Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 25.09.2003
Aktenzeichen: 1 U 29/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 529
ZPO § 531 Abs. 2 n. F.
ZPO § 533 n. F.
ZPO § 533 Nr. 1 n.F.
ZPO § 533 Nr. 2
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1 n.F.
Jedenfalls dann, wenn über einen in zweiter Instanz eingeführten neuen Streitgegenstand auf der Grundlage des nach §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO n. F. zulässigen Prozessstoff dem Grunde nach verhandelt und - nämlich durch Klageabweisung - entschieden werden kann, ist eine Klageänderung entgegen des Wortlauts des § 533 ZPO n. F. zulässig, unabhängig davon, ob der Kläger seine geänderte Klage darüber hinaus auch auf neues Sachvorbringen zur Anspruchshöhe stützt, was nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO n. F. zugelassen werden darf.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 29/03

verkündet am: 25.09.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm auf die mündliche Verhandlung vom

22. September 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 9. Januar 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Halle, 4 O 312/01, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden bzw. des tatsächlich vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer übersteigt 20.000 EUR.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von dem beklagten Landkreis als Träger des Klinikums L. Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen behaupteter ärztlicher Behandlungsfehler anlässlich einer im Oktober 1997 stattgefundenen stationären orthopädischen Behandlung seines rechten Kniegelenks.

Der am 27. September 1955 geborene, adipös veranlagte Kläger leidet mindestens seit 1982 unter Beschwerden am linken Kniegelenk. Beginnend in diesem Jahre wurde er wiederholt am linken Kniegelenk operiert; seit 1996 ist links eine zementfreie Knie-Totalendoprothese implantiert.

Seit 1996 traten bei ihm belastungsabhängige Beschwerden am rechten Kniegelenk auf. Es wurde ein Knorpelgeschwür an der medialen Oberschenkelrolle diagnostiziert und Anfang Oktober 1997 zunächst mittels Arthroskopie behandelt. Die Behandlung blieb effektlos. Der Kläger litt weiterhin unter starken Schmerzen. Deshalb wurde mit ihm eine erneute stationäre Aufnahme zur Einsetzung einer Endoprothese terminlich vereinbart.

Am 13. Oktober 1997 wurde dem Kläger im Klinikum Mansfelder Land, dessen Träger der Beklagte ist, am rechten Knie eine mediale Schlittenprothese eingesetzt. Die beiden Gelenkteile wurden dabei in zu starker Valgusposition (X-Abweichung) befestigt, die insbesondere auf einer zu geringen Knochenresektion (Knochenmaterialabtragung) am medialen Tibiaplateau (d.h. am Schienbeinkopf) beruhte. Dem Kläger war eine volle Beweglichkeit des Kniegelenks wegen zu starker Schmerzen nicht möglich. Deshalb wurde die Knieprothese am 27. Oktober 1997 während des noch fortdauernden stationären Aufenthalts des Klägers im Krankenhaus des Beklagten gewechselt. Dabei wurde die Fehlpositionierung der Prothese am Femur (d.h. Oberschenkelknochen) korrigiert, nicht jedoch die (für die starke Valgusposition bedeutendere) Fehlstellung des Prothesenteils am Tibiaplateau. Das Kniegelenk des Klägers war bei Entlassung aus der stationären Behandlung und Verlegung zur Anschlussheilbehandlung gut mobilisiert und belastbar.

Während der Anschlussheilbehandlung verspürte der Kläger erneut Schmerzen und ein Instabilitätsgefühl an seinem rechten Knie. Es gab zunächst keine Hinweise auf eine Kniegelenksinfektion. Allerdings traten zusätzlich Hand- und Fingerbeschwerden auf. Es wurde eine rheumatische Erkrankung erkannt und mit Prednisolon behandelt.

Hinsichtlich des rechten Kniegelenks wechselten in den Folgemonaten Phasen der Besserung und Verschlechterung. Eine starke Schmerzphase machte im Januar 1998 eine erneute stationäre Aufnahme des Klägers im Krankenhaus des Beklagten erforderlich. Nach eingehender Untersuchung des Klägers wurden eine Wunddeshiszenz (d.h. ein Auseinanderweichen der Wundränder aufgrund mechanischer Belastung) und gering erhöhte Entzündungswerte festgestellt, die konservativ behandelt wurden. Eine spezifische Infektionsbehandlung erfolgte im Hinblick auf die Fortführung der Prednisolon-Therapie nicht. Anschließend wurde der Kläger in eine andere Klinik zur Behandlung der rheumatischen Erkrankung verlegt.

Am 10. November 1998 wurde der Kläger erneut wegen zunehmender Schmerzen im rechten Kniegelenk im Krankenhaus des Beklagten stationär aufgenommen. Es zeigten sich deutliche Knorpelschäden an der rechten Kniescheibe mit Lockerung des Tibiateils der Schlittenprothese. Eine Kniegelenksinfektion lag nicht vor. Im Rahmen der am 12. November 1998 durchgeführten Operation wurde die Schlittenprothese entfernt und statt dessen eine zementfreie bikondyläre (d.h. an beiden Gelenkknorren befestigter) Endoprothese implantiert. Die nach der Entlassung aus der stationären Behandlung im Krankenhaus des Beklagten durchgeführte Anschlussheilbehandlung war durch Instabilität im Bereich des linken Kniegelenks sowie durch Rheumaschübe gekennzeichnet. Anzeichen für eine Infektion lagen nicht vor.

Im Frühjahr 1999 traten beim Kläger zunächst belastungsabhängige Schmerzen, später anhaltende Wundheilungsstörungen und Schwellungen im Bereich des rechten Kniegelenks auf; es bestand der Verdacht einer Infektion. Im Rahmen der Behandlung wurde zur Ermöglichung einer radikalen Säuberung des Bereichs des rechten Kniegelenks von Entzündungskeimen in der Operation am 17. Mai 1999 das 1998 eingesetzte Implantat entfernt und durch eine zementierte Solution-Knie-Endoprothese mit zementfreiem Patella-Ersatz ersetzt.

Auch nach dieser Operation und der anschließenden Rehabilitation, die durch vielfältige, nicht mit der Behandlung des rechten Knies zusammenhängende Probleme erschwert war, traten wiederholt Wundheilungsstörungen und Infektionen auf. In der Folgezeit musste sich der Kläger einer Vielzahl von medizinischen Behandlungsmaßnahmen unterziehen. Seine derzeitige gesundheitliche Situation ist durch eine Versteifung des rechten Kniegelenks nach vielfachen operativen Interventionen mit zwischenzeitiger Infektion, durch eine Beinverkürzung rechts um 3 cm, durch eine Funktionsstörung des linken Kniegelenks mit Bandlockerung bei Knie-Endoprothese, durch eine schmerzbedingte Funktionsstörung des rechten Fußes nach Sudeckscher Dystrophie, eine Funktionsstörung der Schulter-, Hand- und Fingergelenke mit Verdacht auf eine chronisch entzündliche Gelenkerkrankung und durch degenerativ bedingte Funktionsstörung der Wirbelsäule gekennzeichnet.

Vorgerichtlich führten die Parteien des Rechtsstreits zwei - zeitlich versetzte - Verfahren bei der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern durch; auf den Inhalt der dort eingeholten Gutachten des Dr. med. M. (Chefarzt) und Dr. med Sch. (Oberarzt), Unfallchirurgie der Kliniken des M. -T. -Kreises GmbH in H. , vom 23. Oktober 1999 (GA Bd. I Bl. 7-19) und des Dr. med. Sl. , Oberarzt des Orthopädischen Fachkrankenhauses des A. e.V. in H. , vom 24. April 2001 (GA Bd. I Bl. 74-85) sowie der Empfehlung der Schlichtungsstelle vom 10. März 2000 (GA Bd. I Bl. 29 f.) wird Bezug genommen. Der Beklagte zahlte nach Abschluss des ersten Schlichtungsverfahrens im Januar 2001 einen Betrag in Höhe von 5.000,00 DM an den Kläger; wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Kommunalen Schadenausgleichs vom 31. Januar 2001 (GA Bd. I Bl. 78 f.) Bezug genommen.

Der Kläger hat in erster Instanz ein weiteres Schmerzensgeld von mindestens 40.000,00 DM begehrt sowie materiellen Schadenersatz für Verdienstausfall und für Aufwendungen zum behindertengerechten Umbau seiner Wohnung einschließlich des Einbaus eines Wohnungsliftes in Höhe von insgesamt 37.800,00 DM.

Er hat seine Klage in erster Instanz u.a. auf eine unzulängliche Durchführung der Operationen am 13. und 27. Oktober 1997 gestützt und behauptet, dass hierdurch alle Folgeoperationen im Bereich des rechten Knies, alle nachfolgenden Wundheilungsstörungen und Infektionen und letztlich auch sein derzeitiger Gesundheitszustand verursacht worden seien. Das bislang gezahlte Schmerzensgeld hat er als völlig unzureichend erachtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des widerstreitenden Sachvortrags zu Einzelheiten der tatsächlichen Beeinträchtigung des Klägers in seiner Lebensführung und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F..

Das Landgericht Halle hat die Klage mit seinem am 9. Januar 2003 verkündeten Urteil abgewiesen. Dabei ist das erstinstanzliche Gericht vom Vorliegen von Behandlungsfehlern bei der Durchführung der Operationen des Klägers vom 13. und 27. Oktober 1997 ausgegangen, jedoch auch davon, dass die Folgen dieser Fehler durch die Operation des Klägers am 12. November 1998 wieder beseitigt worden sind. Weitere Behandlungsfehler seien nicht nachgewiesen worden; hinsichtlich der vom Kläger behaupteten Wundheilungsstörungen und Infektionen bestehe kein ursächlicher Zusammenhang zu den festgestellten Behandlungsfehlern. Für die durch die erwiesenen Behandlungsfehler verursachten Unannehmlichkeiten des Klägers, insbesondere die Notwendigkeit von zwei Nachoperationen einschließlich der damit verbundenen psychischen Belastungen des Klägers, hat die Kammer ein Schmerzensgeld von 5.000,00 DM für angemessen erachtet. Ein entsprechender Anspruch des Klägers gegen den Beklagten sei insoweit jedoch durch die vorgerichtliche Zahlung des Beklagten erloschen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 26. Februar 2003 zugestellte Urteil mit einem am 25. März 2003 beim Oberlandesgericht Naumburg vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung innerhalb der ihm bis zum 19. Mai 2003 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet.

In der Berufungsinstanz verfolgt der Kläger seinen weiter gehenden Schmerzensgeldanspruch in Höhe von (nunmehr) 20.000,00 EUR sowie den materiellen Schadenersatzanspruch hinsichtlich der Kosten für den Einbau eines Treppenliftes in Höhe von 12.217,83 EUR weiter; zudem macht er einen Betrag von 17.900,00 EUR als weiteren Schadenersatz für den behindertengerechten Umbau seines Personenkraftwagens erstmals gerichtlich geltend.

Der Kläger greift die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts pauschal als unvollständig an; insbesondere seien die Ergebnisse der beiden Gutachten aus den vorgerichtlichen Schlichtungsverfahren unzureichend einbezogen worden. Zudem sei das zuerkannte Schmerzensgeld angesichts des damaligen und insbesondere des heutigen gesundheitlichen Beschwerdebildes beim Kläger völlig unangemessen. Der Kläger behauptet, dass ihm ein weiterer materieller Schaden dadurch entstanden sei, dass er auf eigene Kosten seinen Pkw behindertengerecht habe umbauen lassen; der Umbau sei notwendig gewesen, um ihm trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen ein Mindestmaß an Flexibilität zu erhalten.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein weiteres Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, allerdings 20.000,00 EUR nicht unterschreiten sollte, sowie weitere 30.117,83 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er verteidigt im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil unter Bezugnahme auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen und widerspricht der Klageerweiterung bzw. Klageänderung in der Berufungsinstanz.

Der Senat hat am 22. September 2003 mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats von diesem Tage (vgl. GA Bd. II Bl. 75 f.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass der Kläger unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Schmerzensgeldzahlung keinen Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld bzw. auf Ersatz der geltend gemachten materiellen Schadenspositionen hat. Gleiches gilt auch für die in zweiter Instanz erstmals eingeführten Positionen des behaupteten materiellen Schadens.

1. Allerdings ist die Berufung auch hinsichtlich der damit verbundenen klageerweiternden Klageänderung (Aufwendungen für den Umbau des PkwŽs) zulässig.

1.1. Die Verhandlung und Entscheidung über die mit der Berufung erstmals geltend gemachten materiellen Schadenspositionen ist jedenfalls sachdienlich i.S.v. § 533 Nr. 1 ZPO n.F., weil sie geeignet ist, auch diesen weiteren Streitpunkt zwischen den Parteien im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits auszuräumen und damit weiteren Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen.

1.2. Die Rechtssache kann auch hinsichtlich des nachträglich erhobenen weiteren Klageanspruchs vom Senat entschieden werden, ohne dass hierdurch die durch das ZPO-Reformgesetz geänderte Funktion des Berufungsgerichts als eine bloße Instanz zur Fehlerfeststellung und -beseitigung (statt einer vollständigen zweiten Tatsacheninstanz) von einer der Prozessparteien oder vom Gericht umgangen wird.

1.2.1. Zwar konfrontiert der Kläger den Beklagten und den Senat auch mit neuen Tatsachen, auf die er seine in zweiter Instanz erstmals erhobene Klageforderung stützt und die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO nicht zugrunde legen darf; dies betrifft hier insbesondere das Sachvorbringen zur Höhe des materiellen Schadens durch den behaupteten behindertengerechten Umbau seines Pkw. Nach dem Wortlaut des § 533 ZPO n.F. würde der vorgenannte Sachvortrag ohne Weiteres zur Unzulässigkeit der Klageänderung führen (so auch Albers in: Baumbach/ Lauterbach/ Albers/ Hartmann, ZPO, 60. Aufl. 2002, § 533 Rn. 11). Eine derart eng am Wortlaut der Vorschrift anknüpfende Gesetzesauslegung würde jedoch dem Sinn der Regelung in der vorliegenden Konstellation widersprechen.

1.2.2. Der Prüfung der Anspruchshöhe vorgelagert ist die Prüfung des Vorliegens eines Anspruchsgrundes. Im vorliegenden Rechtsstreit ist die zunächst entscheidungserhebliche Frage vor allem diejenige des Vorliegens einer haftungsbegründenden Kausalität zwischen den erstinstanzlich geprüften (und teilweise festgestellten) Behandlungsfehlern und dem in zweiter Instanz erstmals geltend gemachten materiellen Schaden. Für die Klärung dieser Frage kann das Ergebnis der bisherigen (erstinstanzlichen) Prozessführung verwertet werden; neuer Sachvortrag hierzu wird in zweiter Instanz nicht gehalten. Die Entscheidung über den Anspruchsgrund ist mithin in den Grenzen des dem Berufungsgericht nach §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO eröffneten Prüfungsumfangs möglich.

1.2.3. Jedenfalls dann, wenn über einen in zweiter Instanz eingeführten neuen Streitgegenstand auf der Grundlage des nach §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO zulässigen Prozess-Stoffs dem Grunde nach verhandelt und abschließend - nämlich durch Klageabweisung - entschieden werden kann, ist eine Klageänderung entgegen des Wortlauts des § 533 ZPO n.F. zulässig, unabhängig davon, ob der Kläger seine Klageänderung darüber hinaus auch auf neues Sachvorbringen zur Anspruchshöhe stützt, welches nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zugelassen werden darf.

Denn der Gesetzgeber wollte mit der Regelung des § 533 Nr. 2 ZPO ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfes des ZPO-Reformgesetzes nur verhindern, dass eine Prozesspartei die gesetzlich gewollte Beschränkung der Berufungsinstanz auf eine Fehlerfeststellung und -beseitigung umgeht und dass ein Angriffs- bzw. Verteidigungsmittel einer Partei zulässig ist, ohne dass die Prozesspartei die Chance hat, den hierfür erforderlichen Tatsachenstoff vorzubringen (vgl. Hannich/ Meyer-Seitz/ Engers, ZPO-Reform, 2001, S. 357 f. zu § 533 ZPO). Beiden vorgenannten Normzwecken widerspricht die Gesetzesauslegung des Senats nicht. Eine Einschränkung der Beachtung des Gedankens der Prozesswirtschaftlichkeit durch das Berufungsgericht lag hingegen nicht in der gesetzgeberischen Absicht. Vielmehr zeigt die Beibehaltung des Kriteriums der Sachdienlichkeit in § 533 ZPO n.F., dass vom Berufungsgericht dort, wo es ohne Systembruch möglich ist, auch weiterhin die Beilegung des Gesamtkonflikts anzustreben ist.

2. Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet.

Der Kläger hat zwar dem Grunde nach Anspruch auf Schmerzensgeld wegen der bereits erstinstanzlich zutreffend festgestellten ärztlichen Behandlungsfehler bei der Durchführung der Operationen vom 13. Oktober 1998 und vom 27. Oktober 1998, dieser Anspruch übersteigt jedoch in der Höhe nicht den vom Beklagten bereits geleisteten Betrag. Die weiteren, erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen einschließlich ihrer gravierenden Auswirkungen auf die Lebensführung des Klägers sind nicht auf die festgestellten Behandlungsfehler, sondern auf die verschiedenen Grunderkrankungen des Klägers zurückzuführen. Hierfür hat der Beklagte als Träger des Krankenhauses nicht einzustehen.

Nicht jede äußerlich mit dem Eintritt tragischer Folgen verbundene ärztliche Behandlung ist auf einen ärztlichen Behandlungsfehler zurückzuführen. Die Rechtsprechung zur Arzthaftung hat die Aufgabe, die Grenze zu ziehen zwischen dem schicksalhaften, auf der Unberechenbarkeit der menschlichen Natur beruhenden Gesundheitsschaden und demjenigen, der eingetreten ist, weil der behandelnde Arzt den von ihm geschuldeten hohen Qualitätsstandard bei der Behandlung nicht gewahrt hat (vgl. Pelz, DRiZ 1998, 473, 474). Der Arzt schuldet dem Patienten keinen Heilerfolg, und das Krankheitsrisiko des Patienten wird nicht zum Arztrisiko, wenn der Arzt die Behandlung übernimmt. Der Arzt, hier der Beklagte als Träger des Krankenhauses, haftet nur, wenn er den von ihm zu fordernden Qualitätsstandard - denjenigen einer fachärztlich ordnungsgemäßen Behandlung - unterschreitet und dies ursächlich für eine Schädigung des Patienten ist (vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 7. Aufl. 1997, Rn. 128; Laufs in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 1992, Kap. 17 Rn. 4, 9, 14). Den ihm obliegenden Nachweis zwischen einem ärztlichen Behandlungsfehler und seinen derzeitigen Gesundheitsbeschwerden hat der Kläger nicht geführt.

Im Einzelnen:

2.1. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Durchführung der Operation am 13. Oktober 1998 insofern nicht dem fachärztlichen Standard entsprach, als die Implantation der Prothesenteile in zu starker Valgusposition erfolgte, weil insbesondere am medialen Schienbeinkopf nicht genügend Knochenmaterial abgetragen worden war. Das Landgericht hat weiter zutreffend festgestellt, dass die - angesichts der Fehlstellung des Implantats indizierte - Revisionsoperation am 27. Oktober 1998 aus gleichem Grunde fehlerhaft war, weil sie lediglich die Fehlpositionierung des femoralen Prothesenteils beseitigte, nicht jedoch diejenige des tibialen Prothesenteils. Gegen diese, dem Kläger prozessual günstigen Feststellungen wendet sich auch der Beklagte spätestens seit Vorliegen des gerichtlichen Gutachtens nicht mehr.

Weitere Behandlungsfehler sind nicht feststellbar.

Das Landgericht ist aufgrund eigener Sachaufklärung einschließlich der Einholung eines gerichtlichen fachorthopädischen Gutachtens in nicht zu beanstandender Weise zu der inhaltlich zutreffenden Feststellung gelangt, dass es im Oktober 1998 angezeigt bzw. nach objektivem fachärztlichen Standard zumindest vertretbar war, die mediale Gonarthrose im Bereich des rechten Kniegelenks des Klägers operativ, d.h. hier durch Einsetzen einer Prothese, zu behandeln.

Das Landgericht hat ebenso zutreffend festgestellt, dass hinsichtlich der weiteren Behandlung im Krankenhaus des Beklagten schon keine Anhaltspunkte für einen weiteren Behandlungsfehler erkennbar sind. Insbesondere ist die Durchführung der am 17. Mai 1999 erfolgten Operation nicht zu beanstanden. Zwar ist das Tibiaplateau der Prothese in einer seitlichen Abweichung von ca. 8 bis 10 Grad und mithin nicht in optimaler Positionierung implantiert worden, die geringfügige Abweichung ist jedoch für die Funktion des Kniegelenks ohne Bedeutung gewesen.

Die Erkenntnisse beruhen vor allem auf den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, denen das Gericht gefolgt ist. Der Sachverständige hat sich wiederum intensiv nicht nur mit den Krankenunterlagen, sondern auch mit den vorgerichtlichen Gutachten aus den beiden Schlichtungsverfahren und insbesondere mit den darin enthaltenen abweichenden Bewertungen auseinander gesetzt; er hat den Kläger zudem selbst körperlich untersucht und ergänzend befragt. Es ist nicht ersichtlich, dass das Landgericht etwaige Erkenntnisquellen oder gar angebotene Beweismittel ungenutzt gelassen hat.

2.2. Wie insbesondere aufgrund des gerichtlich eingeholten fachorthopädischen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. med. S. feststeht, hat der einzige nachgewiesene Behandlungsfehler, nämlich die mangelhafte Implantation der Schlittenprothese, zwar zu einer biomechanisch nachteiligen Winkelstellung der Gelenkteile geführt und dadurch die spätere Lockerung des Tibiateils der Prothese hervorgerufen; diese Lockerung ist aber mit der Entfernung der Schlitten-Prothese und dem Einbau der andersartigen bikondylären Endoprothese am 12. November 1998 ausgeglichen worden. Andere Schäden oder Folgewirkungen hat die zu starke Valgusstellung der Gelenkteile im rechten Knie für den Zeitraum von dreizehn Monaten (13. Oktober 1997 bis 12. November 1998) nach den Ausführungen sowohl der Sachverständigen im ersten Schlichtungsverfahren als auch des gerichtlichen Sachverständigen nicht verursacht.

2.3. Die Bemessung eines angemessenen Schmerzensgeldes durch das Landgericht mit einem Betrag von 5.000,00 DM ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass nur diejenigen Umstände für die Schmerzensgeldbemessung zugrunde gelegt werden können, die eindeutig auf den Behandlungsfehler zurückzuführen sind und mithin im Zeitraum vom 13. Oktober 1997 bis zum 12. November 1998 aufgetreten sind. Auf dieser Grundlage hat das Landgericht zutreffend die Notwendigkeit zweier Nachoperationen nach der Implantation der Schlitten-Prothese am 13. Oktober 1997, von denen erst die zweite Nachoperation, diejenige am 12. November 1998, zur Fehlerbeseitigung geführt hat, als schmerzensgeldbegründend herangezogen. Dabei hat es mit nachvollziehbaren, sachlichen Argumenten die Belastung des Klägers mit der ersten Nachoperation am 27. Oktober 1997 als geringer beeinträchtigend als diejenige durch die zweite Nachoperation am 12. November 1998 bewertet. Diese Erwägungen sind frei von Ermessensfehlern.

Das Landgericht hat die durch die Valgusstellung verursachte geringe Instabilität des rechten Kniegelenks nicht als eigenständiges Schmerzensgeldkriterium berücksichtigt. Auch diese Bewertung ist letztlich nicht zu beanstanden, weil ein Behandlungserfolg auch bei fehlerfrei durchgeführter Operation ungewiss war. Selbst wenn der Senat jedoch zugunsten des Klägers davon ausginge, dass auch dieser Umstand in die Schmerzensgeldbemessung hätte einfließen müssen, ergäbe sich hieraus keine nennenswerte, im Rahmen der später anzustellenden Gesamtbewertung durchgreifende Schmerzensgeld"position".

Hinsichtlich der sonstigen gesundheitlichen und körperlichen Beeinträchtigungen des Klägers einschließlich deren Folgewirkungen im o.g. Zeitraum, insbesondere hinsichtlich der Wundheilungsstörung, der Kniegelenksinfektion und der hinzutretenden rheumatischen Erkrankung, ist - wie vorausgeführt - ein ursächlicher Zusammenhang zu der bloßen mechanischen Fehlpositionierung der Prothesenteile nicht nachgewiesen, so dass diesen - entgegen der Auffassung des Klägers - für die Bemessung des Schmerzensgeldes keinerlei Bedeutung zukommt. Gleiches gilt für die geltend gemachten Positionen des materiellen Schadens, also für die Aufwendungen für den Umbau der Wohnung und des PKW's.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nrn. 7 und 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO n.F.. Da die mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren nach dem 01. Januar 2002 erfolgte, richtet sich die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen diese Entscheidung nach der nunmehr geltenden Fassung der ZPO, was bereits bei Abfassung des Berufungsurteils zu berücksichtigen war.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO n.F. war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

Zurück