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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 04.09.2008
Aktenzeichen: 1 U 1/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 313 a Abs. 1 S. 1
ZPO § 529
ZPO § 531
ZPO 3 531 Abs. 2
ZPO § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
ZPO § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
ZPO § 540 Abs. 2
1. Bestehen an einer zahnprothetischen Versorgung (hier: Brücke im Unterkiefer) konstruktive Mängel, die deren angestrebte Haltbarkeit und Funktion für zehn bis fünfzehn Jahre in Frage stellen, muss aber die Brücke aus anderen Gründen (hier: Zahnwurzelerkrankung an einem Pfeilerzahn) bereits nach drei Jahren beanstandungsfreier Benutzung entfernt werden, so fehlt es regelmäßig an einem dem Behandlungsfehler zurechenbaren Schaden und ein Schadenersatzanspruch des Patienten gegen den Zahnarzt scheidet aus.

2. Der Patient trägt in einem solchen Falle die Beweislast dafür, dass die entfernte Brücke bei fiktiv zutreffender Konstruktion nach Abschluss der Behandlung des Pfeilerzahnes wiederverwendbar gewesen wäre.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 1/08 OLG Naumburg

verkündet am: 4. September 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann, Grimm und Prof. Dr. Gruber auf die mündliche Verhandlung

vom 28. August 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 22. November 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Halle, 9 O 81/06, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer übersteigt 20.000 EUR nicht.

und beschlossen:

Der Kostenwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.498,05 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen i.S.v. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf den Ersatz von Aufwendungen für die Neuanfertigung einer prothetischen Versorgung des Unterkiefers im Bereich der Zähne 44 bis 46 sowie auf Schmerzensgeld hat. Hierbei verbleibt es auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens.

Die Kammer hat insbesondere zutreffend festgestellt, dass der Kläger der Beklagten keinen Verstoß gegen den zahnärztlichen Behandlungsstandard hat nachweisen können, der zumindest mitursächlich dafür gewesen wäre, dass die von der Beklagten im Frühjahr 2001 eingesetzte und im Juni / Juli 2004 entfernte Brücke nicht mehr weiterverwendet werden kann.

Im Hinblick auf die zahnärztliche Beurteilung und Behandlung des Zahnes 46, insbesondere zu Beginn der Behandlung im Frühjahr 2001 und vor dem Zahnarztwechsel des Klägers im Sommer 2004, hat der Kläger die tatsächlichen Feststellungen der Kammer mit der Berufung nicht mehr angegriffen; diese Feststellungen sind auch nicht zu beanstanden, so dass insoweit auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden kann.

Aber auch im Hinblick auf die Konstruktion der im Frühjahr 2001 in mehreren Einzelschritten eingesetzten Brücke von Zahn 44 nach Zahn 46 über die Fehlstelle von Zahn 45 konnten die tatsächlichen Voraussetzungen für einen vertraglichen oder auch deliktischen Schadenersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht festgestellt werden.

Allerdings folgt der Senat der Auffassung des Klägers soweit, dass im Ergebnis der Beweisaufnahme in erster Instanz die objektive Fehlerhaftigkeit der Konstruktion der Brücke für den angestrebten 10- bis 15-jährigen Einsatz dieser Brücke feststeht. Die Verankerung am Zahn 44 war für eine langfristige Haltbarkeit zu kleinflächig. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass dieser Fehler überhaupt zu einem Schaden beim Kläger geführt hat. Während der Nutzung der Brücke bis zum Sommer 2004 hat die Verankerung der Brücke am Zahn 44 gehalten. Der Kläger hat Gegenteiliges schon nicht dargelegt; es sind jedoch auch keine Anhaltspunkte für eine Lockerung der Brücke vor deren Entfernung ersichtlich. Die Entfernung der Brücke im Sommer 2004 erfolgte nicht etwa wegen einer unzureichenden Befestigung, sondern allein zur Eröffnung eines besseren Zugangs zum Zahn 46. Der Zahn 46 war behandlungsbedürftig erkrankt. Nach Abschluss der Zahnbehandlung sowie der anschließenden, ebenfalls nicht der Beklagten zurechenbaren Kieferknochenresorption im Bereich der Zahnwurzeln der Zähne 46 und 47 konnte die Brücke objektiv nicht mehr weiter verwendet werden; darauf beruft sich der Kläger selbst. Er kann aber nicht beweisen, dass die Brücke ohne den o.g. Konstruktionsfehler, d.h. bei ursprünglicher Verwendung einer Voll- oder größeren Teilkrone als Verankerung am Zahn 44, im Juli / August 2004 weiter verwendbar gewesen wäre. Hieran bestehen durchgreifende Bedenken wegen der inzwischen eingetretenen Veränderungen am Zahnhalteapparat im Unterkiefer des Klägers.

Soweit der Kläger erstmals in der Berufungsinstanz behauptet, dass der Konstruktionsfehler der Brücke die Qualität eines groben Behandlungsfehlers erreiche, ist dieses neue Angriffsmittel nach §§ 529 und 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Der Kläger hat einen Zulassungsgrund hierfür nicht benannt. Entgegen der Darstellung im Schriftsatz vom 2. September 2008 hatte der Kläger erstinstanzlich nur die Behandlung des Zahnes 46 als grob fehlerhaft angesehen.

Die Kammer war ohne entsprechende Geltendmachung durch den Kläger auch nicht verpflichtet, von Amts wegen der Frage nachzugehen, ob dieser Konstruktionsfehler ggfs. als ein grober Behandlungsfehler zu bewerten ist. Dies gilt umso mehr, als sich dasjenige Risiko der Konstruktion, dessen Nichtbeachtung den Fehler ausmachen soll, nämlich der unzureichenden Halt der Brücke am Brückenpfeiler Zahn 44, gerade nicht verwirklicht hat. Zudem enthält das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Konstruktion gegen elementare medizinische Erkenntnisse oder Behandlungsstandards verstieße.

Es kann offen bleiben, ob eine ergänzende Befragung des gerichtlichen Sachverständigen hierzu, die dem Kläger nach Übersendung des schriftlichen Gutachtens vom 11. Juni 2007 möglich gewesen wäre, überhaupt Aussicht auf Erfolg geboten hätte. Wenn dies der Fall gewesen wäre, dann wäre jedoch das Unterlassen der Nachfrage durch den Kläger als nachlässig i.S.v. § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO anzusehen. Denn die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme zum Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ihre Rechtsverteidigung zusätzlich darauf gestützt, dass ein etwaiger (von ihr weiter bestrittener) Konstruktionsfehlers keinerlei nachteilige Auswirkungen auf die Gesundheit oder das Vermögen des Klägers gehabt habe, so dass der Kläger spätestens zu diesem Zeitpunkt Veranlassung gehabt hätte, soweit ihm das überhaupt möglich gewesen wäre, ergänzend zu einem zurechenbaren Schaden vorzutragen und ggfs. auch eine ergänzende Nachfrage an den Sachverständigen zu richten, ob der Konstruktionsfehler der Brücke gegen fundamentale zahnärztliche Behandlungsstandards verstoßen habe.

Der Senat kann sich aus prozessualen Gründen auch nicht inhaltlich mit der erstmalig in der Berufungsinstanz erhobenen Behauptung befassen, dass die Entfernung der Brücke durch die Beklagte im Juni 2004 behandlungsfehlerhaft gewesen sei. Es fehlt an einem Grund, der die Zulassung dieses neuen Tatsachenvorbringens in zweiter Instanz zu rechtfertigen vermag. Sowohl die Beklagte als auch der gerichtliche Sachverständige haben sich ausdrücklich mit den Beweggründen der Beklagten für die Entfernung der Brücke beim Kläger auseinandergesetzt, so dass es dem Kläger ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen wäre, etwaige Bedenken hiergegen bereits in erster Instanz vorzubringen.

Gleiches gilt im Ergebnis auch für den erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen Vorwurf einer unzureichenden Einbeziehung des Klägers als Patient in die Therapieentscheidungen der Beklagten, insbesondere die Behauptung einer unwirksamen Einwilligung des Klägers in die tatsächlich durchgeführte prothetische Versorgung. Eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts durch unzureichende Eingriffsaufklärung hat der Kläger in erster Instanz nicht ansatzweise geltend gemacht. Es ging ihm allein um Fehler bei der zahnärztlichen Versorgung des Zahnes 46 und um Fehler bei der Konstruktion und beim Einsetzen der Brücke. Der nach §§ 529, 531 ZPO erforderlichen Zulassung dieses neuen Vorbringens als Angriffsmittel steht entgegen, dass ein Zulassungsgrund nicht ersichtlich ist. Der Kläger hat einen solchen auch im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf dessen ausdrückliche Nachfrage nicht benennen können.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 713 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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