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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 30.06.2006
Aktenzeichen: 1 U 4/06
Rechtsgebiete: LWaldG LSA 1994


Vorschriften:

LWaldG LSA 1994 § 21 Abs. 1
1. Ob in der Versagung einer Rodungsgenehmigung im Jahre 1994 eine Amtspflichtverletzung liegt, ist auch dann vom Zivilgericht eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ein Verwaltungsgericht die Behörde im Jahre 1999 rechtskräftig zur Erteilung der Genehmigung verpflichtet hat.

2. Wenn die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht eines Amtsträgers als rechtlich vertretbar angesehen werden kann, so kann aus der späteren Missbilligung seiner Rechtsauffassung durch ein Verwaltungsgericht ein Schuldvorwurf nicht abgeleitet werden.

3. Die gerichtliche Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches nach § 21 Abs. 1 LWaldG LSA 1994 setzt ein vorgeschaltetes Verwaltungsverfahren voraus.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 4/06 OLG Naumburg

Verkündet am 30. Juni 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm auf die mündliche Verhandlung

vom 1. Juni 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 25. November 2005 verkündete Urteil des Landgerichts Halle, 4 O 338/00, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage gegen den Beklagten zu 2) lediglich als derzeit unbegründet abgewiesen wird.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch jeden der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden bzw. des tatsächlich vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe geleistet haben.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer übersteigt 20.000 EUR.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadenersatz vorzugsweise aus Amtshaftung, hilfsweise wegen eines enteignungsgleichen Eingriffs im Hinblick auf die über mehrere Jahre andauernde Versagung einer Rodungsgenehmigung für das Wäldchen St. und eine hieraus resultierende Behinderung der Gewinnung von Kiessanden und Kiesen im Abbaugebiet P. in den Jahren 1994 bis 1999.

Die Klägerin betreibt gewerbsmäßig das Aufsuchen und Gewinnen von Kiesen und Kiessanden an verschiedenen Standorten im Kreisgebiet des Beklagten zu 1) und deren Verkauf als Bau- bzw. Bauzuschlagsstoffe. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin erwarb u.a. auch das Bergwerkseigentum für mehrere Grundstücke im Gebiet zwischen P. und J. südlich von N. (künftig: Bergwerksfeld bzw. Abbaugebiet P. ), darunter auch für die Grundstücke, auf denen sich das Wäldchen St. befand, sowie teilweise das Grundstückseigentum an diesen Flächen. Im Übrigen pachtete die Klägerin die Waldgrundstücke langfristig.

Das Bergwerksfeld P. wurde in einer Fläche von ca. 10 ha bereits seit 1977 als Bergbauschutzgebiet festgesetzt. Im Jahre 1985 erfolgte eine Erweiterung des Bergbauschutzgebietes auf 43,5 ha, mit seiner Aufschließung war bereits Ende der 80er Jahre begonnen worden. Das Bergwerksfeld wurde von den Rechtsvorgängerinnen der Klägerin und von der Klägerin selbst stetig erweitert.

Am 31. August 1992 ließ das Bergwerksamt Halle den Hauptbetriebsplan der Klägerin für dieses Bergwerksfeld bis zum 31. August 1994 zu; danach gehörte das etwa 4,6 ha große Wäldchen St. noch nicht zum unmittelbaren Abbaugebiet. In den Jahren 1992 und 1993 plante die Klägerin die Erweiterung ihres Abbaugebietes auf insgesamt 64,8 ha unter Einbeziehung des gesamten Wäldchens St. für die Jahre 1994 und 1995. In der Erarbeitungsphase des neuen Hauptbetriebsplanes fanden ständige Abstimmungsgespräche zwischen der Klägerin und den für Naturschutz und Forstwirtschaft zuständigen Behörden statt. Die Naturschutzbehörden des Landkreises und des Regierungspräsidiums forderten von der Klägerin die Vorlage eines landschaftspflegerischen Begleitplanes für Ausgleichsmaßnahmen, wobei bereits über Einzelheiten der Wiederaufforstung gesprochen und einzelne Ausgleichsmaßnahmen bereits begonnen wurden. Sie verlangten aber auch Nacherhebungen zur Fauna und Flora des Wäldchens St. , "... um die Biotopstruktur des vom Abbau betroffenen Wäldchens und die ortsnahe Kompensation besser beurteilen zu können ..." (vgl. Niederschrift vom 10. Mai 1994 über die Beratung vom 5. Mai 1994 im RP Halle, Anlage K 20, GA Bd. II Bl. 138 ff. <139>). Der im Oktober 1993 im Auftrag der Klägerin von der H. GmbH (künftig: Landschaftspflegeplanerin der Klägerin) erstellte landschaftspflegerische Begleitplan zum Kiesabbau ging von einem hohen Biotopwert des Wäldchens St. mit Ausnahme einer jüngeren Fichtenschonung aus. Im Rahmen einer internen Abstimmung zwischen verschiedenen Fachbereichen des Regierungspräsidiums erklärte das Forstamt erstmals am 19. Januar 1994, dass das Wäldchen St. wegen seines hohen Biotopwertes unbedingt zu erhalten sei.

Am 20. Januar 1994 beantragte die Klägerin beim Beklagten zu 1) die Erteilung einer Rodungsgenehmigung für das Wäldchen St. im Hinblick auf die beabsichtigte Ausweitung des Kiesabbaugebietes. In ihrem Antrag beschrieb sie das Wäldchen St. als eine "forstliche Exklave in einem reinen Ackerbaugebiet mit allen Eigenschaften eines Feldgehölzes" (vgl. GA Bd. IV Bl. 152 ff <161>). Diese Beschreibung ging zurück auf den Inhalt eines von der Klägerin eingeholten Waldwertgutachtens vom 10. Dezember 1992 (GA Bd. IV Bl. 202 ff.). Vorsorglich beantragte die Klägerin am 11. April 1994 auch die Gestattung einer Ausnahme vom Biotopenschutz i.S.v. § 30 Abs. 5 des Naturschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 11. Februar 1992 (GVBl. LSA 1992, 108 - NatSchG LSA 1992; zum Antrag vgl. GA Bd. IV Bl. 167 ff.). Die Bearbeitung beider Anträge beim Beklagten zu 1) erfolgte in enger Abstimmung der unteren Naturschutzbehörde mit der oberen Naturschutzbehörde beim Regierungspräsidium Halle sowie unter Einbeziehung des Naturschutzbeirates sowie im ständigen Informationsaustausch mit der Klägerin. Zwischenzeitlich wurde am 13. April 1994 das Landeswaldgesetz (GVBl. LSA 1994, 521 - LWaldG 1994) erlassen sowie am 1. Juni 1994 eine Biotoptypen-Richtlinie des Landes Sachsen-Anhalt (MBl. LSA 1994, 2099), die am 22. August 1994 und am 30. September 1994 jeweils geändert wurde (MBl. LSA 1994, 2114 und 2533). Der Beklagte zu 1) hat behauptet, dass er mehrfach, zuletzt durch die Schreiben der oberen Naturschutzbehörde vom 5. Juli 1994, in dem auch auf entsprechende Stellungnahmen des Landesamts für Umweltschutz Sachsen-Anhalt und des Geologischen Landesamtes Sachsen-Anhalt Bezug genommen wird (vgl. GA Bd. II Bl. 32), und vom 25. August 1994, dieses unter Bezugnahme auf einen Erlass des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. August 1994 (vgl. GA Bd. II Bl. 33), verbindlich angewiesen worden sei, das Wäldchen St. als Feldgehölz i.S.v. § 30 Abs. 1 Nr. 7 LNatSchG unter besonderen naturschutzrechtlichen Schutz zu stellen und im Hinblick darauf die begehrte Rodungsgenehmigung zu versagen. Das Forstamt habe der Erteilung einer Rodungsgenehmigung widersprochen; deren Einvernehmen sei für die Erteilung einer Genehmigung jedoch erforderlich gewesen. Mit Bescheid vom 15. September 1994 lehnte der Beklagte zu 1) den Antrag auf Ausnahmegestattung i.S.v. § 30 Abs. 2 LNatSchG ab. Mit weiterem Bescheid vom 2. November 1994 versagte der Beklagte zu 1) der Klägerin die Erteilung einer Rodungsgenehmigung unter Hinweis auf den Biotopschutz des Wäldchens St. als Feldgehölz. Wegen des genauen Inhalts wird auf die Gründe des Bescheids vom 2. November 1994 (vgl. GA Bd. II Bl. 36 ff.) Bezug genommen. Einen weiteren Antrag der Klägerin auf Erteilung einer auf die Fichtenschonung beschränkten Rodungsgenehmigung lehnte der Beklagte zu 1) im Jahre 1995 ab.

Ebenfalls am 20. Januar 1994 reichte die Klägerin beim Bergamt Halle einen Antrag auf Zulassung des neuen Hauptbetriebsplanes für die Jahre 1994 und 1995 ein. Wegen der ausstehenden Entscheidung über die Rodungsgenehmigung begehrte sie zunächst Aufschub für die Vervollständigung ihres Antrages, die sie erst am 29. Juli 1994 vornahm. Das Bergamt Halle erließ am 13. September 1994 einen Zwischenbescheid, mit dem es den Hauptbetriebsplan für 1994 / 1995 vorläufig zuließ mit der Einschränkung, dass das im Abbaufeld liegende Wäldchen St. bis zur Vorlage einer Rodungs- bzw. Waldumwandlungsgenehmigung von der Gewinnung ausgeschlossen wurde. Am 19. März 1995 wurde der Hauptbetriebsplan 1995 bis zum 31. März 1997 mit gleicher Einschränkung zugelassen.

Der Beklagte zu 1) untersagte der Klägerin zur Durchsetzung des Biotopschutzes für das Wäldchen St. zunächst die Durchführung von Auskiesungsarbeiten innerhalb eines 50 Meter breiten Sicherheitsabstandes zwischen der Auskiesungsfläche und dem Wäldchen St. und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an. Hiergegen suchte die hiesige Klägerin beim Verwaltungsgericht Halle um vorläufigen Rechtsschutz. Das Verwaltungsgericht Halle nahm in diesem Verfahren, 3 B 96/94, das Wäldchen in Augenschein und hörte einen gerichtlich bestellten Sachverständigen für Geobotanik und einen von der Klägerin sistierten Sachverständigen für Forstpolitik und Naturschutz an. Auf gerichtliche Hinweise im Hinblick auf die Bestimmtheit der Verfügung und der Ausübung des Ermessens hob der Beklagte zu 1) seine Untersagungsverfügung auf; das verwaltungsgerichtliche Verfahren wurde eingestellt.

Im August 1995 erließ der Beklagte zu 1) eine Beseitigungsverfügung gegen die Klägerin, bezogen auf den im Bereich des Sicherheitsabstandes zwischen Auskiesungsfläche und dem Wäldchen St. . Die Klägerin focht auch die Beseitigungsverfügung vor dem Verwaltungsgericht Halle an. Während des Rechtsstreits stellte die Klägerin einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, den das Verwaltungsgericht Halle mit Beschluss vom 1. Oktober 1996, 3 B 69/95, ablehnte. Das Verwaltungsgericht stützte seine Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass es sich bei dem Wäldchen St. um einen besonders geschützten Biotop i.S.v. § 30 Abs. 1 Nr. 7 NatSchG LSA 1992 handele (vgl. BA, Anlage K 2, GA Bd. I Bl. 57 bis 96, insbesondere Bl. 78 bis 86), dessen Erhalt Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen der Klägerin habe.

Die Klägerin hatte 1994 gegen den Beklagten zu 1) auch eine Klage auf Verpflichtung zur Erteilung einer Rodungsgenehmigung beim Verwaltungsgericht Halle erhoben. Das Verwaltungsgericht führte eine umfangreiche Beweisaufnahme zur Frage des Biotopwertes des Wäldchen St. sowie - durch Einholung eines weiteren forstwissenschaftlichen und eines hydrologischen Gutachtens - jeweils zur Frage der Überlebensfähigkeit des Wäldchens St. unter den Bedingungen im Zeitraum 1998 / 1999 durch. Mit seinem am 3. Juni 1999 verkündeten Urteil, 3 A 291/94, verpflichtete das Verwaltungsgericht Halle den Beklagten zu 1), der hiesigen Klägerin eine Rodungsgenehmigung zu erteilen. Das Gericht erkannte auf einen Anspruch der hiesigen Klägerin auf Erteilung einer Rodungsgenehmigung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 3. Juni 1999. Das Wäldchen St. sei kein Feldgehölz i.S.v. § 30 Abs. 1 Nr. 7 NatSchG LSA 1992. Der Versuch des Gerichts, über eine Vielzahl von Bewertungskriterien zu einer klaren Abgrenzung zwischen einem Wald einerseits und einem Feldgehölz i.S. der vorzitierten Vorschrift andererseits zu kommen, sei gescheitert. Eine rechtliche Beurteilung könne daher nur noch auf der Grundlage eines selbst gewonnenen Gesamteindrucks vorgenommen werden. Die Anhörung einer größeren Zahl von Sachverständigen habe dazu beigetragen, Irrelevantes aus der Gewinnung dieses Gesamteindrucks auszuscheiden und auf diejenigen Dinge zu achten, die für die Beurteilung wirklich wesentlich seien. Danach sei das Wäldchen St. ein Wald im klassischen Sinne (vgl. UA, Anlage K 1, GA Bd. I Bl. 12 bis 56; hier: UA S. 27, 30 f. = GA Bd. I Bl. 38 und 41 f.). Dies führe dazu, dass die naturschutzrechtlichen Belange in der Abwägung zu den Belangen der Rohstoffsicherung eine geringere Bedeutung erlangten (UA S. 38 f. = GA Bd. I Bl. 49 f.). Andererseits sei zu berücksichtigen, dass das Gebiet landschaftsplanerisch durch das Regionale Entwicklungsprogramm für den Regierungsbezirk Halle vom 30. Januar 1996 (MBl. LSA 1996, S. 557) als Vorranggebiet und als Vorsorgegebiet für die Rohstoffgewinnung eingestuft worden sei. Diese Planung begründe nach einem gemeinsamen Runderlass des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung sowie des Ministeriums für Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt vom 28. November 1995 (MBl. 1995, S. 2413) ein überwiegendes öffentliches Interesse i.S. des BBergG (vgl. UA S. 41 f. = GA Bd. I Bl. 52 f.). Dieses Urteil ist rechtskräftig geworden.

Die Klägerin hat behauptet, dass wegen der Versagung der Rodungsgenehmigung Änderungen in ihrem Kiesgewinnungs- und Produktionsablauf notwendig gewesen seien, die zu erhöhten Kosten geführt hätten. Weiter seien ihr Vermögensschäden durch den zeitweisen Stillstand der Kiesgewinnung, insbesondere in Form von entgangenem Gewinn, entstanden. Die Einzelpositionen der Klageforderung hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität und der Höhe jeweils streitig.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagten zu 1) und zu 2) als Gesamtschuldner aus Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG wegen fahrlässig rechtswidriger Versagung der Rodungsgenehmigung haften. Mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 3. Juni 1999 sei - auch für das Zivilgericht verbindlich - festgestellt worden, dass der Bescheid des Beklagten zu 1) vom 2. November 1994, mit dem der Klägerin die Erteilung der begehrten Rodungsgenehmigung versagt worden war, rechtswidrig gewesen sei. Hilfsweise hat sie ihre Ansprüche gegen den Beklagten zu 1) auf § 1 Abs. 1 Satz 1 EntschädigungsG LSA i.d.F. der Bekanntmachung dieses Gesetzes vom 16. November 1993 (GVBl. LSA 1993, 720) gestützt.

Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Sie haben die Auffassung vertreten, dass sich aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 3. Juni 1999 nicht ergebe, dass die Klägerin bereits im November 1994 einen Anspruch auf Erteilung einer Rodungsgenehmigung innegehabt habe. Der Anspruch sei vielmehr erst durch die Änderung der tatsächlichen Umstände entstanden. Der Beteiligte zu 1) habe bei seiner Entscheidung vom 2. November 1994 seine Sorgfaltspflichten objektiv nicht verletzt.

Während der Beklagte zu 1) das Entschädigungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt hier nicht für anwendbar erachtet hat, hat der Beklagte zu 2) die Ansicht vertreten, dass eine Haftung auf dieser Grundlage bestehe, er aber nicht passiv legitimiert sei. Der Anspruch richte sich allein gegen den Beklagten zu 1) als handelnde Körperschaft.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht hat mit seinem am 25. November 2005 verkündeten Urteil die Klage gegen beide Beklagte abgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Versagung der Rodungsgenehmigung zum Zeitpunkt der Entscheidung am 2. November 1994 schon objektiv nicht rechtswidrig gewesen sei. Jedenfalls seien die Amtsträger der beiden Beklagten nicht fahrlässig zu einer u.U. fehlerhaften Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des "Feldgehölzes" als besonders schutzwürdiger Biotop i.S.v. § 30 Abs. 1 Nr. 7 NatSchG LSA 1992 gekommen. Hilfsweise hat das Landgericht ausgeführt, dass eine haftungsbegründende Kausalität nicht schlüssig dargelegt sei, weil die Klägerin für die Gewinnung von Kiesen und Kiessanden im Bereich des Wäldchens St. im Herbst 1994 keinen zugelassenen Hauptbetriebsplan gehabt habe.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 5. Dezember 2005 zugestellte Urteil mit einem am 5. Januar 2006 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung innerhalb der ihr bis zum 6. März 2006 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin einen Teil der erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche weiter, und zwar den angeblichen Vermögensschaden aus der notwendigen Änderung der Abbaukonzeption.

Die Klägerin meint, dass sich die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 2. November 1994 aus dem am 3. Juni 1999 verkündeten Urteil des Verwaltungsgerichts Halle ergebe, weil maßgebende Umstände für die Bewertung des Wäldchens St. als klassischer Wald bereits im Jahre 1994 vorgelegen hätten. Die Amtsträger der Beklagten hätten diese Umstände unvollständig erfasst und fehlerhaft gewichtet.

Im Übrigen hätte die Rodung selbst dann genehmigt werden müssen, wenn es sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Halle bei dem Wäldchen St. um ein "Feldgehölz" gehandelt hätte. Denn die Vorschrift des § 30 Abs. 1 NatSchG LSA 1992 sei im Hinblick auf § 59 Abs. 3 NatSchG LSA 1992 nicht anwendbar, weil es sich bei der Erweiterung des Abbaugebietes P. um ein s.g. Altvorhaben handele.

Die Amtsträger der Beklagten hätten auch fahrlässig gehandelt. Eine sorgfältige Prüfung der Sach- und Rechtslage habe nicht stattgefunden; insbesondere sei die Einholung von Gutachten versäumt worden, obwohl den Amtsträgern bewusst gewesen sei, dass es sich um einen Präzedenzfall handele.

Schließlich habe das Landgericht die Bedeutung von Bergwerkseigentum und zugelassenen Betriebsplänen bei der Beurteilung der haftungsbegründenden Kausalität verkannt. Bergrechtlich habe die Klägerin ein uneingeschränktes Recht zum Abbau von Kiesen und Kiessanden gehabt; die Zulassung ergehe nach § 48 Abs. 2 BBergG ausdrücklich ohne Berücksichtigung außerbergrechtlicher Belange.

Die Klägerin meint weiter, dass die Klageforderung auch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 EntschädigungsG LSA 1993 begründet sei. Hierzu wiederholt und vertieft sie ihre bereits erstinstanzlich dargelegte Rechtsauffassung.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 795.051,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Juni 1999 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen jeweils,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil und vertiefen die tragenden Entscheidungsgründe, so u.a. die Argumentation dazu, dass das am 3. Juni 1999 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle lediglich einen Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Rodungsgenehmigung bezogen auf das Jahr 1999 rechtskräftig festgestellt habe und dass die Entscheidung auf tatsächlichen Umständen beruhte, die erst nach Erlass des Versagungsbescheids eingetreten seien. Die Prüfung der Voraussetzungen des Bestehens eines besonderen Naturschutzes nach § 30 Abs. 2 NatSchG LSA 1992 sei nicht entbehrlich gewesen; insbesondere beziehe sich die Vorschrift des § 59 Abs. 3 NatSchG LSA 1992 lediglich auf die Nichtanwendung der §§ 8 bis 15 NatSchG LSA 1992 für Altvorhaben.

Der Beklagte zu 1) weist ergänzend u.a. darauf hin, dass die Klägerin selbst Anfang 1994 davon ausgegangen sei, dass es sich bei dem Wäldchen St. um ein Feldgehölz gehandelt habe; daher habe sie um eine Ausnahmegenehmigung nach § 30 Abs. 5 NatSchG LSA 1992 nachgesucht. Schließlich habe der Beklagte zu 1) den Bescheid vom 2. November 1994 auf Weisung des Beklagten zu 2) erlassen, weshalb er nicht passiv legitimiert sei.

Der Beklagte zu 2) trägt u.a. detailliert zur persönlichen Qualifikation der handelnden Amtsträger der oberen Naturschutzbehörde und des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalts vor. Er stellt unstreitig, dass die obere Naturschutzbehörde dem Beklagten zu 1) die Weisung zur Versagung der Rodungsgenehmigung erteilt hat. Er verweist insbesondere darauf, dass die tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen vollständig erhoben und zwischen den Parteien des Rechtsstreits im Jahre 1994 unstreitig gewesen seien, unterschiedliche Auffassungen hätten lediglich hinsichtlich der Gesamtbewertung dieser tatsächlichen Umstände im Hinblick auf den Biotopwert des Wäldchens St. bestanden. Insoweit hielte sich die dem Versagungsbescheid vom 2. November 1994 zugrunde liegende Auffassung im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Beurteilungsspielraumes der Verwaltung. Die Einholung von Sachverständigengutachten sei entbehrlich gewesen; hilfsweise müsse die Klägerin bei ihrer Schadensberechnung eine erhebliche Verzögerung der Erteilung der Rodungsgenehmigung berücksichtigen. Der Beklagte zu 2) wiederholt die Einrede der Verjährung und führt Näheres zur Vollendung der Verjährungsfrist, insbesondere zum Beginn derselben und zur fehlenden Unterbrechungswirkung einer Beiladung im Verwaltungsgerichtsprozess, aus. Schließlich bestreitet der Beklagte zu 2) im Detail die haftungsausfüllende Kausalität und die Höhe der geltend gemachten Schadenspositionen.

Der Senat hat am 1. Juni 2006 mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats von diesem Tage (vgl. GA Bd. IV Bl. 244) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat jedoch in der Sache ganz überwiegend keinen Erfolg. Das klageabweisende Urteil des Landgerichts Halle war lediglich klarstellend dahin zu beschränken, dass die Abweisung der gegen den Beklagten zu 2) gerichteten Klage als derzeit unbegründet erfolgt.

Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass die Klägerin weder gegen den Beklagten zu 1) noch gegen den Beklagten zu 2) einen Anspruch auf Schadenersatz nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG bzw. einen Anspruch auf Entschädigung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EntschädigungsG LSA hat. Soweit wegen der rechtmäßigen Versagung der Rodungsgenehmigung im Jahre 1994 ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 2) auf angemessene Entschädigung in Geld nach § 21 Abs. 1 LWaldG LSA in Betracht kommt, ist die Sache nicht entscheidungsreif. Die gerichtliche Geltendmachung dieses Anspruches setzte prozessual ein Verwaltungsverfahren voraus, welches hier noch nicht stattgefunden hat.

1. Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 1) bzw. den Beklagten zu 2) auf Schadenersatz aus Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG besteht schon dem Grunde nach nicht. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass der Bescheid des Beklagten zu 1) vom 2. November 1994 objektiv rechtswidrig war, d.h. dass in der Versagung eine Amtspflichtverletzung liegt.

1.1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Rechtswidrigkeit des o.g. Bescheids des Beklagten zu 1) bislang nicht rechtskräftig festgestellt ist, insbesondere auch nicht durch das o.a. Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 3. Juni 1999.

Allerdings sind die Zivilgerichte, wie die Klägerin zu Recht anführt, an rechtskräftige Entscheidungen des Verwaltungsgerichts über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes gebunden (vgl. BGHZ 146, 153, 156; BGHZ 161, 305 <Rn. 11 - zitiert nach juris> m.w.N.). Das Verwaltungsgericht Halle hat in seinem am 3. Juni 1999 verkündeten Urteil jedoch im Tenor - antragsgemäß - lediglich den Beklagten zu 1) zur Erteilung einer Rodungsgenehmigung für das Wäldchen St. an die Klägerin verpflichtet. Eine Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 2. November 1994 ist nicht erfolgt. Sie ergibt sich auch nicht inzident aus den Entscheidungsgründen des Urteils. Das Verwaltungsgericht hat darauf erkannt, dass die Klägerin (jedenfalls nunmehr) einen Anspruch auf Erteilung der Rodungsgenehmigung hat. Diese Erkenntnis bezieht sich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. In Rechtskraft erwächst daher allenfalls die in der Verpflichtung enthaltene Feststellung, dass die Versagung einer Rodungsgenehmigung im Jahre 1999 rechtswidrig gewesen wäre.

1.2. Das Landgericht und - ihm folgend - der Senat hatten selbst über die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 2. November 1994 zu befinden. Denn die Zivilgerichte haben die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts ohne Rücksicht auf seine Bestandskraft zu überprüfen, soweit es an einer rechtskräftigen Entscheidung eines Verwaltungsgerichts hierüber fehlt (vgl. BGHZ 2, 209, 214; BGHZ 113, 17 <Rn. 12 - zitiert nach juris> m.w.N.). Dabei ist auf den Zeitpunkt der Entscheidungsfindung, hier also auf den Tag des Erlasses des Bescheids, abzustellen.

1.3. Der rechtliche Rahmen der zu treffenden Entscheidung stellt sich, wie folgt, dar:

Die Entscheidung über die Erteilung einer Rodungsgenehmigung war nach § 8 Abs. 1 und 2 LWaldG 1994 zu treffen: Danach sind für eine Genehmigung die Interessen des Waldbesitzers, hier der Klägerin als Grundstückseigentümerin bzw. langfristige Pächterin, etwaige für eine Rodung sprechende Belange der Allgemeinheit und das Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung des Waldes abzuwägen. Die Genehmigung soll erteilt werden, wenn die Rodung mit den Zielen der Landesplanung übereinstimmt und ihr öffentliche Interessen nicht entgegen stehen. Als ein solches öffentliches Interesse kommt auch der Schutz bestimmter Biotope i.S.v. § 30 Abs. 1 NatSchG LSA 1992 in Betracht. Unter Nr. 7 dieser Vorschrift sind "Feldgehölze" unter besonderen naturschutzrechtlichen Schutz gestellt; ihre Zerstörung ist nach § 30 Abs. 2 NatSchG LSA 1992 grundsätzlich verboten. Hiervon kann eine Ausnahme zugelassen werden, insbesondere dann, wenn die Folgen der Ausnahme kompensiert werden können, § 30 Abs. 5 NatSchG LSA 1992. Die Anwendung der Vorschriften des § 30 NatSchG LSA 1992 war im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen durch § 59 Abs. 3 dieses Gesetzes. Diese Überleitungsvorschrift erfasst lediglich Eingriffe in die Natur, die vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits rechtmäßig begonnen oder zumindest gestattet worden waren. Die Klägerin hatte keine Rodungsgenehmigung für das Wäldchen St. . Im Übrigen setzt § 59 Abs. 3 NatSchG LSA 1992 aus Gründen des Bestandsschutzes für Altvorhaben lediglich das Genehmigungserfordernis einschließlich der Möglichkeit der Anordnung von Ersatzmaßnahmen außer Kraft, nicht jedoch die absoluten Eingriffsverbote zum Schutz von Pflanzen und Tieren, wie sie im Fünften Abschnitt des NatSchG LSA 1992 geregelt sind.

1.4. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass die durch die Beklagten im Jahre 1994 vorgenommene Bewertung des Wäldchens St. als Feldgehölz i.S.d. § 30 Abs. 1 Nr. 7 NatSchG LSA 1992 und mithin als besonders schutzwürdigen Biotop objektiv fehlerhaft war.

Die Amtsträger der Beklagten hatten bei ihrer Entscheidung über die Bewertung des Wäldchens St. als Feldgehölz einen Beurteilungsspielraum. Denn der Begriff des Feldgehölzes in § 30 Abs. 1 Nr. 7 NatSchG LSA 1992 ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei der 1994 gegebenen Sachlage war sowohl die hier vorgenommene Einordnung als Feldgehölz als auch eine anderslautende Entscheidung vertretbar, ohne die Grenzen dieses Beurteilungsspielraumes zu überschreiten.

Das Wäldchen St. war im Jahre 1994 unstreitig ein noch intakter Biotop mit einer vielfältigen Flora und Fauna, darunter auch besonders geschützte Pflanzen- und Tierarten. Es wies sowohl nach den Angaben des von der Klägerin eingeholten Waldwertgutachtens vom 10. Dezember 1992 als auch nach dem Inhalt des von der Landschaftspflegeplanerin der Klägerin im Oktober 1993 erstellten Landschaftspflegerischen Begleitplanes als auch nach dem Inhalt des geobotanischen Gutachtens des Prof. Dr. M. vom 9. Februar 1995 eine große Anzahl von Merkmalen eines Feldgehölzes auf, vor allem eine feldgehölztypische Flora (Weißdorn, Schlehe, Haselnuss, schwarzer Holunder, Eberesche, Feld- und Bergahorn, Winterlinde, Trauben- und Stieleichen) und Fauna (Mollusken, holzbewohnende Käferarten, zahlreiche Vogelarten sowie Feldhase, Baummarder, Siebenschläfer). Für eine Einordnung als Feldgehölz sprach seine Lage inmitten einer weiten Agrarlandschaft, das nur in Ansätzen bestehende Eigenklima des Wäldchens St. und seine ökologische Funktion als Rückzugsgebiet für wildlebende Freilandtiere. Gegen eine Einordnung als Feldgehölz sprachen tendenziell die relativ große Ausdehnung des Wäldchens St. und die teilweise Herausbildung eines typischen Waldbodens. Diese Feststellungen sind auch später nicht in Frage gestellt worden, insbesondere nicht durch das am 3. Juni 1999 verkündete Urteil des Verwaltungsgerichts Halle.

Soweit das Verwaltungsgericht Halle unter Aufgabe seiner zunächst im Jahre 1996 geäußerten Rechtsansicht, dass es sich bei dem Wäldchen St. eindeutig um ein Feldgehölz handele, später die Auffassung vertrat, dass das Wäldchen St. ein Wald im klassischen Sinne sei, hat es eine eigene vertretbare Rechtsansicht an die Stelle der Auslegung durch die Amtsträger der Beklagten gesetzt, d.h. es hat den Beurteilungsspielraum selbst ausgeschöpft. Im Rahmen einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 2. November 1994 hätte dem Verwaltungsgericht dem gegenüber nur eine eingeschränkte Kontrolle dahin oblegen, ob die Amtsträger der Beklagten mit ihrer Entscheidung den Beurteilungsspielraum überschritten haben. Eine solche wertende Feststellung ist der Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus dem Jahre 1999 nicht zu entnehmen.

1.5. Es ist unzweifelhaft, dass die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zerstörung dieses Biotops nach § 30 Abs. 5 NatSchG LSA nicht vorlagen. Die Folgen einer Rodung waren nicht, jedenfalls nicht innerhalb eines Zeitraumes unter 50 Jahren zu kompensieren.

Das Wäldchen St. war in dem sehr waldarmen Gebiet der M. das einzige Grundstück mit einem größeren, alten Eichenbestand. Es hatte - anders als die nahe gelegenen Wäldchen J. und G. - einen hohen Totholzanteil, welcher einen regional einzigartigen Lebensraum für gehölzgebundene Tiergruppen bot. Nur im Wäldchen St. konnten Brutstätten der geschützten Vogelarten schwarzer Milan und Steinschmätzer sowie das Vorkommen des Siebenschläfers nachgewiesen werden. Für diese Tierarten gab es im Falle einer Rodung des Wäldchens St. keine Ausweichmöglichkeit in der Umgebung.

1.6. Allerdings war bei der Entscheidung über die Erteilung oder Versagung einer Rodungsgenehmigung im Jahre 1994 zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits Inhaberin des Bergwerkseigentums i.S.v. § 9 BBergG war. Sie hatte das ausschließliche Recht, die Kies- und Kiessandvorkommen des Bergwerkfeldes P. zu erforschen und auszubeuten. Das Bergwerkseigentum ist ein dem Grundeigentum ähnliches absolutes Recht, welches den Grundrechtsschutz nach Art. 14 GG beanspruchen kann (vgl. BVerfGE 77, 130, 136; BVerfGE 83, 201, 208; BGHZ 161, 305, 313; OVG Münster, Beschluss v. 8. Dezember 2005, 11 A 2436/02 - zitiert nach juris, m.w.N.). Dies führt hier jedoch nicht zu einer Feststellung der objektiven Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 2. November 1994.

Das Bergwerkseigentum unterliegt, ebenso wie das Eigentumsrecht insgesamt, der Sozialbindung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Dies schließt die Einschränkung seiner wirtschaftlichen Verwertung aus Gründen des Naturschutzes grundsätzlich ein, wie schon die Regelung des § 48 Abs. 2 BBergG zeigt. Nutzungs- und Verwertungsbeschränkungen durch das Naturschutzrecht sind ausschließlich als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums anzusehen (vgl. nur BVerfG NJW 1998, 367; BGHZ 121, 328, 331; BGHZ 123, 242; BGHZ 126, 379, 381 ff.; BVerwGE 81, 361, 368 ff.). Dem privaten Interesse der Klägerin an der Verwertung ihres Bergwerkseigentums stand nach dem Vorausgeführten das naturschutzrechtliche Zerstörungsverbot des § 30 Abs. 2 NatSchG LSA entgegen, welches kraft gesetzlicher Regelung Vorrang genießt. Dabei durfte weiter berücksichtigt werden, dass im Kreisgebiet des Beklagten zu 1) noch erhebliche, nicht ausgebeutete Kies- und Kiessandvorkommen existieren, an denen die Klägerin im Jahre 1994 bereits das Bergwerkseigentum inne hatte und dass selbst im Abbaugebiet P. noch anderweitige Abbaumöglichkeiten gegeben waren.

Im Unterschied zum Jahre 1999, dem Schluss der mündlichen Verhandlung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, lag im Jahre 1994 eine Landschaftsplanung noch nicht vor, die das private Interesse der Klägerin an der Verwertung ihres Bergwerkseigentums in den Rang eines grundsätzlich überwiegenden allgemeinen Interesses an der Rohstoffsicherung und -gewinnung erhob. Der Regionale Entwicklungsplan war noch nicht erlassen.

Die Festsetzung des Gebietes als Bergbauschutzgebiet hatte nicht den gleichen Stellenwert, denn sie berechtigte die Klägerin nicht unmittelbar zum Aufschluss der unter Schutz gestellten Lagerstätten und zum Abbau der entsprechenden Rohstoffe, sondern führte lediglich zu Einschränkungen der baulichen Nutzung dieser Flächen (vgl. § 11 BergG DDR <GBl. DDR 1969, Teil I, S. 29>; § 3 der 2. DVO z. BergG DDR <GBl. DDR 1970, Teil II, S. 65>; auch Rohde, Bodenrecht, 1989, Abschnitt 7.5.3.3. <S. 175>). Die Flächeninanspruchnahme stand u.a. unter dem Vorbehalt der Aufhebung des Schutzes der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung des Bodens nach der Bodennutzungsverordnung (GBl. DDR 1965, Teil II, S. 233).

1.7. Schließlich war in die Entscheidungsfindung die Prognose einzubeziehen, ob der bisherige oder künftige Abbau von Kiesen und Kiessand geeignet ist, die Erhaltungsfähigkeit des Wäldchens St. zu gefährden.

Eine irreversible Schädigung des ökologischen Gleichgewichts im Wäldchen St. ist für das Jahr 1994 noch nicht festzustellen. Die irreversiblen, zur Austrocknung des Wäldchens führenden Umstände, insbesondere die Erweiterung des Kiesabbaugebietes bis an die unmittelbare Baumkante des Wäldchens und die zu einer monolithischen Insellage führende Einkreisung des Wäldchens St. durch den Kiesabbau der Klägerin, wie sie aus der Anlage K 10 (GA Bd. II Bl. 69 ff.) zu ersehen ist, sind im Wesentlichen in den Jahren 1997 bis 1999 eingetreten; ebenso die schrittweise Beseitigung von Totholz im Wäldchen, die zu einer Zerstörung der unikaten Pflanzen- und Tierwelt des Wäldchens erheblich beitrug.

Im Jahre 1994 durften die Beklagten bei ihrer Prognose noch davon ausgehen, dass nicht nur das als schutzwürdig eingeordnete Wäldchen St. unmittelbar, sondern auch ein Sicherheitsbereich von mehreren Metern rings um das Wäldchen von der Auskiesung verschont bleiben würde. Entsprechende sichernde Verfügungen hatten die Beklagten ursprünglich auch erlassen.

2. Selbst wenn man - anders als der Senat - von einer objektiv rechtswidrigen Versagung der Rodungsgenehmigung durch die Amtsträger der Beklagten ausginge, dann beruhte der fehlerhafte Bescheid im Ergebnis jedenfalls nicht auf einem Verschulden der handelnden Amtsträger.

Die Beklagten haben zutreffend darauf hingewiesen, dass nicht jeder objektive Rechtsirrtum - und um einen solchen handelte es sich bei der Auslegung eines unbestimmten Rechtsbe- griffes, wie hier des Begriffes des Feldgehölzes i.S.v. § 30 Abs. 1 Nr. 1 NatSchG LSA 1992 - einen Schuldvorwurf zu begründen vermag. Zwar muss sich ein Amtsträger die zur Führung seines Amtes notwendigen Rechts- und Verwaltungskenntnisse verschaffen und hat bei der Gesetzesauslegung die Rechtslage unter Zuhilfenahme aller ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft selbst zu prüfen und sich danach aufgrund vernünftiger Überlegungen eine Rechtsmeinung zu bilden. Wenn aber die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht eines Amtsträgers als rechtlich vertretbar angesehen werden kann und er daran bis zur gerichtlichen Klärung der Rechtslage festhält, so kann aus der späteren Missbilligung seiner Rechtsauffassung durch ein Verwaltungsgericht ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet werden (st. RSpr. BGH, vgl. BGHZ 119, 365, 369 f.; 139, 200, 203; 161, 305 <Rn. 12 - zitiert nach juris> m.w.N.). So liegt der Fall hier.

Die Rechtslage war nur schwer einschätzbar; Hilfsmittel standen nahezu nicht zur Verfügung.

Das NatSchG LSA 1992 war z.Zt. des Erlasses des Bescheids vom 2. November 1994 erst ca. zwei Jahre in Kraft. Nähere Verwaltungsvorschriften hierzu waren gerade erst in der Entstehung. Eine - gar gefestigte - Rechtsprechung zu diesen Landesvorschriften war nicht existent. Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Begriff des "Feldgehölzes" auch nicht etwa in anderen Bundesländern legaldefiniert. Es gab lediglich voneinander abweichende interne Verwaltungsvorschriften über die Auslegung dieses Begriffes, z. Bsp. in Baden-Würtemberg und im Freistaat Thüringen. Deren Inhalt kann dahin gestellt bleiben, und zwar schon deshalb, weil die Klägerin nicht dargelegt hat, dass diese Verwaltungsvorschriften den Amtsträgern der Beklagten zugänglich waren. Gerade auch die an der Entscheidungsfindung beteiligten Amtsträger des Beklagten zu 2) haben sich bemüht, durch ihre Veröffentlichungen zu einem Erkenntniszuwachs im Lande beizutragen. Die im Verlaufe des Jahres 1994 erlassene und bereits mehrfach geänderte Biotop-Richtlinie hat bei der Entscheidung Berücksichtigung gefunden.

Das LWaldG LSA 1994 war z.Zt. der Entscheidung erst etwa ein halbes Jahr in Kraft. Auch insoweit fehlte es Hilfsmitteln für die rechtliche Beurteilung.

Die Amtsträger der Beklagten haben den Antrag auf Erteilung der Rodungsgenehmigung insgesamt ca. zehn Monate lang geprüft. Der Antragstellung waren, wie die Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zutreffend angeführt hat, nahezu eineinhalb Jahre Vorgespräche vorangegangen. Gegenstand dieser Vorgespräche waren neben den Verhandlungen über den Umfang und die Ausgestaltung von Ausgleichsmaßnahmen auch die Vertiefung des Informationsstandes der Entscheidungsträger über Art und Umfang des Eingriffes in die Natur. Der Klägerin waren bereits in den Jahren 1992 und 1993 Auflagen gemacht worden, zum Bestand der Pflanzen- und Tierwelt u.a. des Wäldchens St. sowie zu dessen Biotopwert Näheres zu ermitteln und vorzulegen. Die Amtsträger der Beklagten haben nach Eingang des Antrags intensive Gespräche untereinander und mehrfach auch mit der Klägerin geführt. Sie haben diverse Fachbehörden eingeschaltet und letztlich in Kooperation zwischen unterer und oberer Naturschutzbehörde, Staatlichem Forstamt und Ministerium für Umwelt- und Naturschutz und Raumordnung eine vertretbare Entscheidung getroffen.

Für die Vertretbarkeit der Entscheidung spricht nicht zuletzt, dass das Verwaltungsgericht Halle in einem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nach neun Monaten Verfahrensdauer - sachverständig beraten - die Auffassung der Beklagten geteilt hat, und zwar unabhängig davon, ob insoweit bereits die Kollegialgerichtsrichtlinie (vgl. nur Sprau in: Palandt, Komm. z. BGB, 65. Aufl. 2006, § 839 Rn. 53 m.w.N.) eingreift oder nicht.

Auf die Streitfragen im Hinblick auf die Mithaftung oder Alleinhaftung des Beklagten zu 2) aufgrund verbindlicher Weisung, hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität und der etwaigen Verjährung der Amtshaftungsansprüche kommt es nach dem Vorausgeführten nicht mehr an.

3. Die Klägerin hat gegen die Beklagten auch keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EntschädigungsG LSA.

Auch insoweit kann dahin stehen, wer als der handelnde Hoheitsträger anzusehen ist, der den Bescheid erlassende Beklagte zu 1) oder der ggf. die Versagung verbindlich anweisende Beklagte zu 2). Denn jedenfalls setzt auch die vorgenannte Norm einen durch ein rechtswidriges Verwaltungshandeln verursachten Vermögensnachteil voraus. Die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 2. November 1994 ist nach dem Vorausgeführten nicht nachgewiesen.

4. Die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2) war zur Klarstellung dahin einzuschränken, dass sie nur als derzeit unbegründet erfolgt.

Die Klägerin hat u.U. einen Anspruch auf angemessene Entschädigung nach § 21 Abs. 1 LWaldG LSA 1994; dieser Anspruch richtet sich gegen das beklagte Land.

Ist die Versagung der Rodungsgenehmigung als rechtmäßig anzusehen, so liegt in der dadurch bewirkten Nutzungs- und Verwertungsbeschränkung des Bergwerkseigentums der Klägerin eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Ist der Klägerin hierdurch ein nicht unerheblicher wirtschaftlicher Nachteil entstanden, so hat sie nach § 21 Abs. 1 LWaldG LSA 1994 einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld. Die Höhe des Entschädigungsanspruchs richtet sich nach den Vorschriften des Enteignungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt.

Die Klägerin hat diesen Anspruch bislang nicht gerichtlich geltend gemacht. Die gerichtliche Geltendmachung setzt ein vorgeschaltetes Verwaltungsverfahren voraus, nämlich die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs bei der oberen Forstbehörde, § 21 Abs. 4 Satz 1 LWaldG 1994.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nrn. 7 und 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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