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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 15.07.2002
Aktenzeichen: 1 U 153/99
Rechtsgebiete: GÜV, EVGV, BGB, HGB, EGZPO, ZPO


Vorschriften:

GÜV § 3
GÜV § 5
GÜV § 13
EVGV § 1
EVGV § 2
EVGV § 4
EVGV § 1 Abs. 2
BGB § 276
BGB § 306
BGB § 366
HGB § 347
EGZPO § 26 Nr. 7
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 4
ZPO § 543
ZPO § 713
ZPO § 711 S. 1
ZPO § 711 S. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 543 Abs. 2 n.F.
1. Im kaufmännischen Rechtsverkehr (hier im Rahmen eines Erstvermietungsgarantievertrages) bestehen strengere Sorgfaltsanforderungen an den Leistungspflichtigen als im allgemeinen Rechtsverkehr.

2. Es ist weder möglich noch geboten, für das Gebiet der neuen Bundesländer in der Zeit unmittelbar nach der Wiedervereinigung Deutschlands den Begriff der kaufmännischen Sorgfalt besonders zu definieren.

3. Zu den Sorgfaltsanforderungen bie der Auswahl von Erstmietern für ein Einkaufszentrum.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 153/99 OLG Naumburg

verkündet am: 15.07.2002

In dem Rechtsstreit

...

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 06. Mai 2002 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink und die Richter am Oberlandesgericht Geib und Wiedemann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger und des Beklagten wird das am 06. 08. 1999 verkündete Urteil des Landgerichts Halle unter Zurückweisung der beiderseitigen Rechtsmittel im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 550.101, 24 EUR nebst 7, 4 % Zinsen aus 109.472,24 EUR seit dem 27. 01. 1997 sowie 7,4 % Zinsen aus 440.629,00 EUR seit dem 09. 05. 1998 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Auf die Widerklage werden die Kläger verurteilt, an den Beklagten gesamtschuldnerisch 388.752,21 EUR (Gegenwert von 760.333, 24 DM) nebst 9,25 % Zinsen seit dem 07. 10. 1996 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger 26 % und der Beklagte 74 % zu tragen. Von den übrigen Kosten haben die Kläger als Gesamtschuldner einerseits und der Beklagte andererseits je die Hälfte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger sowie dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden. Dies gilt nicht, soweit die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat. Den Klägern wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines inländischen als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstitutes zu erbringen.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer beider Parteien übersteigt 20.000 EUR.

und beschlossen:

Der Streitwert für die Gebührenberechnung im Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 743.938,58 EUR, wovon 555.880,71 EUR auf die Berufung der Kläger und 188.057,87 EUR auf die Berufung des Beklagten entfallen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche im Zusammenhang mit einem in M. belegenen Einkaufszentrum, der "H. ". Dieses wurde 1993 durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) errichtet, deren Gesellschafter die Fa. St. GmbH & Co KG mit Sitz in R. (im Folgenden: Fa. St. ), der Beklagte und Herr P. W. waren.

Am 06. 04. 1993 schlossen die oben genannte GbR bzw. deren ursprüngliche Mitglieder einerseits mit den Klägern andererseits insgesamt 3 Verträge, die im wirtschaftlichen Zusammenhang zueinander standen und isoliert nicht geschlossen worden wären. In dem ersten Vertrag, einem Kaufvertrag (Anlage K1, GA Bd. 1, 46 f), verpflichteten sich die Kläger - jeweils einzeln -, Gesellschaftsanteile der GbR zu einem Preis von insgesamt 1.930.000 DM zu kaufen. Der Kaufvertrag wurde durch die Abtretungsvereinbarung vom 16./29. 04. 1993 dergestalt vollzogen, dass der Kläger zu 1) zu 34 %, der Kläger zu 2) zu 60 % und der Kläger zu 3) zu 6 % Gesellschaftsanteile der GbR übernahmen (Anlage K2, GA Bd. 1 Bl. 54 f). In dem zweiten Vertrag vom 06. 04. 1993, der als "Generalübernehmervertrag" (im Folgenden: GÜV) bezeichnet wurde (Anlage K3, GA Bd. 1 Bl. 55), beauftragten die Kläger "in Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter dem Namen "Einkaufspromenade H. " die Fa. St. mit der schlüsselfertigen, funktionsfähigen Erstellung dieses Bauwerks einschließlich Außenanlagen zu einem Pauschalpreis von 14.965.720 DM (§ 3 GÜV). Dabei war vorgesehen, dass die Übergabe spätestens bis zum 31. März 1994 zu erfolgen habe (§ 5 GÜV). Schließlich schlossen die Kläger - wiederum als GbR "Einkaufspromenade H. " - mit dem Beklagten einen Vertrag über eine Erst-Vermietungsgarantie (im Folgenden: Erstvermietungsgarantievertrag = EVGV) (Anlage K4, GA Bd. 1 Bl. 73f), in welchem sich der Beklagte verpflichtete, für die noch nicht vermieteten Räume Mieter zu suchen. Er garantierte Mieteinnahmen von insgesamt 1.366.000 DM zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer pro Jahr (§ 1 EVGV) und verpflichtete sich, für die Dauer von 10 Jahren ab Fertigstellung des Gebäudes den Mietausfall in Höhe der Differenz zwischen dieser Summe und den tatsächlich vereinbarten Mieten in den Erstmietverträgen sowie eventuelle Regressforderungen der Mieter wegen Nichteinhaltung des Fertigstellungstermins zu tragen (§ 2 EVGV). Die Erstmieter hatte der Beklagte "mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns auszusuchen und nur solche Mietinteressen (sic!) zu vermitteln, deren Leistungsfähigkeit gewährleistet erscheine" (§ 4 EVGV).

Die Kläger machten zunächst Garantie und Schadensersatzansprüche für das erste Garantiejahr des EVGV in Höhe von 291.552, 21 DM nebst Zinsen (vgl. den Antrag im Schriftsatz vom 22. 01. 1997) geltend, wobei die (echten) Garantieansprüche unmittelbar aus der Differenz der garantierten zu den entstandenen Mietforderungen und die Schadensersatzansprüche daraus hergeleitet werden, dass der Beklagte zwar Erstvermietungsverträge geschlossen, die Mieter aber nicht mit der gebotenen Sorgfalt ausgesucht habe, so dass die Verträge Not leidend geworden seien. Der Beklagte erhob aus abgetretenem Recht der Fa. St. Widerklage auf Zahlung des (als solchen unstreitigen) Restwerklohns aus dem GÜV in Höhe von 760.333, 24 DM. Hiergegen rechneten die Kläger nun wiederum mit weiteren Garantie- und Schadensersatzansprüchen der folgenden Garantiejahre in Höhe von insgesamt 1.170.399, 62 DM auf (Schriftsatz vom 05. 05. 1998, BA Bd. IV Bl. 64). Der Beklagte hielt die Aufrechnung für unwirksam und berief sich in diesem Zusammenhang auf eine im GÜV vereinbarte Begrenzung der Aufrechnungsmöglichkeiten. Die Kläger erhoben nun für diesen Fall ihrerseits Widerklage (Hilfs- Wider- Widerklage) und begehrten die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der vorgenannten 1.170.399, 62 DM (nebst Zinsen), sofern das Gericht die Aufrechnung nicht als durchgreifend erachten sollte.

Die Kläger haben behauptet, der Beklagte habe die vereinbarten Sollmieten nur deshalb in der von ihm erreichten Größe bewirken können, weil er teilweise wirtschaftlich nicht leistungsfähige Mieter zum Vertragsabschluss bewegt habe und erhebliche Mietnachlässe für die Anfangszeit gewährt habe. Die vereinbarten Mieten seien zum Teil ortsunüblich gewesen (vgl. den Schriftsatz vom 12. 08. 1998, GA Bd. 7 Bl. 62).

Der Beklagte habe dabei die Sorgfaltspflichten gem. § 4 EVGV verletzt, da er teilweise keine, teilweise erst nach Abschluss der Mietverträge und damit verspätete Auskünfte der Fa. C. über die künftigen Mieter eingeholt habe. Derartige Auskünfte seien im Übrigen per se kein geeignetes Mittel zur Prognose der Leistungsfähigkeit der Mietinteressenten, insbesondere hinsichtlich der Personen, die nicht auf eine längere geschäftliche Tätigkeit zurückblicken könnten. Bei Anwerbung der Mieter habe sich der Beklagte einer Maklerfirma bedient, die in ihren Prospekten das wirtschaftliche Potential des Einkaufszentrums falsch dargestellt und daher bei den Mietern unberechtigte Erwartungen geweckt habe.

Der Beklagte hat behauptet, die Kläger selbst seien davon ausgegangen, dass die Erstvermietungsgarantie bei all den Mietern erfüllt sei, welche die Mieträume übernommen, die erste Miete gezahlt und die Mietkaution gestellt hätten. Im Übrigen habe er die ihm obliegende Verpflichtung aus § 4 EVGV erfüllt. Er ist der Auffassung, die Kläger überspannten die Anforderungen, die an ihn zu stellen seien. Er könne sich bei der Überprüfung der Leistungsfähigkeit der Mieter nur derjenigen Mittel bedienen, welche ihm zur Verfügung stünden. Dies sei eine Kreditauskunft durch ein branchenführendes Unternehmen - C. -, dessen Auskünfte aussagekräftig seien.

Beide Parteien tragen umfangreich zu einzelnen - Not leidend gewordenen - Mietverhältnissen vor und streiten darüber, ob der Beklagte insoweit - im Einzelfall - die ihm obliegende Sorgfaltspflicht erfüllt habe. Hinsichtlich der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages - insbesondere zu den umstrittenen Mietverhältnissen und der erstinstanzlich gestellten Anträge - wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Klage und Widerklage wurden zunächst vor dem Landgericht Ravensburg erhoben, welches durch Beschluss vom 17. 10. 1996 (GA Bd. II Bl. 176) die Widerklage von der Klage abgetrennt hat. Die Zuständigkeit des Landgerichts Halle ergab sich durch die bindende Wirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Ravensburg vom 31. 10. 1996 (GA Bd. VI Bl. 43) bezüglich der Widerklage und vom 13. 11. 1997 (GA Bd. IV Bl. 83) bezüglich der Klageforderung. Mit Beschluss vom 11. 06. 1999 (GA Bd. VIII Bl. 27) hat das Landgericht Halle die Verfahren wieder zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Es hat zu der Frage, welche Überprüfungen der Beklagte vor der Eingehung der Mietverhältnisse vorgenommen hat, durch Vernehmung von Zeugen Beweis erhoben. Hinsichtlich der Einzelheiten der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 09. 06. 1999 (GA Bd. VIII Bl. 1 ff) sowie vom 11. 06. 1999 (GA Bd. VIII Bl. 27 ff) verwiesen.

In der angefochtenen Entscheidung hat die Kammer dem Beklagten die mit der Widerklage geltend gemachte Werklohnforderung in Höhe von 760.333, 24 DM zugesprochen. Die Firma St. habe dem Beklagten die Forderung mit Abtretungsurkunde vom 20. 09. 1996 (GA Bd. 6 Bl. 50) wirksam abgetreten. Eine Aufrechnung mit Schadensersatz- und Garantieansprüchen komme nicht in Betracht, da die Aufrechnungsmöglichkeit durch § 13 GÜV wirksam auf unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen beschränkt worden sei. Die Kläger greifen dies in der Berufung nicht mehr an, sondern verfolgen lediglich noch die Zahlung der erstinstanzlich in der Hauptsache sowie in dem Antrag zur Hilfs- Wider- Widerklage geltend gemachten Beträge.

Hinsichtlich dieser Forderungen hat das Landgericht in seinem Urteil ausgeführt, dass den Klägern Garantieforderungen aus §§ 1, 2 des EVGV für das 1. Garantiejahr in Höhe von 32.394, 44 DM zustünden. Die diesbezüglichen Vereinbarungen seien zulässig, da der Beklagte verspreche, für einen Erfolg einzustehen, indem er sie von einer Gefahr, die den Klägern aus dem Vorhaben "H. " entstehe, freistelle.

Ein Teil der Garantiezahlungen sei von der Fa. St. beglichen worden. Für die Monate Mai 1994 bis Januar 1995 seien von den (unstreitig geleisteten) Zahlungen allerdings Beträge abzuziehen, da die Fa. St. insoweit auf Baumängel und nicht auf die Garantieforderungen geleistet habe.

Den Klägern stehe zudem ein Anspruch aus pVV von § 4 EVGV zu. Die darin übernommenen Sorgfaltspflichten bezögen sich nicht nur auf die nach dem Abschluss dieses Vertrages geschlossenen Mietverträge, sondern auf alle Mietverträge. Der Beklagte habe sämtliche Erstmieter mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes auszusuchen gehabt. Dies folge nicht nur aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen, sondern auch daraus, dass die Verpflichtung aus § 4 EVGV erst erfüllt sei, wenn die Mietfläche auch tatsächlich übernommen werde, was bei allen Mietobjekten erst nach dem 06. 04. 1993 der Fall gewesen sei. Der Beklagte habe die ihm obliegende Sorgfaltspflicht hinsichtlich aller streitgegenständlichen Mietverhältnisse verletzt, da er zumindest auch eine Selbstauskunft der Mieter habe einholen müssen, um deren finanzielle Leistungskraft prüfen und bewerten zu können. Die Mieter seien finanziell nicht in der Lage gewesen, die Mieten über einen längeren Zeitraum unabhängig von erwarteten Gewinnen aus dem Geschäftsbetrieb zu zahlen, wie nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehe. Allerdings entfalle der Kausalzusammenhang zwischen der dem Beklagten vorzuwerfenden Pflichtverletzung und dem Mietausfallschaden der Kläger nach Ablauf des ersten Garantiejahres. Aus § 4 des EVGV könne nicht geschlossen werden, dass der Beklagte nur solche Mietinteressenten habe vermitteln dürfen, deren Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Garantiezeit von 10 Jahren sicher erscheine. Eine solche Zukunftsprognose könne von dem Beklagten nicht verlangt werden, da die Leistungsfähigkeit der Mieter entscheidend von dem Florieren des Einkaufszentrums abhänge und die Akzeptanz eines solchen Einkaufszentrums durch die Besucher nicht für 10 Jahre vorhersehbar sei. Dabei komme hinzu, dass die meisten Gewerbetreibenden in den neuen Bundesländern entweder Existenzgründer seien oder nur auf ein kurzes unternehmerisches Leben zurückblicken könnten. Dies müsse bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit der Mietinteressenten berücksichtigt werden, so dass diese nicht ausschließlich an der Leistungsfähigkeit westdeutscher Filialketten gemessen werden dürften. Das am 06. 08. 1999 verkündete Urteil des Landgerichts (GA Bd. 8 Bl. 85) wurde den Klägern am 29. 09. 1999 (GA Bd. 8 Bl. 159) und dem Beklagten am 24. 09. 1999 zugestellt (GA Bd. 8 Bl. 158). Die Kläger haben mit am 29. 10. 1999 (GA Bd. 9 Bl. 7) und der Beklagte mit am Montag, dem 25. 10. 1999 eingegangenem Schriftsatz (GA Bd. 9, Bl. 1) Berufung hiergegen eingelegt. Die Kläger haben ihre Berufung innerhalb der bis zum 09. 12. 1999 und der Beklagte innerhalb der bis zum 16. 12. 1999 verlängerten Frist begründet (GA Bd. 9, Bl. 17, 20, 27, 69). Während die Kläger die vollumfängliche Ausurteilung der von ihnen geltend gemachten Garantie- und Schadensersatzansprüche begehren, ist das Ziel des Beklagten die vollständige Abweisung derartiger Ansprüche.

Die Kläger sind der Auffassung, das Landgericht habe den Regelungszweck des Vertrages verkannt, insbesondere den Zusammenhang zwischen der Pflicht zur Erwirtschaftung einer Miete in einer bestimmten Gesamthöhe und den Sorgfaltsmaßstäben bei der Auswahl der Erstmieter. Soweit der Beklagte keine geeigneten Mieter finde, sei für den sich aus dem Leerstand bzw. der Notwendigkeit, die Ladenräume zu einem geringeren Zins zu vermieten, ergebenden Ausfall einstandspflichtig gewesen. Dieser Verpflichtung habe er sich nicht dadurch entledigen können, dass er "irgendeinen" Mieter - unter Außerachtlassung jeglicher Sorgfaltspflichten - verpflichte.

Das Landgericht habe zu Unrecht die den Beklagten treffende Verpflichtung zur Auswahl der Mieter nach den Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmannes im Lichte der besonderen "Verhältnisse im Osten" gesehen. Würde man darauf abstellen, dass es unmöglich gewesen sei, Mieter zu finden, deren Leistungsfähigkeit für die Dauer der Mietverhältnisse gewährleistet sei, so wäre der Vertrag auf die Erbringung einer unmöglichen Leistung gerichtet gewesen und daher nach § 306 BGB nichtig. Tatsächlich sei die Leistung aber nicht unmöglich gewesen. Die besonderen Verhältnisse im Osten führten nur dazu, dass die Sorgfaltspflichten in diesem Fall besonders hoch anzusetzen gewesen seien, an die Auswahl der Mieter daher besondere Anforderungen gestellt werden müssten. Bereits geringste Zweifel an der Leistungsfähigkeit hätte den Beklagten veranlassen müssen, von dem Mietverhältnis Abstand zu nehmen.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten in Abänderung des Urteils des Landgerichts Halle vom 06. 08. 1999, Az.: 7 O 540/97 zu verurteilen, weitere DM 1.087.208. 16 DM nebst 7, 8 % Zinsen hieraus seit dem 04. 05. 1998 an die Kläger zu zahlen.

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Halle vom 06. 08. 1999 (Az.: 7 O 540/97) im Hinblick auf die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 367.809, 24 DM nebst 7, 4 % Zinsen aus 284.617, 78 DM seit dem 27. 01. 1997 sowie 7, 4 % Zinsen aus 83.191, 46 DM seit dem 09. 05. 1998 aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, das Landgericht habe unberechtigterweise einen Teil der Zahlungen der Firma St. auf Schadensersatzansprüche wegen Baumängeln angerechnet. Die Firma St. habe diesbezügliche Verrechnungsanweisungen gegeben, welche gem. § 366 BGB zu berücksichtigen seien.

Es bestünden auch keine Schadensersatzansprüche. Derartige Ansprüche wegen insolventer Mieter könnten sich nach dem Wortlaut des § 1 EVGV nur auf die noch nicht vermieteten Räume beziehen. Auch insoweit hätte der Beklagte seine Pflichten nach § 4 EVGV erfüllt. Ihn habe keine Verpflichtung getroffen, die Bonität der Mieter für 10 Jahre zu garantieren. Wesentlich sei, dass die Leistungsfähigkeit der Mieter gewährleistet erscheine. Er halte daran fest, dass objektive äußere Umstände und die Beurteilung durch die C. ein viel tauglicheres Mittel der Überprüfung darstellten als Selbstauskünfte. Eine Prüfung in bankähnlicher Art und Weise stelle eine Überforderung an die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes dar. Im Übrigen hätten die Kläger selbst den Vertrag so ausgelegt, dass die Garantie erfüllt sei, wenn die Mieter die Mieträume bezogen, die Kaution gestellt und die erste Miete bezahlt hätten. Die hier vorgenommene Investition müsse im Zusammenhang mit dem Steuergeschenk des Staates gesehen werden, welches dazu gedient habe, sich den wirtschaftlichen Risiken der neuen Bundesländer zu stellen. Dies bedinge, dass nicht die gleichen Ansprüche an Sorgfaltspflichten gestellt werden könnten, wie im Westen üblich. Auch im Hinblick auf die einzelnen streitgegenständlichen Mietverhältnisse habe das Gericht die Aussagen der Zeugen unzureichend und fehlerhaft gewürdigt.

Schließlich habe das Landgericht zu Unrecht die Mehrwertsteuer (MWSt) in die Garantieforderung einbezogen. Das Landgericht habe verkannt, dass in § 3 GÜV bestimmt sei, dass die auf den Werklohn anfallende MWSt vom Auftraggeber an die Fa. St. abgetreten worden sei.

Der Senat hat über die Frage, welche Anforderungen nach dem Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Kaufmanns vor Abschluss eines langfristigen gewerblichen Mietvertrages in einem Einkaufszentrum an die Überprüfung der Mietinteressenten im Hinblick auf ihre persönliche und wirtschaftliche Eignung zu stellen ist, Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen T. N. vom 31. 10. 2001 (GA Bd. X, Bl. 50 ff) verwiesen. Der Senat hat das Gutachten des Weiteren mündlich erläutern und zu der Frage ergänzen lassen, hinsichtlich welcher der streitgegenständlichen Mietverhältnisse die Sorgfaltsanforderungen eingehalten wurden. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06. 05. 2002 (GA Bd. X Bl. 104 ff) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Sowohl die Berufung der Kläger wie auch die Berufung des Beklagten ist jeweils selbständig zulässig. Beide Rechtsmittel wurden form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

In der Sache hat die Berufung der Kläger insoweit Erfolg, als nicht nur für das erste Garantiejahr, sondern auch für die folgenden streitgegenständlichen Jahre Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung (pVV) des EVGV teilweise, nämlich in Bezug auf einzelne Mietverhältnisse, zuzuerkennen waren. Die Berufung des Beklagten hatte insoweit teilweise Erfolg, als er sich gegen die Ausurteilung von Schadensersatzansprüchen, die auf den übrigen Mietverhältnissen für das erste Garantiejahr beruhen, wandte. Im Übrigen blieben die beiderseitigen Rechtsmittel erfolglos, was unter Einbeziehung der rechtskräftig gewordenen Verurteilung der Kläger auf die Widerklage des Beklagten hin zu den in dem insgesamt neu gefassten Tenor zuerkannten beiderseitigen Ansprüchen führte. Der Zinsanspruch hinsichtlich der Klage besteht als Verzugsschaden, wobei sich der Senat im Hinblick auf Zinsbeginn und -höhe den Ausführungen des Landgerichts, von denen abzuweichen die Berufung keinen Anlass bietet, anschließt.

Im Einzelnen:

1. Garantieforderungen

Das Landgericht hat zu Recht für das 1. Garantiejahr (01. 04. 1994 bis 30. 03. 1995) ausstehende Garantiezahlungen in Höhe von weiteren 32.394, 44 DM (entspricht 16.563,01 Euro) und für die weiteren streitgegenständlichen Jahre 01. 04. 1995 bis 31. 12. 1997 in Höhe von 83.191, 46 DM (entspricht 42.535, 12 Euro), insgesamt also 59.098,13 EUR ausgeurteilt.

1.1. Der Anspruch für das 1. Garantiejahr ergibt sich daraus, dass der Beklagte unstreitig die Erzielung von Nettomieten in Höhe von 1.366.000, 00 DM p.a. in §§ 1, 2 EVGV garantierte, tatsächlich aber nur Mietforderungen in Höhe von 1.180.078, 48 DM vermittelt wurden, woraus ein Fehlbetrag in Höhe von 185.921, 52 DM resultiert. Hierauf erfolgten Zahlungen, welche zumindest in Höhe von 157.752, 44 DM anzurechnen sind, woraus sich letztlich unter Berücksichtigung der gesetzlichen Mehrwertsteuer der oben genannte Betrag ergibt.

1.2. Die Garantieansprüche für die weiteren Jahre hat das Landgericht in Höhe von 31.334, 28 DM für das Jahr 1995 (Monate April bis Dezember), 16.099, 54 DM für 1996 und 35.757, 64 DM für 1997, insgesamt also in Höhe von 83.191, 46 DM (entspricht 42.535, 12 Euro) festgestellt. Hiervon geht auch der Senat aus. Die Höhe als solche und das Rechenwerk werden in der Berufung nicht angegriffen.

1.3. Der Beklagte beruft sich gegenüber den Garantieansprüchen auf Zahlungen der Firma St. , welche unstreitig insgesamt 213.480, 82 DM betrugen und nach seiner Auffassung auch in dieser Höhe auf die Ansprüche anzurechnen sind. Dies ist indes nicht der Fall.

1.3.1. Die Zahlungen der Firma St. wurden ausweislich der zu diesem Zweck erteilten "Gutschriften" auf die Differenz zwischen fälligen Mietzahlungen und Sollmiete geleistet (vgl. die Anlagen K 115 ff, Hülle Band III Bl. 199). Dies spricht prima facie allerdings dafür, dass hiermit die Firma St. als bestimmungsberechtigte Dritte (vgl. zum Bestimmungsrecht Dritter: Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 366 Rn. 4) beabsichtigte, gerade die hier streitgegenständlichen Ansprüche der Kläger zu erfüllen. Einer näheren Betrachtung hält dies indes nicht stand. Zieht man ergänzend die zum Zwecke der Konkretisierung der Forderung zeitgleich übersandten Listen hinzu (S. 2 der Anlage K 115 und der folgenden Anlagen), so erschließt sich daraus, dass nicht lediglich die Differenz zwischen Sollmiete und vereinbarter (!) Miete enthalten ist, sondern darüber hinaus auch Mietausfälle berücksichtigt sind, welche sonstige Gründe haben. Welche Gründe dies sind, ist letztlich unerheblich, so dass die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob tatsächlich Baumängel in dem hier angegebenen Umfange vorlagen, dahinstehen kann.

1.3.2. Die Kläger haben die hier streitgegenständliche Forderung nämlich aufgrund des Hinweises des Landgerichts Ravensburg in der mündlichen Verhandlung vom 17. 10. 1996 (vgl. S. 3 des Sitzungsprotokolls unter Gliederungspunkt A, GA Bd. II Bl.181) unter Berücksichtigung des (fiktiven) Umstandes berechnet, dass "am Tage der faktischen Übergaben tatsächlich ein "fertiges Objekt" ohne Baumängel bestand" (vgl. S. 2, 3 des Schriftsatzes der Kläger vom 22. 01. 1997; GA Bd. III Bl. 114, 115) und dementsprechend bei der Ermittlung der Sollmiete beispielsweise vereinbarte Verzögerungen bei der Mietzinszahlung unberücksichtigt gelassen (vgl. beispielsweise die Ausführungen für das Ladenlokal 13, S. 10, 11 des vorgenannten Schriftsatzes, GA Bd. III Bl. 121, 122). Die gezahlten Beträge decken sich daher nur insoweit mit den streitgegenständlichen (!) Forderungen, als aus den als konkludente Verrechnungsbestimmung der Firma St. zu betrachtenden Anlagen hervorgeht, dass diese sich auf Mietausfälle wegen Leerstandes (im Sinne von: Nichtbestehen von Mietverträgen) beziehen. Danach ist aber selbst nach der eigenen Abrechnung des Beklagten höchstens der von den Klägern anerkannte Betrag anzurechnen. Legt man unter dieser Prämisse die Anlage B 15 (GA Hülle Bd. III Bl. 199) zugrunde, auf die sich der Beklagte beruft, käme ein noch niedrigerer Betrag in Anrechnung. Ausweislich der hierzu gegebenen Erläuterungen enthält die auf Blatt 3 dieser Anlage enthaltene Spalte "Summe für Mieter" "aufgeschlüsselt diejenigen Beträge aus den abgeschlossenen Mietverträgen, wo die namentlich benannten Mieter keine volle Zahlung leisteten." Demgegenüber enthalte die nächste Spalte "Summe für Leerstand" die "nicht vermieteten, also noch freien Flächen" (zu alledem vgl. S. 7 des Schriftsatzes des Beklagten vom 01. 04. 1997, S. 7, GA Bd. III Bl. 181). Nur die letztgenannte Spalte, ist nach dem zuvor gesagten, mit der Klageforderung (soweit sie die Garantieforderung betrifft) identisch. Dementsprechend wären sogar nur 46.917, 24 DM berücksichtigungsfähig.

1.4. Auch mit dem Einwand, die Mehrwertsteuer sei in die Garantieforderung nicht einzubringen, bleibt der Beklagte letztlich ohne Erfolg. Wie sich aus § 1 Abs. 2 EVGV ergibt, garantiert der Beklagte "Mieteinnahmen von insgesamt DM 1.366.000,-- zuzüglich MWSt (Hervorhebung durch den Senat) pro Jahr". Dies ist auch im Rahmen der Auslegung des § 2 EVGV, der eigentlichen Anspruchsgrundlage, zu beachten. Zwar ist darin nicht ausdrücklich von der Mehrwertsteuer die Rede; der Zusammenhang zu § 1 EVGV ist allerdings nach Sinn und Zweck der Vereinbarung, welcher darin liegt, die Höhe der garantierten Summe durch einen Anspruch zu sichern, derart evident, dass es einer erneuten Erwähnung des Umstandes, dass letztlich der Bruttobetrag garantiert sein soll, nicht mehr bedarf. Dies gilt namentlich in Anbetracht des Umstandes, dass in § 2 EVGV ausdrücklich auf § 1 EVGV bezug genommen wurde. Letztlich spricht für die Richtigkeit dieser Auffassung auch, dass die vorgenommenen Garantiezahlungen der Firma St. ebenfalls die Mehrwertsteuer beinhalten (vgl. die Anlagen K 115 ff, GA Bd. III, Hülle Bl. 171).

Soweit der Beklagte demgegenüber mit § 3 GÜV argumentiert, ist nicht ersichtlich, welchen Zusammenhang die darin enthaltene Regelung bezüglich der auf den Werklohn zur Errichtung des Einkaufszentrums enthaltenen Mehrwertsteuer auf die hier relevante Frage, ob in die Garantieforderung die Brutto- oder Nettobeträge einzusetzen sind, zu tun haben soll.

2. Schadensersatzforderungen

Den Klägern stehen gegenüber dem Beklagten Schadensersatzansprüche in Höhe von insgesamt 960.318,63 DM (entsprechend 491.003,11 EURO), wobei 181.714, 67 DM (entsprechend 92.909, 24 EURO) auf das erste Garantiejahr entfallen, aus pVV des EVGV zu.

2.1. Gem. § 4 EVGV verpflichtete sich der Beklagte, die Erstmieter mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns auszusuchen und nur solche Mietinteressenten zu vermitteln, deren Leistungsfähigkeit gewährleistet erscheint. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte sich hierzu nicht nur hinsichtlich der künftigen Mietverhältnisse verpflichtet hat, sondern dieser Maßstab auch auf die Vertragspartner anzuwenden ist, deren Mietvertrag vor dem 06. April 1993 zustande gekommen ist. Zwar mag man dem Beklagten zugestehen, dass der Wortlaut der Vereinbarung gewisse Anhaltspunkte für die von ihm vorgenommene Auslegung des Vertrages bieten könnte, beispielsweise durch die in die Zukunft gerichtete Formulierung "zu vermitteln". Er verkennt jedoch, dass bei der Auslegung von Willenserklärungen "der wirkliche Wille der Vertragspartner zu erforschen ist, und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften" ist (§ 133 BGB). Dieser Wille ist in Anbetracht der hier vorliegenden Begleitumstände völlig eindeutig. Der Beklagte hat in dem von ihm geschlossenen EVGV eine Erstvermietung mit einem bestimmten Gesamtmietertrag in einer Situation garantiert, in der das Einkaufszentrum lediglich teilweise erstvermietet war. Wer dabei ausdrücklich die Verpflichtung eingeht, die künftigen Mieter mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes auszusuchen, sichert gleichzeitig konkludent - aber gleichwohl selbstverständlich - zu, dass er die bereits verpflichteten Mieter mit eben dieser Sorgfalt ausgesucht hat. Eine andere Auslegung käme nur dann in Betracht, wenn bereits vor Vertragsschluss Zweifel daran bestehen würden, dass bei den bisherigen Mietern der vereinbarte Sorgfaltsmaßstab eingehalten wurde, mithin die ausdrückliche Festschreibung dieses Sorgfaltsmaßstabes als Mahnung zu verstehen wäre, in Zukunft "ordentlich" zu handeln. Hierfür sind indes keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Auch der Beklagte geht nicht etwa davon aus, dass bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Zweifel der Kläger daran bestanden hätten, dass er bisher mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes gehandelt hat, sondern beruft sich - im Gegenteil - darauf, dass er diesen Sorgfaltsmaßstab selbstverständlich eingehalten habe.

2.2.Der Beklagte hat die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten schuldhaft nicht gehörig erfüllt.

2.2.1. Verkürzt wäre es allerdings, darauf abzustellen, dass die Auswahl von Mietinteressenten, deren Leistungsfähigkeit gewährleistet erscheint (!), vorliegend nicht gewahrt gewesen ist. Nach Sinn und Zweck der Vertragsklausel hat diese Alternative des § 4 EVGV keine eigenständige Bedeutung, sondern stellt nur eine Konkretisierung - quasi als Regelbeispiel - der "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes" dar. Selbstverständlich sollte der Beklagte nicht - wie überspitzt von den Parteien vorgetragen wird - die Solvenz der Mietvertragsparteien - gar noch für einen Zeitraum von 10 Jahren - garantieren. Die von ihm abgegebene Mietgarantie sollte jedoch bewirken, dass eine Erstvermietung des Einkaufszentrums mit langfristigen Mietverträgen gesichert ist. Danach eintretende Umstände, die zum vorzeitigen Ausscheiden eines Mieters führen, stehen der Erfüllung der Mietvertragsgarantie nicht entgegen. Der Sachverständige N. hat in seiner mündlichen Anhörung nachvollziehbar erläutert, dass die "Vollvermietung" eines Einkaufszentrums von einer ganz erheblichen Bedeutung ist. Wegen der fatalen Auswirkungen eines Teilleerstandes auf die Attraktivität und damit den langfristigen Erfolg eines solchen Vorhabens kann die fehlende Vollvermietung gar Anlass sein, den Eröffnungszeitpunkt zu verschieben. Es versteht sich von selbst, dass bei dieser Sachlage die Auswahl solcher Mieter, deren Leistungsfähigkeit bereits zu Beginn des Mietverhältnisses "nicht gewährleistet erscheint", weder dem allgemeinen Sorgfaltsmaßstab des § 276 BGB noch der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes entsprechen kann. Ist die Gefahr des "Scheiterns" seines Geschäftsvorhabens einem Mieter von Anfang an quasi auf die Stirn geschrieben, so ist zu besorgen, dass durch vorzeitigen, vom Erfolg des Einkaufszentrums insgesamt unabhängigen Leerstand zugleich auch eine Gefahr für den Erfolg des Projektes insgesamt ausgeht.

2.2.2. Die "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes", die auch ohne die ausdrückliche Erwähnung im Vertrag schon nach § 347 HGB zu beachten gewesen wäre, wird als Bestätigung des allgemeinen Grundsatzes angesehen, dass im kaufmännischen Rechtsverkehr andere, nämlich strengere Maßstäbe herrschen, als allgemein (Schmidt in MK- HGB, § 347 Rn. 2). Auch wenn man - wie Karsten Schmidt (a.a.O. sowie in Handelsrecht, 5. Auflage, § 18 III1) - davon ausgeht, dass aufgrund der auch in § 276 BGB vorgesehenen Haftung nach Rechtskreisen ein besonderer Sorgfaltsmaßstab für den kaufmännischen Rechtsverkehr entbehrlich ist, ist durch die vertragliche (bzw. die gesetzliche) Formulierung zumindest klargestellt, dass der maßgebliche Idealtyp durch die Art des Handelsgeschäftes spezialisiert wird (Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., § 347 Rn. 1 unter Hinweis auf RGZ 64, 267). Gewendet auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Beklagte bei der Auswahl der Mieter all dies zu beachten hatte, was notwendig ist, um durch sachgerechte Auswahl des Mieters im Einzelfall, aber auch durch eine vernünftige Zusammenstellung des Mieterspektrums für das gesamte Einkaufszentrum dem Gesamtprojekt zum Erfolg zu verhelfen. Die hierfür maßgeblichen Kriterien hatte er zu kennen. Wem auferlegt ist, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu handeln, kann sich nicht darauf berufen, dass er geringere Fachkenntnisse hat, als Berufskollegen (so sehr überzeugend: Schlegelberger, HGB, 5. Aufl., § 347 Rn. 21). Wagt er sich in eine Branche, in der er die notwendigen Kenntnisse nicht hat, so hat er sie sich beispielsweise durch Inanspruchnahme geeigneter Berater zu verschaffen.

2.2.3. Entgegen der Auffassung der Parteien, ist eine besondere Definition des Begriffs der kaufmännischen Sorgfalt in der Nachwendezeit dabei weder möglich, noch geboten. Eine diesbezügliche Vereinbarung haben die Parteien, die aus den alten Bundesländern kommen und daher beispielsweise auch für die Bauausführung ausdrücklich "Weststandard" vereinbarten, nicht getroffen. Vom rechtlichen Ansatz ist daher nicht ersichtlich, woraus von allgemeinen Kriterien abweichende "nachwendespezifische" Sorgfaltsanforderungen resultieren sollen. Die in diesem Zusammenhang ins Feld geführten steuerrechtlich begründeten Erwägungen sind Fehl am Platze. Ungeachtet dessen sind die tatsächlichen Besonderheiten sowohl der potentiellen Mieter wie der potentiellen Besucher in die Abwägung, ob die Sorgfaltsanforderungen erfüllt wurden, einzubeziehen.

2.2.4. Da dem Senat die Kriterien, nach denen die Auswahl der Mieter für ein beabsichtigtes Einkaufszentrum zu erfolgen hat, nur insoweit bekannt waren, als sich diese der eher laienhaften Sicht gelegentlicher Besucher derartiger Zentren erschließen, hat er sich sachverständiger Hilfe bedient. Bereits im Rahmen der umfangreichen Ermittlungen des Senats, die notwendig waren, um einen geeigneten Sachverständigen zu finden, wurde ersichtlich, dass der diesbezüglich erforderliche Sachverstand über das hinausgeht, was für eine "normale" Vermittlung gewerblichen Wohnraumes, wie sie beispielsweise ein Makler leistet, gelten muss. Bildlich gesprochen muss der "Mosaikstein", den das einzelne Mietverhältnis bildet, nicht nur als solcher in Ordnung sein, sondern sich auch harmonisch in das "Gesamtbild" einfügen. Die Notwendigkeit, die Auswahl im Einzelfall von einer differenzierten Abwägung abhängig zu machen, wurde durch die Beweisaufnahme bestätigt. Aus dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen N. ergibt sich, dass bei der Auswahl der Mieter neben der Solvenz auch die fachliche Qualifikation eines Mietinteressenten eine Rolle spielt. Der "Branchenmix", d.h. die Zusammenstellung der einzelnen Geschäfte ist wichtig, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass der "ideale" Branchenmix nicht immer erreicht werden kann und daher auch "Alternativbelegungen" möglich sind. Im Rahmen seiner Anhörung hat der Sachverständige N. seine Ausführungen näher konkretisiert und erläutert. Von besonderer Bedeutung für den Senat war dabei, dass die Entscheidung für oder gegen einen Mietinteressenten von der Gesamtabwägung einer Vielzahl von Einzelkomponenten abhängig ist, wobei durchaus auch ein persönliches Gespräch von Bedeutung sein kann. Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass er im Rahmen der Qualifikationsprüfung beispielsweise als unabdingbar ansieht, festzustellen, ob sich der Interessent Gedanken über das Kaufkraftpotential in der Umgebung des Zentrums bzw. die Wettbewerbssituation gemacht hat. Auch die Vereinbarkeit der Funktion des konkreten Einkaufszentrums (hier: als Nahversorger) mit dem beabsichtigten Sortiment spielt eine bedeutsame Rolle. Schließlich ist auch zu beachten, ob die Größe der angemieteten Fläche und die sich daraus ergebende Mietzinsbelastung in einem gesunden Verhältnis zu dem jeweiligen geschäftlichen Vorhaben steht.

2.2.5. Der Beklagte schuldete den Klägern eine derartige Abwägung. Dem kann er auch nicht entgegenhalten, die Kläger selbst hätten die Vereinbarung in einem ihm günstigeren Sinn ausgelegt. Die zur Begründung dieser Auffassung herangezogenen Schreiben des Klägers zu 1) vom 19. April 1994 (Anlage B1, GA Bd. 2 Bl. 134), 21. April 1994 (Anlage B2, GA Bd. 2 Bl. 135) und 04. Mai 1994 (Anlage B4, GA Bd. 2 Bl. 137) geben hierfür nichts her und werden von dem Beklagten in sinnentstellender Weise interpretiert. Wer - wie der Kläger zu 1) - ausführt, dass er einen Mieter, der seine erste Miete nicht beglichen habe, nicht als leistungsfähig im Sinne des EVGV ansehe, sieht in der Zahlung der ersten Miete eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung für die Erfüllung der Pflichten des Mietgaranten. Entsprechendes gilt für die Stellung der Mietkaution.

2.2.6. Wie sich aus der landgerichtlichen Beweisaufnahme - und im Übrigen auch aus dem unstreitigen Sachverhalt - ergibt, hat der Beklagte die an ihn zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt. Auf die Frage, ob eine "C. " Auskunft (rechtzeitig) eingeholt wurde, kommt es dabei nicht an. Der Beklagte selbst hat seine "Pflichten" durch minimalste Anforderungen definiert (s.o.: Übernahme der Mietfläche, Zahlung der ersten Miete und der Kaution soll ausreichen). Er hat nicht ansatzweise dargelegt, dass er sich - beispielsweise durch entsprechende Gespräche oder durch das Gegenüberstellen von Mietfläche und Branche des Mieters - in die Lage versetzt hat, die gebotene Abwägung der für und gegen die Eingehung eines Mietverhältnisses mit dem konkreten Mieter sprechenden Gesichtspunkte, vorzunehmen.

2.3. Die Pflichtverletzung des Beklagten war allerdings nur zum Teil kausal für den bei den Klägern eingetretenen Schaden.

2.3.1. Es ist zwar verfehlt, die Kausalität nach Ablauf eines bestimmten Zeitabschnittes zu verneinen, wie das Landgericht dies getan hat. Sofern infolge der schuldhaften Auswahl eines ungeeigneten Mieters das Mietverhältnis Not leidend wird, sind die Kläger so zu stellen, wie sie bei pflichtgemäßem Handeln des Beklagten stehen würden. Bei pflichtgemäßem Handeln wäre aber der Not leidend gewordene Mietvertrag überhaupt nicht abgeschlossen worden, so dass die Mietgarantie eingreifen würde bis entweder ein geeigneter (Erst!)mieter gefunden oder aber der Garantiezeitraum abgelaufen ist.

2.3.2. Kausalität der Pflichtverletzung für den Schaden liegt indes nicht vor, soweit der Beklagte trotz Nichtanwendung des gebotenen Sorgfaltsmaßstabes Mietverträge mit einzelnen Mietern abgeschlossen hat, deren Verpflichtung auch bei pflichtgemäßem Handeln in Betracht gekommen wäre. Dem steht nicht entgegen, dass auch derartige Mieter in der Folge gescheitert sind. Hierfür hat der Beklagte nicht einzustehen.

2.3.3. Gewendet auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die schuldhaft fehlerhafte Auswahl der Mieter K. , Gl. , Gx. , Wg. und P. ursächlich für den bei den Klägern eingetretenen Mietausfall war. Die Versäumnisse anlässlich der Auswahl der Mieter U. , S. , M. und Mg. sind demgegenüber nicht für die eingetretenen Mietausfälle ursächlich, da diese Mieter auch bei einer mit der gebotenen Sorgfalt vorgenommenen Auswahl vertretbar gewesen wäre.

Der Senat schließt sich insoweit aufgrund eigener Abwägung und Meinungsbildung den Ausführungen des Sachverständigen N. an, der retrospektiv eine entsprechende Bewertung durchführte und zu dem gleichen Ergebnis kam. Die Ergebnisse sind auch insgesamt stimmig. So ist für den Senat nachvollziehbar, dass die Mieterin U. , die immerhin bereits geschäftlich tätig war, günstiger zu prognostizieren ist, als beispielsweise der Mieter K. , dessen Mietfläche zudem für das beabsichtigte Geschäft auffällig groß war. Es liegt auch kein Widerspruch darin, ein Bekleidungsgeschäft mit einer Gesamtgröße von 320 qm (Gx. ) anders einzuschätzen, als eine eher kleine, persönlich betriebene Boutique (S. ). Hinsichtlich der weiteren Mieter hat der Sachverständige plausibel gemacht, wie wichtig gerade die Kompatibilität von Geschäftsidee und Sortiment einerseits mit der Funktion des hier streitgegenständlichen Zentrums als Nahversorgungszentrum andererseits für eine günstige (M. , Mg. ) oder negative (Wg. und F. GbR; P. ) Prognose ist.

2.5. Hieraus ergeben sich Schadensersatzansprüche des Klägers in Höhe von 960.318,63 DM, was 491.003,11 EUR entspricht.

 Mieter1994199519961997
K.23.668,54 DM21.420,00 DM16.702,00 DM8.232,00 DM
Gl.37.589,97 DM74.520,00 DM 99.360,00 DM99.360,00 DM
Gx.91.072,61 DM72.000,00 DM96.000,00 DM96.000,00 DM
Wg.12.939,01 DM31.649,09 DM34.460,87 DM44.700,00 DM
P.16.444,54 DM35.000,00 DM30.000,00 DM19.200,00 DM
SUMME181.71183.708,67 DM DM234.589,09 DM278.518,87 DM DM269.489,00 DM,00 DM

Der Beklagte war jedenfalls über die Firma St. über die Höhe von geschuldeten Mieten, Mietzahlungen und - ausfall informiert. Er ist der Darlegung der entsprechenden Summen durch die Kläger nicht vereinzelt entgegengetreten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, 4 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 7 EGZPO i.V.m. §§ 543, 708 Nr. 10, 711 S. 1 und S. 2, 713 i.V.m. 709 S. 2 ZPO in der seit dem 01. 01. 2002 geltenden Fassung. Da die mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren nach dem 31. 12. 2001 erfolgte, richtet sich die Zulässigkeit von Rechtsmitteln nach der nunmehr geltenden Fassung der ZPO, was bereits bei Abfassung des Berufungsurteils zu berücksichtigen war.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO n.F. war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert. Der Senat schließt sich dem Beklagten, welcher die Auffassung vertritt, in der "Definition des Begriffs kaufmännische Sorgfalt in der "Nachwendezeit" (letzte Seite des Schriftsatzes vom 17. 05. 2002) sei eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu sehen, nicht an. Wie aus den Ausführungen des Senats hervorgeht, gibt es keine spezifische Definition der "kaufmännischen Sorgfalt in der "Nachwendezeit". Unzweifelhaft gab es zwar im Beitrittsgebiet in der Zeit ab 1990 spezifische, von den alten Bundesländern abweichende Rahmenbedingungen, die (jeder!) sorgfältig handelnde Kaufmann kennen und bei seiner wirtschaftlichen Betätigung in diesem Gebieten auch berücksichtigen musste. Die Frage, welche Rahmenbedingungen dies waren und wie ein ordentlich handelnder Kaufmann diese in seine Abwägung einbezogen hat, sind jedoch tatsächlicher Natur, weshalb sie der Senat auch unter Zuhilfenahme sachverständiger Beratung beantwortet hat.

Ende der Entscheidung

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