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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 22.01.2002
Aktenzeichen: 1 U (Kart) 2/01
Rechtsgebiete: VOB/A, BGB, GWB, ZPO


Vorschriften:

VOB/A § 9
VOB/A § 9 Nr. 2
VOB/B § 18 Nr. 2
VOB/B § 2 Nr. 3 Abs. 3
BGB § 812 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Altern.
GWB § 20
GWB § 33
GWB § 20 Abs. 1
GWB § 20 Abs. 3
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 2
ZPO § 543
ZPO § 711
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 543 Abs. 2
1. Ein ungewöhnliches Wagnis i. S. v. § 9 Nr. 2 VOB/A liegt nicht vor, wenn der Auftragnehmer die Möglichkeit hat, das einem Auftrag immanente, nicht zu vermeidende Wagnis in wirtschaftlicher Hinsicht abzusichern.

2. Die Munitionsberäumung eines ehemaligen militärischen Truppenübungsplatzes ist typischer Weise dadurch gekennzeichnet, dass der Aufwand zur Abarbeitung des Auftrages vorab nicht hinreichend sicher zu ermitteln ist. Die Erstellung einer Leistungsbeschreibung für den Auftrag auf der Grundlage der "Hochrechnung" der Ergebnisse der Beräumung eines repräsentativen Testfeldes ist nicht als fehlerhaft i. S. v. § 9 VOB/A anzusehen.

3. Dies gilt auch dann, wenn der Auftraggeber im Leistungsverzeichnis nicht die Anzahl der Arbeitsstunden, sondern die Zahl bzw. das Gewicht der Fundstücke zur Grundlage der Berechnung der Vergütung erhebt.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U (Kart) 2/01 OLG Naumburg

verkündet am: 22.01.2002

In dem Rechtsstreit

...

hat der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2002 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink und die Richter am Oberlandesgericht Geib und Wiedemann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. März 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg (Geschäftsnummer: 6 O 3591/98) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 260.000,00 EUR abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Beschwer der Klägerin übersteigt 20.000,00 EUR. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, welches sich u. a. mit Kampfmittelbergung und -entsorgung befasst. Auf Aufforderung der Beklagten beteiligte sie sich an einer den Regeln der VOB/A unterliegenden Ausschreibung zur "Munitionsberäumung Truppenübungsplatz A. ". Sie erhielt letztlich den Zuschlag in 4 von 10 ausgeschriebenen Losen. Die Parteien schlossen daraufhin Einheitspreisverträge zu diesen Losen, welchen die VOB/B zugrunde lag. Die Vorbemerkungen zu den einzelnen Verträgen enthielten unter Ziff. 3 folgenden Vermerk:

"Der TÜP A. wird seit 1935 militärisch genutzt, bis 1945 von der Deutschen Wehrmacht, von 1945 bis 1994 von der Westgruppe der Truppen (WGT) des Warschauer Paktes und ab 1995 durch die Bundeswehr.

Es ist davon auszugehen, daß neben der Munition der Deutschen Wehrmacht auch alle Munitionsarten der Land- und Luftstreitkräfte der WGT eingesetzt wurden. Zusätzlich muß mit dem Vorhandensein von unbekannter Erprobungsmunition gerechnet werden."

Verträgen und Ausschreibung lag eine Leistungsbeschreibung zugrunde, bei der die Vordersätze, welche die Beklagte zugrunde gelegt hatte, nach Vornahme einer Testfelderprobung im Wege der Hochrechnung ermittelt worden waren. Im Zuge ihrer Arbeiten stellte die Klägerin fest, dass die Vordersätze der Leistungsbeschreibung bei Weitem nicht erreicht wurden. Sie wies die Beklagte darauf hin und begehrte eine Erhöhung der Hintersätze. Während der laufenden Maßnahme kam es zu keiner Einigung. Nach Beendigung der Arbeiten entschied die Oberfinanzdirektion Magdeburg am 26.02.1998 in einem Verfahren nach § 18 Nr. 2 VOB/B, dass die Hintersätze gemäß § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B zu erhöhen seien; dabei ging sie von "allgemeinen Geschäftskosten" in Höhe von 46 % aus. Die Klägerin hat deren Angemessenheit ausdrücklich nicht bestritten.

Unter Zugrundelegung der durch vorgenannte Entscheidung erhöhten Hintersätze einerseits und unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Abschläge andererseits ergab sich eine Überzahlung in Höhe des auf die Widerklage vom Landgericht zuerkannten Betrages.

Die Parteien streiten darum, ob der Klägerin ein Schadensersatzanspruch zuzubilligen ist, durch den letztendlich die Ausfälle ersetzt werden, die der Klägerin durch die in dem Leistungsverzeichnis enthaltenen zu hohen Vordersätze entstanden sind. Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, dass die Mengenunterschreitungen durch die Erhöhung nach § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B nur unzureichend ausgeglichen seien. Die Anwendung der VOB sei - da es sich hier nicht um eine "Bauleistung" handele - ohnehin nicht sachgerecht.

Hinsichtlich der Anträge sowie weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung des Landgerichts (GA Bd. III, Bl. 63 ff.) verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da keine Verletzung von Nebenpflichten vorliege. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte gewusst hätte oder hätte wissen müssen, dass die lt. Leistungsverzeichnis erwarteten Fundmengen nicht zutreffen. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Beklagte die bisherigen Nutzung des zu beräumenden Gebietes deutlich gemacht habe, woraus sich ergebe, dass ihr deren Art und Weise sowie der Umfang der Inanspruchnahme nicht bekannt sei.

Ein Anspruch aus § 2 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B komme nicht in Betracht, da die allgemeinen Geschäftskosten durch die OFD Magdeburg unstreitig in zutreffender Höhe zugrunde gelegt worden seien.

Aufgrund der demnach vorliegenden Überzahlung hat das Landgericht die Klägerin auf die Widerklage hin aus § 812 Abs. 1 BGB zur Rückzahlung verurteilt.

Gegen die am 22.03.2001 verkündete und der Klägerin am 30.03.2001 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 30.04.2001 eingegangene und innerhalb der bis zum 31.07.2001 verlängerten Frist begründete Berufung.

Die Klägerin trägt - erstmals in der Berufung - vor, dass sie ihren Anspruch auf § 20 Abs. 1 GWB i. V. mit § 33 GWB bzw. § 823 Abs. 2 BGB stütze. Sie behauptet, die Beklagte sei für den hier relevanten Markt ein marktbeherrschendes Unternehmen, wie sich insbesondere aus dem von ihr zu vergebenden Auftragsvolumen von mehr als 100 Millionen DM pro Jahr ergebe. Demgegenüber sei die Klägerin ein allenfalls mittleres Unternehmen und von der Beklagten abhängig. Die Beklagte habe ihre Marktmacht benutzt, um Unternehmen in eine VOB-widrige Vergabe zu treiben. Zwar sei die VOB anwendbar, wie die Klägerin jetzt ausdrücklich einräumt. Die hier vorgenommene Ausschreibung verstoße jedoch gegen § 9 VOB/A. Da die Sondierung des zu beräumenden Feldes in jedem Fall erforderlich sei, um festzustellen, ob und welche Gegenstände im Boden sind, sei die Aufstellung einheitlicher Leistungspositionen "Sondierung und Beräumung" fehlerhaft. Durch die hier vorgenommene Ausschreibung sei ihr ein ungewöhnliches Wagnis i. S. des § 9 Nr. 2 VOB/A auferlegt worden.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 22.03.2001 verkündeten Urteils des Landgerichts Magdeburg (Az.: 6 O 3591/98) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 384.806,67 nebst 9,5 % Zinsen seit dem 17.06.2001 zu zahlen und die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Klägerin als Fachfirma habe selbst erkennen und auch darauf hinweisen müssen, wenn die hier vorliegende Leistungsbeschreibung unzulänglich sei, was bestritten werde. Da - was unstreitig ist - bis 1996 derartige Arbeiten auf Stundenlohnbasis abgerechnet wurden, hätte ihr die Erfahrung mit der Ausgestaltung eines Leistungsverzeichnisses der hier vorliegenden Art gefehlt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und wurde insbesondere frist- und formgerecht eingelegt. In der Sache hat sie keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen und - wegen der eingetretenen Überzahlung - die Klägerin zur Rückzahlung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Altern. BGB verurteilt. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens bleibt es dabei, dass der Klägerin kein Schadensersatzanspruch neben dem verdienten Werklohn zusteht. Im Einzelnen:

1. Der Klägerin steht kein Anspruch aus cic (culpa in contrahendo = Verschulden bei Vertragsschluss) zu. Die Beklagte hat keine vorvertraglichen Pflichten gegenüber der Klägerin schuldhaft verletzt.

1.1. Allerdings kann die nicht ordnungsgemäße und daher unvollständige Beschreibung einer Leistung im einem Leistungsverzeichnis grundsätzlich Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der cic auslösen (Kratzenberg in Ingenstau/Korbion, VOB, 14. Aufl., Teil A, § 9, Rn. 39). Ob ein solcher Schadensersatzanspruch auch dann gegeben ist, wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer ein ungewöhnliches Wagnis i. S. des § 9 Nr. 2 VOB/A auferlegt und dieses sich nachfolgend verwirklicht, kann jedoch dahinstehen.

1.2. Ein außergewöhnliches Wagnis i. S. des § 9 Ziff. 2 VOB ist hier nicht gegeben. "Ungewöhnlich" sind Wagnisse, die sich auf Umstände und Ereignisse beziehen, auf die der Auftragnehmer keinen Einfluss, und die hinsichtlich ihres Eintrittes ungewiss sind und deren Einfluss auf Preise und Fristen er im Voraus nicht abschätzen kann. Hierunter fallen weder allgemeine Bauwagnisse noch besondere Wagnisse, die mit einer bestimmten Bauausführung oder einem Teil derselben ursächlich verbunden sind (Kratzenberg in Ingenstau/Korbion, a. a. O., Rn. 32). Ein ungewöhnliches Wagnis i. S. des § 9 Nr. 2 VOB/A liegt auch dann nicht vor, wenn der Auftragnehmer die Möglichkeit hat, das Wagnis in wirtschaftlicher, also in vergütungsmäßiger Hinsicht, abzusichern (Kratzenberg in Ingenstau/Korbion, a. a. O., Rn 33).

Die hier vorliegende Ausschreibung und damit auch die hier abgeschlossenen Verträge weisen von vornherein gegenüber einem "normalen" Bauprojekt Besonderheiten auf, die allen Beteiligten gleichermaßen bekannt waren. So ist unzweifelhaft, dass der Aufwand zur Abarbeitung des Auftrages im Wesentlichen davon abhängig war, in welchem Umfange der Sondenführer "Störpunkte" entdeckt, und inwieweit an diesen Störpunkten Fundstücke zu bergen und zu entsorgen sind. Unstreitig wusste die Beklagte ebenso wenig wie die Klägerin oder andere an der Ausschreibung teilnehmende Unternehmen, inwieweit die verschiedenen Streitkräfte, die die hier relevante Fläche benutzt haben, Munitionsreste hinterlassen haben. Unstreitig war dies schließlich auch durch keine andere Methode als die Abarbeitung des ausgeschriebenen Auftrages vorab zu ermitteln, zumal sich Methoden, dies durch computerunterstütze Suchgeräte vorab zu eruieren, als untauglich erwiesen haben, wie auch die Klägerin wusste, da sie bei dem entsprechenden Versuchsprojekt selbst beteiligt war. Die vor diesem Hintergrund von der Beklagten gewählte Methode, zur Erstellung eines Leistungsverzeichnisses die ermittelten Ergebnisse eines beräumten Testfeldes "hochzurechnen", ist daher nicht als fehlerhaft oder gar unvertretbar anzusehen. Nichts anderes gilt, soweit als Grundlage für die Berechnung der Vergütung letztendlich Zahl bzw. Gewicht der Fundstücke angesetzt wurden. Wie in der mündlichen Verhandlung erörtert und von der Klägerin auf entsprechenden Vorhalt auch nicht in Abrede gestellt wurde, ist jede Abrechnungsmethode von vornherein dadurch gekennzeichnet, dass die Höhe der Vergütung letztendlich von den allseits bekannten und daher vertragsimmanenten Risiken abhing, die sich daraus ergeben, dass der Umfang der Kontaminierung unbekannt war. Auch bei einer Abrechnung auf Stundenlohnbasis ist dies nicht anders, da auch der Zeitaufwand von Sondenführer und Helfern letztendlich ebenfalls von diesem Parameter abhängt.

Es war die ureigenste Aufgabe der Klägerin, diesem für die hier zu erbringende Arbeit typischen Risiko durch eine entsprechend angepasste Kalkulation Rechnung zu tragen, etwa in dem aufgrund des diesem Vertrag immanenten, nicht zu vermeidenden und daher auch nicht ungewöhnlichen "Wagnisses" angemessene Zuschläge einkalkuliert werden. Dies hat die Klägerin nicht in ausreichendem Maße getan. Wie im Rahmen der Erörterung der Sachlage vor dem Senat deutlich wurde, ist sie vielmehr davon ausgegangen, die ausgeschriebenen Mengen als mehr oder weniger sichere Erwartung voraussetzen zu können. Diese Erwartung war kalkulatorisch falsch. Schon bei einem "normalen" Bauvertrag darf sich der Bieter auf die im Leistungsbeschrieb aufgeführten Massen nur beschränkt verlassen (so ausdrücklich Heiermann in Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. Aufl., A § 9 Rn. 5). Dies muss erst Recht bei der hier ausgeschriebenen Leistung gelten, die geradezu typischerweise von der Unsicherheit der Massen gekennzeichnet ist. Die Beklagte durfte daher davon ausgehen, dass die Klägerin als Fachunternehmen mit zahlreichen nachgewiesenen Referenzen die diesbezüglichen Risiken zutreffend einzuschätzen in der Lage war und ihnen im Rahmen der Kalkulation durch auskömmliche Zuschläge für dieses Wagnis Rechnung trägt.

1.3. Eine andere Beurteilung könnte sich nur dann ergeben, wenn die Schätzungsgrundlage der Beklagten fehlerhaft gewesen wäre. Dies war nicht der Fall. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils verwiesen werden. Auch in der Berufungsinstanz hat die Klägerin nichts dargelegt, was den Rückschluss darauf zuließe, dass das von der Beklagten ausgewählte Testfeld als nicht repräsentativ erkannt wurde oder hätte erkannt werden können, bevor der Auftrag vergeben wurde. Soweit in der Berufung in diesem Zusammenhang ausgeführt wird, dass nur ein kleiner Teil des Testfeldes mit der zu beräumenden Fläche übereinstimmt, ist dies unerheblich. Da das Testfeld vollständig beräumt werden musste, um eine Kalkulationsgrundlage bieten zu können, brauchte es nicht erneut in Auftrag gegeben zu werden.

2. Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus § 33 GWB zu. Nach dieser Vorschrift ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes, die den Schutz eines anderen bezweckt, verstößt.

2.1. Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die Beklagte nicht gegen § 20 GWB. Gem. § 20 Abs. 1 GWB ist es u. a. marktbeherrschenden Unternehmen untersagt, anderen Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich zu behandeln.

2.1.1.Es mag dahinstehen, ob die Beklagte marktbeherrschendes Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift ist. Sachlich relevanter Markt ist hier die Nachfrage nach Leistungen der Kampfmittelbeseitigung und -entsorgung. Die Beklagte bestreitet marktbeherrschend zu sein, da auch andere Unternehmen dementsprechende Leistungen in erheblichem Umfange nachfragen würden. Letztlich bedarf dies jedoch keiner Entscheidung, da die Beklagte die Klägerin weder diskriminiert noch behindert hat.

2.1.2.Eine (aktive) Diskriminierung im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB liegt nicht vor. Es ist nicht einmal ansatzweise ersichtlich, dass die Beklagte andere Unternehmen "unterschiedlich behandelt" haben sollte, wie es nach dem eindeutigen Wortlaut des § 20 Abs. 1 GWB heißt. Im Gegenteil: Die Beklagte hat den hier in Rede stehenden Auftrag zu gleichen Bedingungen für alle Unternehmen ausgeschrieben, also - wettbewerbsrechtlich gesprochen - den Anbieterwettbewerb zwischen der Klägerin und ihren Konkurenzunternehmen eröffnet und gefordert. Auch Rahmenbedingungen und Risiken waren dabei für alle Unternehmen gleich und jeweils in der Kalkulation wettbewerbsgerecht einzubeziehen. Dass sich die Anbieter derartiger Leistung dem Wettbewerb gestellt und sich in einem solchen befunden haben, ist hier schon an den Submissionsergebnissen abzulesen, die erhebliche Preisdifferenzen aufweisen (vgl. Anlage K3, GA Bd. 1 Bl. 73).

2.1.3. Verboten ist grundsätzlich jedoch nicht nur die "aktive", sondern auch die passive Diskriminierung, wie sich aus dem Sondertatbestand des § 20 Abs. 3 GWB ergibt, der § 20 Abs. 1 GWB ergänzt und neben ihm vorliegen kann. Danach dürfen marktbeherrschende Unternehmen ihre Marktstellungen nicht dazu ausnutzen, andere Unternehmen im Geschäftsverkehr zu veranlassen, ihnen ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorzugsbedingungen zu gewähren. Die Klägerin trägt in diesem Zusammenhang vor, die Beklagte habe sie aufgrund ihrer Marktmacht in eine VOB-widrige Ausschreibung gedrängt. Auch wenn man eine VOB-widrige Ausschreibung unterstellt, ist jedoch nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um eine "Vorzugsbedingung", wie sie das Gesetz fordert, handelt, also eine nicht nur vorübergehende, systematische Besserstellung (Markert a. a. O. Rn. 261) der Beklagten gegenüber anderen Nachfragern. Alleine der Umstand, dass andere Nachfrager Leistungen der hier relevanten Art auf andere Art und Weise abrechnen, als die Beklagte dies mit ihrer Ausschreibung vorgegeben hat, reicht hierzu nicht aus. Auch die Beklagte hat bei anderen Projekten eine andere Art und Weise der Abrechnung erbrachter Leistungen vorgenommen. Das Risiko, dass man eben nicht von vornherein weiß, ob der Boden stark oder schwach kontaminiert ist, ist vertragsimmanent und daher hierdurch nicht beeinflusst. Es spricht - auch nach dem Vortrag der Beklagten - überhaupt nichts dagegen, dass bei einer anderweitigen Verwirklichung des Risikos, wenn also beispielsweise mehr Fundstücke geborgen worden wären, als nach Leistungsverzeichnis ausgeschrieben, die von der Beklagten gewählte Abrechnungsvariante sich für diese negativ ausgewirkt hätte. Dass es hier - bei rückwirkender Betrachtung - de facto anders war, führt nicht dazu, dass de iure in den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses Vorzugsbedingungen zu sehen wären.

Selbst wenn man jedoch "Vorzugsbedingungen" unterstellen würdem, wäre für § 20 Abs. 3 GWB des Weiteren erforderlich, dass diese kausal auf die Marktmacht der Beklagten zurückzuführen wären (Bechthold, GWB, 2. Aufl., § 20 Rn. 55) und dass dies als Auswirkung der Machtstellung auch von der Beklagten so bezweckt war (Markert a.a.O. unter Hinweis auf OLG Düsseldorf, WuW/OLG 3613, 3615). Auch insoweit ist für den Senat keinerlei Anhaltspunkt erkennbar, aus dem sich ergäbe, dass eine vergleichbare Ausschreibung eines solchen Auftrages durch einen nicht marktstarken Nachfrager dazu geführt hätte, dass sich kein Anbieter fände, der bereit wäre, auf dieser Abrechnungsgrundlage ein Angebot zu unterbreiten. Auch dies hat der Senat im Termin erörtert, ohne dass die Klägerin dem entgegen getreten wäre.

2.1.4.Auch eine unbillige "Behinderung" der Klägerin im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB liegt nicht vor. Behinderung im Sinne des § 20 GWB ist jede Beeinträchtigung der Betätigungsmöglichkeiten eines Unternehmens im Wettbewerb (Markert in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 20 Rn. 116). Dies ist für den Senat auch dann nicht einmal ansatzweise ersichtlich, wenn man unterstellt, dass die hier vorliegende Ausschreibung tatsächlich in einem für die Klägerin nachteiligten Sinne VOB-widrig wäre. So ist bereits nicht jeder wirtschaftliche Nachteil, der einem Unternehmen von einem anderen zugefügt wird, ohne weiteres als Beeinträchtigung seiner Betätigungsmöglichkeiten anzusehen. Erforderlich ist vielmehr eine Auswirkung des Nachteils auf die Wettbewerbschancen des beeinträchtigten Unternehmens gegenüber anderen Nachfragern oder Anbietern (Markert a. a. O. Rn. 117), die aus Sicht des Senates ebenfalls nur in der ungerechtfertigten Gewährung von Vorzugsbedingungen zu sehen sein könnte. Insoweit kann jedoch auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

2.2. Auch § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB kommt hier nicht als verletztes Schutzgesetz im Sinne des § 33 GWB in Betracht. Die Vorschrift setzt voraus, dass ein Unternehmen mit einer überlegenen Marktmacht Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Die Vorschrift ist weitestgehend deckungsgleich mit § 20 Abs. 1 GWB (Markert a. a. O. Rn. 239), so dass für den vorliegenden Fall auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 7 EG ZPO i. V. mit §§ 543, 708 Nr. 10, 711 ZPO in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung. Da die mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren nach dem 01.01.2002 erfolgte, richtet sich die Zulässigkeit von Rechtsmitteln nach der nunmehr geltenden Fassung der ZPO, was bereits bei Abfassung des Berufungsurteils zu berücksichtigen war.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO neuer Fassung war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert.

Ende der Entscheidung

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