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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 17.05.2002
Aktenzeichen: 1 U 107/00
Rechtsgebiete: BLG, ZPO, BGB, BauGB, WertV 1988, EGZPO


Vorschriften:

BLG § 26
BLG § 26 Abs. 1 bis 6
BLG § 26 Abs. 3 S. 1
BLG § 26 Abs. 3 S. 2
BLG § 26 Abs. 3 S. 3
BLG § 91
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 287
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1 n.F.
ZPO § 544 Abs. 1 S. 1 n.F.
ZPO § 543
ZPO § 543 Abs. 2 n.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711 S. 1
BGB § 249
BGB § 249 S. 1
BGB § 251
BGB § 251 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1 a.F.
BGB § 284 Abs. 1
BauGB § 194
WertV 1988 § 7
WertV 1988 §§ 21 ff.
WertV 1988 §§ 13 ff.
WertV 1988 §§ 15 ff.
WertV 1988 § 25
EGZPO § 26 Nrn. 7 u. 8
Zur Ermittlung des fiktiven Verkehrswertes eines Grundstücks, dessen bauliche Anlagen nahezu vierzig Jahre zuvor zerstört worden sind.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 107/00

verkündet am: 17.05.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink und die Richter am Oberlandesgericht Geib und Wiedemann auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18. Oktober 2000 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg, 8 O 1731/96, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 142.302,75 EUR (= 278.320,00 DM) nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 21. März 1996 abzüglich am 03. Mai 1999 gezahlter weiterer 59.391,66 EUR (= 116.160,00 DM) zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben die Klägerin zu 65 % und die Beklagte zu 35 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 135.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer beider Parteien übersteigt jeweils 20.000 EUR.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Ersatz von Belegungsschäden geltend, die die Truppen der sowjetischen Armee auf einem Grundstück in H. im Zeitraum von Herbst 1945 bis Frühjahr 1946 verursacht haben sollen. Im vorliegenden Berufungsverfahren ist nur noch die Höhe dieser Ansprüche streitig; die Beklagte hat die Verurteilung zur Entschädigungsleistung an die Klägerin dem Grunde nach sowie insgesamt zur Höhe von 120.000,00 DM hingenommen.

Die Klägerin ist inzwischen durch Rückübertragung Alleineigentümerin des in der Gemarkung H. , Flur 20, Flurstück 22 belegenen Grundstücks zu einer Größe von 5.120 qm geworden. Das Grundstück, welches im Grundbuch von H. , Blatt 3427, eingetragen ist, liegt im Außenbereich der Stadt H. in einem Waldstück und war bis 1946 mit einer Ausflugsgaststätte, dem Kurhaus "In den T. ", sowie diversen Nebengebäuden bebaut. Das Grundstück wurde neben dem Kurbetrieb (Gaststätte und Beherbergung) auch als Wohnstätte der Familie der Klägerin genutzt. Zwischen den Parteien des Rechtsstreits ist streitig, ob die Haupt- und Nebengebäude bis zum Einzug der sowjetischen Besatzungstruppen in H. am 01. Juli 1945 den Krieg unbeschädigt überstanden hatten und ob die Gebäude und Baulichkeiten nach der Besetzung durch die sowjetischen Streitkräfte spätestens bis zum 01. August 1945 durch Plünderungen der einheimischen Bevölkerung beschädigt wurden. Im Jahre 1946 rissen die sowjetischen Streitkräfte sämtliche Gebäude und Baulichkeiten auf dem Grundstück ab und richteten später auf diesem Terrain einen Truppenschießplatz ein.

Im Jahre 1994 räumte die Westgruppe der russischen Streitkräfte das Grundstück. Die Rückgabe des Grundstücks durch das Bundesvermögensamt an die Klägerin erfolgte zum 01. Dezember 1994. Das Grundstück war zu diesem Zeitpunkt unbebaut; das heutige Waldstück "T. " ist ein Landschaftsschutzgebiet.

Die Klägerin meldete bei der Oberfinanzdirektion des Landes Sachsen-Anhalt in Magdeburg (künftig: OFD) Ersatzansprüche wegen der durch die sowjetischen Streitkräfte verursachten Grundstücksschäden an. Die OFD erstellte ein behördeninternes Gutachten vom 04. April 1995 (künftig: Gutachen Kl. , vgl. GA Anlagenbd. Anlage 12), wonach der sog. Belegungsschaden ca. 118.000,00 DM betragen sollte. Dieser Betrag setzt sich aus dem fiktiven Gebäudesachwert in Höhe von ca. 108.000,00 DM und den geschätzten Abriss- und Bauschutt-Verbringungskosten in Höhe von ca. 10.000,00 DM zusammen. Dem gegenüber reichte die Klägerin ein Privatgutachen des Sachverständigen Dipl.-Ing. C. - M. Kr. vom 03. Dezember 1995 ein (künftig: Gutachten Kr. ; vgl. GA Anlagenbd., Anlage 17), wonach der fiktive Verkehrswert des Bodens 128.000,00 DM (gegenüber dem tatsächlichen Sachwert von 3.840,00 DM) und der fiktive Sachwert der Gebäude und Außenanlagen ca. 736.000,00 DM betrage; zudem ist im Gutachen Kr. eine - ebenfalls fiktive - Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit vom 03. Oktober 1990 bis zum 01. Dezember 1994 in Höhe von ca. 196.000,00 DM ausgewiesen.

Inzwischen hatten die Parteien Kenntnis von dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes vom 08. Dezember 1994, III ZR 105/93 (BGHZ 128, 140 ff.), erlangt, wonach Belegungsschäden, die von den sowjetischen Streitkräften in der Zeit vor dem 03. Oktober 1990 verursacht worden sind, grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind. Das Bundesministerium der Finanzen erklärte sich in einem Erlass vom 12. Juli 1995, VI B 3 - VV 0202 - 6/95 - und VI B 3 - VV 0206 - 54/95 -, gleichwohl damit einverstanden, dass die bisherige Entschädigungspraxis bei der Abgeltung von Belegungsschäden fortgesetzt werde, um auf diese Weise Härten zu vermeiden. In dem Erlass sind die Grundsätze der künftigen Entschädigungspraxis geregelt, u.a. heißt es darin:

"1. Die Bestimmungen des Art. 4 GAAV (=Zustimmungsgesetz zum Aufenthalts- und Abzugsvertrag) sind analog anzuwenden.

2. Von einer Entschädigung nach dieser Richtlinie bleiben ausgeschlossen Schäden - die vor dem 1. August 1945 entstanden sind (Kriegsschäden in Anlehnung an das Besatzungsschädenabgeltungsgesetz),

...

3. Der finanzielle Ausgleich für die während der Zeit der Inanspruchnahme entstandenen Schäden an den Grundstücken ist nach Maßgabe der Regelungen der Ersatzleistungen in den Abs. 1 bis 6 des § 26 und in den Abs. 1 bis 3 des § 91 des Bundesleistungsgesetzes zu bemessen.

Nicht auszugleichen sind

- der Verlust oder die Beschädigung beweglicher Sachen,

- Kreditkosten,

- Wert- oder Verzugszinsen u.ä.

- Aufwendungen, die den Eigentümern durch die Beauftragung eines Sachverständigen entstehen, soweit der Auftrag nicht im Einvernehmen mit der Oberfinanzdirektion erfolgt oder erfolgt ist.

4. ... Für die Feststellung der während der Inanspruchnahme eingetretenen Schäden sind die tatsächlichen Schadensverhältnisse zum Zeitpunkt der Freigabe der Grundstücke maßgebend, wobei - wie bisher - nicht zwischen Alt- und Neuschäden zu unterscheiden ist.

..."

Die OFD setzte mit Bescheid vom 13. März 1996, Az. VV 7300-Ma 19-Bv 311, der Klägerin zugestellt am 21. März 1996, die der Klägerin nach dem vorerwähnten Erlass des Bundesfinanzministeriums zustehende Entschädigung auf insgesamt 4.040,00 DM fest (vgl. GA Anlagenbd., Anlage 1). Dieser Gesamtbetrag beinhaltete einerseits einen Teilbetrag von 3.840,00 DM für den Abbruch der Fundamente und die Entfernung des Bauschuttes, wobei die OFD unter Berufung auf § 26 Abs. 3 des Bundesleistungsgesetzes - BLG - davon ausging, dass die Ersatzleistung insoweit durch den derzeitigen Verkehrswert des Grundstücks begrenzt sei; hinsichtlich des derzeitigen Verkehrswertes des Grundstücks folgte die OFD dem Gutachten Kr. . Andererseits legte die OFD eine Besitzeinweisungsentschädigung für die Zeit vom 03. Oktober 1990 bis zum 01. Dezember 1994 in Höhe von 200,00 DM zugrunde. Der o.g. Gesamtbetrag wurde an die Klägerin am 13. März 1996 ausgezahlt.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer seit dem 14. April 1998 rechtshängigen Klage einen weiter gehenden Entschädigungsanspruch, zunächst auf der Grundlage des Gutachtens Kr. .

Das Landgericht Magdeburg hat durch Zwischenurteil vom 20. Mai 1998 (vgl. GA Bd. II Bl. 2 bis 6) die Zulässigkeit dieser Klage festgestellt. Die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung hat der erkennende Senat mit seinem Urteil vom 10. November 1998, 1 U 181/98 (vgl. GA Bd. II Bl. 60 bis 72), zurückgewiesen.

Das Landgericht Magdeburg hat im weiteren Verlaufe des Rechtsstreits Beweis erhoben über den Zustand des Grundstücks bei Besetzung durch die sowjetischen Streitkräfte im Sommer 1945 sowie über den Ablauf der Zerstörung der Gebäude und Baulichkeiten auf dem Grundstück durch Vernehmung der hierfür angebotenen Zeugen W. H. und H. R. (vgl. Sitzungsprotokoll vom 18. November 1998, GA Bd. II Bl. 121 bis 126) sowie durch Verwertung der Bauakte A 632 - "Acta der Polizei-Verwaltung der Stadt H. betreffend die baulichen Einrichtungen Kurhaus T. " - (künftig: Bauakte, vgl. Aktenordner) sowie der schriftlichen Erklärungen des W. H. vom 24. Mai 1996 (GA Bd. I Bl. 20) und des O. E. vom 18. Dezember 1995 (GA Anlagenbd., Anlage 22) und vom 19. Mai 1996 (GA Bd. I Bl. 21) im Wege des Urkundsbeweises.

Nachdem die Beklagte ein weiteres, von ihr außerhalb des Rechtsstreits eingeholtes Privatgutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. M. vom 11. März 1999 (künftig: Gutachten M. , vgl. GA Bd. II Bl. 163 bis 174) vorgelegt hatte, wonach der Verkehrswert des Grundstückes unter Anwendung des Ertragswertverfahrens auf 120.000,00 DM zu veranschlagen sei, zahlte sie am 03. Mai 1999 unter ausdrücklichem teilweisen Anerkenntnis der Klageforderung (vgl. Schriftsatz vom 22. März 1999, GA Bd. II Bl. 159 bis 162) einen weiteren Betrag von 116.160,00 DM an die Klägerin.

Das Landgericht Magdeburg hat weiter Beweis erhoben über den (fiktiven) Verkehrswert des Grundstücks ohne die Zerstörungen in den Jahren 1945 und 1946 durch Einholung eines gerichtlichen schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. A. vom 27. Oktober 1999 (künftig: Gutachen A. I, vgl. GA Bd. II Bl. 193 bis 233) sowie eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens des selben Sachverständigen vom 04. Mai 2000 (künftig: Gutachten A. II, vgl. GA Bd. II Bl. 271 bis 341). Diesen Gutachten liegt eine parallele Wertermittlung nach dem Sachwert-, dem Ertragswert- und (ergänzend) dem Vergleichswertverfahren zugrunde.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass der ihr entstandene sog. Belegungsschaden in Höhe des (fiktiven) Verkehrswertes des Grundstücks entstanden und dieser wiederum nach dem Sachwertverfahren zu ermitteln sei. Sie hat - unter Berücksichtigung der beiden gerichtlichen Gutachten - zuletzt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 860.000,00 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 01. März 1996 abzüglich der am 13. März 1996 gezahlten 3.840,00 DM sowie der am 03. Mai 1999 gezahlten 116.160,00 DM beantragt.

Die Beklagte ist der Klageforderung entgegen getreten, soweit sie über die bereits gezahlten 120.000,00 DM hinaus geht. Sie hat die Auffassung vertreten, dass zur Ermittlung des fiktiven Verkehrswertes des Grundstücks vom Ertragswertverfahren auszugehen sei. Dabei sei u.a. auch eine Wertminderung wegen des (fiktiven) DDR-typischen Reparaturstaus in der Zeit von 1945 bis 1994 zu berücksichtigen.

Mit seinem am 18. Oktober 2000 verkündeten Urteil hat das Landgericht Magdeburg die Entschädigungspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin dem Grunde nach festgestellt; insoweit hat die Beklagte das Urteil nicht angegriffen (vgl. Entscheidungsgründe, Abschnitt 1., S. 7 bis 11 UA, = GA Bd. III Bl. 57 bis 61). Zudem hat es darauf erkannt, dass die Belegungsschäden nur in Höhe von 240.000,00 DM (einschließlich der bereits geleisteten Zahlungen) nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 14. April 1998 zu ersetzen seien (vgl. Entscheidungsgründe, Abschnitt 2., S. 11 bis 17 UA, = GA Bd. III Bl. 61 bis 67), wobei es bei der Ermittlung des fiktiven Verkehrswertes des Grundstückes im Wesentlichen das Ertragswertverfahren zugrunde gelegt hat. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage als unbegründet abgewiesen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie auf die jeweils angegebenen Fundstellen in der Gerichtsakte Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F..

Die Klägerin hat das ihr am 24. Oktober 2000 zugestellte Urteil (vgl. GA Bd. III Bl. 69) mit einer am 20. November 2000 eingegangenen und zugleich begründeten Berufung (vgl. GA Bd. III Bl. 71) angegriffen; die Beklagte hat gegen das ihr am 30. Oktober 2000 zugestellte Urteil (GA Bd. III Bl. 70) mit einem am 29. November 2000 beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (vgl. GA Bd. III Bl. 96) und diese innerhalb der ihr bis zum 29. Januar 2001 verlängerten Berufungsbegründungsfrist (vgl. GA Bd. III Bl. 102) auch begründet (vgl. GA Bd. III Bl. 105).

Die Klägerin macht mit ihrer Berufung über den zuerkannten Entschädigungsbetrag hinaus gehende Forderungen geltend. Sie vertritt nach wie vor die Auffassung, dass zur Verkehrs-wertermittlung das Sachwertverfahren anzuwenden sei. Sie rügt die verfahrensfehlerhafte Anleitung des gerichtlichen Sachverständigen durch das erstinstanzliche Gericht und greift dessen Ausführungen zur Ermittlung des Ertragswertes sowie zur Anwendung der Vergleichswertmethode im Einzelnen an. Schließlich meint sie, dass die Beklagte bereits am 01. März 1996 mit der Entschädigungsleistung in Verzug geraten sei, wobei sie sich zur Begründung auf den Zeitpunkt des Zugangs des Bescheids der OFD vom 13. März 1996 (21. März 1996) und die diesem Bescheid zu entnehmende endgültige Ablehnung einer weiter gehenden Entschädigungszahlung bezieht.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des am 18. Oktober 2000 verkündeten Urteils des Landgerichts Magdeburg

die Beklagte zu verurteilen, an sie 860.000,00 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 01. März 1996 abzüglich am 13. März 1996 gezahlter 3.840,00 DM sowie weiterer am 03. Mai 1999 gezahlter 116.160,00 DM zu zahlen.

(Umstellung auf EUR, vgl. Schriftsatz vom 21. Januar 2002, GA Bd. IV Bl. 67).

Die Beklagte beantragt insoweit,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte greift mit ihrer eigenen Berufung das erstinstanzliche Urteil an, soweit sie zu einer über die bereits geleisteten Zahlung von 120.000,00 DM hinaus gehenden Entschädigungsleistung verurteilt wurde, soweit das Landgericht die Zahlung der Beklagten vor Anhängigkeit des Rechtsstreits nicht als Erfüllung und die Zahlung der Beklagten nach Rechtshängigkeit des Rechtsstreits nicht als erledigendes Ereignis bewertet habe.

Sie verteidigt die Anwendung des Ertragswertverfahrens zur Verkehrswertermittlung als sachgerecht, rügt jedoch die unterlassene Berücksichtigung einer Wertminderung wegen eines Reparaturstaus als unrealistische Annahme des erstinstanzlichen Gerichts. Im Übrigen greift sie die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zur Sachwertermittlung an.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des am 18. Oktober 2000 verkündeten Urteils des Landgerichts Magdeburg festzustellen, dass der Rechtsstreit in Höhe von 116.160,00 DM in der Hauptsache erledigt ist, und im Übrigen die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Senat hat zur Frage des fiktiven Verkehrswertes des Grundstückes nach Maßgabe seines Beweisbeschlusses vom 25. Juni 2001 (GA Bd. III Bl. 148 bis 151) ein weiteres schriftliches Ergänzungsgutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dipl.-Ing. A. vom 13. September 2001 (künftig: Gutachten A. III; vgl. GA Bd. IV Bl. 1 bis 10) eingeholt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen beider Parteien des Rechtsstreits sind jeweils zulässig; insbesondere wurden sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Jedoch hat nur die Berufung der Klägerin, und auch diese nur teilweise im erkannten Umfange, in der Sache Erfolg.

Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Entschädigung für die Belegungsschäden ihres Grundstückes beläuft sich - unter Berücksichtigung der teilweisen Erfüllung dieses Anspruches vor gerichtlicher Geltendmachung in Höhe von 3.840,00 DM - auf weitere 278.320,00 DM; hierauf hat die Beklagte im Verlaufe des Rechtsstreits - den Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit teilweise erledigend - 116.160,00 DM gezahlt.

1. Der Umfang des Anspruches der Klägerin gegen die Beklagte auf Ersatz der sog. Belegungsschäden bestimmt sich letztlich als Wertersatz für die Minderung des Verkehrswertes ihres Grundstückes durch die Zerstörung der früheren Bausubstanz sowie als Erstattung der Kosten für den Abriss der Restfundamente und die Entsorgung des hieraus anfallenden Bauschutts.

1.1. Das Landgericht hat rechtskräftig darauf erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der sog. Belegungsschäden in analoger Anwendung von Art. 24 Abs. 1 des Aufenthalts- und Abzugsvertrages zwischen der Beklagten und der UdSSR vom 12. Oktober 1990 (BGBl. 1991, Teil II, S. 258 ff) i.V.m. Art. 4 § 7 des Ausführungsgesetzes zu diesem Vertrage vom 21. Dezember 1990 (BGBl. 1991, Teil II, S. 256 f.) gemäß Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 12. Juli 1995, VI B 3/VV 0202 - 6/95 -, hat.

Danach sind alle erstattungsfähigen Schäden "nach den Vorschriften und Grundsätzen des deutschen Rechts ..., die anwendbar wären, wenn unter sonst gleichen Umständen deutsche Streitkräfte für den Schaden verantwortlich wären, ..." zu ersetzen. Der Umfang des Schadenersatzes bestimmt sich mithin nach § 26 Abs. 1 bis 6 BLG (so auch der o.a. Erlass des Bundesfinanzministeriums, vgl. auch BGHZ 39, 40 ff.; BGH BB 1965, 728) bzw. nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, insbesondere nach den §§ 249 und 251 BGB (vgl. BGHZ 122, 363; BGHR BGB § 839 Stationierungsstreitkräfte 1 <Gründe>).

1.2. Eine Naturalrestitution in Gestalt der Wiedererrichtung der zerstörten Gebäude und Baulichkeiten, die sowohl nach § 26 Abs. 3 S. 1 BLG als auch nach § 249 S. 1 BGB grundsätzlich Vorrang vor einem Ausgleich der durch den Vollabriss entstandenen Vermögensschäden hätte, ist unmöglich. Dies ergibt sich insbesondere im Hinblick auf die Ausweisung des gesamten Gebietes als Landschaftsschutzgebiet, die rechtlich eine Neubebauung des Grundstücks der Klägerin dauerhaft ausschließt. Zudem waren die zerstörten Bauwerke in Form und Ausstattung maßgeblich vom Baustil der Zeit ihrer Errichtung um die Jahrhundertwende (1899/1900) sowie ihres Aus- und Umbaus (vor allem in den Jahren 1913 und 1934) geprägt, so dass auch aus diesem Grunde der frühere Zustand, wirtschaftlich gesehen, nicht mehr wiederherstellbar ist (vgl. BGH BB 1965, 278 zu § 26 Abs. 3 BLG sowie BGH NJW 1988, 1835; NJW 1992, 2884 jeweils zu § 249 BGB).

In diesem Falle ist sowohl nach § 26 Abs. 1 und 3 S. 2 BLG als auch nach § 251 Abs. 1 BGB Wertersatz in Geld zu leisten.

1.3. Die durch die sowjetischen bzw. russischen Streitkräfte verursachten Schäden, für die Wertersatz von der Beklagten zu leisten ist, schlagen sich vor allem in der Minderung des Verkehrswertes des Grundstücks nieder, mithin in der Differenz zwischen dem fiktiven Verkehrswert des Grundstücks im Falle einer Rückgabe an die Klägerin im unveränderten Zustand (künftig: fiktiver Verkehrswert) und dem tatsächlichen Verkehrswert des Grundstücks (vgl. nur Heinrichs in: Palandt, 61. Aufl. 2002, § 251 Rn. 10 m.w.N.).

Der Verkehrswert des Grundstücks bestimmt sich wiederum durch den Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und Lage des Grundstücks ohne Rücksicht auf ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre, § 194 BauGB. Insbesondere fließen persönliche Erinnerungs- und Gefühlswerte hier nicht in die Verkehrswertermittlung ein.

Die Bundesregierung hat, hierzu ermächtigt durch den Bundesgesetzgeber (vgl. § 199 Abs. 1 BauGB), mit der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken - Wertermittlungsverordnung - vom 06. Dezember 1988 (WertV 1988; BGBl. Teil I, 2209 ff.) allgemein gültige, auch für die vorliegende Verkehrswertermittlung grundsätzlich anwendbare Bewertungsverfahren normiert.

Die Bewertungen des derzeitigen wie auch des fiktiven Verkehrswertes des Grundstückes sind dabei jeweils auf den Zeitpunkt der Rückgabe des Grundstücks am 01. Dezember 1994 zu beziehen (sog. Wertermittlungsstichtag, § 3 Abs. 1 S. 1 WertV 1988).

2. Hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen der Wertermittlung folgt der Senat nach eigener umfangreicher Prüfung und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der erstinstanzlichen Beweisaufnahme zunächst den zutreffenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen im Gutachten A. II.

Danach war das Grundstück zum Zeitpunkt seiner Besetzung durch die sowjetischen Streitkräfte bis zum 01. August 1945 mit einem teilweise unterkellerten Hauptgebäude (Kurhaus) mit Erd- und Obergeschoss sowie mit Anbauten einer Wohnung, mehrerer Gästezimmer, mehrerer Toiletten, Stallungen inklusive Futterküche und Futterdämpfanlage, mit zwei Veranda-Flügeln, mit einem Saal und mit einem gesonderten Stallgebäude bebaut. Hinsichtlich der konkreten Ausmaße dieser Gebäude und Baulichkeiten nimmt der Senat auf das Zahlenwerk des gerichtlichen Sachverständigen im Gutachten A. II und - auf Vorhalt des Senats teilweise korrigiert und ergänzt - im Gutachten A. III Bezug. Die sachliche Richtigkeit der tatsächlichen Grundlagen der beiden vorgenannten Gutachten ergibt sich aus der o.g. Bauakte, die neben den entsprechenden Bauplänen auch Vermerke über deren Realisierung enthält bzw. aus späteren Bauplänen Rückschlüsse auf ausgeführte Bauvorhaben zulässt.

Nicht zu berücksichtigen war der geplante komplette Neubau des Hauptgebäudes entsprechend der Planungsunterlagen vom 10. Mai 1913 sowie der geplante Bau des Heilerde-Gebäudes entsprechend der Planungsunterlagen vom 12. März 1937, weil sich insoweit keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass diese Bauvorhaben tatsächlich wie geplant ausgeführt worden sind. Vielmehr sprechen sowohl die Pläne von 1934 und 1941 als auch die Vermerke der baupolizeilichen Verwaltung vom 18. September 1937 und vom 08. Februar 1938 in der Bauakte gegen eine jeweilige Bauausführung. Letztlich konnte die Klägerin die jeweiligen Bauausführungen jedenfalls nicht beweisen. Ihr obliegt es aber, den Nachweis über den ursprünglichen Zustand des Grundstücks zum 01. August 1945 zu führen.

Der Senat hat bei seiner Bewertung auch solche Baulichkeiten unberücksichtigt gelassen, die im letzten Lageplan der Bauakte vom 14. August 1941 nur als gestrichelte Umrisse erscheinen bzw. deren Existenz die Klägerin pauschal behauptet hat. Unabhängig davon, ob diese Baulichkeiten tatsächlich vorhanden waren oder nicht, fehlen jedenfalls jegliche nähere Kenntnisse über die Größe, Art, Konstruktion, technischen Zustand, Ausstattung und Erschließungsgrad dieser Baulichkeiten, so dass eine seriöse Bewertung ihrer Bausubstanz auch mit sachverständiger Hilfe nicht möglich ist. Die Bauakte enthält keine weiteren Planungsunterlagen u.ä.; die von der Klägerin benannten Zeugen O. E. und W. H. haben in ihren schriftlichen bzw. mündlichen Bekundungen erkennen lassen, dass sie allenfalls allgemeine, für eine Bauberechnung unergiebige Angaben zur Grundstücksbebauung machen können.

Zum 01. August 1945 waren die o.g. Gebäude bewohnbar bzw. bewirtschaftbar; das Grundstück wurde auch von der Familie der Klägerin bewohnt, überwiegend jedoch gewerblich genutzt. Dies ergibt sich aus den zutreffenden und durch das beiderseitige Berufungsvorbringen der Parteien des Rechtsstreits nicht entkräfteten Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts, die wiederum vor allem auf den Angaben der Zeugen W. H. und H. R. beruhen. Der Senat geht weiter davon aus, dass die einzeln stehende Stallanlage an der Ostgrenze des Grundstücks sowie die - am Hauptgebäude angebaute - Stallanlage nördlich des Saales zum 01. August 1945 wirtschaftlich bereits abgängig gewesen sind, so dass sie für die Ermittlung des fiktiven Verkehrswertes des Grundstücks zum 01. Dezember 1994 nicht mehr zu berücksichtigen waren. Diese Feststellung beruht auf den nachvollziehbaren und von den Parteien des Rechtsstreits zuletzt auch nicht mehr angegriffenen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen A. in seinen Gutachten A. II und A. III, die sich im Ergebnis im Übrigen auch mit den Feststellungen des Gutachtens M. in dieser Frage decken (vgl. S. 11, GA Bd. II Bl. 173).

Die Plünderungen des Grundstückes durch die deutsche Zivilbevölkerung setzten erst nach der Besetzung des Grundstücks durch die sowjetischen Streitkräfte ein und fanden etwa Ende August bzw. im September 1945 statt. Sie wurden von den Besatzungsstreitkräften zumindest geduldet, ggfs. im Hinblick auf den im Frühjahr 1946 ohnehin durchgeführten Totalabriss der Bausubstanz. Auch insoweit folgt der Senat den zutreffenden, insbesondere auf der Würdigung der Angaben der o.g. Zeugen beruhenden Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts. In der Berufungsinstanz waren insoweit keine neuen Erkenntnisse zu gewinnen.

3. Den fiktiven Verkehrswert dieses Grundstückes zum 01. Dezember 1994 schätzt der Senat unter Zugrundelegung der Maßstäbe der WertV 1988 nach § 287 ZPO auf 276.000,00 DM.

3.1. Als Ausgangspunkt der Wertermittlung steht dem Senat hier nur das sog. Sachwertverfahren i.S.v. §§ 7, 21 ff. WertV 1988 zur Verfügung.

Der Senat hat die nach § 7 WertV 1988 in Betracht kommenden Wertermittlungsverfahren unabhängig voneinander darauf geprüft, inwieweit sie für die Bewertung des fiktiven Verkehrswertes des Grundstückes der Klägerin geeignet erscheinen. Danach waren das sog. Vergleichswertverfahren und das sog. Ertragswertverfahren als ungeeignet auszuschließen.

3.1.1. Die Anwendbarkeit des Vergleichswertverfahrens i.S.v. §§ 7, 13 f. WertV 1988 ist hier allein auf die Ermittlung des Bodenwertes beschränkt, weil tatsächlich vergleichbare Grundstücke, wie das fiktive Grundstück der Klägerin, weder von den Parteien noch vom Sachverständigen gefunden werden konnten.

Der gerichtliche Sachverständige hat, wie im Übrigen auch die Privatsachverständigen der Parteien, kein einziges Grundstück für die überwiegende Nutzung als Ausflugsgaststätte und für einen Kurbetrieb gefunden, welches mit dem fiktiven Grundstück der Klägerin vergleichbar wäre (vgl. insbesondere Gutachten A. II, Seite 10, GA Bd. II Bl. 280). Soweit der gerichtliche Sachverständige im Gutachten A. I (dort insbesondere S. 14 bis 16, vgl. GA Bd. II Bl. 207 bis 209) die Kaufpreise von vergleichbar großen Resthöfen im Landkreis Wolfenbüttel heranzieht, geschieht dies ausdrücklich unter der Einschränkung, dass diese Werte nur für eine fiktive Nutzung als Bauland im Außenbereich zur Wohnbebauung aussagekräftig sind. Eine direkte Ableitung des fiktiven Verkehrswertes des fiktiven Grundstücks der Klägerin ist nicht sachgerecht.

Entgegen der Auffassung der Klägerin erachtet der Senat - insoweit den sachkundigen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen folgend (Gutachten A. II, Seite 10 f.; GA Bd. II Bl. 280 f.) - das Objekt "S. " an der Bundesfernverkehrsstraße B 79 zwischen Wolfenbüttel und Braunschweig nicht für vergleichbar hinsichtlich der Lage inmitten des Naherholungsgebiets Lechlumer Holz mit vielen Wanderwegen einschließlich der gleichwohl günstigen Verkehrsanbindung, des - im Vergleich zum streitgegenständlichen Grundstücks größeren - Einzugsbereiches und des baulichen Zustandes im Hinblick auf umfangreiche Sanierungen in den 80er und 90er Jahren.

Ebenso ist das von der Klägerin benannte Objekt "Waldgaststätte O. " nicht vergleichbar. Schon aus dem von der Klägerin selbst vorgelegten Verkehrswertgutachten des Sachverständigen Sch. für dieses Objekt ist eindeutig erkennbar, dass der bauliche Zustand im Vergleich zum fiktiven Grundstück der Klägerin erheblich besser ist - das Objekt wurde im Jahre 1993 komplett saniert, teilweise luxeriös modernisiert und ausgestattet. Zudem unterscheidet sich dieses Objekt vom streitgegenständlichen Grundstück ganz maßgeblich durch seine gute Markteinführung.

Schließlich erscheint es dem Senat bei zusammenfassender Betrachtung auch nahezu aussichtslos, auch nur ein einziges dem fiktiven Grundstück der Klägerin gleichartiges, in der Zeit von 1945 bis 1994 baulich nahezu "unberührt gebliebenes" Grundstück mit gleichartigem Nutzungszweck aufzufinden. Nach § 13 WertV 1988 ist jedoch eine ausreichende Zahl von Kaufpreisen jeweils vergleichbarer Objekte erforderlich, um im Vergleichswertverfahren zu einer hinreichend sicheren Aussage kommen zu können.

3.1.2. Auch das sog. Ertragswertverfahren i.S.v. §§ 7, 15 ff. WertV 1988 führt hier zu keinem sachgerechten Ergebnis bei der Ermittlung des fiktiven Verkehrswertes.

Allerdings legt die frühere überwiegend gewerbliche Nutzung des Grundstücks der Klägerin eine Bestimmung des Verkehrswertes, die sich gleichfalls an der wirtschaftlichen Nutzung der Immobilie und am Wert der hiermit erzielbaren Erträge orientiert, wie das Ertragswertverfahren, grundsätzlich nahe.

Im vorliegenden Fall zeigen jedoch gerade die Bemühungen des Sachverständigen M. und insbesondere des gerichtlichen Sachverständigen A. um eine Wertermittlung für die baulichen Anlagen des fiktiven Grundstücks nach dem Ertragswertverfahren deutlich, dass das Ergebnis nahezu unbrauchbar ist. Es fehlen wegen der über Jahrzehnte verhinderten wirtschaftlichen Nutzung des Objekts jegliche konkrete Anknüpfungspunkte, insbesondere ein vor dem Wertermittlungsstichtag erzieltes Umsatzvolumen im Gaststätten- und Beherbergungsbetrieb, aber auch Anhaltspunkte für die Bewirtschaftungs- und Verwaltungskosten eines solchen relativ großen Grundstücks. Welche Mieten und Pachten mit dem fiktiven Grundstück nachhaltig hätten erzielt werden können, bewegt sich im Bereich völliger Spekulation. Es besteht kein ernsthafter Zweifel daran, dass beispielsweise die Gästezimmer selbst bei unterstellter ordnungsgemäßer Instandhaltung mit dem Modernisierungs- und Ausstattungsgrad von 1934 (z.Bsp. Schlichtausbau mit Einfachfenstern, Ofenheizung, fehlende Sanitäreinrichtungen im Zimmer, Toilette im Treppenhaus) grundsätzlich - von etwaigen "Liebhabern" ggfs. abgesehen - im Dezember 1994 nicht mehr vermietbar waren. Gerade eine auf Tourismus und Kurbetrieb ausgerichtete Grundstücksnutzung, wie sie bis 1945 stattgefunden hatte, ist unter den am Wertermittlungsstichtag am 01. Dezember 1994 geltenden Marktbedingungen ohne vorherige umfangreiche Investitionen zur Anpassung des Objekts an den heutigen Erschließungs- und Ausstattungsdurchschnitt überhaupt nicht mehr vorstellbar. Mithin fehlt es aber an einer realistischen Ertragserwartung überhaupt.

Diesem Umstand ist es geschuldet, dass die Erwägungen des Sachverständigen M. in seinem Privatgutachten letztlich auf vergleichenden Betrachtungen beruhen, deren Eignung zur Wertermittlung die gleichen Bedenken entgegen stehen, wie zum Vergleichswertverfahren ausgeführt. Die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen im Gutachten A. I (S. 21 ff., GA Bd. II Bl. 214 ff.) und insbesondere im Gutachten A. II (S. 11 ff., GA Bd. II Bl. 281 ff.) stützen sich letztlich auf abstrakte, an statistischen Werten orientierte betriebswirtschaftliche Überlegungen, deren Übertragbarkeit auf das konkrete Objekt ungesichert ist. Der Umstand, dass der gerichtliche Sachverständige bei der Ermittlung des fiktiven Verkehrswertes der baulichen Anlagen des streitgegenständlichen Grundstücks nach dem Ertragswertverfahren gleichwohl betragsmäßig dem vom Senat auf anderem Wege ermittelten Verkehrswert relativ nahe kommt, spricht für die Kompetenz des gerichtlichen Sachverständigen und ist geeignet, das auf anderem Wege ermittelte Ergebnis zu bestätigen; als alleinige bzw. tragende Erwägung einer Entscheidung des Senates taugt der nach dem Ertragswertverfahren ermittelte Verkehrswert jedoch nicht.

3.1.3. Das Sachwertverfahren ist grundsätzlich geeignet für die Ermittlung des Verkehrswertes eines Grundstückes, welches wegen seiner besonderen Nutzung nur einen sehr eingeschränkten Kaufinteressentenkreis anspricht, wie das fiktive Grundstück der Klägerin. Es ist hier - angesichts des Ausscheidens der beiden anderen nach § 7 WertV 1988 eröffneten Wertermittlungsverfahren - auch das einzig verbleibende Verfahren zur Verkehrswertermittlung.

3.2. Der Senat hat den ungeminderten Sachwert des fiktiven Grundstücks der Klägerin zum 01. Dezember 1994 auf 552.000,00 DM berechnet.

3.2.1. Das Sachwertverfahren geht dahin, den Wert der baulichen und sonstigen Anlagen ebenfalls getrennt vom Bodenwert, jedoch ausgehend von deren Herstellungswerten zu ermitteln. Da häufig, wie auch hier, die tatsächlichen Herstellungskosten nicht oder nicht vollständig bekannt sind, wird über die "Normalherstellungskosten" ein durchschnittlicher Betrag ermittelt. Aus langjähriger Erfahrung wird mit den Erfahrungssätzen des Jahres 1913 über die durchschnittlichen Herstellungskosten umbauten Raumes gerechnet; hieraus werden über die Berücksichtigung des sog. Baupreisindexes die (fiktiven) Herstellungskosten zum Wertermittlungsstichtag ermittelt. Der so ermittelte Betrag ist wegen des Alters der baulichen Anlage, der Abnutzung und insbesondere wegen der begrenzten Restnutzungsdauer zu reduzieren.

Nach diesen Grundsätzen ist der gerichtliche Sachverständige hier erklärtermaßen vorgegangen (vgl. insbesondere Gutachten A. I, S. 17 ff., GA Bd. II Bl. 210 ff.).

3.2.2. Der gerichtliche Sachverständige hat den Bodenwert des fiktiven Grundstücks nach dem Vergleichswertverfahren mit 76.800,00 DM nachvollziehbar und zutreffend ermittelt (vgl. Gutachten A. I, S. 16 f., GA Bd. II Bl. 209 f.; Gutachten A. II, S. 15, GA Bd. II Bl. 285). Der von ihm zugrunde gelegte Bodenrichtwert von 15,00 DM / qm entspricht zudem dem vom Sachverständigen M. im Auftrag der Beklagten ermittelten Bodenwert (vgl. Gutachten M. , S. 6, GA Bd. II Bl. 168). Der Senat folgt dieser Berechnung.

Dem stehen die Gutachten Kl. und Kr. jeweils nicht entgegen. Beide Sachverständige beziehen ihre Bodenrichtwerte letztlich auf Bauland im erschlossenen bzw. zumindest teilerschlossenen Bereich; das Gutachten Kr. lässt darüber hinaus auch gar nicht erkennen, auf welchen Erwägungen die Annahme eines Bodenrichtwertes von 25,00 DM / qm im Einzelnen beruht.

3.2.3. Der Senat bewertet die fiktiven Herstellungskosten der baulichen und sonstigen Anlagen zum Wertermittlungsstichtag mit 475.255,00 DM und folgt insoweit den eigenständig geprüften und für sachlich richtig befundenen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen im Gutachten A. III (vgl. GA Bd. IV Bl. 1 ff.).

Die erhebliche Abweichung nach oben zu dem von Sachverständigen Kl. und M. ursprünglich ermittelten fiktiven Gebäude- und Anlagen-Sachwert erklärt sich im Wesentlichen jeweils daraus, dass dem Gutachten Kl. lediglich die Bauvorgänge bis zum Jahre 1930 (Bd. I der Bauakte), dem Gutachten M. sogar nur die Daten der Sachverständigen Kl. und Kr. , nicht jedoch die Daten aus der Bauakte zugrunde lagen, weshalb nicht nur die Erweiterungen der Bausubstanz (Anbau Toiletten am Haupthaus 1931 und 1932, Anbau Wohnung, Gästezimmer und Futterküche 1934 sowie Neubau Futter-Dämpfanlage ca. 1938/39), sondern auch die damit verbundenen Modernisierungen mit der Folge der Verlängerung der Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen unberücksichtigt blieben.

Die ebenfalls erhebliche Abweichung nach unten im Vergleich zu dem vom Sachverständigen Kr. ermittelten fiktiven Sachwert der baulichen und sonstigen Anlagen beruht einerseits darauf, dass der Sachverständige Kr. hinsichtlich des Saals und der Veranda-Flügel trotz des weit gehenden Hohlraum-Charakters dieser baulichen Anlagen (Firsthöhe 6,75 m !) die Berechnung der Normalherstellungskosten nach dem Bruttorauminhalt vorgenommen hat und zudem teilweise von unzutreffenden Raumhöhen ausgegangen ist. Weiterhin wurden in die Berechnung - zu Unrecht, wie oben ausgeführt - auch die Stallgebäude und eine Kegelbahn einbezogen. Der heran gezogene Baupreisindex ist überhöht und nicht belegt. Schließlich geht das Gutachten Kr. auch von einer pauschal für alle baulichen Anlagen vom Haupthaus über die Veranda-Flügel und den Saal bis hin zu den Stallungen und zur Kegelbahn einheitlichen Gesamtnutzungsdauer von 120 Jahren aus, was angesichts der Verschiedenheit der baulichen Anlagen nicht nachvollziehbar ist und zudem überhöht erscheint. Die von ihm in Ansatz gebrachte Restnutzungsdauer von jeweils 30 Jahren zum Wertermittlungsstichtag, der im Übrigen fehlerhaft auf den 31. Dezember 1990 bezogen wird, erscheint unter Berücksichtigung einer wirtschaftlichen Nutzung als Ausflugsgaststätte und Kurbetrieb gänzlich unrealistisch.

3.2.4. Der ungeminderte Sachwert des fiktiven Grundstücks der Klägerin ergibt sich aus der Summe der in Abschnitt 3.2.3. und 3.2.4. dieser Entscheidungsgründe aufgeführten Teilergebnisse (76.800,00 DM zzgl. 475.255,00 DM) und beträgt mithin 552.055,00 DM; gerundet ca. 552.000,00 DM.

3.3. Der ungeminderte Sachwert des fiktiven Grundstücks ist durch einen Wertabschlag in Höhe von 50 % an die Marktlage anzupassen, so dass der - geminderte - Sachwert dieses fiktiven Grundstücks auf 276.000,00 DM geschätzt wird.

Dabei kann es dahin stehen, ob ein Wertabschlag vom rechnerisch ermittelten Sachwert des fiktiven Grundstücks im Hinblick auf einen - ebenfalls fiktiven - Reparaturstau vorzunehmen ist, wie die Beklagte unter Berufung auf ihre Verwaltungspraxis behauptet. Der Senat neigt eher dazu, dass nicht a priori unterstellt werden kann, dass das Objekt, wäre es 1945/1946 nicht abgerissen worden, einen erheblichen Instandhaltungsrückstand aufgewiesen hätte. Jedenfalls kommt ein gesonderter Wertabschlag unter diesem Aspekt neben dem nachfolgend vorgenommenen Wertabschlag nicht in Betracht.

Der vom Senat vorgenommene Wertabschlag gründet sich darauf, dass im Sachwertverfahren nur statistische Daten benutzt werden und in den neuen Bundesländern Untersuchungen und Marktauswertungen im geringeren Maße vorliegen, als im Altbundesgebiet. Daher muss die Situation des konkreten Grundstücksmarktes, der im Falle eines allgemeinen Instandhaltungsdefizits eben auch davon beeinflusst ist, besonders sorgfältig berücksichtigt werden. Rechtlicher Anknüpfungspunkt hierfür ist § 25 WertV 1988 (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2002, III ZR 320/00). Eine Korrektur des ermittelten ungeminderten Sachwertes ist auch im Hinblick darauf geboten, dass eine rentable wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks selbst bei unterstellter ordnungsgemäßer Instandhaltung die Vornahme erheblicher Investitionen in das fiktive Grundstück voraussetzte (vgl. BGH NJW 1970, 2018, 2019; BGH WM 1995, 1195, 1196). Der Senat schätzt den unter diesen Aspekten vorzunehmenden Wertabschlag auf insgesamt 50 %.

4. Unter Zugrundelegung des unter Abschnitt 3. der Entscheidungsgründe ermittelten geminderten Sachwertes des fiktiven Grundstücks sowie weiterer, zwischen den Parteien des Rechtsstreits unstreitiger Daten ergibt sich folgende Berechnung der ursprünglichen Gesamt-Belegungsschäden:

4.1. Die Wertminderung des Grundstücks der Klägerin beträgt 272.160,00 DM.

Sie berechnet sich aus der Differenz des geminderten Sachwertes des fiktiven Grundstücks in Höhe von 276.000,00 DM und dem Verkehrswert des an die Klägerin zurück gegebenen Grundstücks in Höhe von 3.840,00 DM (5.120 qm á 0,75 DM; vgl. Gutachten Kr. , S. 10, GA Anlagenbd., Anlage 17; Bescheid der OFD vom 13. März 1996, S. 3; GA Anlagenbd., Anlage 1).

4.2. Die Abriss- und Bauschuttentsorgungskosten für die Beseitigung der Restfundamente auf dem Grundstück der Klägerin schätzt der Senat - insofern dem Gutachten Kl. folgend (dort S. 6 f., GA Anlagenbd., Anlage 12) - auf ca. 10.000,00 DM.

Der Zuerkennung dieses Betrages als Entschädigungsposition steht die Regelung des § 26 Abs. 3 S. 3 BLG nicht entgegen. Danach ist der gemeine Wert der Sache, den die Sache ohne die Verschlechterung oder Beschädigung bei gewöhnlicher Abnutzung im Zeitpunkt der Rückgabe gehabt hätte, die obere Grenze für die Ersatzleistung (vgl. BGHZ 39, 40 ff). Diese Grenze ist hier nicht tangiert. Für die von der Beklagten angestellte Differenzrechnung zum derzeitigen Verkehrswert des Grundstücks ist kein Raum, denn diesenfalls wäre - im Gegensatz zur Absicht des Gesetzgebers - eine ausreichende Abgeltung der Belegungsschäden nicht möglich, weil die Summe des aktuellen Verkehrswertes und der Instandsetzungskosten regelmäßig den hierdurch leicht erhöhten neuen Verkehrswert der Sache übersteigt.

4.3. Hieraus ergibt sich ein Gesamt-Vermögensschaden in Höhe von 282.160,00 DM. Weitere Schadenspositionen macht die Klägerin inzwischen auch nicht mehr geltend.

5. Die Beklagte hat auf die ursprüngliche Gesamtforderung der Klägerin bereits Teilerfüllungsleistungen erbracht, die im Rahmen der Entscheidung des Senats zu berücksichtigen sind.

5.1. Die Beklagte hat an die Klägerin am 13. März 1996 einen Betrag von 4.040,00 DM gezahlt; hiervon waren 3.840,00 DM auf die Schadensposition lt. Abschnitt 4.2. dieser Entscheidungsgründe geleistet worden. Diese Teilleistung reduzierte die Forderung der Klägerin auf 278.320,00 DM.

5.2. Die Beklagte hat während des laufenden Rechtsstreits weitere 116.160,00 DM an die Klägerin bezahlt. Diese Teilleistung hat - zusammen mit dem damit erklärten Teilanerkenntnis der Klageforderung - den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise erledigt und die Restforderung der Klägerin nunmehr auf 162.160,00 DM reduziert.

Weitere Teilleistungen hat die Beklagte nicht erbracht.

6. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Verzugszinsen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4 % nach § 288 Abs. 1 BGB a.F. (Art. 229 § 1 Abs. 1 S. 3 EGBGB) seit Zugang des Bescheides der OFD vom 13. März 1996 am 21. März 1996. In der Zuerkennung von lediglich 4.040,00 DM liegt zugleich die endgültige Ablehnung weiter gehender Entschädigungsforderungen der Klägerin, weshalb eine Mahnung i.S.v. § 284 Abs. 1 BGB ausnahmsweise entbehrlich ist (vgl. Heinrichs, a.a.O., § 284 Rn. 35 m.w.N.).

7. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen beruht jeweils auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nrn. 7 und 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO n.F.. Da die mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren nach dem 01.01.2002 erfolgte, richtet sich die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen diese Entscheidung nach der nunmehr geltenden Fassung der ZPO, was bereits bei Abfassung des Berufungsurteils zu berücksichtigen war.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO n.F. war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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