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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 31.05.2001
Aktenzeichen: 1 U 33/00
Rechtsgebiete: BnotO, BeurkG, BGB, StGB, VONot, GmbHG, HGB


Vorschriften:

BNotO § 19
BNotO § 19 Abs. 1 Satz 3
BNotO § 19 Abs. 1
BeurkG § 21
BeurkG § 17
BGB § 1132 Abs. 2
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 1132 Abs. 1
BGB § 434
BGB § 440
BGB § 325
BGB § 326 Abs. 1 S. 2
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 291
StGB § 263
VONot § 18 Abs. 1
VONot § 18
GmbHG § 64 Abs. 2
GmbHG § 64 Abs. 1
HGB § 177 a
HGB § 130 a
1. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine an der Beurkundung beteiligte Kapitalgesellschaft ausnahmsweise keiner Belehrung über die Tragweite ihrer Willenserklärung bedarf, ist auf das konkrete Vertragswerk abzustellen und von den tatsächlich handelnden Personen auszugehen.

2. Auch ein Erfüllungsanspruch kann eine anderweitige Ersatzmöglichkeit dann darstellen, wenn durch eine Amtspflichtverletzung eines Notars bereits ein Schaden entstanden ist.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 33/00 OLG Naumburg

verkündet am: 31.05.2001

In dem Rechtsstreit

...

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2001 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink, den Richter am Oberlandesgericht Geib und den Richter am Landgericht Wiedemann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 06. April 2000 verkündete Urteil des Landgerichts Halle (Geschäftsnummer 9 O 284/99) unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 478.724, 78 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 03. 09. 1999 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 6 % und der Beklagte zu 94 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000 DM abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 523.000 DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Beschwer des Beklagten übersteigt 60.000 DM. Die Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000 DM nicht.

Tatbestand:

Der Beklagte war bis Ende des Jahres 1998 als Notar mit Amtssitz in M. tätig. Die Klägerin nimmt ihn in Anspruch, weil er anlässlich einer Beurkundung die ihm obliegenden Amtspflichten verletzt habe.

Am 21. März 1995 beurkundete der Beklagte einen Kaufvertrag, aufgrund dessen die Klägerin, vertreten durch den Dipl.-Ing. I. E. und den als Prokuristen bei ihr tätigen Techniker W. K. , von der Firma H. Hoch- und Tiefbau M. GmbH & Co. KG (im Folgenden H. genannt) eine noch zu vermessende Teilfläche eines Grundstücks zum Kaufpreis von 510.840,00 DM erwarb. Das nicht parzellierte Grundstück, in dem die verkaufte Teilfläche lag, war zum damaligen Zeitpunkt mit einer Grundschuld in Höhe von 22 Mio. DM zugunsten der W. - Bank belastet, was dem Beklagten, der keine Einsicht in das Grundbuch genommen hatte, unbekannt war. Unter Ziff. 1 des von ihm beurkundeten Kaufvertrages wurde festgehalten, dass H. als Eigentümer der Flurstücke, aus denen die verkaufte Teilfläche herausgemessen werden sollte, eingetragen ist. Weiterhin enthält der Kaufvertrag folgenden - in der Urschrift handschriftlich aufgenommenen - Vermerk:

"Die Flurstücke sind lastenfrei bzw. werden lastenfrei gestellt. Der Notar hat das Grundbuch nicht eingesehen."

Unter Ziff. V des Kaufvertrages ist unter der Überschrift "Kaufpreis" u. a. vereinbart, dass der Kaufpreis binnen 14 Tagen, nachdem der Notar dem Käufer mitgeteilt hat, dass zu seinen Gunsten eine Auflassungsvormerkung eingetragen und die Negativbescheinigung über Vorkaufsrechte erteilt ist, fällig ist. Weitere Fälligkeitsvoraussetzung sollte die Genehmigung des Vertrages durch das Landratsamt sowie die Vorlage einer Teilungsgenehmigung sein. Letztgenannte Voraussetzungen waren von dem Notar ausweislich der Vertragsurkunde nicht zu überprüfen.

Unter Ziff. XV des Kaufvertrages ist unter der Überschrift "Hinweise" u. a. beurkundet:

"Eine Übereignung des Grundbesitzes vor Bezahlung des Kaufpreises kann mit Gefahr verbunden sein. Mit Risiko verbunden ist auch eine Zahlung des Kaufpreises vorm Eigentumsübergang bzw. Eintragung einer Auflassungsvormerkung, Sicherung der Lastenfreistellung und Erteilung der für die Wirksamkeit des Vertrages erforderlichen Genehmigungen und das Vorliegen einer Erklärung über die Nichtausübung der Vorkaufsrechte.

Der Notar hat zur Abwendung dieser Gefahren Sicherungsmaßnahmen angeregt, wie a. für den Verkäufer:

Zurückstellung der Auflassung oder Eintragung einer Sicherungshypothek, b. für den Käufer:

Hinterlegung des Kaufpreises oder Einzahlung auf ein Sperrkonto."

Nach Eintragung einer Auflassungsvormerkung wandte sich der Beklagte mit Schreiben vom 06. 05. 1996 an die Klägerin (Anlage Bbkl.1, GA Bd. 2 Bl. 80). Hierin heißt es:

"in der o.a. Angelegenheit zeige ich an, daß mir nunmehr das Negativattest der Stadt M. , die Zustimmung des Grudstücksverkehrsausschusses beim Landratsamt M. sowie der Nachweis der Eintragung der Auflassungsvormerkung im Grundbuch vorliegen.

Damit ist die Kaufpreisfälligkeit eingetreten. Bitte überweisen Sie den vereinbarten Kaufpreis innerhalb von 14 Tagen ab Zugang dieses Schreibens auf das im Kaufvertrag angegebene Konto."

Hierauf zahlte die Klägerin am 22.05.1996 den Kaufpreis. Im Juli 1997 wurde die Teilungsgenehmigung für das Grundstück, auf dem die Klägerin nunmehr unter Vornahme erheblicher Investitionen einen Betriebshof unterhielt und immer noch unterhält, erteilt. Mit Schreiben vom 24. 10. 1997 teilte der Vermessungsingenieur der Klägerin das Ergebnis der Vermessung mit, wonach das Grundstück flächenmäßig kleiner ist, als im Kaufvertrag veranschlagt Der Kaufpreis reduzierte sich aus diesem Grund entsprechend der vertraglichen Regelung auf 491.310 DM. Mit Schreiben vom 20. 02. 1998 bestätigte H. den Erhalt des Kaufpreises.

Spätestens im März 1998 erfuhr die Klägerin von den eingetragenen Grundschulden, die nunmehr auch in voller Höhe auf dem ausgemessenen Teilstück lasteten. Am 16. März 1998 forderte die Klägerin den Beklagten auf, für die Lastenfreistellung Sorge zu tragen. Es kam in der Folgezeit zu Verhandlungen mit der W. -Bank, in denen die Klägerin die Lastenfreistellung des Grundstücks forderte. Schließlich zahlte die Klägerin - nachdem sie zuvor mit Schreiben vom 18. Juni 1998 (Anlage K7; Gerichtsakte Band 1 Bl. 76) den Beklagten auf diese Absicht hingewiesen und ihn um Mitteilung gebeten hat, ob er eine kostengünstigere Alternative sehe - den ursprünglich vereinbarten Kaufpreis an die W. - Bank, die daraufhin mit Schreiben vom 09. 09. 1999 (Gerichtsakte Band 1 Bl. 114) gegenüber dem Grundbuchamt die Haftungsentlassung des verkauften Grundstückes erklärte.

Bereits zuvor, nämlich am 11. 06. 1998 wurde hinsichtlich der im Eigentum der H. stehenden Grundstücke ein Verfügungsverbot eingetragen. Am 12. 06. 1998 folgte die Eintragung eines Zwangsversteigerungsvermerks. Schließlich wurde am 21. 09. 1998 das Gesamtvollstreckungsverfahren gegen H. eröffnet.

Die Klägerin hat behauptet, die W. - Bank habe durch die Grundschulden Forderungen in einer die Klagesumme übersteigenden Höhe gegen H. abgesichert. Sie habe sich zur Freigabe des Grundstücks nur bereit erklärt, wenn die Klägerin den bereits gezahlten Kaufpreis noch einmal an die W. - Bank überweise; ansonsten sei ein Zwangsversteigerungstermin im 4. Quartal des Jahres 1999 geplant gewesen. Daraufhin habe die Klägerin weitere 510.840,00 DM an die W. - Bank bezahlt, die infolgedessen am 09.09.1999 die Pfandfreigabe erklärt habe.

Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte sei zur Erstattung dieses Betrages verpflichtet. Sie hätte auf den Kauf verzichtet bzw. abgewartet, bis die Modalitäten der Haftungsfreistellung geklärt seien, sofern sie gewusst hätte, dass das Grundstück belastet sei. Es sei nicht erforderlich gewesen, den Grundstückskaufvertrag sofort abzuschließen, da sie aufgrund eines mit H. geschlossenen Mietvertrages die notwendige Überbrückung für die Zeit bis zur Fertigstellung des Betriebshofs auf dem verkauften Gelände habe sicherstellen können.

Die Klägerin hat behauptet, erst Anfang 1998 von der auf dem Grundstück lastenden Grundschuld erfahren zu haben. Rechtlichen Beistand habe sie vor der Beurkundung nicht gehabt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 510.840,00 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 03. 09. 1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte erhebt - was unstreitig ist - die Einrede der Verjährung. Er hat behauptet, anlässlich der Beurkundung habe der Vertreter von H. erklärt, dass er nicht genau wisse, ob Lastenfreiheit bestehe, er sie aber herbeiführen könne. Daraufhin habe er, der Beklagte, die Klägerin ausdrücklich auf das Risiko hingewiesen, welches sich daraus ergebe, dass er das Grundbuch nicht eingesehen habe. Die Vertragsparteien hätten es jedoch eilig gehabt und auf einer schnellen Beurkundung bestanden, wobei sie ausdrücklich auf eine Einsicht in das Grundbuch durch den Beklagten verzichtet hätten.

Der Beklagte hat vorgetragen, der Wert des verbleibenden Grundstücks habe ausgereicht, um die Forderungen der W. - Bank zu sichern, welche rechtsmissbräuchlich gehandelt habe, indem sie von der Klägerin den Kaufpreis noch einmal verlangt habe. Durch gerichtliche Inanspruchnahme der W. - Bank sei es der Klägerin möglich gewesen, eine anderweitige Ersatzmöglichkeit zu realisieren.

Der Beklagte hat behauptet, die Klägerin sei im Vorfeld des Vertrages von dem Juristen Dr. Kl. , der bei der Muttergesellschaft der Klägerin angestellt gewesen sei, juristisch beraten worden. Sie sei daher hinsichtlich der Risiken ungesicherter Vorleistungen nicht schutzbedürftig gewesen.

Das Landgericht hat gemäß Beweis- und Auflagenbeschluss vom 03.01.2000 (GA Bd. I, Bl. 126) Beweis erhoben, durch Vernehmung der Zeugen K. , Dr. Kl. und T. . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 09.03.2000 (GA Bd. I, Bl. 145) Bezug genommen.

In dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung von 510.840,00 DM nebst Verzugszinsen verurteilt. Es hat ausgeführt, dass sich der Anspruch gegen den Beklagten aus § 19 BNotO ergebe. Der Beklagte habe gegen die ihm aus § 21 Beurkundungsgesetz obliegenden Pflichten verstoßen, da er weder das Grundbuch eingesehen noch auf die daraus resultierenden Gefahren hingewiesen habe. Ein solcher Hinweis liege insbesondere nicht in Ziff. XV, da dort nur allgemein die Risiken der Kaufpreiszahlung vor Lastenfreistellung erwähnt werden. Der Hinweis sei auch nicht deshalb entbehrlich, weil es sich bei der Klägerin um eine Kapitalgesellschaft handele. Die hier gegebene Gefahr sei auch für einen Kaufmann nicht ohne Weiteres zu erkennen, da hierzu Grundkenntnisse im Immobiliarsachenrecht und ein Mindestmaß juristischen Abstraktionsvermögens erforderlich seien. Da in der Vertragsurkunde kein Hinweis auf eine Belehrung aufgenommen sei, trage der Beklagte die Beweislast dafür, dass er einen Hinweis erteilt habe; diesen Beweis habe er nicht führen können. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin einem entsprechenden Hinweis Rechnung getragen hätte, in dem sie entweder auf die Beurkundung verzichtet oder die Zahlung von einer adäquaten Sicherung abhängig gemacht hätte.

Durch die Pflichtverletzung des Beklagten sei der Klägerin auch ein Schaden in geltend gemachter Höhe entstanden. Es sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass W. -Bank gegenüber H. Forderungen in Millionenhöhe gehabt habe. Da hinsichtlich des verkauften Grundstückes keine Verteilungserklärung nach § 1132 Abs. 2 BGB abgegeben worden sei, hafte es hierfür voll. Es sei Sache des Gläubigers, welche Sicherheit er verwerte. Die W. -Bank habe deshalb auch nicht rechtsmissbräuchlich gehandelt, als sie den Kaufpreis noch einmal von dem Beklagten gefordert habe; letzteres ergebe sich aus den Schreiben der W. -Bank, deren Richtigkeit von dem Beklagten nicht substantiiert bestritten sei.

Die Klägerin treffe auch kein Mitverschulden, da sie juristische Beratung erst nach der Vertragsbeurkundung erhalten habe.

Die Forderung sei nicht verjährt, da die dreijährige Verjährungsfrist des § 19 Abs. 1 Satz 3 Bundesnotarordnung erst mit Schadenseintritt, also der Zahlungsunfähigkeit von H. eingetreten sei. Im Hinblick darauf könne dahinstehen, ob die Klägerin - wie sie behauptet - frühestens 1998 Kenntnis von der Belastung erhalten habe.

Gegen das dem Beklagten am 12.04.2000 (GA Bd. I, Bl. 191) zugestellte Urteil richtet sich die am 05.05.2000 eingegangene und innerhalb der bis zum 19.06.2000 verlängerten Frist begründete Berufung.

Der Beklagte trägt vor, die in Ziff. XV des Vertrages vorgenommene Belehrung sei ausreichend, da die Klägerin als 100 %ige Tochtergesellschaft der Firma R. GmbH, eines international tätigen Unternehmens, nicht schutzbedürftig sei. Dies gelte umso mehr, als sie bereits im Vorfeld des Vertragsschlusses juristisch beraten worden sei und der Beklagte den Vertragstext nicht selbst entworfen habe. Vielmehr sei ihm - entweder von Kläger- oder von Seiten H. - ein Vertragsentwurf zugesandt worden, welcher von einer Notariatsangestellten abgeschrieben worden sei. Dabei habe sie die in dem ursprünglich übersandten Entwurf (Anlage B5, GA Bd. 2 Bl. 46 ff) enthaltene Passage "Die Flurstücke sind lastenfrei" vergessen, weshalb anlässlich des Beurkundungstermins die oben genannte Formulierung handschriftlich ergänzt worden sei.

Die Klägerin habe versäumt, ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber der H. GmbH geltend zu machen. Dieses habe ihr aufgrund fehlender Lastenfreistellung zugestanden. Hiervon habe die Klägerin spätestens am 25.11.1997 Kenntnis gehabt, da ihr zu diesem Termin ein Grundbuchauszug übersandt worden sei; diese Kenntnis müsse sich die Klägerin zurechnen lassen, da es sich im Verhältnis von Klägerin zu ihrer Muttergesellschaft um einen qualifizierten faktischen GmbH-Konzern handele.

Die Klägerin habe versäumt, anderweitige Ersatzansprüche - namentlich gegenüber der H. - durchzusetzen. Zu deren Lasten sei erst am 11.06.1998 ein Verfügungsverbot eingetragen worden, so dass die vertraglichen Ansprüche auch hätten durchgesetzt werden können. Weiterhin bestünden anderweitige Ersatzmöglichkeiten gegenüber den Geschäftsführern von H. persönlich. Diese hätten einen Betrug begangen, da in dem Entwurf, der dem Beklagten übersandt wurde, die Formulierung, das Grundstück sei "lastenfrei" enthalten gewesen sei. Die Geschäftsführer von H. hätten daher anlässlich des Kaufvertragsschlusses über die Lastenfreiheit getäuscht.

Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit liege weiterhin darin, dass die Klägerin den von ihr geschuldeten Mietzins für die vorübergehende Anmietung eines Grundstückes von 17.000,00 DM im Monat hätte zurückbehalten können, was sie ab März 1998 auch getan habe, da seitdem - unstreitig - keine Miete mehr gezahlt wurde.

Der Beklagte bestreitet die Kausalität der behaupteten Pflichtverletzung zu dem geltend gemachten Schaden. Die Klägerin habe diesen Betrag aufgrund freier Entscheidung bezahlt, zumal - was unstreitig ist - der Kaufpreis für das Grundstück im Hinblick auf eine nachträglich durchgeführte Vermessung, welche eine geringere als die im Kaufvertrag angenommene Quadratmeterzahl ergab, einvernehmlich auf 491.310,00 DM reduziert worden sei. Der Beklagte bestreitet den Wert des Grundstückes und stellt in Abrede, dass die W. -Bank noch valutierende Forderungen gegenüber der H. gehabt habe, welche Anlass für eine Zwangsvollstreckung in das verkaufte Grundstück hätten sein können. Die Klägerin hätte im Übrigen die Zwangsversteigerung ohne Weiteres abwarten können; dabei hätte möglicherweise sogar eine Befriedigung ihrer Forderungen erreicht werden können.

Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit bestehe auch deshalb, weil die Komplementärin der Verkäuferin, die Firma "H. Tiefbau Verwaltungs GmbH" die für die Verbindlichkeiten der Verkäuferin hafte - nach wie vor liquide sei. Schließlich seien Ersatzansprüche auch in der Person der Geschäftsführer der Verkäuferin aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB, gegenüber ihrer Muttergesellschaft und gegenüber den eigenen Geschäftsführern gegeben.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Halle vom 06.04.2000 (Geschäftsnummer: 9 O 284/99) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin bestreitet, den Vertragsentwurf gefertigt zu haben. Sie könne keine Angaben zu dessen Urheberschaft machen.

Sie trägt vor, der Beklagte habe durch sein Schreiben vom 06.05.1996, mit welchem er - unstreitig - mitgeteilt hat, dass die Fälligkeitsvoraussetzungen eingetreten sind, die Kaufpreiszahlung, die er jetzt als vorzeitig rüge, veranlasst. Es sei ihr - nachdem sie Kenntnis von der Belastung des Grundstückes erhalten habe - nicht mehr möglich gewesen, rechtzeitig einen Titel gegen die Verkäuferin zu erwerben.

Die Klägerin behauptet, sie habe von der Belastung folgendermaßen erfahren: Die Vermessung der Teilfläche habe recht lange Zeit in Anspruch genommen. Das Ergebnis sei ihr erst am 24. 10. 1997 durch den Vermessungsingenieur mitgeteilt worden. Dem zuständigen Grundbuchamt habe das Katasteramt eine entsprechende Mitteilung erst am 23. 03. 1998 zukommen lassen. Erst ab diesem Zeitpunkt sei rechtlich die Möglichkeit gegeben gewesen, die geschuldete lastenfreie Umschreibung weiter zu betreiben. Zwischenzeitlich habe ein externer Rechtsanwalt, der Zeuge Dr. S. , der für die Klägerin im Rahmen einer Gewährleistungsangelegenheit tätig gewesen sei, davon erfahren, dass die Eigentumsumschreibung noch nicht erfolgt ist und der Klägerin den Rat erteilt, sich darum zu kümmern. Dies habe zu einem unverzüglich vorgenommenen Gespräch zwischen dem Mitarbeiter der Klägerin Ef. und dem Beklagten am 24. 02. 1998 geführt. Durch dieses Telefonat habe die Klägerin erstmals von der Belastung des Grundstückes erfahren.

Ein Zurückbehaltungsrecht habe sie nicht geltend machen können, da es an einem gleichartigen Rechtsverhältnis fehle. Auch eine Aufrechnung mit Mietzinsforderungen sei nicht in Betracht gekommen, da das Mietverhältnis zum 01.04.1998 geendet habe. Es sei ihr schließlich nicht zuzumuten gewesen, die Zwangsversteigerung abzuwarten, da sie auf dem Grundstück Investitionen in Millionenhöhe getätigt habe, derer sie nicht durch die Zwangsversteigerung habe verlustig gehen wollen.

Der Senat hat die Akten 57 N 1292/98 und 58 N 343/98 des Amtsgerichts Halle- Saalkreis sowie die Grundakten des Grundbuches von M. , Blatt 4987, beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Der Senat hat weiterhin gemäß Auflagen- und Beweisbeschluss vom 12. 12. 2000, auf den verwiesen wird (Gerichtsakte Band 2 Blatt 139 ff), Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E. , K. , Ef. und P. . Der zunächst als Zeuge benannte Geschäftsführer der Klägerin Sd. wurde - nachdem die Klägerin auf Hinweis des Senats dessen Stellung klargestellt hatte - auf Antrag des Beklagten als Partei vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 05. 02. 2001 (Gerichtsakte Band 3 Blatt 33 ff) verwiesen. Der Zeuge Dr. S. hat sich schriftlich geäußert. Insoweit wird auf sein Schreiben vom 24. Januar 2001 (GA Bd. 3 Bl. 52 ff) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und wurde insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet. Sie hat in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg.

Die Klage ist überwiegend begründet. Der Beklagte ist wegen einer von ihm begangenen Amtspflichtverletzung zur Zahlung von Schadensersatz gem. § 18 Abs. 1 der Verordnung über die Tätigkeit von Notaren in eigener Praxis (VONot) sowie zuerkannter Prozesszinsen gem. § 288 Abs. 1 BGB in der vor dem 01.05.2000 geltenden Fassung (vgl. Art. 229, § 1 Abs. 1, Satz 3 EGBGB) i.V.m. § 291 BGB verpflichtet. Lediglich insoweit, als die Klägerin verabsäumt hat, die W. - Bank zur Rückzahlung des den tatsächlichen Kaufpreis übersteigenden Betrages in Anspruch zu nehmen und gegenüber H. mit Gegenforderungen aufzurechnen, war die Klage abzuweisen (vgl. unten Ziffer 4.1.).

1. Das Bestehen eines Schadensersatzanspruches der Klägerin gegen den Beklagten richtet sich nach § 18 Abs. 1 VONot in Verbindung mit § 19 Abs. 1 BNotO. Zwar ist die BNotO für Haftungsfälle, die - wie der vorliegende - vor dem Inkraftreten des Dritten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 31. August 1998 in den neuen Bundesländern ihren Ursprung haben, nicht unmittelbar anwendbar; im Rahmen der fortgeltenden Regelung des § 18 VONot wird jedoch auf die "Vorschriften des Zivilrechts" verwiesen, wobei nach dem Beitritt die entsprechenden Bestimmungen des Rechts der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden sind, mithin im Bereich der Notarhaftung § 19 BNotO als die sachgerechteste Norm (BGH VersR 1998, 1423 f).

2. Der Beklagte hat eine ihm obliegende Amtspflicht schuldhaft verletzt. Er hat insbesondere seiner ihm gem. §§ 17 ff BeurkG obliegenden Beratungspflicht nicht genügt.

2.1. Dem Beklagten oblagen im Hinblick auf den hier vorliegenden Vertrag verschiedene Belehrungspflichten.

2.1.1. Gemäß § 21 BeurkG soll sich der Notar bei Geschäften, die - wie hier - im Grundbuch eingetragene oder einzutragende Rechte zum Gegenstand haben, über den Grundbuchinhalt unterrichten und - sofern er dies nicht getan hat - nur beurkunden, wenn die Beteiligten trotz Belehrung über die damit verbundenen Gefahren auf einer sofortigen Beurkundung bestehen. Vorliegend ist eine Grundbucheinsicht nicht erfolgt, so dass eine solche Belehrung geboten war.

2.1.2. Gemäß § 17 BeurkG soll der Notar die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben. Der Notar ist danach verpflichtet, bei der Beurkundung den Beteiligten den zur Erreichen ihres Ziels "sichersten Weg" zu zeigen und darauf hinzuweisen, von mehreren rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten diejenige zu wählen, die am wenigsten schadensträchtig ist (BGH VersR 1976, 730, 731 f; BGHZ 27, 274, 276; 56, 26, 28). Dies gilt insbesondere dann, wenn aus der rechtlichen Anlage des vom Notar beurkundeten Vertragswerks einer der Parteien eine besondere - von dieser möglicherweise nicht erkannte - Gefahr droht (BGH VersR 1967, 187).

Nach dieser Vorschrift sind die Beteiligten insbesondere auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die mit ungesicherten Vorleistungen verbunden sind, und mögliche Abhilfen aufzuzeigen (BGH NJW 1995, 330). Vorliegend war bereits zum Zeitpunkt der Beurkundung davon auszugehen, dass die unter Ziffer V. des Vertrages geregelten Vereinbarungen zur Zahlung des Kaufpreises dazu führen, dass die Klägerin eine ungesicherte Vorleistung erbringen wird. Als Fälligkeitsvoraussetzung war - neben verschiedenen Genehmigungsvoraussetzungen, auf die noch einzugehen sein wird - lediglich die Eintragung einer Auflassungsvormerkung und die Negativbescheinigung über Vorkaufsrechte vorgesehen. Dies führt immer dann zu einer Vorleistung des Käufers, wenn durch Belastungen des Grundstückes mit Grundschulden derartige Rechte der Auflassungsvormerkung im Range vorgehen, ohne dass dies die Fälligkeit der Kaufpreisforderung tangiert. Diese rechtliche Gestaltung war aufgrund der konkreten Konstellation im vorliegenden Fall auch als besonders schadensträchtig anzusehen. Dabei ist zu vergegenwärtigen, dass es sich bei dem verkauften Grundstück um den unvermessenen Teil eines wesentlich größeren Grundstückes handelte. Im Hinblick auf die Regelung des § 1132 Abs. 1 BGB war für den beurkundenden Notar davon auszugehen, dass eine "Lastenfreiheit" des Grundstückes nur dann gegeben sein konnte, wenn auch das Gesamtgrundstück lastenfrei gewesen wäre. Dass ein größeres gewerblich zu nutzendes Grundstück vollständig lastenfrei gehalten wird, kann im Wirtschaftsleben als geradezu ausgeschlossen angesehen werden, jedenfalls aber nicht zur Prämisse einer ausgewogenen Vertragsgestaltung gemacht werden. Hinzu kommt, dass durch das Erfordernis, das Grundstück zu vermessen und zu teilen, eine zeitnahe Lastenfreistellung des Grundstückes ebenso wenig erwartet werden konnte, wie eine zügige Abwicklung des Vertrages, so dass die gefährliche Konstellation - vorzuleisten, ohne dass eine lastenfreie Übereignung des Grundstückes möglich war - über einen längeren Zeitraum vorherzusehen war und dann auch tatsächlich bestand.

Es wäre auch ohne weiteres möglich gewesen, der drohenden Gefahr durch eine entsprechende Vertragsgestaltung Rechnung zu tragen; hierfür wäre bereits ausreichend gewesen, als Fälligkeitsvoraussetzung die erstrangige Eintragung der Auflassungsvormerkung vorzusehen.

Belehrungsbedürftig wäre nach § 17 BeurkG darüber hinaus auch die höchst ungewöhnliche und schadensträchtige Fälligkeitsregelung. Danach sollte der Notar die Parteien von der "Kaufpreisfälligkeit" verständigen, obwohl er diese gar nicht feststellen konnte, da zumindest die Vorlage einer Teilungsgenehmigung als "weitere, vom Notar nicht zu überprüfende Fälligkeitsvoraussetzung" vereinbart war. Hierdurch war die Gefahr angelegt, dass eine durch den Beklagten bescheinigte Fälligkeit die tatsächliche Rechtslage nicht zutreffend wiedergibt. Auch diese Gefahr hat sich in vorliegendem Fall - wie noch zeigen sein wird - verwirklicht. 2.2. Eine ausreichende Belehrung durch den Notar erfolgte nicht.

2.2.1. In der Urkunde selbst ergibt sich eine hinreichende Belehrung nicht. Der Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang vergebens auf die Regelung in Ziffer XV. der notariellen Urkunde. In dem Verlesen dieses Teils der Urkunde liegt keine hinreichende Belehrung. So ist ohnehin die mündliche Belehrung nicht durch das bloße Verlesen eines Belehrungsvermerks zu ersetzen (vgl. Huhn/v. Schuckmann, BeurkG, 3. Aufl., § 17 Rn. 259). Hinzu kommt, dass der diesbezügliche Vertragspassus nicht geeignet ist, die Risiken der vorliegenden Vertragsgestaltung auch nur annähernd deutlich werden zu lassen. So fehlt es bereits an dem erforderlichen Bezug zu den konkreten Vereinbarungen, und dies sowohl in systematischer, wie auch in inhaltlicher Hinsicht.

Systematisch beanstandet die Klägerin zu Recht, dass der Hinweis auf verschiedene "Risiken" keinerlei Bezug zu den vertraglichen Vereinbarungen hat, aus denen die Risiken resultieren. So ergibt sich das Risiko einer "Vorleistung" vor Sicherstellung der Lastenfreiheit aus Ziffer V des Vertrages, welche sich auf S. 3 der Urkunde befindet (vgl. Anlage K1, GA Bd. 1 Bl. 14). Demgegenüber findet sich der "Hinweis" unter Ziffer XV. des Vertrages auf S. 12 der Vertragsurkunde (GA Bd. 1 Bl. 21). Hinzu kommt, dass gerade dieser Passus des Vertrages eine Vielzahl von Hinweisen enthält, welche unterschiedlichste Fragen betreffen (z. B. auch die Haftung für Steuern und Abgaben, Voraussetzungen für den Eigentumsübergang, mögliches "Wiederaufleben" von gelöschen Grundpfandrechten, Rückerstattungsansprüche etc.) und denen teilweise jeder Bezug zu dem konkreten Vertragswerk fehlt, etwa wenn dem Verkäufer angeraten wird, die "Zurückstellung der Auflassung oder Eintragung einer Sicherungshypothek" vorzunehmen. Es liegt auf der Hand, dass eine derartige Pauschalbelehrung über alle möglichen Risiken nicht geeignet ist, die hier konkret drohenden Gefahren vor Augen zu führen.

Auch inhaltlich ist der verlesene Passus völlig untauglich. So ist daraus nicht ersichtlich, wieso es gerade in dem hier vorliegenden Fall unabdingbar geboten gewesen wäre, die Sicherung der Lastenfreistellung des Grundstückes vor einer Auskehr des Kaufpreises an die Verkäuferin zu gewährleisten. Dass die angeratene "Hinterlegung des Kaufpreises oder Einzahlung auf ein Sperrkonto" nur ein unbehelfliches Mittel zur Abwehr derartiger Risiken gewesen ist, ergibt sich daraus, dass ohne korrespondierende Regelung der Fälligkeit gerade nicht gewährleistet gewesen wäre, dass das Grundstück lastenfrei ist.

2.2.2. Auch eine mündliche Belehrung, die in der Vertragsurkunde nicht vermerkt worden wäre, ist nicht erfolgt. Der Senat hat über diese Frage Beweis erhoben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Behauptung des Beklagten, er habe mündliche Belehrungen erteilt, widerlegt. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass - entsprechend dem Inhalt der Urkunde - eine weitere Belehrung nicht erfolgte.

So hat der Zeuge E. ausgesagt, dass er sich eindeutig sicher sei, dass "durch den Beklagten keinerlei Hinweise vor und während der Beurkundung zu etwaigen Risiken gegeben worden sind" (S. 3 des Sitzungsprotokolls, GA Bd. 3 Bl. 35). Auch auf die Risikoproblematik wegen des Vermerks über die Lastenfreiheit sei nicht hingewiesen worden. Auch der Zeuge K. war sich sicher, "dass der Notar ...über irgendwelche mit dem Vertrag verbundene Risiken nicht aufgeklärt" hat (S. 4 des Sitzungsprotokolls, GA Bd. 3 Bl. 36). An der Glaubhaftigkeit der vernommenen Zeugen hat der Senat aufgrund des persönlichen Eindrucks keinerlei Zweifel.

Die Aussage des als Partei vernommenen Geschäftsführers der Klägerin, Sd. , bestätigt die Zeugenaussagen. Zwar war dieser sich nicht mehr so sicher wie die vorgenannten Zeugen, konnte immerhin aber noch bestätigen, dass er sich "relativ sicher" ist, dass eine Aufklärung nicht erfolgt ist.

Der Zeuge P. konnte sich an den Vorgang nicht mehr erinnern, dementsprechend auch nichts dazu sagen, ob über etwaige Risiken aufgeklärt wurden. Seine Aussage ist für beide Seiten unergiebig.

2.2.3. Eine Belehrung der Parteien war auch nicht entbehrlich. Alldings bedarf es einer Belehrung nicht, wenn sich die Beteiligten über die Tragweite ihrer Erklärungen vollständig im klaren sind und sie die konkrete Vertragsgestaltung ernsthaft so wollen (BGH NJW 1995, 330, 332; WM 1963, 754, 757; WM 1982, 372, 373). Da es sich hier um eine Ausnahme von der gesetzlichen Regel handelt, hat der Notar allerdings - jedenfalls bei einer aus § 17 BeurkG resultierenden Belehrungspflicht - nachzuweisen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind (BGH NJW 1995, 330, 332). Auch wenn man davon ausgeht, dass bei Kapitalgesellschaften "in der Regel" (!) das notwendige Risikobewusstsein vorhanden ist, da "grundsätzlich" (!) davon ausgegangen werden darf, dass die für sie handelnden Organe oder Geschäftsführer mit den Risiken des normalen Geschäftsverkehrs in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht hinreichend vertraut sind (so OLG Köln, VersR 1996, 1285; BGH MDR 1996, 420), kommt dies dem Beklagten hier nicht zugute.

Zutreffend verweisen Huhn/v. Schuckmann (a.a.O, § 17 Rn. 8) darauf, dass eine Einschränkung der aus dem Gesetz folgenden Prüfungs- und Belehrungspflicht im Gesetzestext der §§ 17 ff BeurkG selbst keine Stütze findet. Die Selbstverständlichkeit, die scheinbar darin liegt, dass derjenige, der schon alles weiß, nicht noch einmal belehrt zu werden braucht, setzt gerade voraus, dass eben dies im konkreten Fall festgestellt wird, was nicht nach feststehenden Kriterien, sondern nur durch konkrete Ermittlungen, also durch Ausübung der Prüfungs - und Belehrungspflicht festgestellt werden kann (Huhn/v. Schuckmann a.a.O). Dementsprechend kann keinesfalls pauschal davon ausgegangen werden, dass Kapitalgesellschaften keiner Belehrung bedürfen, sondern es ist von dem konkreten Vertragswerk einerseits und den konkret handelnden Personen andererseits auszugehen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die "Vorleistungspflicht" der Klägerin in dem Vertragswerk nicht etwa unmissverständlich zum Ausdruck kommt. Die - handschriftlich eingetragene - Formulierung, die Grundstücke seien "lastenfrei oder werden lastenfrei gestellt", suggeriert dem unbefangenen Zuhörer geradezu, dass in der Lastenfreistellung selbst kein Problem liege. Die Frage, inwieweit die Auflassungsvormerkung einen Schutz vor einer Zahlung vor Lastenfreistellung und damit einer Vorleistung bietet, ist ohne entsprechende Rechtskenntnisse nicht zu beantworten. Es wäre daher Sache des Beklagten gewesen, durch Nachfrage abzuklären, ob er davon ausgehen durfte, dass eben diese Kenntnisse bei den Parteien vorhanden waren. Hätte sich der Beklagte pflichtgemäß verhalten, so hätte er unschwer festgestellt, dass für die Klägerin Techniker tätig waren, so dass weder ein gesteigertes kaufmännisches noch juristisches Wissen erwartet werden konnte. Nicht umsonst hat der Zeuge K. in seiner Vernehmung ausgesagt (S. 4 des Protokolls, GA Bd. 3 Bl. 36):

"Wir haben als Käuferin geglaubt, dass die Vertragsdurchführung für uns kein Risiko birgt. Insoweit haben wir uns auf den Notar verlassen. Wenn uns bewusst geworden wäre, dass der Kaufpreis unabhängig von der Lastenfreistellung zu bezahlen ist, hätten wir selbstverständlich dies zum Punkt einer Erörterung gemacht."

Dem ist nichts hinzuzufügen. Völlig zu Recht hat daher das Landgericht ausgeführt, dass der vorliegende Fall nicht damit vergleichbar ist, dass eine Partei bewusst vorleistet.

Der Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, dass die Vertragsparteien im Vorfeld - ggf. unter Zuhilfenahme juristischer Fachkompetenz - die Vertragsformulierungen im Einzelnen erörtert haben. Die Behauptung des Beklagten, die Klägerin sei bereits im Vorfeld durch den Zeugen Dr. Kl. beraten worden, wurde bereits in der Beweisaufnahme durch das Landgericht widerlegt (vgl. Seite 1 des Protokolls vom 09. 03. 2000, GA Bd. 1 Bl. 145). Auch die Beweisaufnahme vor dem Senat war in dieser Hinsicht unergiebig. Selbst wenn man jedoch die diesbezügliche Behauptung des Beklagten, ein einvernehmlicher Entwurf sei ihm übersandt und in seinem Büro nur abgeschrieben worden, als wahr unterstellt, ergibt sich daraus für ihn nichts Günstiges: Die Regelungen namentlich zur Fälligkeit der Kaufpreisforderung sind derartig unbehelflich, dass dies allein einem verantwortungsbewussten Notar Anlass gibt, zu hinterfragen, ob sie dem Willen der Parteien entsprechen.

3. Die pflichtwidrige Unterlassung der Belehrung wurde auch kausal für den eingetretenen Schaden.

3.1. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass eine Vermutung dafür spricht, dass sich die Klägerin beratungskonform verhalten (vgl. BGH DNotZ 1961, 162; 1994, 485) und vor einem Kaufvertragsschluss auf einer Grundbucheinsicht bestanden und den Kaufvertrag nicht in dieser Form geschlossen hätte.

Diese Vermutung wurde durch die Beweisaufnahme noch bestätigt. Wie sich aus der Aussage des Zeugen K. ergibt, hätte die Klägerin die Vorleistungspflicht "selbstverständlich zum Punkt einer Erörterung" gemacht und dies "nicht so ohne weiteres hingenommen". Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die von dem Beklagten immer wieder betonte Eilbedürftigkeit nicht gegeben war. Im Hinblick darauf, dass eine Übereignung ohnehin erst nach erfolgter Vermessung des Grundstückes in Betracht kam und daher auf absehbare Zeit ausscheiden musste, sowie auf den Umstand, dass die "betrieblichen" Belange der Klägerin während der Interimszeit durch den geschlossenen Mietvertrag geregelt waren, ist auch nicht in Ansätzen ersichtlich, wieso die Sache so eilig gewesen sein sollte, dass die kurzfristige Verzögerung, die durch Einholung eines Grundbuchauszuges und Überarbeitung des Vertragsentwurfs eingetreten wäre, in irgendeiner Art und Weise relevant gewesen wäre. Auch in dem Beurkundungstermin selbst war nach den glaubhaften Aussagen der vernommenen Zeugen keine besondere Eile geboten. Dass der Zeuge P. "vorzeitig" gegangen ist, steht dem nicht entgegen, da nach Aussage des Zeugen E. die Sache zu diesem Zeitpunkt schon "komplett" war. Er ist mit anderen Worten nicht etwa gegangen, weil er es eilig hatte, sondern weil "alles klar" war.

Wäre der Notar seiner Pflicht zur Einholung eines Grundbuchauszuges nachgekommen, so wäre die tatsächlich bestehende Belastung festgestellt und zum Gegenstand der Erörterung gemacht worden. Dass sich die Verkäuferin vor diesem Hintergrund einer Vertragsgestaltung, die als Fälligkeitsvoraussetzung die erstrangige Eintragung einer Auflassungsvormerkung vorsieht und durch eine Hinterlegung des Kaufpreises zum Zwecke der Ablösung der Grundpfandrechte vorsieht, verweigert hätte, ist weder ersichtlich, noch anzunehmen. Ungeachtet der nominal höher bestehenden Grundschuld war die Grundpfandgläubigerin auch bereit, gegen Zahlung eines dem Kaufpreis entsprechenden Vertrages das Grundstück freizugeben; die W. Bank hat sich schließlich auch im Nachhinein hierzu bereitgefunden.

3.2. Der Beklagte kann sich auch unter dem Gesichtspunkt der überholenden Kausalität nicht darauf berufen, dass die Klägerin ohnehin gezahlt habe, bevor Fälligkeit eingetreten ist. Dies hat er selbst zu vertreten, da die von ihm beurkundete Vertragsgestaltung geradezu darauf angelegt ist, von einem "falschen" Fälligkeitszeitpunkt auszugehen. Hinzu kommt, dass die Zahlung durch eine Fälligkeitsbestätigung des Beklagten ausgelöst wurde, die aus eben diesem Grunde selbst fehlerhaft ist. Soweit er in dem Schreiben vom 06. 05. 1996 (GA Bd. 2 Bl. 80) der Klägerin mitgeteilt hat, dasss die Kaufpreisfälligkeit eingetreten sei und sie - ohne Einschränkung - zur Zahlung des Kaufpreises binnen 14 Tagen auffordert, anstatt pflichtgemäß mit hinreichender Deutlichkeit darauf hinzuweisen, dass nur die von ihm zu prüfenden (!) Fälligkeitsvoraussetzungen vorliegen, hat der Beklagte selbst den Wortlaut des von ihm beurkundeten Vertrages nicht beachtet. Dass die Klägerin seiner Aufforderung Folge leistend den Betrag gezahlt hat, kann daher nicht zu seinen Gunsten streiten. Das Amt des Notars genießt eine bereits sprichwörtliche Reputation gerade im Hinblick auf Zuverlässigkeit und Korrektheit gegenüber allen Beteiligten. Der Senat vermag daher dem Ansinnen des Beklagten nicht zu folgen, welches letztlich darauf hinaus läuft, dass die Vertragsparteien selbst durch entsprechende organisatorische Maßnahmen Fehler des Notars auffangen müssten.

4. Auch bei Vorliegen einer schuldhaften Amtspflichtverletzung entfällt eine Haftung des Notars allerdings dann, wenn der Geschädigte auf anderweitige Art und Weise Ersatz zu erlangen vermag (§ 19 Abs. 1 S. 2 BNotO), sofern die Inanspruchnahme zumutbar ist (vgl. Seybold/Schippel, BNotO, 6. Aufl., § 19 Rn. 90). Soweit eine anderweitige Ersatzmöglichkeit noch zu realisieren ist, ist die Klage als derzeit unbegründet abzuweisen. Ist die Ersatzmöglichkeit demgegenüber durch untätiges Zuwarten des Geschädigten bzw. die aus dem untätigen Zuwarten entstandene Unaufklärbarkeit der Frage, ob eine anderweitige Ersatzmöglichkeit zumutbar ist, nicht mehr zu realisieren so kann dies nicht zu Lasten der Amtshaftung gehen (vgl. Haug, Die Amtshaftung des Notars, Rn. 207 unter Hinweis auf RG DNotZ 1934, 849/852; zur Darlegungs - und Beweislast vgl. auch BGH WM 1993, 1896, 1898). Das fahrlässige Verstreichenlassen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit führt daher zum endgültigen Verlust der Ansprüche (vgl. BGH, Urteil vom 25. 02. 1999, IX ZR 240/98).

4.1. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist vorliegend ein Teil der Klageforderung als unbegründet abzuweisen.

4.1.1.Der Klägerin wäre ohne weiteres zumutbar gewesen, mit der Grundpfandgläubigerin einen Ablösebetrag in Höhe des tatsächlichen Kaufpreises zu vereinbaren. Mit Schreiben vom 05. 06. 1998 bot die W. Bank die Freigabe des Grundstückes an, "...sofern ... der vereinbarte Kaufpreis über DM 510.840,00 an uns ausgezahlt wird". Auch wenn der Senat schon mangels Beteiligung der W. Bank an diesem Rechtsstreit die Frage nicht endgültig entscheiden kann, spricht - nach dem hier vorliegenden Sachverhalt - viel dafür, dass die W. Bank sich auf eine Zahlung des Betrages in Höhe des tatsächlichen Kaufpreises eingelassen hat oder hätte. Bei Auslegung der Vereinbarung Kläger/W. Bank ist - wie bei allen Willenserklärungen - nicht an dem buchstäblichen Sinn des Erklärten zu haften. Vielmehr ist die Auslegung nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) aus dem Blickwinkel eines objektiven Empfängers vorzunehmen. Demgemäß dürfte die Vereinbarung ohnehin so zu verstehen sein, dass der "vereinbarte Kaufpreis" als Ausdruck des Verkehrswertes realisiert werden sollte, und der betragsmäßigen Angabe der Höhe des Preises nur ein deklaratorischer Charakter zukommt. Zwar stand zum damaligen Zeitpunkt bereits fest, dass nach dem Ergebnis der Vermessung die Quadratmeterzahl geringer als ursprünglich geschätzt war, jedoch rechtfertigt dies nur dann eine andere Auslegung des Angebotes der Bank, wenn ihr dieser Umstand bekannt gewesen sein sollte, sie aber gleichwohl statt des "richtigen" Kaufpreises auf der nominalen Summe (d. h. letztlich einen überhöhten Preis) bestanden hätte. Dass dies nicht der Fall war ergibt sich unmittelbar aus dem Vortrag der Klägerin (S. 3 des Schriftsatzes vom 03. April 2001, GA Bd. 3 Bl. 96), welche nach richterlichem Hinweis zu diesem Punkt vorgetragen hat, die Mitteilung an die Bank, die Vermessung zu einer Reduzierung des Kaufpreises geführt "hätte" (sic!), tatsächlich also ein solcher Hinweis nicht erfolgt ist. Die weitere Erwägung der Klägerin, die WGZ- Bank sei stets "logisch zutreffend" (Klägerschriftsatz a.a.O.) davon ausgegangen, dass sie den Betrag erhalten wollte, der ihr bei sachgerechter Fälligkeitsregelung in der notariellen Urkunde zugegangen wäre, ist weder logisch noch zutreffend: Bei sachgerechter Fälligkeitsregelung hätte die WGZ- Bank mangels Lastenfreistellung des Grundstückes vor Sicherstellung der Klägerin nichts (!) erhalten. Da die Lastenfreistellung die Vermessung des katastermäßig zu erfassenden Teilgrundstückes voraussetzt, wäre von vornherein ausgeschlossen gewesen, dass eine Überzahlung infolge der sich nachträglich herausstellenden Mindergröße des Grundstückes eintritt. Darin, dass dies nicht beachtet wurde, liegt gerade der gegenüber dem Notar - zu Recht - erhobene Vorwurf.

Die Klage war unter diesem Gesichtspunkt als endgültig - und nicht nur derzeit unbegründet - zurückzuweisen. Allerdings ist der Klägerin unbenommen, die W. Bank aufgrund vorgenannter Erwägungen auf Rückzahlung des den tatsächlichen Kaufpreises übersteigenden Betrag in Anspruch zu nehmen. Soweit sie hiermit keinen Erfolg haben sollte, wäre dies jedoch nicht geeignet, einen entsprechenden Anspruch gegen den Notar entstehen zu lassen. Die Klägerin hätte diesen Standpunkt bereits im Vorfeld einer solchen Vereinbarung gegenüber der WGZ- Bank im Verhandlungswege geltend machen müssen. Diese Möglichkeit hat die Klägerin abschließend versäumt.

4.1.2. Eine weitere Ersatzmöglichkeit der Klägerin bestand insoweit, als sie selbst Forderungen ihrer Vertragspartnerin in Höhe von insgesamt 12.585, 22 DM ausgesetzt war. Der Beklagte weist zutreffend - und von der Klägerin unbestritten - darauf hin, dass nach dem Inhalt des Verwalterberichts des Gesamtvollstreckungsverwalters über das Vermögen der Firma H. vom 03. 12. 1998 (dort auf S. 1 der offenen Posten Liste, vgl. Beiakte 58 N 343/98, Bd. 1, Bl. 180) in dieser Höhe Forderungen der H. gegen die Klägerin bestanden, so dass in dieser Höhe ein Schadensersatzanspruch (hierzu im Einzelnen unten unter 4.2.) hätte realisiert werden können. Auch insoweit war die Klage bereits endgültig abzuweisen, da die Klägerin die Aufrechnung versäumt hat und nunmehr diese anderweitige Ersatzmöglichkeit endgültig nicht mehr zu realisieren ist.

4.2. Allerdings war die Klägerin grundsätzlich gehalten, weiter auch die ihr aus der Nichterfüllung des Anspruchs auf Übertragung lastenfreien Eigentums zustehenden Forderungen gegenüber der Verkäuferin geltend zu machen. Zwar handelt es sich hierbei in erster Linie um einen Erfüllungsanspruch. Auch ein Erfüllungsanspruch kann jedoch eine anderweitige Ersatzmöglichkeit dann darstellen, wenn durch eine Amtspflichtverletzung eines Notars bereits ein Schaden entstanden ist (BGH, Urt. v. 25. Februar 1999 - IX ZR 240/98). Dies ist ab dem Zeitpunkt der Fall, ab dem die Klägerin Kenntnis von der fehlenden Lastenfreiheit und damit die Möglichkeit hatte, nach §§ 434, 440, 325 BGB vorzugehen (vgl. BGH WM 1981, 199, 200) oder nach Fristsetzung über §§ 434, 440, 326 Abs. 1 S. 2 BGB im Wege des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung den Vertragspartner in Anspruch zu nehmen.

Dem steht hier aber entgegen, dass die Inanspruchnahme eines vermögenslosen Anspruchsgegners regelmäßig - so auch hier - nicht zumutbar (BGH NJW 1995, 2713, 2714 m.w.N.), so dass eine diesbezügliche Ersatzmöglichkeit ausscheidet.

Die H. ist inzwischen vermögenslos.

Eine andere Wertung käme allerdings dann in Betracht, wenn sich die Klägerin durch verzögerte Geltendmachung ihrer Rechte selbstverschuldet in die Situation gebracht hätte, dass nunmehr eine zwangsweise Durchsetzung der ihr zustehenden Rechte wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Zahlungsunfähigkeit ausscheidet. Hiervon ist jedoch nicht auszugehen. Unmittelbar nach der Beurkundung und Kaufpreiszahlung konnte die Klägerin ihre Ansprüche nicht durchsetzen, da die noch unvermessene Teilfläche erst grundbuchmäßig erfasst werden musste. Zu diesem Zeitpunkt lag noch nicht einmal die erforderliche Teilungsgenehmigung vor.

Wie sich aus dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme ergibt, hat die Klägerin nach der Vermessung des Grundstückes erstmals aufgrund einer Besprechung im Februar 1998 von dem Bestehen der Belastungen Kenntnis erhalten. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen Ef. sowie der - mit Einverständnis der Parteien (vgl. das Sitzungsprotokoll vom 05. 02. 2001) schriftlich erfolgten Aussage des Zeugen Dr. S. . Daraufhin hat die Klägerin unverzüglich die notwendigen Maßnahmen eingeleitet, um die lastenfreie Übereignung des Grundstückes zu erreichen. Aus dem - inhaltlich nicht in Abrede gestellten - Schreiben der Klägerin vom 04. 05. 1998 (Anlage K6, GA Bd. 1 Bl. 74) folgt, dass die Verkäuferin zur Lastenfreiststellung bis zum 15. 04. 1998 aufgefordert wurde. Eine Titulierung und Durchsetzung der Ansprüche bis zur Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens am 21. 09. 1998 (vgl. Beiakte 58 N 343/98, Bl. 1 Bl. 138) erscheint dem Senat ausgeschlossen.

Eine frühere Kenntnis der fehlenden Lastenfreiheit ist nicht gegeben. Allerdings ergibt sich aus den beigezogenen Grundakten, dass der Konzernmutter der Klägerin bereits am 25. 11. 1997 ein Grundbuchauszug übersandt wurde (Grundakte Band III, Bl. 158).

Dass diese mit der Vertragsabwicklung ihrer Tochtergesellschaft befasst war, ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme indes nicht erwiesen. Soweit der Geschäftsführer Sd. zu dem Verhältnis von "Mutter" und "Tochter" gehört wurde, ergab sich, dass die Abwicklung bei der Tochter lag.

Selbst wenn man jedoch unterstellen würde, dass bereits Ende November eine Kenntnis der Belastung bestand, wäre nicht anzunehmen, dass die erforderlichen Maßnahmen zur Durchsetzung des Erfüllungsanspruches der Klägerin vor Eintritt der Insolvenz hätten ergriffen werden können. Wie nach Beiziehung der Gesamtvollstreckungsakten unstreitig ist, zahlte die Verkäuferin bereits zuvor, nämlich ab September 1997, keine Steuern und Sozialversicherungsangaben mehr; seit Februar 1998 zahlte H. auch keine Löhne und Gehälter mehr. Es ist aus diesem Grund und vor dem Hintergrund der zum 16. 09. 1998 festgestellten Überschuldung der H&T von mehr als 14 Millionen DM (vgl. S. 30 des Gutachtens des Sequesters, Beiakte Bl. 168) selbst bei einem unverzüglichen Handeln ab November 1997 ausgeschlossen, dass ein Schadensersatzanspruch gegenüber H. nicht nur hätte tituliert, sondern auch noch erfolgreich durchgesetzt werden können.

4.3. Die Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten aus dem Mietvertrag mit der Verkäuferin scheitert vorliegend schon daran, dass nach Vorlage des Mietvertrages (Bbkl. 3, GA Bd. II, Bl. 82) unstreitig ist, dass das Mietverhältnis am 01.04.1998 (nach Einzug in das neue Betriebsgebäude) beendet war und keine Miete mehr gezahlt wurde.

4.4. Eine Inanspruchnahme der Komplementär GmbH der H. ist ebenfalls nicht zumutbar. Dabei ist nicht allein darauf abzustellen, dass auch gegen die GmbH bereits ein Insolvenzverfahren anhängig gemacht wurde (vgl. Beiakte 57 N 1292/98). Die Klägerin konnte auch ohne weiteres davon ausgehen, dass auch bei der Komplementärin einer in erheblichem Maße überschuldeten KG kein realisierbares Vermögen mehr vorhanden ist. Anhaltspunkte, warum dies vorliegend anders sein sollte, sind nicht ersichtlich und von dem Beklagten auch nicht vorgetragen.

4.5. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die für die Verkäuferin handelnden Personen ist als anderweitige Ersatzmöglichkeit nicht zumutbar, da insoweit mit unüberwindlichen Beweisschwierigkeiten zu rechnen ist (vgl. BGH VersR 1959, 997).

4.5.1. Der Beklagte behauptet, aus dem Inhalt des ihm als Vertragsentwurf übersandten Schreibens ergebe sich, dass die Käuferin über das Vorliegen der Lastenfreiheit getäuscht werden sollte und demnach ein deliktischer Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB bestünde. Hierbei verkennt der Beklagte, dass der Nachweis eines Betrugsvorsatzes hier schon daran scheitert, dass bei einem ordnungsgemäß arbeitenden Notar eine "Täuschung" über die Lastenfreiheit von vornherein ausscheidet. Der Notar soll einen Grundbuchauszug einholen (§ 21 BeurkG).

Überdies haben die Verkäufer gerade keine Lastenfreiheit versprochen; selbst wenn sie dies zunächst vorgehabt hätten, haben sie dies jedenfalls nicht umgesetzt. Ein Betrugsvorwurf könnte daher allenfalls noch darauf gestützt werden, dass bereits zum Zeitpunkt der Beurkundung die Absicht bestanden habe, die versprochene Lastenfreistellung nicht herbeizuführen; dies könnte als "Eingehungsbetrug" zur Erfüllung des Tatbestandes des § 263 StGB ausreichen. Letztlich ist diese Hypothese jedoch nicht ausreichend tragfähig, um der Klägerin einen darauf aufgebauten Rechtsstreit zuzumuten. Die Klägerin müsste den Geschäftsführern eine entsprechende Absicht - als subjektives Merkmal - nachweisen. Dies dürfte - ungeachtet der ohnehin bei subjektiven Merkmalen bestehenden Beweisschwierigkeiten - auch deshalb wenig Erfolg haben, weil ein solches betrügerisches Vorhaben nur gelingen kann, wenn die Verkäufer entweder kollusiv mit dem beurkundenden Notar zusammengearbeitet hätten oder von vornherein davon ausgegangen wären, dass dieser - pflichtwidrig - beurkundet, ohne auf die sich aus der Vertragsgestaltung ergebende Gefahr hinzuweisen. Dass der Beklagte sich weder auf das eine noch das andere beruft und berufen kann, liegt auf der Hand.

4.5.2. Der Beklage kann sich auch nicht darauf berufen, dass sich ein Schadensersatzanspruch gegen die früheren Geschäftsführer der H. aus "§ 64 Abs. 2 GmbHG" ergebe, da bereits zum Zeitpunkt der Beurkundung Überschuldung vorgelegen habe. § 64 Abs. 2 GmbHG greift hier von vornherein deshalb nicht ein, weil es sich bei der Verkäuferin um eine Kommanditgesellschaft handelt und nicht um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Zudem ergeben sich aus § 64 Abs. 2 GmbHG lediglich Ansprüche der Gesellschaft selbst. Aus ersterem Grund kommt auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG (vgl. hierzu BGHZ 126, 181 ff) in Betracht.

Allerdings kommen Ansprüche gegen die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung einer Kommanditgesellschaft, bei der kein Komplementär eine natürlich haftende Person ist, berufenen Kapitalgesellschaft aus §§ 177a, 130a HGB in Betracht, für Schäden, die Gläubigern der Gesellschaft dadurch entstehen, dass die Eröffnung des Konkursverfahrens nicht oder nicht rechtzeitig beantragt wurde. Auch dies führt indes nicht zu einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit, auf welche sich die Klägerin verweisen lassen müsste. Der diesbezügliche Vortrag des Beklagten ist bereits in sich widersprüchlich. Während er einerseits Rechte daraus herleiten will, dass die H. zum Zeitpunkt der Beurkundung bereits überschuldet gewesen sei (Ziffer 3. des Schriftsatzes vom 02. 05. 2001, vgl. GA Bd. 3 Bl. 139), behauptet er andererseits, die Geltendmachung von Ansprüchen gegen H. sei erfolgversprechend gewesen, da sie noch nicht überschuldet gewesen sei (Ziffer 4. des Schriftsatzes auf der gleichen Seite). Dessen ungeachtet bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Ansprüche aus §§ 177a, 130a HGB bestehen, so dass ein entsprechender Rechtsstreit der Klägerin auch nicht zuzumuten wäre. Nach den Feststellungen des Gutachters im Rahmen des Gesamtvollstrekcungsverfahrens von H. war deren Zusammenbruch letztlich darauf zurückzuführen, dass die M. Beton-und Kieswerke GmbH & Co KG, an der H. mit einer Einlage von 10 Mio.DM beteiligt war und gegenüber der sie Forderungen in Höhe von mehr als 2.360.000 DM hatte, zusammengebrochen ist. Das Gesamtvollstreckungsverfahren über jene Gesellschaft wurde jedoch erst am 29. Mai 1998 eröffnet, also zu einem Zeitpunkt, als bereits hinsichtlich H. Anträge auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens anhängig waren (vgl. zu alldem: Seite 18 des Gutachtens vom 16. 09. 1998 (Beiakte 58 N 343/98, Bd. 1 Bl. 74 ff, 91).

4.6. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit besteht auch nicht gegenüber der Muttergesellschaft der Klägerin. Die Beweisaufnahme hat keinen Ansatzpunkt erkennen lassen, nach dem die Muttergesellschaft der Klägerin in dem Vertrag dergestalt involviert gewesen wäre, dass sie selbst gegenüber der Klägerin in einer irgendwie gearteten Organisationsverantwortung wäre, deren Verletzung zu einer Schadensersatzpflicht führte.

Allerdings ist aus der vorgelegten Korrespondenz deutlich geworden, dass die Muttergesellschaft der Klägerin Bemühungen unternommen hat, deren Rechte zu wahren. Dies ist jedoch erst ab einem Zeitpunkt feststellbar, als der rechtlich misslungene Vertrag bereits beurkundet, der Kaufpreis gezahlt und eine Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber H. ausgeschlossen war. Ein etwaiges Organisationsverschulden der Mutter der Klägerin wäre daher jedenfalls auch nicht ursächlich für einen Schaden der Klägerin geworden.

5. Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass sich die Klägerin ein Mitverschulden anrechnen lassen müsse bzw. ihr ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht zuzurechnen sei (§ 254 BGB).

5.1. Soweit der Beklagte ein Mitverschulden daraus herleitet, dass die Klägerin die Zahlung vor Eintritt der Fälligkeit geleistet habe, hat sich der Senat mit diesem Argument bereits unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Kausalität auseinandergesetzt (oben Ziffer 3.2.). Hierauf kann verwiesen werden.

5.2. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht liegt auch nicht darin, dass die Klägerin nicht die Zwangsversteigerung abgewartet hat. Dies war der Klägerin nicht zumutbar.

Soweit der Beklagte bestreitet, dass die W. - Bank noch valutierende Forderungen gegenüber der H. gehabt habe, welche Anlass für eine Zwangsvollstreckung in das verkaufte Grundstück hätten sein können, ist dies ausweislich der Gesamtvollstreckungsakten ebenso unzutreffend wie die Annahme, die Klägerin hätte im Übrigen die Zwangsversteigerung ohne Weiteres abwarten können und dabei möglicherweise sogar eine Befriedigung ihrer Forderungen erreichen können. Bereits in dem von ihm noch als Sequester über das Vermögen der H. erstatteten Gutachten vom 16. 09. 1998 (Beiakte 58 N 343/98, Bd. 1 Bl. 74 ff) hat deren späterer Gesamtvollstreckungsverwalter festgestellt, dass dem von ihm angesetzten Buchwert der Grundstücke von 12.993.683 DM höhere Darlehensforderungen der W. Bank gegenüberstehen (vgl. S. 22, 26 des Gutachtens, Beiakte Bl. 95, 99). Das zum Stichtag 07. 05. 1998 angefertigte Wertgutachten über das "Grundstück mit Betriebsgebäuden sowie unbebautes Grundstück an der B 91 in M. " geht von einem nur unerheblich - da nicht über der vorhandenen Belastung liegenden - höheren Verkehrswert aus (13.400.000 DM, vgl. Beiakte Bd. 2, Bl. 6).

Dem ist der Beklagte nach Beiziehung der Insolvenzakte auch nicht entgegengetreten, sondern hat nunmehr vortragen lassen, unter Berücksichtigung der Grundstücksgröße sei der Erwerbs- und damit auch der gegenüber der W. Bank ausgekehrte "Ablösewert" für den von der Klägerin erworbenen Grundstücksteil als überteuert anzusehen. Auch hiermit kann er indes nicht gehört werden. Ungeachtet der Frage, ob eine solche Umrechnung überhaupt systematisch zulässig ist, da sie einen insgesamt homogenen Grundstückswert voraussetzt, war gerade auch das verkaufte Grundstück - als Betriebsgrundstück - für die Klägerin von einer Wichtigkeit, die derartige Bewertung ausschließen und ein Abwarten der Zwangsvollstreckung unzumutbar werden lässt. So ist in Zwangsversteigerungsverfahren nicht vorhersehbar, zu welchem Betrag ein Zuschlag erreicht werden kann. Wäre dieses Grundstück zwangsversteigert worden, so hätte mit der Klägerin eine finanzkräftige und höchst interessierte weitere Bieterin zur Verfügung gestanden, was - gerichtsbekannt - dazu führen kann, dass derartige Verfahren eine Eigendynamik entwickeln, welche in einem wesentliche höheren Zuschlagsbetrag münden. Dass sich die Klägerin hierauf nicht einlassen wollte, kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die WGZ- Bank aus irgendeinem Grund verwehrt gewesen wäre, die ihr nach § 1132 Abs. 1 BGB zustehende Befugnis, die vollumfängliche Haftung gerade hinsichtlich des hier relevanten Grundstückes auszuüben.

5.3. Der Beklagte kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass es die Klägerin unterlassen hat, sich über die grundbuchmäßige Situation frühzeitig und selbständig zu informieren. Ob der Klägerin eine derartige Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten zuzumuten ist, ist bereits zweifelhaft und nach Auffassung des Senats zu verneinen. Immerhin hat der beurkundende Notar selbst, dem das Gesetz eine solche Informationspflicht vor Beurkundung auferlegt, diese ebenfalls nicht beachtet und - nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - auch nicht auf die daraus resultierenden Risiken hingewiesen. Ungeachtet dessen hätte der Klägerin die Information über die grundbuchmäßige Belastung auch nichts genutzt, da von ihr jedenfalls nicht erwartet werden konnte, dass sie sich um eine Lastenfreistellung bemüht, bevor die hierzu erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, namentlich also eine Vermessung des Grundstückes erfolgt ist. Zu diesem Zeitpunkt war die Forderung indes nicht mehr durchsetzbar.

6. Die Forderungen der Klägerin gegen den Beklagten sind auch nicht verjährt. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung (LGU Ziffer 4, GA Bd. 1, Bl. 181), die sich der Senat zu eigen macht, verwiesen werden. Diese sind lediglich insoweit zu ergänzen, als nach dem Ergebnis der durch den Senat durchgeführten Beweisaufnahme eine Kenntnis der Klägerin von den Grundschulden vor dem Jahr 1998 nicht vorlag.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 546 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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