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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 02.12.2008
Aktenzeichen: 1 U 27/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 286
ZPO § 520 Abs. 3 Ziff. 3
ZPO § 529 Abs. 1 Ziff. 1
1. Zur haftungsrechtlichen Prüfung einer ärztlichen Therapieentscheidung zur Fortsetzung der ambulanten medikativen Thrombosebehandlung trotz subkutaner Blutung.

2. Entdeckt der Arzt im Rahmen einer ambulanten Nachsorge zu einer stationären gefäßchirurgischen Behandlung eine subkutane Blutung, die nach seiner Einschätzung weder eine Verdrängung innerer Organe noch von Muskulatur besorgen lässt, so genügt eine Dokumentation seines (wertenden) Untersuchungsergebnisses.

3. Pflicht zur therapeutischen bzw. Sicherheitsaufklärung in einer solchen Behandlungssituation.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 27/08 Oberlandesgericht Naumburg

verkündet am: 2. Dezember 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. Februar 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Halle, 5 O 7/02, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer der Klägerin übersteigt 20.000 €.

und beschlossen:

Der Kostenwert für das Berufungsverfahren wird auf 52.247,52 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schmerzensgeld, materiellen Schadenersatz und die Feststellung der Einstandspflicht für künftige Schäden aus einer ambulanten palliativen Behandlung am 16. Juli 1999 in der Praxis des Beklagten.

Die Klägerin befand sich bereits seit 1968 beim Beklagten, einem Facharzt für Allgemeinmedizin, in hausärztlicher Behandlung wegen vielfältiger Krankheitssymptome. Etwa seit 1992 traten regelmäßig rheumatische Beschwerden, vor allem im Weichteilbereich, auf, die u.a. auf degenerative Veränderungen des Skelettaufbaus zurückzuführen waren. Der Beklagte behandelte sie seit 1993 regelmäßig mit verschiedenen nichtopioiden Schmerzmitteln. Nach ihren eigenen Angaben erhielt die Klägerin auch etwa drei bis vier Spritzen im Jahr jeweils bei akuten Schmerzsymptomen. Dabei traten mitunter allergische Körperreaktionen und Rötungen an den Einstichstellen auf. Dies hatte die Klägerin in der Vergangenheit nicht davon abgehalten, immer wieder in Injektionen zur Schmerzlinderung einzuwilligen bzw. sie selbst zu verlangen; nach ihren eigenen Angaben in der Anhörung durch die Kammer am 27. Mai 2004 deswegen, weil die Spritzen ihr geholfen hätten und dies das Entscheidende gewesen sei.

Am 16. Juli 1999 litt die damals 52-jährige Klägerin wiederum an akut aufgekommenen und starken Gliederschmerzen im Bereich der rechten Hüfte mit Ausstrahlung in das rechte Bein. Sie suchte den Beklagten auf, um eine Spritze mit einem Schmerzmittel zu bekommen. Diesem Ansinnen kam der Beklagte nach, wobei die Injektion mit fünf Milliliter Novalgin (r) von einer Krankenschwester des Beklagten in die rechte Gesäßhälfte gesetzt wurde. Eine Aufklärung der Klägerin über die allgemeinen Risiken einer Injektion erfolgte an diesem Tage nicht.

Vier Tage nach der Spritzenbehandlung traten bei der Klägerin Beschwerden im Einstichbereich auf. Sie begab sich zum Beklagten, der für eine Kühlung der Einstichstelle sorgte und eine antibakterielle Medikation einleitete. An den beiden Folgetagen betreute der Beklagte die Klägerin jeweils in Form eines Hausbesuches. Nachdem seine Behandlung nicht anschlug, sich stattdessen die entzündete Stelle auf die Größe einer Handfläche vergrößert hatte und die Körpertemperatur auf 38,5 Grad angestiegen war, überwies der Beklagte die Klägerin am 22. Juli 1999 in das Kreiskrankenhaus zur Durchführung einer Ultraschalluntersuchung. Die Klägerin leistete der Überweisung am Abend desselben Tages Folge; im Rahmen der Untersuchungen wurden mehrere Abszesse mit einer diffusen Entzündung des Bindegewebes, einer sog. Phlegmone, am rechten Unterbauch bis zur rechten Gesäßhälfte festgestellt. Die Abszesse wurde am 23. Juli 1999 operativ durch Excision entfernt, wobei eine Wundhöhle in einer flächigen Ausdehnung von 12 x 7 cm und einer Tiefe von 5 bis 7 cm entstand. Die Operationsstelle ist heute vernarbt. Die Klägerin behauptet eine dauerhafte Gesundheitsbeschädigung mit einer Vielzahl von Folgeerscheinungen. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten hat außergerichtlich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht einen Betrag von 5.112,92 € gezahlt.

Die Klägerin hat behauptet, dass vor der Injektion keine ausreichende Diagnostik erfolgt sei und weder die Gabe von Novalgin (r) noch die Verabreichung eines anderen Schmerzmittels in Form einer intramuskulären Injektion medizinisch notwendig gewesen sei. Es wäre vielmehr erforderlich gewesen, ihr Schmerzmittel in Tablettenform zu verordnen. Die Nachbehandlung sei inkonsequent gewesen, insbesondere habe sich der Beklagte nicht auf eine Überweisung in das Krankenhaus beschränken dürfen, sondern hätte sie selbst unmittelbar einweisen müssen. Im Übrigen sei die Behandlung nicht ausreichend dokumentiert worden. Hilfsweise hat sich die Klägerin auf eine unwirksame Einwilligung in die Injektion mangels Aufklärung über die hiermit verbundenen Risiken berufen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass aufgrund der erheblichen Folgen der Fehlbehandlung ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 30.000 € angemessen sei. Zudem hat sie Fahrtkosten für das Aufsuchen von Ärzten und Zuzahlungen zu Medikamenten der Folgebehandlungen als materiellen Schaden in Höhe von insgesamt 20.247,52 € geltend gemacht. Sie hat behauptet, dass Folgeschäden derzeit nicht ausgeschlossen seien.

Der Beklagte hat bestritten, dass am 20. Juli 1999 ein Spritzenabszess vorgelegen habe und dass die am 22. Juli 1999 diagnostizierten Abszesse durch die Einzelinjektion vom 16. Juli 1999 verursacht worden seien. Er hat hilfsweise eine Auswirkung der angeblichen Verzögerung der chirurgischen Behandlung der Abszesse um ein bis zwei Tage auf das Krankheitsgeschehen bestritten. Die durch die Operation entstandene Narbe sei nicht entstellend; sie löse jedenfalls aber nicht die weiteren geklagten Beschwerden und Schmerzzustände aus.

Wegen des streitigen Parteivorbringens und der Rechtsauffassungen der Parteien wird ergänzend auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines fachärztlich orthopädischen Gutachtens des Prof. Dr. med. D. R. , H. , sowie durch Einholung eines Gutachtens eines Rheumatologen, Prof. Dr. med. G. R. B. , C. , und dessen mündliche Erörterung im Termin am 4. Februar 2008 sowie durch persönliche Anhörung der Klägerin im Termin am 27. Mai 2004; wegen des Inhalts der Gutachten und der Parteianhörung nimmt der Senat jeweils Bezug auf das Gutachten R. vom 30. Juli 2003 (GA Bd. II Bl. 1 bis 18), auf das Gutachten B. vom 20. Februar 2006 (GA Bd. II Bl. 204 bis 219) und auf die Sitzungsprotokolle vom 27. Mai 2004 (LA in GA Bd. II Bl. 72 ff.) und vom 4. Februar 2008 (LA in GA Bd. III Bl. 13 bis 17).

Im Ergebnis seiner Beweiswürdigung hat die Kammer die Klage mit seinem am 29. Februar 2008 verkündeten Urteil abgewiesen. Sie hat ihre Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass dem Beklagten kein Behandlungsfehler nachzuweisen sei. Allerdings habe der Beklagte pflichtwidrig versäumt, die Klägerin über die Risiken einer Verabreichung der Schmerzmittel in Form einer Injektion aufzuklären. Dies habe sich jedoch nicht kausal auf die von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsschäden ausgewirkt. Lediglich aufgrund der verzögerten Einweisung in das Krankenhaus und der damit verbundenen Schmerzen für die Zeit vom 20. bis zum 22. Juli 1999 sei ein Anspruch auf Schmerzensgeld gegeben, der aber keinesfalls über den außergerichtlich bereits gezahlten Betrag hinausgehe.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 6. März 2008 zugestellte Urteil mit einem am 25. März 2008 beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung am 28. April 2008 begründet. Das Berufungsvorbringen lässt erkennen, dass die Klägerin die erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträge im zweiten Rechtszuge im vollen Umfange weiter verfolgt.

Die Klägerin meint, dass sich die Kammer zu Unrecht nicht weiter damit auseinandergesetzt habe, dass keine Aufklärung über die Behandlungsalternativen erfolgt sei. Jedenfalls habe eine ärztliche Pflicht zur Aufklärung über das Risiko eines Spritzenabszesses bestanden, die der Beklagte unstreitig verletzt habe. Eine solche Aufklärung sei auch nicht etwa entbehrlich gewesen. Im Übrigen verweist sie darauf, dass im Ergebnis der Beweisaufnahme erwiesen sei, dass die Einweisung in das Krankenhaus bereits am 20. Juli 1999 erforderlich gewesen sei.

Sie rügt als verfahrensfehlerhaft, dass die Kammer nicht ein weiteres Gutachten zur Frage der Kausalität zwischen der Verzögerung der Einweisung in das Krankenhaus um zwei Tage und der Schwere des notwendigen operativen Eingriffs bei früherer Einweisung eingeholt habe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch in Höhe von 30.000 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 1999 zu zahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 20.247,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 1999 zu zahlen sowie

3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtlichen zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der auf die Injektion vom 16. Juli 1999 zurückzuführen ist, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen sind.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil und vertieft sein Verteidigungsvorbringen.

Der Senat hat am 23. Oktober 2008 mündlich in der Sache verhandelt; er hat die Klägerin ergänzend zur Frage eines Entscheidungskonflikts und einer hypothetischen Einwilligung bei fiktiver ordnungsgemäßer Aufklärung angehört. Wegen des Inhalts der Sitzung wird auf das Sitzungsprotokoll (GA Bd. III Bl. 91) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die Zivilkammer hat zu Recht darauf erkannt, dass die Klägerin gegen den Beklagten allenfalls einen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen der um zwei Tage verzögerten Überweisung in ein Krankenhaus habe, der durch die außergerichtliche Zahlung der Haftpflichtversicherung des Beklagten abgegolten sei. Für weiter gehende Schadenersatzansprüche der Klägerin fehlt es bereits dem Grunde nach an den Voraussetzungen, und zwar sowohl auf vertraglicher Grundlage im Zusammenhang mit dem medizinischen Behandlungsvertrag als auch auf deliktischer Grundlage wegen der Beschädigung der Gesundheit bzw. wegen einer Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Klägerin.

1. Die Kammer hat festgestellt, dass der Beklagte nach fachärztlichem Standard verpflichtet gewesen sei, die Klägerin bereits am 20. Juli 1999 zu weiter gehenden Untersuchungen an ein Krankenhaus zu überweisen. Sie hat hierfür ein Schmerzensgeld bis zu 5.112,92 € für angemessen erachtet. Gegen diese für sie günstigen Feststellungen und Bewertungen hat sich die Klägerin mit ihrer Berufung nicht gewandt. Weitere Behandlungsfehlervorwürfe hat sie im Berufungsverfahren nicht mehr verfolgt.

2. Es kann offen bleiben, ob der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die Klägerin am 16. Juli 1999 über die Risiken der Verabreichung eines Schmerzmittels in Form einer intramuskulären Injektion sowie über die Alternative einer oralen Schmerzmittelgabe aufzuklären, oder ob eine solche Aufklärung hier entbehrlich gewesen wäre, weil die Risiken dieser Routinemaßnahme allgemein bekannt und der Klägerin darüber hinaus aus der vorangegangenen Behandlung hinreichend bekannt gewesen sein könnten.

Die Klägerin hat in ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat angegeben, dass bei akuten Schmerzzuständen, wie sie auch am 16. Juli 1999 vorgelegen haben, oral verabreichte Schmerzmittel nicht richtig gewirkt hätten und dass sie in solchen Fällen in der Vergangenheit immer Spritzen bekommen habe. Der Senat hat ihr vorgehalten, dass der Beklagte sie u.U. darüber hätte belehren müssen, dass die Verabreichung einer Spritze - besser als Tabletten - geeignet sei, die akuten, starken Schmerzen rasch zu beseitigen, dass jedoch kein Eingriff völlig frei von Risiken sei, es insbesondere zu Blutergüssen und Infektionen an der Einstichstelle und - außerordentlich selten - auch zu schweren allergischen oder Entzündungsreaktionen kommen könne. Die Beschwerden seien in der Regel gut zu behandeln. Die Klägerin hat darauf geantwortet, dass es natürlich schwer zu beantworten sei, wie sie im Falle einer solchen Belehrung reagiert hätte. Sie habe aber keine Angst vor Spritzen. Sie habe sich auch nach diesem Vorfall spritzen lassen. So lasse sie sich zum Beispiel auch gegen Grippe impfen. Letztlich hätte sie die Wahl des Mittels dem Arzt überlassen. Wenn er ihr eine Spritze empfohlen hätte, so hätte sie dem zugestimmt.

Der Senat entnimmt diesen Angaben eine hypothetische Einwilligung der Klägerin in die Spritzenbehandlung im Falle einer - tatsächlich nicht erfolgten - pflichtgemäßen Aufklärung.

Soweit die Klägerin danach angegeben hat, dass sie vielleicht doch auf eine Spritze verzichtet hätte, weil sie doch Diabetikerin sei, steht diese Äußerung im Zusammenhang mit ihren späteren Erkenntnissen nach der Behandlung vom 16. Juli 1999. Die Klägerin hat insoweit auch erkennen lassen, dass sie jetzt - nach diesem Vorfall - ihre Einstellung zu Spritzenbehandlungen verändert habe und zur Schmerzlinderung nunmehr allein auf Schmerzmittel in Tablettenform zurückgreife. Sie habe auch Schmerzpflaster probiert, hierauf aber allergisch reagiert. Dieser Wandel in der persönlichen Risikobewertung von Spritzenbehandlungen ist vor dem Hintergrund der durchlittenen Abszessbehandlung nachvollziehbar, er hat aber keinen Einfluss auf die Beweisfrage, wie sich die Klägerin hypothetisch bei zutreffender Belehrung am 16. Juli 1999 verhalten hätte.

3. Entgegen der Auffassung der Klägerin besteht für den Senat keine Veranlassung für eine Wiederholung oder Ergänzung der Beweisaufnahme zu den Folgen der verzögerten Krankenhauseinweisung. Das Beweisergebnis der Kammer ist insoweit eindeutig und weder in verfahrensrechtlicher noch in inhaltlicher Hinsicht zu beanstanden.

Im Zivilprozess ist die Prüfungsdichte des Berufungsgerichtes eingeschränkt. Auch wenn das Berufungsgericht noch Tatsachengericht ist, hat es grundsätzlich gemäß §§ 529 Abs. 1 Ziffer 1, 520 Abs. 3 Ziffer 3 ZPO als den Kernbestimmungen für das Berufungsverfahren von den Tatsachen auszugehen, die das Gericht des ersten Rechtszuges festgestellt hat, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Eine erneute Beweisaufnahme und damit ein Abweichen von den Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichtes kommt daher nur dann in Betracht, wenn eine gewisse, nicht nur theoretische Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen unrichtiger oder unvollständiger Feststellungen besteht. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die beweiswürdigenden Erwägungen einer festen Tatsachengrundlage entbehren, also nur Vermutungen wiedergeben, lückenhaft sind oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder schließlich bei einer Verkennung der Beweislastverteilung und wenn dies zu einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung geführt hat. Nach diesen Grundsätzen liegt hier eine von der Klägerin behauptete fehlerhafte Beweiswürdigung nicht vor.

Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. B. hat sowohl in seinem schriftlichen Gutachten als auch in der mündlichen Erörterung desselben eindeutig ausgeführt, dass die Intensität des Eingriffs, also insbesondere die Tiefe der zu setzenden Schnitte zur Entfernung der Eiteransammlungen, von der konkreten Ausbreitung der Abszesse abhängig ist. Die Ausbildung der Abszesse habe unterhalb der Hautoberfläche und mithin äußerlich schlecht abgrenzbar begonnen. Selbst am 22. Juli 1999 sei die Ausbreitung der Abszesse vor der Operation noch geringer bewertet worden, als es sich dann während der Operation gezeigt habe. Hierauf wiesen der Operationstermin und die vorgeschaltete Fieberbehandlung der Klägerin hin. Es sei zwar möglich, dass die Ausdehnung der Abszesse am 20. Juli 1999 geringer gewesen sein könnte, u.U. hätte der Operateur jedoch im Hinblick auf streuende Abszesse und bereits ausgebildete kleinere Eiterherde gleichwohl eine ähnlich umfangreiche Ausräumung vornehmen müssen. Die Offenheit dieses Beweisergebnisses zur Kausalität der verzögerten Einweisung für die Intensität des operativen Eingriffs geht zu Lasten der Klägerin, weil sie für die Voraussetzungen für den von ihr geltend gemachten Schadenersatzanspruch und mithin auch für die haftungsbegründende Kausalität den Vollbeweis nach § 286 ZPO führen muss.

III.

1. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Die Festsetzung des Kostenwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Der Senat ist von Einzelstreitwerten der Anträge der Klägerin in Höhe von 30.000,00 €, von 20.247,52 € sowie von 2.000,00 € ausgegangen, die zusammen zu rechnen waren. Die Abweichung zur erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung bezüglich des Antrags zu Ziffer 3) beruht darauf, dass der Senat in seiner ständigen Rechtsprechung lediglich diesen Wert annimmt, soweit konkrete Anhaltspunkte für ein höheres Interesse fehlen und der Vorbehalt im Wesentlichen vorsorglich zur Verjährungsunterbrechung begehrt wird.

Ende der Entscheidung

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