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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 03.04.2008
Aktenzeichen: 1 U 106/07
Rechtsgebiete: VOB/B


Vorschriften:

VOB/B § 2 Nr. 3 Abs. 2
1. Ändert ein Unternehmer eine ihm vorgegebene Leistungsposition, wonach bei der Dämmung von Heizungsrohren keine gesonderte Vergütung der benötigten Formteile erfolgen soll, mit seinem Angebot dahin ab, dass je 10 Meter Rohr jeweils nur ein Formteil eingeschlossen ist und im Übrigen eine Vergütung der Formteile nach Stückzahlen verlangt wird, und nimmt der Auftraggeber dieses Angebot an, so besteht im Falle der Überschreitung der Inklusive-Stückzahlen ein Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B. Hierfür ist es unerheblich, ob der Vertrag im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens geschlossen wurde.

2. Zur Auslegung eines Angebots (hier: Änderung von Leistungspositionen durch das Begleitschreiben).


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 106/07 OLG Naumburg

Verkündet am 3. April 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Wiedemann, den Richter am Oberlandesgericht Grimm und die Richterin am Oberlandesgericht Engelhard auf die mündliche Verhandlung

vom 27. März 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 6. November 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Stendal, 23 O 767/05, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 39.368,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 3. Juli 2005 sowie weitere 591,30 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Klägerin zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4 zu tragen; diejenigen der Berufungsinstanz fallen der Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden bzw. des tatsächlich vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000 EUR.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten als Rechtsnachfolgerin des früheren öffentlichen Trägers des Kreiskrankenhauses B. , des Landkreises J. , restlichen Werklohn für Dämmungsarbeiten.

Der Landkreis J. hatte im Jahre 2002 den Umbau und die Sanierung des Hauses B des Kreiskrankenhauses losweise nach Gewerken öffentlich ausgeschrieben. Nach einer vollständigen Erneuerung des Heizungs- und Lüftungssystems im Hause sollte die Dämmung dieses Systems erfolgen. Hierzu hatte die technische Beraterin des Landkreises, die Streitverkündete L. Ingenieurgesellschaft mbH, ein Leistungsverzeichnis erstellt, welches die durchzuführenden Dämmungsarbeiten überwiegend lediglich funktional nach der Länge der zu dämmenden Rohre und ohne Vereinzelung der hierfür benötigten Formteile (Bögen, Passstücke, Stutzen, Abdeckungen, Kappen, Abflachungen, Endstellen usw.) beschrieb. Für alle zu dämmenden Rohre mit einem Innendurchmesser bis einschließlich DN 100 sollten die Preise für Formteile in die Einheitspreise der Dämmungsmontage pro lfd. Meter Rohr eingerechnet werden. Den Verdingungsunterlagen waren keine Zeichnungen oder sonstige Planungsunterlagen des noch zu erstellenden Rohrsystems beigefügt; sie enthielten auch keinen Hinweis auf eine Einsichtsmöglichkeit in solche Unterlagen. Die Klägerin hat behauptet, dass sie trotz mehrfacher telefonischer Anfragen und einer schriftlichen Nachfrage nach solchen Unterlagen beim Landkreis keine entsprechenden Informationen bekommen habe.

Die Klägerin reichte im Vergabeverfahren das Angebot eines Einheitspreisvertrages in Höhe von nahezu 66.000 EUR ein. Im Anschreiben zum Angebot vom 2. Dezember 2002 teilte sie mit, dass sie "... bei den ausgeschriebenen LV-Positionen mit der Bemerkung "inklusive Zulagen" "... ein(en) Anteil von 10 % bezogen auf die Meter kalkuliert ..." habe. Auf dieses Angebot erteilte der Landkreis am 28. Februar 2003 den Zuschlag.

Während der Durchführung der Dämmungsarbeiten zeichnete sich ab, dass das Rohrsystem extrem verwinkelt erstellt worden war, weshalb z.T. eine sehr hohe Zahl von Formteilen benötigt wurden. Die Klägerin zeigte mit Nachtragsangebot vom 16. März 2004 die 10 % übersteigenden Mengen als Mehrleistungen vor deren Einsetzen an und bezifferte die hierfür geforderten Einheitspreise; der Landkreis verweigerte eine schriftliche Bestätigung dieses Nachtrages. Die Klägerin führte die Leistungen gleichwohl aus.

Unter dem 18. Februar 2005 legte die Klägerin ihre Schlussrechnung über einen Bruttoendbetrag in Höhe von 80.750,62 EUR. Der Landkreis prüfte diese Rechnung und brachte daran Korrekturen einiger Aufmaße sowohl zu Lasten als auch zu Gunsten der Klägerin an. In vier Nachtragspositionen (1.1.170 N bis 1.1.190 N sowie 2.1.030 N) legte er seiner Korrekturberechnung jeweils einen geringeren vereinbarten Einheitspreis zugrunde. In Gruppe 6 fügte er zu Gunsten der Klägerin diverse Rechnungspositionen ein, die in der Schlussrechnung der Klägerin nicht enthalten waren (Pos. 6.2.150 bis 6.2.180, Pos. 6.2.240 bis 6.2.280 und Pos. 6.2.340 bis 6.2.390). Er verweigerte gänzlich die Anerkennung und Bezahlung von Nachtragspositionen, die sich auf Mehrleistungen bei den Formteilen für Rohre bis einschließlich DN 100 bezogen. Wegen der Einzelheiten der ursprünglichen und der korrigierten Schlussrechnung wird auf die Anlagen K 1 (GA Bd. I Bl. 7 bis 22) sowie B 2 (GA Bd. I Bl. 157 bis 172) Bezug genommen. Insgesamt erhielt die Klägerin im Rahmen von Abschlagszahlungen sowie der Schlusszahlung im Februar 2005 einen Betrag von 36.116,95 EUR brutto.

Die Klägerin hat behauptet, dass alle in ihrer ursprünglichen Schlussrechnung enthaltenen Mengenangaben, Aufmaße und Einheitspreise zutreffend und insbesondere die zu ihren Lasten vorgenommenen Kürzungen unberechtigt gewesen seien. Zudem hat sie die Auffassung vertreten, dass sie zur Abrechnung von Mehrmengen hinsichtlich der verbauten Formteile für die Dämmung der Rohre bis einschließlich DN 100 berechtigt sei, soweit die eingesetzten Stückzahlen erheblich über der Marge von 10 %, d.h. von einem Formteil je 10 m Rohr, gelegen haben. Nachdem das Landgericht eine umfangreiche Beweisanordnung zur Aufklärung der der Abrechnung zugrunde liegenden Aufmaße erlassen hatte, hat die Klägerin zur Vermeidung einer in Teilen unwirtschaftlichen Beweisaufnahme die i.E. geringfügigen Abweichungen in einer Vielzahl von Positionen anerkannt und insoweit die Aufmaße in der korrigierten Schlussrechnung unstreitig gestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 6. Dezember 2006 (vgl. GA Bd. II Bl. 82 f) Bezug genommen. Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 9. Oktober 2007 hat die Klägerin auch die gekürzten Einheitspreise für die o.g. vier Positionen unstreitig gestellt (vgl. Protokoll der Sitzung, GA Bd. III Bl. 27, 31).

Die Klägerin hat zuletzt nach teilweiser Klagerücknahme in geringer Höhe die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 52.215,52 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes nach § 288 Abs. 2 BGB sowie zur weiteren Zahlung vorgerichtlicher Mahn- und Inkassokosten beantragt. Dem ist die Beklagte entgegen getreten.

Die Beklagte hat den Inhalt ihrer Korrekturen an der Schlussrechnung der Klägerin vorgetragen. Zu den vermeintlichen Mehrmengen an Formteilen hat sie die Auffassung vertreten, dass der Bauvertrag in den Leistungspositionen Rohrdämmung bei Rohren bis einschließlich DN 100 bereits alle Formteile erfasst, weshalb Mehrmengen nicht auftreten könnten und nicht zu vergüten seien. Hilfsweise hat sie das Fehlen einer schriftlichen Bestätigung des Nachtragsauftrags, wie u.a. in Ziffer 5 der Erläuterungen des Zuschlagsschreibens vom 28. Februar 2003 aufgeführt, eingewandt.

Wegen der weiteren widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht hat Beweis erhoben u.a. zu den streitig gebliebenen Aufmaßpositionen durch Aufforderung zur Vorlage der entsprechenden geordneten Aufmaßblätter (vgl. Kopien GA Bd. II Bl. 163 bis 228) und durch Vernehmung des Zeugen I. B. (vgl. Sitzungsprotokoll v. 5. Juni 2007, GA Bd. II Bl. 156 f.). Die Kammer hat darüber hinaus auch Beweis erhoben zum Umfang der Erkundigungsversuche und der Informationsmöglichkeiten der Klägerin während des Laufs der Angebotsfrist durch Vernehmung der Zeugen K. H. (Projektleiter der Klägerin), S. K. (Mitarbeiter der Beraterin, Rechnungsprüfung) und T. Sp. (Geschäftsführer der Beraterin, Bauleitung); insoweit wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls v. 9. Oktober 2007 (GA Bd. III Bl. 27 bis 31) verwiesen. Zur Vergütungspflicht der vermeintlichen Mehrleistungen hat die Kammer die Parteien persönlich angehört (vgl. Sitzungsprotokoll v. 17. Oktober 2006, GA Bd. I Bl. 50 f.) und ihnen rechtliche Hinweise erteilt (ebenda sowie Beschluss v. 21. November 2006 (GA Bd. I Bl. 73 bis 76).

Das Landgericht hat mit seinem am 6. November 2007 verkündeten Urteil der Klage teilweise in Höhe von 30.459,54 EUR stattgegeben. Es hat die Nachtragsforderungen der Klägerin wegen der Formteile dem Grunde und der Höhe nach aus § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B als gerechtfertigt angesehen und mit Ausnahme der Positionen 6.2.510 N bis 6.2.570 N, zu denen die Klägerin trotz Bestreitens nichts Näheres zum Aufmaß vorgetragen hatte, die Aufmaße der Klägerin als bewiesen erachtet. Vom Rechnungsbetrag hat die Kammer vereinbarte Rechnungsabzüge für eine Bauwesenversicherung, Bauwasser und Baustrom, ein Bauschild und den Gewährleistungseinbehalt abgesetzt. Hinsichtlich der geltend gemachten Verzugsschäden hat die Kammer unter Verweis auf die Schadensminderungspflicht der Klägerin nicht die Inkassokosten, statt dessen aber eine 6,5/10 Geschäftsgebühr für einen Rechtsanwalt zum Gegenstandswert des ausgeurteilten offenen Werklohnbetrages zugesprochen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 13. November 2007 zugestellte Urteil mit einem am 27. November 2007 beim Oberlandesgericht vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt; die Beklagte hat gegen das ihr am 7. November 2007 zugestellte Urteil mit einem am 29. November 2007 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Beide Parteien haben ihr Rechtsmittel jeweils innerhalb der ihnen bis zum 25. Januar 2008 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet.

Die Klägerin macht geltend, dass sich unter Berücksichtigung der Rechtsauffassungen der Kammer im angefochtenen Urteil bei zutreffender Berechnung ein um 10.944,26 EUR höherer Betrag ergäbe. Im Übrigen verteidigt sie das Urteil.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 10.944,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Juli 2007 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt darüber hinaus,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, dass nach dem Inhalt des Vertrages alle Formteile bereits von der vertraglichen Vergütung erfasst seien und deswegen für eine gesonderte Vergütung von Mehrleistungen kein Raum sei. Sie bezieht sich insoweit auf den Inhalt der Ausschreibung des Landkreises und verteidigt die Leistungsbeschreibung als vergabe- und vertragsrechtlich zulässig. Eine vom vorgegebenen Leistungsverzeichnis abweichende Auslegung des Angebots der Klägerin komme nicht in Betracht, weil dies wegen Änderung der Verdingungsunterlagen nach § 25 N. 1 Abs. 1 lit. b) i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A 2000 zum Ausschluss geführt hätte. Auf eine unklare Leistungsbeschreibung dürfe sich die Klägerin ohnehin nicht berufen, weil sie einer ihr vermeintlich obliegenden Erkundigungspflicht nicht genügt habe. Insoweit greift die Beklagte auch die Beweiswürdigung der Kammer als fehlerhaft an, weil das Gericht einen nach Schlusss der mündlichen Verhandlung angebotenen Zeugenbeweis nicht erhoben habe und selbst ohne dies keine ausreichenden Bemühungen der Klägerin um Erlangung von Akteneinsicht während der Angebotsphase nachgewiesen seien.

Der Senat hat am 27. März 2008 mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats von diesem Tage (vgl. GA Bd. III Bl. 158 f.) Bezug genommen.

II.

Beide Berufungen sind zulässig; insbesondere wurden sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Die Berufung der Klägerin hat auch in der Sache ganz überwiegend Erfolg; die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte weitere Werklohnansprüche aus der Abrechnung ihrer Dämmungsarbeiten beim Bauvorhaben "Umbau und Sanierung von Haus B" in den Jahren 2003 bis 2005 hat. Insbesondere steht der Klägerin auch eine weitere Vergütung für Mehrleistungen im Hinblick auf den Einsatz von Formteilen bei der Dämmung von Rohren bis DN 100 nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B zu. Bei der Berechnung des offenen Betrages sind teilweise sowohl bei der Bezeichnung der Positionen als auch bei der Bezifferung der Höhe der Einzelrechnungspositionen Fehler aufgetreten, zu deren Korrektur der Senat aus Gründen der Übersichtlichkeit eine eigene korrigierte Schlussrechnung erstellt hat.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht eine Verpflichtung zur Vergütung von Mehrleistungen nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B im Hinblick auf die Formteile für die Dämmung von Rohren bis einschließlich DN 100. Die hiervon betroffenen Rechnungspositionen sind auch in der Höhe, wie in der Schlussrechnung vom 18. Februar 2005 beziffert, begründet.

1.1. Ob der Einsatz von Formteilen zusätzliche Vergütungspflichten der Beklagten entstehen lässt oder nicht, hängt - wie die Prozessparteien erkannt haben - maßgeblich vom Inhalt des tatsächlich geschlossenen Vertrages ab. Wegen der bloßen Annahme des Angebots der Klägerin vom 2. Dezember 2002 durch den Landkreis mit dem Zuschlag vom 28. Februar 2003 ohne irgendwelche inhaltlichen Modifizierungen kommt es für den Vertragsinhalt maßgeblich auf den Inhalt dieses Angebots an. Danach erfassen die vertraglich vereinbarten Leistungen lediglich eine begrenzte Anzahl von Formteilen, nämlich je ein Stück pro 10 m zu dämmendes Rohr bis einschließlich DN 100.

Zwar wäre es nach dem ursprünglichen Leistungsverzeichnis des Landkreises für die Dämmung dieser Rohre für die Abrechnung nicht auf die Anzahl der Formteile angekommen, weil deren gesonderte Vergütung nicht vorgesehen war. Stattdessen beinhaltete das ursprüngliche Leistungsverzeichnis lediglich ein pauschales, mit der Vergütung der Montageleistungen als Komplettleistungen abgegoltenes Entgelt. Das Vergütungsrisiko bei einem hohen Bedarf an Formteilen hätte bei der jeweiligen Auftragnehmerin gelegen, die sich hierauf unverändert eingelassen hätte.

Dem gegenüber beinhaltete das Angebot der Klägerin vom 2. Dezember 2002 jedoch eine Abweichung im Sinne der vorgenannten Einschränkung. Das Angebot ist einer Auslegung zugänglich, wobei für die Auslegung nach §§ 133 und 157 BGB ein objektiver Maßstab und nicht etwa das damalige Verständnis des Landkreises anzulegen ist. In die Auslegung eines Angebotes sind sämtliche Erklärungen der Klägerin, neben dem ausgefüllten Leistungsverzeichnis insbesondere auch das Anschreiben zum Angebot vom selben Tage, sowie die näheren Umstände des Zustandekommens des Angebotes zu berücksichtigen.

Der Senat folgt der Beklagten noch darin, dass der Wortlaut der Einschränkung im Anschreiben für ihren Rechtsvorgänger nicht eindeutig gewesen sein mag.

Hinsichtlich des Erklärungsinhalts der Wendung "... Žinklusive ZulagenŽ ... ein Anteil von 10 % bezogen auf die Meter" ist auf das Verständnis eines fachkundigen Erklärungsempfängers abzustellen. In Fachkreisen ist sowohl eine pauschale Ausschreibung als auch ein pauschales Angebot von Kleinteilen und Zubehör, d.h. ohne Angabe von konkreten, vereinzelten Mengengerüsten, verbreitet, wie auch die hier vorliegende Ausschreibung des Landkreises sowie die Angaben des Zeugen Sp. zeigen. Zum Teil werden diese pauschalen Angaben zur Eingrenzung des Mengen- und Vergütungsrisikos des Auftragnehmers durch zusammenfassende Stückzahlen oder durch Angabe von Prozentsätzen zur Einsatzdichte ergänzt. Hiervon hat zwar die Beraterin des Landkreises bewusst abgesehen, wie sich aus den Angaben des Zeugen Sp. ergibt, gleichwohl war für sie, wie für jeden anderen fachkundigen Erklärungsempfänger, zu erkennen, dass die Mitteilung der Klägerin eben auf eine solche Ergänzung gerichtet war. Unter Berücksichtigung dieser Funktion war trotz der sprachlichen Ungenauigkeiten erkennbar, dass es um die Zahl der Formteile, hier als "Zulagen" bezeichnet, ging und dass die Bezifferung der Stückzahlen in Abhängigkeit von einer Längenangabe erfolgen sollte, welche mangels Alternativen sich wiederum nur auf die zu dämmenden Rohre beziehen konnte. Eine solche Wendung ist gerade auch bei der pauschalen Ausschreibung von Dämmungsformteilen üblich, wie u.a. die von der Klägerin vorgelegten Beispiele aus anderen Ausschreibungen zeigen und wie der erkennende Senat, dessen Mitglieder z.T. seit 1999 auch im Vergabesenat tätig sind, aus eigener Anschauung weiß.

Hinsichtlich des Erklärungswerts könnte die Mitteilung zwar auch auf eine bloße Offenlegung der eigenen, internen Kalkulationsgrundlagen ohne eine gewollte Auswirkung auf den Angebotsinhalt gerichtet gewesen sein. Für eine solche Abwertung dieser Mitteilung ist hier aber kein Raum. Die Klägerin hat die Mitteilung unaufgefordert und schriftlich und an hervorgehobener Stelle ihrer Angebotsunterlagen, nämlich im Anschreiben, auf welches der Blick des Empfängers naturgemäß zuerst gelenkt ist, von sich gegeben. Schon damit hat sie signalisiert, dass die Mitteilung von Bedeutung ist. Gleiches ergibt sich zudem aus dem Kontext des Anschreibens, dort insbesondere aus dem gesonderten Angebot eines unbedingten Preisnachlasses. Enthält ein Anschreiben neben Höflichkeitsformen nur zwei Aussagen, von denen eine - diejenige zum Nachlass - unschwer als untrennbarer Bestandteil einer verbindlichen, auf einen Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung zu erkennen ist, so liegt es fern, dass die andere Erklärung, die ihrem Inhalt nach nur als Vorbereitung eines Nachtragsangebots für den Fall der Mengenmehrung verstanden werden kann, völlig unverbindlich und bedeutungslos sein soll. Im vorliegenden Fall ist schließlich zu berücksichtigen, dass die Klägerin durch ihre wiederholten telefonischen Anfragen und eine schriftliche Nachfrage beim Landkreis während der Angebotsphase auch nach außen deutlich gemacht hat, dass ihr Informationen für eine seriöse Kalkulation ihres Angebotes fehlen. Konsequenterweise hat dieser eigene Anspruch an ihre Seriosität auch Ausdruck in ihrem Angebot gefunden. Dem steht hier nicht entgegen, dass sie damit ihr Angebot - bewusst oder unbewusst - der Gefahr des Ausschlusses im Vergabeverfahren ausgesetzt hat. Insbesondere die Aussage des Zeugen H. hat den Entscheidungskonflikt der Klägerin transparent gemacht: Einerseits fehlten der Klägerin aus ihrer Sicht kalkulationserhebliche Informationen, andererseits lief die Angebotsfrist ab. Die Klägerin hatte erkannt, dass ihr nach dem Inhalt des Leistungsverzeichnisses das Mengenrisiko vollständig übertragen werden sollte - dieses Risiko wollte sie nicht allein tragen. Weil eine konsensuale Konfliktlösung vor Ablauf der Angebotsfrist mangels Kontakt zu auskunftsfähigen Personen gescheitert war, unterbreitete die Klägerin eben dasjenige Angebot, zu dessen Konditionen sie zur Auftragsausführung bereit war.

1.2. Im Ergebnis der Sachaufklärung durch die Kammer steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass in den umstrittenen Nachtragspositionen Leistungen abgerechnet sind, die auf einer erheblichen Überschreitung des vertraglich vereinbarten Mengenansatzes an Formteilen beruhen.

Die in der Schlussrechnung vom 18. Februar 2005 aufgeführten Stückzahlen sind zutreffend. Dies ergibt sich hinsichtlich der Positionen 1.1.100 N bis 1.1.160 N, 2.4.130 N bis 2.4.160 N und 2.5.120 N bis 2.5.150 N aus der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme. Die vorgelegten Aufmaßblätter, deren Inhalt die Beklagte nach Vorlage auch nicht substantiiert angegriffen hat, lassen im Zusammenhang mit den Angaben des Zeugen B. insbesondere zur Verfahrensweise bei der Aufmaßerstellung den Schluss auf die Richtigkeit der Mengenangaben in der Schlussrechnung zu. Soweit einige Aufmaßblätter zu Positionen der Gruppe 2, Titel 5, nicht mehr vom Bauleiter des Landkreises gegengezeichnet sind, wie ursprünglich vorgesehen, ist die von der Kammer vorgenommene Bewertung unter dem Eindruck der Aussage des Zeugen B. vertretbar; sie wird von der Beklagten mit ihrer Berufung auch nicht mehr angegriffen. Hinsichtlich der weiteren Nachtragspositionen 1.2.080 N, 2.2.320 N, 2.4.120 N, 2.5.230 N, 5.2.310 N, 5.2.320 N, 6.1.02 N, 6.1.040 N bis 6.1.080 N sowie 6.2.490 N und 6.2.500 N, die sich jeweils auf zusätzliche Formteile beziehen, hat die Beklagte die Mengenangaben nicht bestritten, auch nicht nach Erlass und Abänderung der erstinstanzlichen Beweisanordnungen, aus deren Einzelaufzählungen sich der Umfang der vom Gericht für beweiserheblich erachteten Rechnungspositionen eindeutig ergeben hat.

Diese Stückzahlen liegen jeweils erheblich über einem Anteil von 10 % der Bezifferung der lfd. Meter zu dämmendes Rohr, die sich aus den korrespondierenden Leistungspositionen 1.1.020 bis 1.1.090, 1.2.030 bis 1.2.070, 2.2.030 bis 2.2.180, 2.5.110 N, 3.1.030 bis 3.1.070, 5.2.010 bis 5.2.240, 6.1.010, 6.1.030 N sowie 6.2.010 bis 6.2.320 ergeben.

1.3. Die Klägerin hat die Notwendigkeit der Verwendung von Mehrmengen an Formteilen dem Landkreis gegenüber auch angezeigt, und zwar nach ihrem unbestritten gebliebenen Vortrag vor Beginn der Ausführung dieser Arbeiten. Sie hat ein auf eine Nachtragsvereinbarung gerichtetes schriftliches Angebot einschließlich Einheitspreisangaben unterbreitet. Dass der Landkreis dieses Angebot nicht schriftlich angenommen hat, ist hier nach dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB unbeachtlich, weil der Beklagten nach Treu und Glauben die Annahme des konkreten Nachtragsangebots oblegen hätte. Bei den Stückzahlen der Formteile für Rohre bis einschließlich DN 100 handelt es sich, wie vorausgeführt, um Teilleistungen, für die letztlich durch die Erklärung der Klägerin in ihrem Anschreiben vom 2. Dezember 2002 jeweils ein Vordersatz bestimmbar war, so dass § 2 Nr. 3 VOB/B anwendbar war. Die Voraussetzungen für eine Vergütungsanspassung liegen vor. Die Beklagte hat die Ortsüblichkeit der von der Klägerin verlangten Vergütungsanpassung nicht bestritten.

1.4. Die Klägerin hat schließlich die Höhe der Gesamtpreise der vorgenannten Nachtragspositionen rechnerisch richtig ermittelt.

Die Kammer hat in ihrer angefochtenen Entscheidung zum Teil mit anderen Beträgen gerechnet, ohne dass hierfür aus der Entscheidung noch sonst eine Begründung ersichtlich ist. So hat sie in Gruppe 1, Titel 1 zwar die Position 1.1.100 N (netto 970,00 EUR) bei der Berechnung nicht erwähnt und offensichtlich auch rechnerisch nicht berücksichtigt, in der Zusammenfassung der Positionen 1.1.110 N bis 1.1.190 N jedoch statt netto 5.025,00 EUR mit 5.915,00 EUR gerechnet, was die Summe der genannten Positionen um 890,00 EUR überschreitet, die Summe aller in diesem Titel streitigen Positionen (1.1.100 N bis 1.1.190 N) aber unterschreitet. Bei den Zulagen-Positionen in Gruppe 2, Titel 4 hat sie zwar die Position 2.4.120 N nicht genannt, betragsmäßig aber den weiteren Zulagen-Positionen 2.4.130 N bis 2.4.260 N (netto 375,00 EUR) zugerechnet, indem sie hierfür 435,00 EUR netto angesetzt hat. Zutreffend hat sie die Position 3.1.080 N mit dem Preis 0,00 EUR, wie in der Rechnung ausgewiesen, angesetzt; insoweit hat die Klägerin auch im Rechtsstreit nichts Abweichendes geltend gemacht. Schließlich hat die Kammer für die Position 6.2.500 N lediglich 4.026,60 EUR statt 4.926,60 EUR in Ansatz gebracht.

2. Die Abrechnung des Bauvertrags ist, wie folgt, zusammenzufassen:

 PositionenBetragAnmerkung
1.1.020 bis 1.1.0902.136,29nach der von der Klägerin insoweit anerkannten Korrektur der Schlussrechnung durch die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2006 (GA Bd. II Bl. 82 f.) - künftig: anerkannte Korrektur 1) -
1.1.100 N bis 1.1.160 N5.995,00nach Abschnitt II. 1. der Gründe dieses Urteils
1.1.170 N bis 1.1.190 N1.257,43nach der von der Klägerin insoweit anerkannten Korrektur der Schlussrechnung durch die Beklagte mit Protokollerklärung vom 9. Oktober 2007 (GA Bd. III Bl. 31) - künftig: anerkannte Korrektur. 2) -
1.2.030 bis 1.2.0704.368,33anerkannte Korrektur 1), von der Kammer ohne Begründung mit 4.959,17 EUR in Ansatz gebracht
1.2.080 N5.704,39nach Abschnitt II. 1. der Gründe dieses Urteils
1.2.090 N bis 1.2.100 N140,09unbeanstandete Rechnungspositionen
2.1.010 bis 2.1.0203.567,90unbeanstandete Rechnungspositionen
2.1.030 N1.434,84anerkannte Korrektur 2)
2.2.030 bis 2.2.1802.235,38unbeanstandete Rechnungspositionen
2.2.320 N128,24nach Abschnitt II. 1. der Gründe dieses Urteils
2.4.020 bis 2.4.100465,380,01 EUR mehr als abgerechnet wegen eines Rechenfehlers, im Übrigen unbeanstandete Rechnungspositionen
2.4.120 N bis 2.4.160 N435,00nach Abschnitt II. 1. der Gründe dieses Urteils
2.5.110 N409,96unbeanstandete Rechnungsposition
2.5.120 N bis 2.5.150 N830,00nach Abschnitt II. 1. der Gründe dieses Urteils
2.5.160 N bis 2.5.220 N693,92unbeanstandete Rechnungspositionen
2.5.230 N73,44nach Abschnitt II. 1. der Gründe dieses Urteils
3.1.030 bis 3.1.0702.959,20anerkannte Korrektur zu Gunsten der Klägerin
3.1.080 N0,00nicht entscheidungserheblich
5.2.010 bis 5.2.2404.746,04anerkannte Korrektur 1)
5.2.310 N bis 5.2.320 N14.052,82nach Abschnitt II. 1. der Gründe dieses Urteils
5.2.330 N bis 5.2.340 N1.182,86anerkannte Korrektur 1)
6.1.01070,20unbeanstandete Rechnungsposition
6.1.020 N16,03nach Abschnitt II. 1. der Gründe dieses Urteils
6.1.030 N223,56anerkannte Korrektur 1)
6.1.040 N bis 6.1.080 N630,00nach Abschnitt II. 1. der Gründe dieses Urteils
6.2.010 bis 6.2.3203.671,60anerkannte Korrektur zu Gunsten der Klägerin
6.2.150 bis 6.2.180, 6.2.240 bis 6.2.260 u. 6.2.340 bis 6.2.3901.276,25hilfsweise zu Eigen gemachte Korrekturen zu Gunsten der Klägerin
6.2.490 N3.483,09nach Abschnitt II. 1. der Gründe dieses Urteils
6.2.500 N4.926,60nach Abschnitt II. 1. der Gründe dieses Urteils
6.2.510 N bis 6.2.570 N487,43unbeanstandete Rechnungspositionen
Summe netto69.635,27 
 - 2.089,06abzüglich Nachlass von 3 % vom Rechnungsbetrag
Zwischensumme67.546,21 
 - 168,86abzüglich 0,25 % von 67.546,21 EUR Bauwesenversicherung
 - 202,64abzüglich 0,30 % von 67.546,21 EUR Bauwasser und Baustrom
 -75,00abzüglich Bauschild (netto)
 - 2.026,38abzüglich 3 % von 67.546,21 EUR Gewährleistungseinbehalt
Endbetrag netto65.073,33 
 + 10.411,73zzgl. 16 % Mehrwertsteuer
Endbetrag brutto75.485,06 
 - 3.498,00; - 6.089,42; - 18.891,89; - 7.637,64abzgl. Abschlagszahlungen brutto; abzgl. Schlusszahlung brutto
Restwerklohn39.368,11

Die Klage ist danach hinsichtlich der Hauptforderung insgesamt in Höhe von 39.368,11 EUR begründet.

3. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Erstattung der Verzugsschäden nach §§ 280 Abs. 2, 286 und 288 Abs. 2 BGB. Der Senat hat lediglich die Verzinsungspflicht auf die insgesamt zugesprochene Hauptforderung erstreckt und hinsichtlich der ersatzfähigen Inkassokosten, nämlich in Höhe ersparter außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten, den o.g. Betrag der offenen Hauptforderung als Gegenstandswert für die Berechnung der anwaltlichen Gebühren eingesetzt, weshalb sich insoweit ein Betrag in Höhe von 586,30 EUR ergibt, der zusammen mit den vorgerichtlichen Mahnkosten von 5,00 EUR den Betrag im Urteilsausspruch ergibt.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf §§ 92 Abs. 1, Abs. 2 und 97 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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