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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 25.03.2002
Aktenzeichen: 1 U 140/01
Rechtsgebiete: EGZPO, ZPO


Vorschriften:

EGZPO § 26 Nr. 7
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 313 a
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2 a. F.
ZPO § 540 Abs. 2
ZPO § 543
ZPO § 543 Abs. 2 n. F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713 n. F.
1. Eine schuldhafte Pflichtverletzung eines Rechtsanwaltes liegt vor, wenn er in einem einstweiligen Verfügungsverfahren Berufung eingelegt hat, ohne dass hierfür eine Erfolgsaussicht bestand, weil nicht einmal ansatzweise ersichtlich ist, wie es dem Kläger hätte gelingen sollen, den Kernvorwurf, auf den er seine vermeintlichen Ansprüche bzw. seine Rechtsverteidigung gestützt hat, glaubhaft zu machen.

2. Hierbei obliegt es dem Senat nicht, die sich aufdrängende standesrechtliche Problematik zu prüfen, also die Frage, ob ein Rechtsanwalt sich als Organ der Rechtspflege dazu hergeben darf, durch unbegründete Rechtsmittel "Druck" auf den Gegner auszuüben. Jedenfalls muss der Mandant aber auch in einem solchen Fall unzweideutig über die Kostenfolge belehrt werden und zum Ausdruck bringen, dass er bereit ist, die Verfahren auch ohne jede Chance auf Kostenerstattung durchzuführen.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 140/01 OLG Naumburg

verkündet am: 25.03.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 2002 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink und die Richter am Oberlandesgericht Geib und Wiedemann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 28.09.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau (Geschäftsnummer: 2 O 260/01) wird teilweise verworfen und im übrigen zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Beschwer des Beklagten übersteigt 20.000,00 EUR nicht.

Von der Darstellung des Tatbestand wird gemäß § 540 Abs. 2 i. V. mit § 313 a ZPO in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung abgesehen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung des Beklagten ist überwiegend zulässig.

1.1. Unzulässigkeit der Berufung liegt allerdings vor, soweit das Landgericht den Beklagten verurteilt hat, an den Kläger 48,26 DM aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückzuzahlen. Insoweit ermangelt es einer den Anforderungen des§ 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a. F. genügenden Berufungsbegründung. Die hier eingereichte Berufungsbegründung setzt sich mit dieser Position, die im Verhältnis zu dem Schadensersatzanspruch einen abgrenzbaren, gesonderten Streitgegenstand bildet, schlechterdings nicht auseinander.

1.2. Im Übrigen ist die Berufung zulässig und wurde insbesondere frist- und formgerecht eingelegt.

2. In der Sache hat die Berufung - soweit sie zulässig ist - keinen Erfolg, da das Landgericht den Beklagten zu Recht zur Zahlung des zuerkannten Betrages verurteilt hat.

2.1. Es kann dabei dahinstehen, ob der Beklagte beauftragt war, zur Durchführung der Berufungen in den Ausgangsverfahren eine Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung des Klägers herbeizuführen. Selbst wenn der Beklagte ausdrücklich mit der Einholung der Deckungszusage beauftragt gewesen sein sollte, wäre ein diesbezügliches Versäumnis jedenfalls nicht für den Eintritt des hier geltend gemachten Schadens kausal geworden, da davon auszugehen ist, dass der Rechtsschutzversicherer seine Leistungspflicht hätte verweigern dürfen. Hierzu ist dieser berechtigt, wenn nach seiner Auffassung die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint (vgl. § 17 Abs. 1 S. 1 ARB 75). Dass der Rechtsschutzversicherer diesen Gesichtspunkt vorliegend auch prüfen wollte, zeigt seine Aufforderung zur Einreichung der Berufungsbegründung. Es ist davon auszugehen, dass nach Prüfung eine Deckungszusage mangels Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ohnehin nicht erteilt worden wäre.

2.2. Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten ist dementsprechend darin zu sehen, dass er in den einstweiligen Verfügungsverfahren 2 O 460/99 und 2 O 509/99 des Landgerichts Dessau für seinen Mandanten jeweils Berufung eingelegt hat, ohne dass hierfür eine Erfolgsaussicht bestand. In beiden Verfahren ging es im Kern um den Zugang der damaligen Prozessgegnerin zu den Praxisräumen des Klägers, welcher der Prozessgegnerin aufgrund eines ihr vorzuwerfenden gravierenden Fehlverhaltens verweigert werden sollte. Es ist - auch nach derzeitiger Sach- und Rechslage - nicht einmal ansatzweise ersichtlich, wie es dem Kläger hätte gelingen sollen, den Kernvorwurf, auf den er seine vermeintlichen Ansprüche bzw. seine Rechtsverteidigung gestützt hat, nämlich dass die damalige Prozessgegnerin für die Brandstiftung in seiner Praxis verantwortlich war, glaubhaft zu machen. Alleine der Umstand, dass in der Praxis, in der diese vorher tätig war, ebenfalls ein Brand ausgebrochen ist, reicht hierfür nicht aus. Entsprechendes gilt für den weiteren Vorwurf des "Abrechnungsbetruges", hinsichtlich dessen das Landgericht in den Ausgangsverfahren zutreffend darauf hingewiesen hat, dass die vom Kläger vorgenommene "Überprüfung" des Abrechnungsverhaltens der damaligen Gegnerin standes- und strafrechtlich relevant sein dürfte. Prozessentscheidende Beweismittel sind insoweit weder vorgetragen, noch ersichtlich.

2.3. Im Hinblick darauf musste der Beklagte den Kläger bereits vor Einlegung der Berufung mit aller Deutlichkeit darauf hingeweisen, dass er keine Chance hatte, die hierdurch anfallenden Kosten erstattet zu bekommen, und zwar weder von der Gegnerin, noch von der Rechtsschutzversicherung. Dass er dies getan hätte, hat der Beklagte selbst nicht behauptet; dass der Kläger sich einem entsprechenden Rat nicht verschlossen hätte und die Pflichtverletzung demnach kausal für den bei ihm entstandenen Schaden war, hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen, die sich der Senat zu eigen macht, begründet. Dem kann der Beklagte auch nicht dadurch entgegentreten, dass er darauf verweist, der Kläger habe eine ausdrückliche Anweisung zur Rücknahme der Berufung gegeben. Ausweislich des Schreibens vom 16.05.1999 (GA Bd. I, Bl. 95) sollte die Berufung gerade "aus finanziellen Gründen" zurückgenommen werden. Dies macht hinreichend deutlich, dass sich der Kläger einem Hinweis auf die finanziellen Folgen der (ersichtlich erfolglos bleibenden) Rechtsmittel nicht verschlossen hätte. Die Kausalität der Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden entfällt auch nicht aufgrund der Behauptung des Beklagten, es sei dem Kläger darum gegangen, "Druck" auf die Gegnerin auszuüben. Hierbei obliegt es dem Senat nicht, die sich aufdrängende standesrechtliche Problematik zu prüfen, also die Frage, ob ein Rechtsanwalt sich als Organ der Rechtspflege dazu hergeben darf, durch unbegründete Rechtsmittel "Druck" auf den Gegner auszuüben. Jedenfalls muss der Mandant aber auch in einem solchen Fall unzweideutig über die Kostenfolge belehrt werden und zum Ausdruck bringen, dass er bereit ist, die Verfahren auch ohne jede Chance auf Kostenerstattung durchzuführen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 7 EGZPO i. V. mit §§ 543, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO n. F. Da die mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren nach dem 01.01.2002 erfolgte, richtet sich die Zulässigkeit von Rechtsmitteln nach der nunmehr geltenden Fassung der ZPO, was bereits bei Abfassung des Berufungsurteils zu berücksichtigen war.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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