort. Er ist außerdem durch Verfügung vom 21.09.1995 als Rechtsanwalt beim Oberlandesgericht Naumburg zugelassen worden. Der Antragsteller unterhält seine Kanzlei unter der Anschrift St. straße 5 in ... Magdeburg.

Die Antragsgegnerin, die Rechtsanwaltskammer des Landes Sachsen-Anhalt, widerrief mit Bescheid vom 25.03.2003 die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls. Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung blieb beim Anwaltsgerichtshof ohne Erfolg (Az.: 1 AGH 7/03). Gegen dessen Beschluss vom 04.07.2003 legte der Antragsteller sofortige Beschwerde ein; das Beschwerdeverfahren ist beim Bundesgerichtshof gegenwärtig unter dem Az.: AnwZ(B) 64/03 anhängig.

In dem Insolvenzantragsverfahren des Finanzamts Magdeburg gegen den Antragsteller (Az.: 351 IN 297/03) bestellte das Amtsgericht Magdeburg am 01.10.2003 den Dipl.-Betriebswirt H. R. gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 InsO zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Außerdem ordnete das Insolvenzgericht in seinem Beschluss unter anderem an, dass "Verfügungen des Antragsgegners (Anm.: Rechtsanwalt W. ) gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. InsO nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind" (Nr. 2) und dass "dem Antragsgegner . . . jegliche Verfügung über Bankkonten und damit zusammenhängende Kreditsicherheiten, Verträge und Rechtsgeschäfte untersagt und die Verfügungsbefugnis insoweit ausschließlich dem vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen (wird)" (Nr. 5.). Inzwischen, mit Beschluss vom 14.11.2003, ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers eröffnet worden.

Mit Bescheid vom 03.11.2003 hat die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft erneut widerrufen, weil der Antragsteller nicht mehr die vorgeschriebene Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung unterhalte und daher ein zwingender Grund für einen Widerruf der Zulassung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO vorliege. Das ergebe sich aus einer Mitteilung der A. Versicherungs-AG vom 16.10.2003, nach der an diesem Tage - d.h. am 16.10.2003 - die Haftpflichtversicherung geendet habe. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung ihrer Widerrufsverfügung gemäß § 16 Abs. 6 S. 2 BRAO angeordnet. Der Bescheid ist dem Antragsteller am 04.11.2003 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 04.11.2003, eingegangen beim Anwaltsgerichtshof am selben Tage, hat der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und zugleich die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung erstrebt; letztgenannter Antrag ist Gegenstand eines gesonderten Verfahrens (Az.: 1 AGH 21/03).

Der Antragsteller beruft sich darauf, dass für einen Monat, beginnend mit der Mitteilung der A. Versicherungs-AG vom 16.10.2003, der Versicherungsschutz der Mandanten noch im Rahmen der Nachhaftung des § 158 c Abs. 2 S. 2 VVG gewährleistet gewesen sei. Unter dem Datum des 05.11.2003 habe die G. Konzern Allgemeine Versicherungs-AG ihm dann die Ausfertigung eines neuen Versicherungsvertrages mitgeteilt und unter dem Datum des 07.11.2003 das Bestehen des vorgeschriebenen Versicherungsschutzes gemäß § 51 BRAO, rückwirkend ab dem 16.10.2003, bestätigt. Zwar habe die Versicherung, nachdem die Bestätigung am 07.11.2003 um 09.05 Uhr bei ihm eingegangen sei, in einem weiteren am 07.11.2003 um 15.08 Uhr übermittelten Schreiben ihre vorangegangenen Erklärungen als gegenstandslos bezeichnet und den Antrag auf Abschluss einer Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung zurückgewiesen. Der Versicherungsvertrag sei zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits abgeschlossen gewesen.

Außerdem - so der Antragsteller weiter - entbehre die Begründung der Versicherung, ihr sei der Beschluss des Insolvenzgerichts vom 01.10.2003 nicht bekannt gewesen, der vorläufige Insolvenzverwalter habe aber seine Zustimmung zu dem Abschluss des Versicherungsvertrages verweigert, der Berechtigung. Denn auf den Geschäftskonten der Anwaltskanzlei hätten sich genügend finanzielle Mittel befunden, um es dem vorläufigen Insolvenzverwalter zu ermöglichen, die Prämien für die Fortführung des Haftpflichtversicherungsschutzes zu entrichten. Die Nichtzahlung der Versicherungsprämie sei faktisch einer Einstellung des Kanzleibetriebes gleichgekommen, für die es gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 InsO der Zustimmung des Insolvenzgerichts bedurft hätte; eine solche Zustimmung sei aber weder eingeholt noch erteilt worden.

Der Antragsteller stellt

Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin weist darauf hin, dass ihr im Zeitpunkt des Widerrufsbescheides vom 03.11.2003 kein Nachweis über den Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages durch den Antragsteller vorgelegen habe. Der Tatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO sei damit erfüllt gewesen. Hieran vermöge auch die einmonatige Nachversicherung gemäß § 158 c Abs. 2 S. 2 VVG nichts zu ändern; denn die Nachfrist gelte nur im Verhältnis zu Dritten und auch nur für einen begrenzten Zeitraum. Auch gegenwärtig unterhalte der Antragsteller nicht die in § 51 BRAO vorgeschriebene Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung, die Versicherungsbestätigung vom 07.11.2003 sei von der G. -Versicherung noch am selben Tage wieder zurückgenommen worden.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Verfahrensbeteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Zu Recht hat die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO - erneut - widerrufen, weil er nicht die vorgeschriebene Berufshaftpflichtversicherung (§ 51 BRAO) unterhalten hat. An dieser Rechtslage hat sich auch in der seither verstrichenen Zeit, bis zur jetzigen Entscheidung des Senats, nichts geändert.

1. Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Anwaltszulassung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO lagen zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides am 03.11.2003 vor.

a) Mit Schreiben vom 16.10.2003 hat die A. Versicherungs-AG der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, die der Antragsteller bisher bei ihr unterhalten hatte, am 16.10.2003 endete. Die Richtigkeit dieser Mitteilung wird auch von dem Antragsteller nicht in Zweifel gezogen.

b) Demgegenüber kann der Antragsteller sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass noch für die Dauer eines Monats eine Nachhaftung des bisherigen Versicherers, der A. Versicherungs-AG, bestanden hat, der Ablauf dieser Nachfrist von der Antragsgegnerin gleichwohl nicht abgewartet worden ist, sondern sie stattdessen noch während der Monatsfrist die Anwaltszulassung widerrufen hat.

Nach § 158 c Abs. 2 S. 1 u. 2 VVG wirkt ein Umstand, der das Nichtbestehen oder die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zur Folge hat, in Ansehung des Dritten erst mit dem Ablauf eines Monats, nachdem der Versicherer diesen Umstand der hierfür zuständigen Stelle angezeigt hat. Das gleiche gilt, wenn das Versicherungsverhältnis durch Zeitablauf endigt. Diese Vorschrift findet auch auf die gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte Anwendung (s. Beckmann in Berliner Kommentar zum VVG, hrsg. v. Honsell, 1999, § 158 c, Rdn. 6).

§ 158 c VVG begründet nach heute ganz überwiegendem Verständnis eine Fiktion. Obwohl der Vertrag zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer an sich nicht bzw. nicht mehr existiert, wird das Versicherungsverhältnis und mit diesem der Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers als weiterbestehend fingiert, soweit es zur Befriedigung des Dritten erforderlich ist (s. Knappmann in Prölls/Martin, VVG, 26. Aufl., § 158 c, Rdn. 2 m. w. N.). Diese Fiktion ändert aber nichts daran, dass tatsächlich eine Versicherung - d.h. ein Vertragsverhältnis - nicht mehr aufrechterhalten wird, wie es § 51 Abs.1 S. 1 BRAO seinem insofern eindeutigen Wortlaut nach von dem Rechtsanwalt verlangt.

Der Zweck der Nachhaftung gemäß § 158 c Abs. 2 VVG besteht - nur - darin, dass die zuständige Stelle über das Fehlen oder die Beendigung des Versicherungsverhältnisses durch den Versicherungsnehmer unterrichtet wird. Diese soll dann einen Monat Zeit haben, um für die Einstellung der versicherungspflichtigen Tätigkeit zu sorgen, bevor das Publikum hierdurch gefährdet wird (so ausdrücklich Beckmann in Berliner Kommentar, a.a.O., § 158 c, Rdn. 4 u. 18). Soweit es um den Haftpflichtversicherungsschutz eines Anwalts geht, erfolgt die Unterbindung der weiteren versicherungspflichtigen Tätigkeit durch den Widerruf der Anwaltszulassung. Mit der angeordneten einmonatigen Nachhaftung erhält die Rechtsanwaltskammer also Gelegenheit, diesen Widerruf ordnungsgemäß vorzubereiten (Gewährung rechtlichen Gehörs !) und in die Tat umzusetzen. Das setzt aber voraus, dass schon mit der Beendigung des Versicherungsverhältnisses - und nicht erst im Anschluss an die gesetzliche Nachhaftungszeit - der Widerrufstatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO erfüllt ist. Anderenfalls dürfte ein Widerruf zulässigerweise erst nach Ablauf der einmonatigen Frist ausgesprochen werden, was nicht nur dem mit § 158 c Abs. 2 VVG verfolgten Zweck zuwiderlaufen, sondern auch zu einer erneuten Gefährdung der Rechtsuchenden - in der Zeit zwischen Fristablauf und Zustellung des Widerrufsbescheides - führen würde.

c) Die von dem Antragsteller aufgeworfene Frage, ob die Nichtzahlung der Haftpflichtversicherungsprämie durch den vorläufigen Insolvenzverwalter gleichbedeutend mit einer Stillegung der Anwaltskanzlei war und ob der Insolvenzverwalter daher für diese Entscheidung der Zustimmung des Insolvenzgerichts gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO bedurft hätte, lässt der Senat ausdrücklich dahinstehen. Für den Widerrufsgrund des § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO kommt es ausschließlich darauf an, ob eine Berufshaftpflichtversicherung tatsächlich besteht und den Mandanten des Anwalts Schutz bietet, nicht aber darauf, ob die Versicherung während der Zeit der vorläufigen Insolvenzverwaltung - bei ordnungsgemäßem Handeln des Verwalters - noch hätte fortgeführt werden müssen. Etwaige Meinungsverschiedenheiten über die Rechtmäßigkeit der Insolvenzverwaltung sind im Verhältnis des Antragstellers zu dem Verwalter oder zu der Justizverwaltung, unter Inanspruchnahme der hierfür vom Gesetz vorgesehenen Rechtsbehelfe, auszutragen. Ihre Beurteilung liegt aber außerhalb der Kompetenz der Antragsgegnerin, die sich bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Zulassungswiderrufs ausschließlich an dem objektiven Tatbestand, nämlich dem Nichtbestehen einer Berufshaftpflichtversicherung, zu orientieren hat.

2. Der Widerrufsgrund der Nichtunterhaltung der vorgeschriebenen Berufshaftpflichtversicherung (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO) ist auch nicht im Nachhinein zweifelsfrei wieder entfallen.

a) Bei Auslegung und Anwendung der mit § 51 BRAO in Zusammenhang stehenden Widerrufsbestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO, die dem Schutz des rechtsuchenden Publikums dient, ist zu berücksichtigen, dass durch einen Widerruf der Zulassung nur künftig drohenden Vermögensschäden begegnet werden kann, hingegen dadurch nicht solche Vermögensschäden verhindert werden könnten, die auf einer bereits in der Vergangenheit liegenden Anwaltstätigkeit und dem dabei fehlenden Versicherungsschutz beruhen. Deshalb ist es, wenn der Rechtsanwalt bis zur Entscheidung des Anwaltsgerichtshofes nachgewiesen hat, dass er wieder eine Haftpflichtversicherung unterhält, nicht (mehr) geboten, dem Rechtsanwalt die (weitere) Berufsausübung zu untersagen. Dieser Umstand ist gegebenenfalls auch bei der Entscheidung darüber, ob ein ergangener Widerrufsbescheid wegen Beseitigung der Widerrufsgrundes aufzuheben ist, zu berücksichtigen (so ausdrücklich BGH NJW 2001, 3131).

b) Mit der Vorlage der Versicherungsbestätigung des G. -Konzerns vom 05.11. bzw. 07.11.2003 hat der Antragsteller keinen ausreichenden Nachweis dafür erbracht, dass er bei diesem Versicherungsunternehmen eine neue Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, die den Anforderungen des § 51 BRAO genügt, begründet hat. Denn der G. -Konzern hat in einem weiteren (Telefax-)Schreiben vom 07.11.2003 den Versicherungsantrag zurückgewiesen und ihr vorangegangenes Schreiben als gegenstandslos bezeichnet.

aa) Aus der vorgelegten Korrespondenz lässt sich entnehmen, dass die wirksame Begründung eines Versicherungsschutzes zwischen dem Antragsteller und der Versicherungsgesellschaft umstritten ist und dass die Versicherungsgesellschaft die Gewährung von Deckungsschutz nach wie vor strikt ablehnt, zuletzt mit ihrem Schreiben vom 11.11.2003. Damit ist der Widerrufsgrund der Nichtunterhaltung der Berufshaftpflichtversicherung zumindest nicht zweifelsfrei entfallen. Nur im Falle eines zweifelsfreien Wegfalls des Widerrufsgrundes käme aber eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides in Betracht. Denn die Unsicherheit darüber, ob der Anwalt bei einer Fortführung seiner Tätigkeit versichert ist, fällt nicht in den Risikobereich des rechtsuchenden Publikums, dessen Schutz gerade die Versicherungspflicht gemäß § 51 BRAO dienen soll. Vielmehr obliegt es insofern dem Rechtsanwalt selbst, für klare (Versicherungs-)Verhältnisse Sorge zu tragen, wobei er gegebenenfalls auch einen Wechsel des Versicherungsunternehmens in Betracht ziehen muss.

bb) Unabhängig hiervon hat der G. -Konzern seine Versicherungsbestätigung vom 05.11. bzw. 07.11.2003 nach Auffassung des Senats aber auch zu Recht für gegenstandslos erklärt.

Das Insolvenzgericht hat in seinem Beschluss vom 01.10.2003 (Az.: 351 IN 297/03) gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. InsO angeordnet, dass sämtliche Verfügungen des Schuldners - d.h. des Antragstellers - nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Der Antragsteller war daher rechtlich nicht mehr in der Lage, den neuen Versicherungsvertrag mit dem G. -Konzern allein wirksam abzuschließen und die sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen zu erfüllen. Andererseits hat der vorläufige Insolvenzverwalter, Dipl.-Betriebswirt R. , unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass der Abschluss des neuen Haftpflicht-Versicherungsvertrages nicht seine Zustimmung finden werde. In seinem an die G. -Versicherung gerichteten Schreiben vom 06.11.2003, das in der mündlichen Verhandlung verlesen worden ist, heißt es insofern:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrter Herr B. ,

wie Ihnen bekannt ist, ist über das Vermögen des im Betreff bezeichneten Schuldners (Anm.: Rechtsanwalt W. ) die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet.

Gleichwohl übersende ich Ihnen nochmals den mich legitimierenden Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg über die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung und meine Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter.

Ein soeben fernmündlich geführtes Gespräch mit meinem Mitarbeiter Herrn K. ergab, dass die G. Versicherung trotz Kenntnis über die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung mit Herrn A. W. einen Versicherungsvertrag abgeschlossen hat.

Ich weise hiermit ausdrücklich und mit Nachdruck darauf hin, dass ein solcher Versicherungsvertrag unwirksam ist. Der Schuldner ist selbstverständlich nicht in der Lage, rechtswirksam ohne meine Zustimmung in meiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter vermögenswirksame Verfügungen oder irgendwelche Verträge abzuschließen.

Ich weise des Weiteren darauf hin, dass eine Zahlung der Versicherungsprämien nicht rechtswirksam erfolgen kann.

Sollte der Schuldner die Zahlung der Versicherungsprämien über Drittpersonen veranlassen, weise ich schon jetzt darauf hin, dass ich sodann unverzüglich über den Weg der Anfechtung geleistete Zahlungen zurückfordern muss.

Im Übrigen werde ich im Hinblick darauf, dass der Schuldner offensichtlich im vorliegenden Fall gegen die Auflagen des Insolvenzgerichts verstoßen hat, die hierfür vorgesehenen Zwangsmaßnahmen gegen den Schuldner prüfen, dies lediglich für Sie zur Kenntnisnahme."

Das vorstehend zitierte Schreiben erlaubt keinen Zweifel an der Haltung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu dem von dem Antragsteller abgeschlossenen Versicherungsvertrag. Die Versicherungsgesellschaft durfte den Vertrag deshalb als gegenstandslos ansehen.

cc) Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass die fälligen Versicherungsprämien jeweils von dem Konto eines Freundes des Antragstellers, des Herrn E. Sch. , abgebucht werden sollten. In der mündlichen Verhandlung hat der Antragsteller auf Bitten des Senats den entsprechenden Versicherungsantrag vorgelegt. Dem Antragsformular lässt sich entnehmen, dass als Versicherungsnehmer - und damit als Vertragspartner der G. -Versicherung - ausschließlich der Antragsteller, Rechtsanwalt W. , vorgesehen war; er allein hat deshalb auch den Antrag in der Spalte: "Unterschrift des Antragstellers" unterzeichnet. Soweit sich die Unterschrift von Herrn E. Sch. ebenfalls auf dem Formular befindet, bezieht sie sich lediglich auf die - am Schluss des Versicherungsantrags erteilte - Lastschriftermächtigung. Da im Ergebnis also der Antragsteller - und nicht Herr Sch. - aus einem etwa zustande gekommenen Versicherungsvertrag als Versicherungsnehmer berechtigt und verpflichtet worden wäre, bleibt es bei der zuvor dargestellten Unwirksamkeit des ohne Mitwirkung des vorläufigen Insolvenzverwalters abgeschlossenen Rechtsgeschäfts.

3. Im Ergebnis hat der Antragsteller also im Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides am 03.11.2003 nicht die vorgeschriebene Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung unterhalten und er hat auch später keine neue Berufshaftpflichtversicherung wirksam begründet. Unter diesen Umständen musste die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 9 BRAO widerrufen; ebenso wenig kam eine spätere Aufhebung des Widerrufsbescheides in Betracht.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 201 Abs. 1 BRAO i. V. m. § 13 a Abs. 1 FGG.

Die Festsetzung des Geschäftswertes richtet sich nach § 202 Abs. 2 BRAO i. V. m. § 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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