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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 28.08.2008
Aktenzeichen: 1 U 13/08
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 20 Abs. 1
1. Eine unbillige Behinderung eines Taxiunternehmens beim Zugang zu einer marktbeherrschenden, genossenschaftlich organisierten Funkvermittlung von Personenbeförderungsaufträgen (Taxirufzentrale) i.S.v. § 20 Abs. 1 GWB kann vorliegen, wenn die Konditionen, unter denen die Genossenschaft einem Nichtmitglied den vertraglichen Zugang zur Teilnahme an der Funkvermittlung anbietet, ohne sachlichen Grund nicht unerheblich von denjenigen Konditionen abweichen, die für andere gleichartige Unternehmen, auch für die Mitgliedsunternehmen, gelten.

2. Die Modalitäten des Zugangs von Nichtmitgliedern der Genossenschaft zur Funkvermittlung müssen nicht vollkommen identisch mit denjenigen für die Mitgliedsunternehmen sein; der genossenschaftliche Zweck einer primär internen Funkvermittlung von Aufträgen stellt einen sachlichen Grund für eine graduelle Ungleichbehandlung dar.

Das Verlangen einer Sicherheitsleistung vom nur vertraglichen Nutzer der Funkvermittlung in Höhe des Betrages von zwei bis drei monatlichen Vermittlungsentgelten ist sachlich gerechtfertigt.

Eine Privilegierung der Genossenschaftsmitglieder gegenüber vertraglichen Teilnehmern an der Funkvermittlung durch geringere monatliche Vermittlungsgebühren (hier: ausgehend vom Betrag der vertraglichen Gebühren etwa 15 % niedrigere genossenschaftliche Gebühren) ist durch den genossenschaftlichen Zweck noch sachlich gerechtfertigt.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 13/08 (Hs) OLG Naumburg

Verkündet am 28. August 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Prof. Dr. Gruber auf die mündliche Verhandlung vom 14. August 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 9. Januar 2008 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Magdeburg, 36 O 239/06, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer übersteigt 20.000 EUR nicht.

und beschlossen:

Der Kostenwert des Berufungsverfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen i.S.v. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vermittlung von Taxifahrten für ihre mit den Ordnungsnummern 259, 260, 261 und 284 zugelassenen Taxen hat, nachdem sie das Vertragsangebot der Beklagten vom 28. August 2006 (vgl. Anlagen B 2 und B 3, GA Bd. I Bl. 22 ff.) zum Abschluss eines sog. Teilnehmervertrages für die Funkvermittlung der Taxizentrale der Beklagten nicht angenommen hat.

1. Entgegen ihrer eigenen Auffassung ist die Klägerin nicht Mitglied der Beklagten.

Eine "Übertragung der Mitgliedschaft" ihres Ehemannes auf sie ist nicht erfolgt. Nach § 6 der Satzung der Beklagten hätte dies einen zweistufigen Akt erfordert, nämlich zunächst die Aufnahme der Klägerin als Genossenschaftsmitglied durch Vorstandsbeschluss und sodann eine Übertragung der Genossenschaftsanteile ihres Ehemannes auf sie mit Genehmigung des Vorstandes. Die Klägerin hat schon nicht vorgetragen, dass diese Schritte hier vollzogen worden wären. Nach ihrem Vorbringen ist vielmehr davon auszugehen, dass es Vorstandsbeschlüsse der genannten Art nicht gibt.

Eine konkludente Begründung der Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten allen durch das Handeln des Vorstandsvorsitzenden kommt schon nach dem eindeutigen Wortlaut der Satzung der Beklagten nicht in Betracht. Darüber hinaus ist aber das Vorbringen der Klägerin nicht schlüssig, weil der von ihr gezogene Schluss aus einer vorübergehenden Weitervermittlung von Funkaufträgen auf die Begründung einer Mitgliedschaft nicht zwingend ist. Die Verhaltensweise insbesondere des Vorstandsvorsitzenden der Beklagten lässt eher darauf schließen, dass er rechtsirrtümlich davon ausging, dass die Klägerin bei der Zahlung der Beiträge die Rechte ihres Ehemannes aus dessen bis Ende 2005 fortbestehender Mitgliedschaft in Anspruch nehmen konnte. Hierfür ist jedoch nach Ausschluss des Ehemannes der Klägerin aus der Genossenschaft kein Raum mehr.

Schließlich hat die Beklagte inzwischen über den hilfsweise gestellten Antrag auf Aufnahme der Klägerin als Mitglied der Beklagten abschlägig entschieden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Begründung der Mitgliedschaft bei der Beklagten. Einen solchen Anspruch kann sie auch nicht aus kartellrechtlichen Vorschriften herleiten, denn - wie der Senat bereits im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ausgeführt und das Landgericht im vorliegenden Hauptsacheverfahren bekräftigt hat - es steht der Beklagten frei, in welcher Weise sie anderen Taxiunternehmen einen diskriminierungsfreien Zugang zu ihrer Funkvermittlung von Taxiaufträgen eröffnet.

2. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Beseitigung bzw. Unterlassen von unbilligen Behinderungen des Zugangs zur Funkvermittlung ergibt sich auch nicht aus §§ 33 Abs. 1 i.V.m. 20 Abs. 1 GWB.

Allerdings kommt eine unbillige Behinderung i.S. der genannten Vorschriften u.a. dann in Betracht, wenn die Konditionen, unter denen einem Nichtmitglied der Genossenschaft, wie der Klägerin, der vertragliche Zugang zur Teilnahme an der Funkvermittlung angeboten hat, ohne sachlichen Grund nicht unerheblich von denjenigen Konditionen abweichen, die für andere gleichartige Unternehmen, also auch für die Mitgliedsunternehmen, gelten. Dies bedeutet nicht, dass die Modalitäten vollkommen identisch zu denjenigen für Genossenschaftsmitglieder sein müssen; der genossenschaftliche Zweck einer primär internen Vermittlung von Taxiaufträgen stellt einen sachlichen Grund für eine graduelle Ungleichbehandlung dar.

Gemessen an diesen Kriterien stellt das o.g. Vertragsangebot der Beklagten an die Klägerin zum Abschluss eines Teilnahmevertrages insgesamt keine unbillige Behinderung dar.

Der Vergleich der finanziellen Belastungen eines neu in die Genossenschaft aufgenommenen Mitglieds nach dem Inhalt der Satzung und der derzeit geltenden Beschlüsse der Generalversammlung der Beklagten und eines Teilnehmers nach dem Inhalt des Vertragsangebotes der Beklagten an die Klägerin zeigt zunächst, dass die einmaligen Belastungen (Eintrittsgeld und Bearbeitungsgebühr i.H.v. 2.010 EUR brutto vs. Werbekostenentgelt und Bearbeitungsgebühr i.H.v. 1.800 EUR brutto) bei einer Gesamtbetrachtung nahezu identisch sind. Zwar hat ein Teilnehmer bei Vertragsabschluss zusätzlich eine Kaution für jedes auf ihn zugelassenes Taxi zu stellen; diese Regelung ist jedoch sachlich gerechtfertigt. Angesichts des geringeren Nähe- und Bindungsverhältnisses eines bloßen Nutzers der Funkvermittlung zur Genossenschaft gegenüber einem Mitglied ist ein zusätzliches Sicherungsbedürfnis nachvollziehbar; die Höhe der Kaution orientiert sich an üblichen Sicherheitsleistungen in Mietverhältnissen, wobei die Kaution für das erste Fahrzeug mit 3,4 Monatsentgelten etwas höher und diejenige für jedes weitere Fahrzeug mit 2,5 Monatsentgelten etwas niedriger liegt. Die Beklagte bevorzugt mit dieser Staffelung Unternehmen mit mehreren zugelassenen Fahrzeugen, wie dasjenige der Klägerin.

Schließlich ergibt sich zwar eine finanzielle Mehrbelastung der Teilnehmer gegenüber den Mitgliedern der Beklagten bei den monatlichen Vermittlungsentgelten, und zwar in Höhe von derzeit etwa 17 %. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es dabei nicht zu beanstanden, dass Maßstab für die Höhe der monatlichen Vermittlungsgebühren die Anzahl der zugelassenen, nicht diejenige der monatlich tatsächlich eingesetzten Fahrzeuge ist. Denn diese Regelung, die die Erfassung und Abrechnung der Vermittlungsgebühren vereinfachen und auf eine sichere Grundlage stellen soll, gilt schon seit langem auch für die Genossen der Beklagten. Insoweit liegt demzufolge eine Gleichbehandlung vor; das Festhalten hieran stellt sich nicht als eine gezielte Diskriminierung der Klägerin dar, wie diese geltend gemacht hat. Die monatliche Mehrbelastung der Teilnehmer bzw. - umgekehrt - die Privilegierung der Genossenschaftsmitglieder gegenüber den bloßen Teilnehmern der genossenschaftlichen Funkvermittlung bei den Vermittlungsgebühren erscheint dem Senat noch als sachlich gerechtfertigt durch den Zweck der Genossenschaft.

Soweit die Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eine unbillige Behinderung dadurch behauptet hat, dass die Beklagte das Vertragsangebot an einen Verzicht der Klägerin auf die Geltendmachung von Schadenersatzforderungen gekoppelt habe, sieht der Senat diese Behauptung als widerlegt an. Das Begleitschreiben der hiesigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu dem Vertragsangebot lässt eine solche Verknüpfung gerade nicht erkennen. Die Annahme dieses Angebots ohne irgendwelche Bedingungen hätte durch einfache schriftliche Bestätigung erfolgen können. Der Verzicht auf etwaige Schadenersatzansprüche ist nach Aktenlage erst im Zuge von Gesprächen ab Oktober 2006 im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Funkvermittlung an die Klägerin diskutiert worden. Der Behauptung der Klägerin war im Hinblick auf die §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO nicht weiter nachzugehen.

III.

1. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr.8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 713 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Die Festsetzung des Streitwerts für die Gebührenberechnung im Berufungsverfahren beruht auf §§ 39 Abs. 1, 47 Abs. 1 und 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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