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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 25.03.2002
Aktenzeichen: 1 U 152/01
Rechtsgebiete: EGZPO, ZPO


Vorschriften:

EGZPO § 26 Nr. 7
ZPO § 543
ZPO § 711
ZPO § 313 a
ZPO § 713 n. F.
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 543 Abs. 2 n. F.
1. Einen allgemeinen Grundsatz, dass die Rücknahme eines Rechtsmittels erst nach Rücksprache mit dem Mandanten zulässig ist, gibt es nicht.

2. Soweit ein Anwalt sich nach zutreffender rechtlicher Würdigung der für seinen Mandanten bestehenden Chancen und Risiken auf der Grundlage eines Sachverhaltes, den er als geklärt voraussetzen durfte, entschließt, entsprechend dem Hinweis eines Obergerichts ein erfolgloses Rechtsmittel zurückzunehmen, kann ihm hieraus auch dann nicht der Vorwurf einer schuldhaften Pflichtverletzung gemacht werden, wenn er auf eine vorherige Rücksprache mit seinem Mandanten verzichtet.

3. Stützt der Prozessgegner des Mandanten seinen Sachvortrag auf ein Schreiben, dass er im Prozess auch vorlegt, dann ist es grundsätzlich Sache des Mandanten, den ihn vertretenden Rechtsanwalt unaufgefordert und nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass ihm dieses Schreiben nicht zugegangen ist. Soweit er dies unterlässt, kann er seinem Anwalt nicht mangelhafte Sachaufklärung vorwerfen.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 152/01 OLG Naumburg

verkündet am: 25.03.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 2002 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink und die Richter am Oberlandesgericht Geib und Wiedemann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 26. Oktober 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Halle abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Beschwer des Klägers übersteigt 20.000 Euro nicht.

Von der Darstellung des

Tatbestand:

wird gemäß § 540 Abs. 2 i. V. m. § 313 a ZPO in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und wurde insbesondere frist- und formgerecht eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

1. Dem Kläger steht kein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung (pVV) des zwischen ihm und dem Beklagten bestehenden Anwaltsvertrages zu. Die Zurücknahme der Berufung in dem Verfahren 12 U 109/99 stellt keinen schuldhaften Pflichtverstoß des Beklagten dar, da dieser davon ausgehen durfte, dass hierdurch eine weitere Belastung des Klägers mit zusätzlichen Verfahrenskosten vermieden wird.

1.1. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass auf Grund des Hinweises des 12. Zivilsenates des erkennenden Gerichts des Ausgangsverfahrens eine Klageänderung im Raume gestanden hat. Auch nach Auffassung des nunmehr mit dem Regressverfahren befassten Senats hätte dies unter Zugrundelegung des damals dem Gericht unterbreiteten Sach- und Streitstandes dazu geführt, dass dem jetzigen Kläger die Kosten des Rechtsstreits hätten auferlegt werden müssen. Soweit erstinstanzlich geltend gemacht wurde, das Schreiben der früheren Klägerin vom 12.12.1996 sei keine Mahnung im Rechtssinne, vermag der Senat dem nicht zu folgen; der fruchtlose Ablauf einer Zahlungsfrist ist nicht als "Bedingung" der Zahlungsaufforderung zu sehen, die als solche völlig klar in vorgenanntem Schreiben zum Ausdruck gebracht wurde.

1.2. Soweit das Landgericht der Auffassung ist, der Beklagte hätte im Ausgangsverfahren Vertagung beantragen müssen, um mit seinem Mandanten Rücksprache nehmen zu können, folgt der Senat dem nicht. Einen allgemeinen Grundsatz, dass die Rücknahme eines Rechtsmittels erst nach Rücksprache mit dem Mandanten zulässig ist, gibt es nicht; die für die Gegenauffassung durch das Landgericht zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln, NJW 1989, 1159, sowie die Kommentierung in Palandt (60. Aufl., § 276 Rndn. 44) besagen dies gerade nicht. Soweit ein Anwalt sich nach zutreffender rechtlicher Würdigung der für seinen Mandanten bestehenden Chancen und Risiken auf der Grundlage eines Sachverhaltes, den er als geklärt voraussetzen durfte, entschließt, entsprechend dem Hinweis eines Obergerichts ein erfolgloses Rechtsmittel zurückzunehmen, kann ihm hieraus auch dann nicht der Vorwurf einer schuldhaften Pflichtverletzung gemacht werden, wenn er auf eine vorherige Rücksprache mit seinem Mandanten verzichtet.

1.3. Die rechtliche Einschätzung des Beklagten hinsichtlich der Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung seines Mandanten im Lichte der durch den 12. Zivilsenat gegebenen Hinweise war zutreffend (vgl. oben Ziffer 1.1.). Der Beklagte durfte - entgegen der Auffassung des Landgerichts - auch ohne Weiteres den zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gegebenen Sach- und Streitstand zugrundelegen und musste nicht in Erwägung ziehen, dass seinem Mandanten das Schreiben vom 12.12.1996 nicht zugegangen sein könnte. Derartiges wurde nämlich in den bisherigen Verfahren weder in den erstinstanzlichen Schriftsätzen, an denen der Beklagte nicht beteiligt war, noch im Berufungsverfahren, für welches der Beklagte als Korrespondenzanwalt verantwortlich zeichnete, gerügt. Nachdem bereits in der Anspruchsbegründung auf das verzugsbegründende Schreiben vom 12.12.1996 Bezug genommen wurde und dieses zudem als Anlage beigefügt war, wäre es Sache des Mandanten - des jetzigen Klägers - gewesen, die ihn vertretenden Rechtsanwälte unaufgefordert und nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass ihm dieses Schreiben nicht zugegangen ist. Soweit er dies unterlässt, was jedenfalls in Ansehung des Beklagten erfolgt ist, kann er hieraus seinem Anwalt keinen Vorwurf machen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 7 EGZPO i. V. m. §§ 543, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO n. F. Da die mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren nach dem 01.01.2002 erfolgte, richtet sich die Zulässigkeit von Rechtsmitteln nach der nunmehr geltenden Fassung der ZPO, was bereits bei Abfassung des Berufungsurteils zu berücksichtigen war.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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