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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 30.07.2001
Aktenzeichen: 1 AR 16/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 21
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 37
ZPO § 91
1. Voraussetzung für den Gerichtsstand nach § 21 ZPO ist, dass die Niederlassung auch selbständig sein muss, woran es fehlt, wenn es sich um eine Filiale oder Agentur handelt, die ihre Weisungen vom Hauptgeschäft empfängt und in der Regel Geschäftsabschlüsse nicht selbst tätigt, sondern lediglich Vertragsangebote weiterleitet und Verträge lediglich vermittelt. Entscheidend ist dabei allerdings nicht das innere Verhältnis zum Hauptunternehmen, sondern ob nach außen der Anschein einer selbständigen Niederlassung erweckt wird.

2. Die Bezeichnung "Bezirksdirektion" einer Versicherung impliziert Außenstehenden, dass es sich um eine Niederlassung mit einer in der Vertriebsorganisation sogar übergeordneten Funktion (,...direktion") handelt. Dies lässt ohne weiteres den Rückschluss auf eine hinreichende Selbständigkeit und eigene Entscheidungsbefugnis zu.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

1 AR 16/01 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 30. Juli 2001 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink, den Richter am Oberlandesgericht Geib und den Richter am Landgericht Wiedemann

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit trägt die Klägerin.

Der Gebührenstreitwert für das Bestimmungsverfahren wird auf die Wertstufe bis 1.200,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt Schadensersatz aus einem Busunfall, der am 24. Juli 1992 im Schweizer Kanton Tessin erfolgte. Sie erhob zunächst gegen die Beklagte zu 3) als Haftpflichtversicherer des verunfallten Busses Klage vor dem Landgericht Halle; mit Schriftsatz vom 11.01.2001 (GA Bl. 38) beantragte sie - nach Zuständigkeitsrüge der Beklagten zu 3) - die Abgabe des Rechtsstreites an das Landgericht Berlin , wobei sie klageerweiternd einen an das Landgericht Berlin gerichteten Schriftsatz beifügte, in welchem nunmehr auch die Beklagte zu 1) als Fahrerin und die Beklagte zu 2) als Reiseveranstalterin gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 3) in Anspruch genommen wurden.

Da die Beklagte zu 3) ihre Zuständigkeitsrüge aufrecht erhielt, beantragte die Klägerin durch anwaltlichen Schriftsatz vom 7. Februar 2001 die "Abgabe" an das Landgericht Berlin (GA 79). Sie hat vorgetragen, die Zuständigkeit im Hinblick auf die Beklagte zu 3) ergebe sich daraus, dass diese dort eine "Bezirksdirektion" und damit eine Zweigstelle nach § 21 ZPO unterhalte. Die Beklagte zu 3) hat vorgetragen, dass es ihrer Berliner Bezirksdirektion an der für § 21 ZPO erforderlichen Zuständigkeit ermangele.

Nach Hinweis des Landgerichts beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 4. Juli 2001 "das Landgericht Berlin als das zuständige Gericht zu bestimmen". Die Auffassung, dass die Beklagte zu 3) gem. § 21 ZPO unter der Anschrift ihrer Bezirksdirektion in Berlin verklagt werden könne, hielt die Klägerin dabei aufrecht (GA Bl. 127).

II.

Der Antrag auf Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts gem. §§ 36 Abs. 1 Nr. 3, 37 ZPO war zurückzuweisen, da nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

1. Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung nach vorgenannter Vorschrift ist es, dass zwischen den Streitgenossen weder ein gemeinsamer allgemeiner, noch ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand besteht. Dass die Beklagten zu 1) und 2) ihren allgemeinen Gerichtsstand in Berlin haben, ist in vorliegendem Verfahren nicht in Zweifel gezogen worden.

Zutreffend geht die Beklagte auch davon aus, dass hinsichtlich der Beklagten zu 3) nach derzeitigem Sach- und Streitstand der besondere Gerichtsstand der gewerblichen Niederlassung in Berlin besteht. Allerdings weist die Beklagte zu 3) zu Recht darauf hin, dass nicht alleine das Bestehen einer Niederlassung, welches hier nicht zweifelhaft ist, Voraussetzung für den Gerichtsstand nach § 21 ZPO ist, sondern dass die Niederlassung auch selbständig sein muss, woran es fehlt, wenn es sich um eine Filiale oder Agentur handelt, die ihre Weisungen vom Hauptgeschäft empfängt und in der Regel Geschäftsabschlüsse nicht selbst tätigt, sondern lediglich Vertragsangebote weiterleitet und Verträge lediglich vermittelt (BGH NJW 1987, 3082). Entscheidend ist dabei allerdings nicht das innere Verhältnis zum Hauptunternehmen, sondern ob nach außen der Anschein einer selbständigen Niederlassung erweckt wird (so ausdrücklich Schumann in Stein-Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 21 Rn. 14; Thomas -Putzo, ZPO, 23. Auflage, § 21 Rn.3 unter Hinweis auf AG Köln NJW-RR 1993, 1503; vgl. auch BGH NJW 1987, 3081 f.; BayObLG MDR 1989, 459; OLG Düsseldorf NJW-RR 1989, 433). Dies wird namentlich bei einer "Generalagentur" oder "Filialdirektion" einer Versicherungsgesellschaft bejaht (Zöller-Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 21 Rn. 8). Vorliegend unterhält die Beklagte zu 3) in der A. straße 131 in Berlin eine Niederlassung, welche sich - unstreitig - als "Bezirksdirektion" bezeichnet. Bereits diese Bezeichnung impliziert Außenstehenden, dass es sich um eine Niederlassung mit einer in der Vertriebsorganisation sogar übergeordneten Funktion ("...direktion") handelt. Dies lässt ohne weiteres den Rückschluss auf eine hinreichende Selbständigkeit und eigene Entscheidungsbefugnis zu, mag auch intern der Geschäftsabschluss so gehandhabt werden, dass die Zeichnung der in Berlin aquirierten Verträge in der Hauptniederlassung erfolgt.

Bei dieser Sachlage besteht derzeit kein Bedürfnis für eine Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit durch den Senat, zumal das Landgericht den - sachlich berechtigten - Verweisungsantrag der Klägerin nicht beschieden hat.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO (zur Notwendigkeit einer Kostenentscheidung bei Zurückweisung des Antrages vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, § 27 Rn. 3).

Der Gebührenstreitwert des Bestimmungsverfahrens liegt im unteren Bereich der Gebührentabelle (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 22. Aufl., § 3 Rn. 16 "Bestimmungsverfahren nach § 36").

Ende der Entscheidung

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