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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 25.05.2005
Aktenzeichen: 1 U 59/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 412 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
1. Ist Gegenstand eines Arzthaftungsprozesses eine gynäkologische Behandlung (hier: Entfernung eines Ovarialkarzinoms), fällt der Behandlungsfehlervorwurf jedoch in eine andere medizinische Fachrichtung (hier: Gastroenterologie - Nichterkennen eines weiteren, kolorektalen Karzinoms), so kann die Auswahl des gerichtlichen Sachverständigen aus einer interdisziplinären medizinischen Fachrichtung (hier: Viszeralchirurgie; auch Onkologie) geboten sein; jedenfalls ist sie regelmäßig nicht zu beanstanden.

2. Die Durchführung einer Koloskopie (Darmspiegelung) ist kein routinemäßig zu erhebender Befund nach der Entfernung eines Ovarialkarzinoms, auch dann nicht, wenn dieses seinem Zelltyp nach ein (primäres) Adenokarzinom ist. Eine Koloskopie ist ein eigenständiger körperlicher Eingriff, für den eine medizinische Indikation gegeben sein muss.

3. Ein Krankenhausarzt, der einen Patienten auf Grund einer Überweisung wegen eines konkreten Krankheitsgeschehens behandelt, ist nicht zur therapeutischen Aufklärung über die Möglichkeit und ggf. Zweckmäßigkeit prophylaktischer invasiver Krebsvorsorgeuntersuchungen verpflichtet.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 59/03

verkündet am: 25.05.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm auf die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 28. Mai 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg, 8 O 1483/01, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden bzw. des tatsächlich vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe geleistet haben.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer der Kläger übersteigt 20.000 EUR.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren von den Beklagten materiellen Schadenersatz, Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Einstandspflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden aus der gynäkologischen Behandlung der B. Ht. im Dezember 1999 im Krankenhaus der Beklagten zu 1) durch die Beklagten zu 2) (Chefarzt der gynäkologischen Abteilung), zu 3) (Oberärztin in dieser Abteilung) und zu 4). B. Ht. war Ehefrau des Klägers zu 1) und Mutter der Kläger zu 2) und zu 3). Sie verstarb am 15. Dezember 2000 an den Folgen eines Karzinoms im Bereich des colon sigmoideum, d.h. desjenigen Teils des Dickdarms, aus dem der Mastdarm (Rektum) hervorgeht. Die Kläger sehen es als behandlungsfehlerhaft an, dass dieser Tumor nicht bereits im Dezember 1999 von den Beklagten entdeckt und einer kurativen Therapie zugeführt worden ist. Im Einzelnen:

Bei der am 28. Dezember 1959 geborenen B. Ht. (künftig: die Patientin) war im Jahre 1997 eine Dermoidzyste, d.h. eine gutartige (benigne), aus verschiedenen Geweben bestehende Geschwulst, im linken Eileiter festgestellt worden. Zur Behandlung wurde eine Salpingoophorektomie, d.h. eine Entfernung des linken Eileiters und des zugehörigen Eierstocks, vorgenommen; zugleich wurde der rechte Eileiter sterilisiert.

Im September 1999 wurde die Patientin von ihrem Gynäkologen, Dipl.-Med. H. R. in B. , wegen des Verdachts auf erneute Bildung einer Dermoidzyste - nun im rechten Eileiter - an die gynäkologische Abteilung des Krankenhauses der Beklagten zu 1) (künftig: das Krankenhaus) überwiesen (vgl. GA Bd. I Bl. 74). Die Patientin wurde am 30. November 1999 im Krankenhaus aufgenommen. In ihrer Eigen- und Familienanamnese anlässlich des Aufklärungsgespräches verneinte die Patientin eigene Erkrankungen des Verdauungstraktes und Störungen des Stoffwechsels. Hinsichtlich der familiären Vorbelastungen ist im Krankenblatt "blande", d.h. unauffällig, vermerkt; es findet sich kein Hinweis auf eine gesonderte Nachfrage bzw. auf die unaufgeforderte Angabe der Patientin dazu, dass jeweils ihre Großmutter väterlicherseits an Darmkrebs, ihr Großvater an Lungenkrebs und ihre Urgroßmutter an Unterleibskrebs verstorben waren.

Am 1. Dezember 1999 führte die Beklagte zu 3) in Assistenz der Beklagten zu 2) und zu 4) eine laparoskopische Operation durch. Sie stellte bei ihrer Untersuchung ein ca. sechs Zentimeter großes Ovarialkarzinom rechts, d.h. eine mandarinengroße bösartige Geschwulst im rechten Eierstock, sowie eine vereinzelte bohnengroße Metastase im Bereich des rechten Omentum maius, d.h. des s.g. großen Netzes über die Dünndarmschlingen, fest. Das Gewebe wurde während der Operation nach s.g. Schnellschnitt histologisch untersucht. Der Pathologe bestätigte telefonisch das Vorliegen eines "hochdifferenzierten zystisch-papillären muzinösen Ovarialkarzinoms", d.h. einer schleimigen Tumorgeschwulst in Zysten- und BläsŽchenform. Er fügte seiner am 3. Dezember 1999 vorab per Fax übersandten schriftlichen Diagnose die Bemerkung an:

"..., nicht auszuschließen ist eine metastatische Karzinose eines schleimbildenden Adenokarzinoms" (vgl. Bericht Dr. med. E. , Pathologie, vom 1. Dezember 1999, GA Bd. I Bl. 52 f.), mit anderen Worten, dass das im rechten Eileiter entdeckte Karzinom seinem Zelltyp nach u.U. auch eine abgesiedelte Tochtergeschwulst eines verschleimenden Karzinoms eines drüsenbildenden Gewebes sein könnte.

Die Beklagte zu 3) entfernte das Ovarialkarzinom sowie dessen Absiedlung im s.g. großen Netz, führte sodann eine Totalexstirpation (abdominale Hysterektomie mit Salpingoophorektomie), d.h. eine vollständige Entfernung des Uterus sowie des rechten Eileiters mit zugehörigem Eierstock, sowie schließlich eine pelvine Lymphonodenektomie, d.h. eine Herausnahme von 21 Lymphknoten des großen Netzes im Beckenbereich, durch. Nach dem Inhalt des Operationsberichtes vom 1. Dezember 1999 (vgl. GA Bd. I Bl. 48) blieb die nachfolgende Tastuntersuchung der Leber ohne auffällige Befunde; es wurden an der Bauchhöhlenwand keine weiteren, mit bloßem Auge sichtbaren Metastasen entdeckt. Daraufhin wurde die Operation beendet. Die nachfolgende histologische Untersuchung des Uterus- und des Netzgewebes erbrachte keinen Hinweis auf metastatische Geschwulstabsiedlungen (vgl. Bericht Dr. med. E. , Pathologie, vom 2. Dezember 1999, GA Bd. I Bl. 49 ff.).

Im Rahmen der Kontrolluntersuchungen nach der Operation ließ sich kein Nachweis von Fernmetastasen im Bauchraum führen; die Befunde der röntgenologischen und CT-Untersuchung waren jedoch stark eingeschränkt, weil bei der Patientin wegen einer bestehenden Kontrastmittel-Unverträglichkeit keine intravenöse Kontrastierung vorgenommen werden konnte (vgl. Bericht Dr. med. K. , Radiologie, vom 12. Dezember 1999, GA Bd. I Bl. 120 f.). Alle paraklinischen Werte und Tumormarker lagen im Normbereich. Vor dem 1. Zyklus der Chemotherapie, die der Patientin von den Beklagten verordnet worden war, wurde am 15. Dezember 1999 eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes und des Vaginalbereiches durchgeführt, in deren Ergebnis ein "freies" Becken festgestellt wurde; auch zum Zeitpunkt dieser Untersuchung waren die paraklinischen Werte im Normbereich (vgl. Bericht der Beklagten zu 3) vom 5. Januar 2000, GA Bd. II Bl. 66). Nach Abschluss der Chemotherapie berichtete der Beklagte zu 2) dem überweisenden Arzt über den Behandlungsverlauf; der Bericht enthielt auch die histologischen Befunde im Wortlaut (vgl. Bericht vom 31. Januar 2000, GA Bd. I Bl. 46 f.).

Weitere Nachsorge-Untersuchungen führte der in Q. niedergelassene Radiologe Dr. med. Hr. durch. Die Patientin gab hierbei an, beschwerdefrei zu sein; lediglich "ab und an" trete ein "Kneifen" im Bauch auf. Die CT-Befunde ergaben keine Hinweise auf abdominelle oder retropelvine Metastasen, also im Bauch- bzw. Beckenbereich abgesiedelte Tochtergeschwulste (vgl. Bericht Dr. med. Hr. vom 2. Mai 2000, GA Bd. I 122).

Die Patientin war darüber hinaus in ständiger hausärztlicher Behandlung ihres Ehemannes, des Klägers zu 1), der niedergelassener Facharzt für Innere Medizin ist. Dieser stellte Ende August 2000, also etwa neun Monate nach der gynäkologischen Behandlung der Patientin durch die Beklagten, einen s.g. Subileus, d.h. einen beginnenden, inkompletten mechanischen Darmverschluss, fest und überwies die Patientin in ein anderes Krankenhaus, dort in die Abteilung Innere Medizin. Nachdem eine Röntgenuntersuchung eine Überblähung des Dickdarms bis zum Sigma ergab, wurde am 29. August 2000 eine Koloskopie, d.h. eine Darmspiegelung, vorgenommen, die den dringenden Verdacht auf ein Sigmakarzinom, d.h. eine bösartige Geschwulst im Inneren des Dickdarms, dort am Übergang zum Mastdarm, ergab. Die weiteren Untersuchungen am 30. August 2000 (Bauch- und Becken-CT, histologische Untersuchung von Gewebeproben aus dem Sigmabereich) bestätigten, dass der Darmverschluss auf ein primäres, d.h. im Dickdarm selbst entstandenes, schleimbildendes Adenokarzinom des colon sigmoideum zurückzuführen war. Der Darmverschluss war inzwischen komplett ausgeprägt. Das Karzinom wurde am 31. August 2000 operativ entfernt. Im Bereich des großen Netzes, in Höhe des Querdarmes, wurde eine Metastase von fast Pflaumengröße entdeckt und entfernt. Die weitere Inspektion zeigte verstreute kleine Metastasen auf dem Darm und der Peritonealwand (dem Bauchfell) sowie auf dem Zwerchfell oberhalb der linken Leber und im Bereich des kleinen Beckens, die beseitigt werden. Die histologische Untersuchung der Metastasen ergab, dass es sich - anders als ursprünglich nach der Schnellschnittuntersuchung während der Operation vermutet - um Absiedlungen eines Adenokarzinoms vom intestinalen Typ, also eines vom Darmkanal herrührenden Karzinoms, handelt, mit anderen Worten, dass keine der aufgefundenen bösartigen Geschwulste eine Absiedelung von dem im Dezember 1999 entfernten Ovarialkarzinom war (vgl. Krankenakte in Kopie im Anlagenband). Nach kurzzeitiger Entlassung aus dem Krankenhaus wurde die Patientin bereits am 2. Oktober 2000 erneut eingewiesen. Es wurde eine Rektum-Scheiden-Fistel diagnostiziert; wegen Inkurabilität wurde von einem operativen Eingriff abgesehen und die Patientin auf ihren dringenden Wunsch hin entlassen. Am 18. November 2000 wurde die Patientin erneut stationär aufgenommen, weil wiederum ein beginnender mechanischer Darmverschluss vorlag. Es erfolgte lediglich eine konservative Behandlung. Am 15. Dezember 2000 verstarb die Patientin.

Die Kläger haben behauptet, dass die gynäkologische Behandlung der Beklagten für den Tod der Patientin mitursächlich gewesen sei. Das Sigmakarzinom sei bereits im Dezember 1999 vorhanden gewesen; die Beklagten zu 2) bis zu 4) hätten schuldhaft pflichtwidrig diese Erkrankung nicht erkannt und daher auch nicht behandelt. Bei zeitgerechter Behandlung wäre ein letaler Ausgang der Erkrankung zu vermeiden gewesen.

Die Beklagten hätten es nämlich pflichtwidrig unterlassen, eine Koloskopie, also eine Darmspiegelung, vorzunehmen. Deren Notwendigkeit hätte sich ergeben aus den Angaben der Patientin zur Familienanamnese, wenn ausdrücklich nach Krebserkrankungen im familiären Umfeld und damit nach Krebsrisikofaktoren gefragt worden wäre, sowie aus der Anmerkung des Pathologen zu den Ergebnissen der Schnellschnitte, wonach nicht auszuschließen sei, dass das gefundene Ovarialkarzinom auch ein Anzeichen für eine Karzinose eines Adenokarzinoms sein könnte. Die Kläger sehen in dieser Anmerkung eine Verdachtsdiagnose, für deren Richtigkeit spreche, dass das Ovarialkarzinom den gleichen histologischen Aufbau aufweise, wie das später entdeckte Sigmakarzinom (Beweis: Einholung eines pathologischen Sachverständigengutachtens).

Die Kläger haben weiter die Auffassung vertreten, dass der Beklagte zu 2) pflichtwidrig gehandelt habe, indem er seine Informationen über den zweifelnden Histologiebefund nicht an den Kläger zu 1) als Hausarzt der Klägerin übermittelt habe.

Die Kläger haben schließlich die Auffassung vertreten, dass das Nichterkennen des Sigmakarzinoms ein grober Behandlungsfehler gewesen sei, weshalb die Beklagten der Nachweis eines gleichwohl tödlichen Ausgangs der Erkrankung bei frühzeitigerer Entfernung des Sigmakarzinoms obliege.

Als materiellen Schaden haben die Kläger geltend gemacht die ihrer Höhe nach unstreitigen Bestattungskosten in Höhe von 8.686,58 EUR, einen behaupteten Verdienstausfall im Hinblick auf die Tätigkeit der Verstorbenen als Sprechstundenhilfe und Röntgenassistentin in der Praxis des Klägers zu 1) für fünf Jahre in Höhe von insgesamt 38.346,89 EUR sowie einen angeblichen Haushaltsführungsschaden im Hinblick auf die alleinige Haushaltsführung der Verstorbenen für eine vierköpfige Familie einschließlich der Pflege eines Gartens und der Praxisräume des Klägers zu 1) in Höhe von 82.060,81 EUR. Die Kläger haben weiter ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 30.677,51 EUR, sowie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für alle materiellen und immateriellen Schäden aus dem Todesfall begehrt.

Soweit die Kläger ursprünglich zwei weitere Beklagte in Anspruch genommen hatten, haben sie die Klage im Hinblick auf eine Personenverwechslung zurückgenommen.

Die Beklagten haben bestritten, dass die gynäkologische Behandlung der Patientin im Dezember 1999 nicht facharztgerecht gewesen sei. Sie haben entgegen der Sachdarstellung der Kläger behauptet, dass eine vollständige Familienanamnese stattgefunden habe, dass aber die Angaben der Patientin zu den Erkrankungen ihrer Großeltern bzw. Urgroßeltern mangels Relevanz für die weitere Behandlung nicht aufgezeichnet worden seien. Die Beklagten haben weiter behauptet, dass sie anlässlich der Operation vom 1. Dezember 1999 ausgiebig den gesamten Bauchraum - Leber, Magen, Milz und Darm - durch Betastung und visuell untersucht und dabei keinen weiteren Tumor festgestellt hätten. Informationspflichten hätten ihnen lediglich gegenüber dem einweisenden Arzt, Dipl.-Med. R. , oblegen.

Im Übrigen haben die Beklagten behauptet, dass die Patientin auf Grund ihrer schweren Krebserkrankung auch dann verstorben wäre, wenn das Sigmakarzinom bereits im Dezember 1999 entdeckt und entfernt worden wäre.

Die Zivilkammer hat Beweis erhoben durch Einsicht in die Krankenunterlagen der Patientin im Krankenhaus der Beklagten im Zeitraum Dezember 1999 bis Januar 2000 sowie von den nachfolgenden stationären Behandlungen seit August 2000. Sie hat ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. L. , Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, vom 5. Juli 2002 (vgl. GA Bd. II Bl. 101 ff.) und ein schriftliches Ergänzungsgutachten desselben Sachverständigen vom 4. Dezember 2002 (vgl. GA Bd. II Bl. 125 f.) eingeholt und den gerichtlichen Sachverständigen im Termin der mündlichen Verhandlung vom 7. Mai 2003 persönlich angehört (vgl. Sitzungsprotokoll vom selben Tage, GA Bd. III Bl. 12 ff.).

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen und diese Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht habe festgestellt werden können.

Die Kläger haben gegen das ihnen am 5. Juni 2003 zugestellte Urteil mit einem am 23. Juni 2003 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung innerhalb der ihnen bis zum 15. August 2003 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet.

Die Kläger wenden sich mit ihrer Berufung vor allem gegen die erstinstanzliche Feststellung, dass die Beklagten nicht verpflichtet gewesen seien, bereits im Dezember 1999 eine Darmspiegelung vorzunehmen. Das Landgericht habe insbesondere den ausdrücklichen Hinweis des Pathologen auf ein Adenokarzinom außerhalb des Operationsgebietes der Beklagten unzureichend berücksichtigt. In diesem Zusammenhang rügen die Kläger diverse gerichtliche Fehler bei der Sachverhaltsaufklärung. So meinen sie, dass zur Sachverhaltsaufklärung Sachverständige verschiedener Fachrichtungen anzuhören seien. Der Pathologe Dr. med. E. sei als sachverständiger Zeuge zum Bedeutungsgehalt seines histologischen Befundes vom 1. Dezember 1999 zu vernehmen. Hinsichtlich der Untersuchung des Bauchraums während der Operation vom 1. Dezember 1999 durch die Beklagte zu 3) sei streitiger Parteivortrag als unstreitig behandelt worden. Schließlich habe das Landgericht versäumt, darauf hinzuweisen, dass seiner Ansicht nach hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für differentialdiagnostische Maßnahmen fehlten. Das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen sei überdies nicht nachvollziehbar.

Die Kläger behaupten in zweiter Instanz erstmals, dass eine weitere Pflichtverletzung der Beklagten zu 2) bis zu 4) dadurch verwirklicht worden sei, dass die Beklagten mit der Patientin nicht über den pathologischen Befund und die vom Pathologen geäußerten Zweifel gesprochen und ihr nicht zur Durchführung einer Koloskopie geraten hätten.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 129.094,37 EUR sowie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, welches einen Betrag von 30.677,51 EUR jedoch nicht unterschreiten sollte, nebst 4 % Zinsen aus dem Gesamtbetrag seit dem 13. Juli 2001 zu zahlen sowie

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den künftigen Schaden aus der fehlerhaften Behandlung im Dezember 1999 zu ersetzen.

Die Kläger beantragen hilfsweise,

das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Magdeburg zurückzuverweisen,

äußerst hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Sie verteidigen im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil.

Der Senat hat am 10. Mai 2005 mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats vom selben Tage (vgl. GA Bd. III Bl. 139) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Kläger ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass die Kläger gegen die Beklagten schon dem Grunde nach unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Ersatz von materiellen oder immateriellen Schäden haben, weil sie nicht haben nachweisen können, dass die Beklagten die ihnen obliegenden Behandlungspflichten gegenüber der Patientin schuldhaft verletzt haben.

1. Die gynäkologische Behandlung der Patientin durch die Beklagten zu 2) bis zu 4) ist in ihrem Kern, d.h. hinsichtlich der Untersuchung und Behandlung der Geschlechtsorgane der Patientin - hier der Gebärmutter, des rechten Eileiters einschließlich zugehörigen Eierstocks - und deren unmittelbaren Umfeldes, nicht zu beanstanden. Die Kläger haben jedenfalls keinen Behandlungsfehler nachzuweisen vermocht, der geeignet gewesen wäre, sich zu Ungunsten der Patientin ausgewirkt zu haben.

1.1. Die zunächst mit diagnostischer Zielstellung begonnene und nach Sicherung des Befundes eines Ovarialkarzinoms als kurative Operation fortgesetzte Laparoskopie war medizinisch indiziert. Hiergegen erheben auch die Kläger keine Einwände.

1.2. Der Eingriff entsprach in seiner Durchführung dem gynäkologischen Facharztstandard und war auch erfolgreich.

1.2.1. Das Ovarialkarzinom und eine Absiedlung hiervon wurden zutreffend erkannt und vollständig entfernt.

1.2.2. Das Landgericht ist bei seiner Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 3) eine visuelle und palpatorische (mit einem oder mehreren Fingern tastende) Untersuchung des das Operationsgebiet umgebenden Bauchraumes vorgenommen hat. Eine solche ist im Operationsbericht ausgewiesen; die Kläger haben für ihre dagegen gerichtete Behauptung eines pflichtwidrigen Unterlassens keine tatsächlichen Anhaltspunkte dargelegt und sind im Übrigen auch beweisfällig geblieben.

Der Senat sieht auch keine Veranlassung, von Amts wegen eine weitere Aufklärung zu betreiben, z.B. durch Anhörung der Beklagten zu 2) bis zu 4) zu der Frage, ob und ggf. in welchem Umfang eine Suche nach weiteren Metastasen stattgefunden hat. Denn selbst wenn die visuelle und palpatorische Untersuchung unzureichend gewesen wäre, hätte sich dies jedenfalls nicht nachteilig für die Patientin ausgewirkt.

a) Es ist erwiesen, dass das Ovarialkarzinom keine weiteren Metastasen ausgestreut hat. Solche sind im weiteren Behandlungsverlauf nicht gefunden worden. Die im August 2000 entdeckten Metastasen stammten ausweislich des histologischen Befundes von dem Adenokarzinom im Sigmabereich. Dieses selbst war ein primäres, also im Darmbereich selbständig entstandenes Karzinom, rührte also ebenfalls nicht von dem Ovarialkarzinom her.

b) Die Kläger können den Nachweis nicht führen, dass das Sigmakarzinom bereits im Dezember 1999 durch eine visuelle und palpatorische Untersuchung des Dickdarms hätte gefunden werden können.

aa) Ein sicherer Aufschluss darüber, welches Stadium die Entwicklung des Sigmakarzinoms im Dezember 1999 erreicht hatte, ist nach den eindeutigen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen nachträglich nicht mehr zu gewinnen. Das Karzinom ist erst im August 2000, zu diesem Zeitpunkt bereits in einem sehr fortgeschrittenen Entwicklungsstadium, entdeckt worden. Aus der statistischen Dauer der Herausbildung eines Sigmakarzinoms kann zwar darauf geschlossen werden, dass im Dezember 1999 zumindest bereits ein Polyp - als Vorstufe des späteren Karzinoms - bzw. auch schon ein sehr kleiner Tumor vorhanden war. Für darüber hinausgehende Aussagen fehlt es aber an tatsächlichen Anhaltspunkten. Es liegen gerade keine Erkenntnisse über etwaige okkulte Blutbestandteile im Stuhl, chronische Durchfälle oder anhaltende Bauchschmerzen vor, die als Hinweis auf ein kolorektales Karzinom in Betracht kämen. Die körperlichen Beschwerden der Patientin setzten erst im August 2000 ein. Es fehlt auch an Befunden der bildgebenden Diagnostik, die wenigstens aus rückschauender Betrachtung als entsprechender Hinweis zu interpretieren wären. Insbesondere lassen die CT-Befunde der Nachuntersuchungen am 26. April 2000 (noch immer) keine Anzeichen eines fortgeschrittenen Tumorleidens, also eine Ausbreitung des karzinösen Geschehens, erkennen, was zu erwarten gewesen wäre, wenn das Sigmakarzinom bereits im Dezember 1999 stark ausgeprägt gewesen wäre.

bb) Entgegen der Auffassung der Kläger lässt auch der Umstand, dass sowohl das im Dezember 1999 entfernte Ovarialkarzinom als auch das im August 2000 entfernte Sigmakarzinom einen gleichen oder zumindest sehr ähnlichen Zelltyp aufwiesen, keinen sicheren Rückschluss darauf zu, dass das Ovarialkarzinom eine Absiedelung des Sigmakarzinoms und letzteres mithin bereits vor dem Entstehen des Ovarialkarzinoms herausgebildet war. Der gerichtliche Sachverständige hat einen solchen direkten anatomischen Zusammenhang einer Tumorinfiltration im Hinblick auf die Lage der betroffenen Organe (Eierstock rechts, Dickdarm überwiegend linksseitig) und die jeweiligen histologischen Befunde (beide Karzinome werden als primäre Karzinome angesehen) als eher unwahrscheinlich bewertet. Jedenfalls ist aber eine parallele Ausbildung zweier im Zelltyp gleicher Karzinome in verschiedenen Körperorganen möglich und kommt mit einer statistischen Häufigkeit bis zu 5 % vor. Dies schließt den nachträglichen Nachweis eines anatomischen Zusammenhangs und damit den Nachweis einer vorzeitigen starken Ausprägung des Sigmakarzinoms aus. Vor diesem Hintergrund ist die von den Klägern behauptete Gleichartigkeit der beiden Karzinome nicht entscheidungserheblich und die beantragte Einholung eines pathologischen Zusatzgutachtens hierüber entbehrlich.

cc) Der Polyp im Darmlumen bzw. ein kleiner Tumor wären mangels Durchbruches durch die Darmwand bzw. mangels einer Auswölbung der Darmwand von außen weder sichtbar noch ertastbar gewesen. Die Kläger haben selbst eingeräumt, dass ein Polyp im Lumen lediglich endoskopisch, d.h. durch eine Darmspiegelung, hätte erkannt werden können.

1.2.3. Die Beklagte zu 3) hat - dem Facharztstandard entsprechend - die umliegenden Lymphknoten zur Verhinderung einer Metastasierung des Ovarialkarzinoms vollständig ausgeräumt und sodann den operativen Eingriff abgeschlossen.

Im Rahmen der Nachbehandlung erfolgten Kontrollen des Behandlungsergebnisses, insbesondere im Hinblick auf Anhaltspunkte für eine Metastasierung des entfernten Karzinoms, sowie Maßnahmen zur Sicherung des Behandlungserfolgs in Form einer anschließenden Chemotherapie, ebenfalls bezogen auf eine Vermeidung der Absiedlung von Metastasen des Ovarialkarzinoms.

1.2.4. Der Senat stützt sich für diese wie auch für die folgenden Erkenntnisse auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. med. L. .

Zweifel an der Sachkunde des gewählten Sachverständigen bestehen nicht. Das von ihm vertretene Fachgebiet der Viszeralchirurgie umfasst die Diagnose und Behandlung von Tumoren im Bauchraum und damit fachübergreifend die Entstehung, Ausbreitung und Behandlung von Tumoren sowohl der weiblichen (oder männlichen) Geschlechtsorgane als auch des Magen-Darm-Traktes. Diese interdisziplinäre Ausrichtung des Dr. med. L. führt - entgegen der Auffassung der Kläger - hier im besonderen Maße zu einer Eignung als gerichtlicher Sachverständiger für eine - aus rückschauender Betrachtung - ebensolche interdisziplinäre Behandlungssituation (vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 13. März 2003, 1 U 34/02, m.w.N. - Ls. in: OLG-Report 2003, 348).

Gründe für die Einschaltung eines weiteren Sachverständigen, etwa eines Gynäkologen bzw. eines Gastroenterologen, sind nicht gegeben, § 412 Abs. 1 ZPO. Das erstinstanzliche Gericht hat den gerichtlichen Sachverständigen umfassend zu Rate gezogen; der Sachverständige hat seine schriftlichen Gutachten in der mündlichen Verhandlung erläutert. Auch für die Kläger bestand hinreichend Gelegenheit für kritische Nachfragen und Vorhalte. Dies gilt hier umso mehr, als der Kläger zu 1), der während der mündlichen Erläuterung der beiden schriftlichen Gutachten anwesend war, selbst Facharzt für Innere Medizin ist und nach eigenen Angaben über eine lange Berufserfahrung, auch im Krankenhausbereich, verfügt. Die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen sind ausreichend zur Überzeugung des Senats.

2. Entgegen der Auffassung der Kläger waren die Beklagten zu 2) bis zu 4) während der stationären Behandlung auf die Überweisung des Dr. med. R. hin nicht verpflichtet, selbst bzw. unter Einschaltung von Fachärzten anderer medizinischer Fachrichtungen im Krankenhaus eine Koloskopie, also eine Spiegelung des kompletten Dickdarms, bzw. eine Sigmoidoskopie, also eine Spiegelung des letzten Viertels des Dickdarms, vorzunehmen, die ggf. zu einer frühzeitigen Entdeckung des Tumorgeschehens im Sigmabereich geführt hätte.

2.1. Die Durchführung einer Darmspiegelung ist kein routinemäßig zu erhebender Befund nach der Entfernung eines Ovarialkarzinoms. Diese diagnostische Maßnahme ist vielmehr selbst bereits ein körperlicher Eingriff, für dessen Vornahme eine medizinische Indikation vorliegen muss. Eine solche war hier nicht gegeben.

2.2. Die Beklagten hatten keinerlei Hinweise auf eine mögliche Erkrankung im Magen-Darm-Trakt, und zwar weder aus der Eigenanamnese der Patientin, noch aus den Befunden ihrer körperlichen Untersuchungen bei der Aufnahme, während der Operation und in der Nachsorge, noch aus den Laborbefunden und schließlich auch nicht im Rahmen der täglichen Pflege während des stationären Aufenthaltes der Patientin im Krankenhaus.

2.3. Die Indikation für eine Koloskopie oder Sigmoidoskopie konnte sich nicht aus der Familienanamnese der Patientin ergeben.

Insoweit kann offen bleiben, ob die Beklagten ggf. auf eigene Nachfrage oder aber auf Grund selbständiger Erklärungen der Patientin von den Krebserkrankungen zweier Großeltern und einer Urgroßmutter der Patientin Kenntnis hatten oder nicht. Der Senat merkt lediglich an, dass sich die Beklagten zutreffend darauf berufen, dass diese Angaben - entgegen der Ansicht der Kläger - gerade keine Zuordnung der Patientin zu einer besonderen Risikogruppe rechtfertigten. Nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft besteht ein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines kolorektalen Karzinoms nur für den - hier hinsichtlich der Patientin nicht vorliegenden - Fall, dass bei deren Verwandten ersten Grades bereits ein kolorektales Karzinom vorhanden gewesen wäre. Nach dem eigenen Vorbringen der Kläger gibt es in der Familie der Patientin überhaupt nur eine Person mit einem Darmtumor, die Großmutter väterlicherseits. Diese ist jedoch Verwandte zweiten Grades. Bei einem kolorektalem Karzinom eines Verwandten zweiten Grades besteht nach heutigen medizinischen Erkenntnissen allenfalls ein leicht erhöhtes Risiko, was derzeit jedoch nur unzureichend untersucht und in der Praxis nicht verifiziert ist (vgl. auch Ergebnisse der Leitlinienkonferenz "Kolorektales Karzinom" vom 1. Oktober 2004 der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, AMWF-Leitlinie Nr. 021/007, Entwicklungsstufe "3+IDA", S. 13 f. - "www.uni-duesseldorf.de/WWW/AMWF/II/021-007.htm").

Entscheidend ist, dass allein die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe, selbst wenn sie gegeben gewesen wäre, die Vornahme einer Koloskopie als Maßnahme der Krebsprophylaxe nur gerechtfertigt, diese aber nicht geboten hätte. Es bestand ohne Hinzutreten klinischer oder sonstiger Anzeichen für eine Störung des Stoffwechsels bzw. eine Erkrankung des Magen-Darm-Traktes keine Pflicht zur Durchführung einer Koloskopie.

2.4. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Darmspiegelung ergab sich schließlich auch nicht aus der oben zitierten Anmerkung des Pathologen Dr. med. E. zu seinem histologischen Befund vom 1. Dezember 1999.

2.4.1. Der gerichtliche Sachverständige hat überzeugend ausgeführt und im Rahmen seiner Anhörung vor der Kammer erläutert, dass das aufgefundene Ovarialkarzinom nach seinem Zelltyp kein Plattenepithelkarzinom ist, also nicht zu der Gruppe der räumlich auf ein Organ beschränkten Karzinome gehört, sondern eben ein Adenokarzinom. Allein aus diesem Zelltyp ergibt sich, dass eine ausgedehnte Besiedelung des gesamten Körpers mit Metastasen nicht auszuschließen ist, wobei die Besiedelung vom aufgefundenen Karzinom ausgehen kann oder aber auch das aufgefundene Karzinom seinerseits bereits eine Absiedelung eines an anderer Körperstelle vorhandenen Primärkarzinoms sein kann. Nicht mehr und nicht weniger als diese allgemeine medizinische Aussage hat der Pathologe auf Grund seiner histologischen Befunde mitgeteilt. Für eine weiter gehende Aussage, etwa dass im vorliegenden Fall eine Herkunft der untersuchten karzinösen Zellen von außerhalb des Auffindeorts konkret in Betracht kommt, fehlen einem Pathologen naturgemäß jegliche Anhaltspunkte. Solche sind im Befundbericht vom 1. Dezember 1999 auch nicht erwähnt. Damit in Übereinstimmung steht auch die vorsichtige Formulierung: "... ist nicht auszuschließen". Eine Vernehmung des Pathologen als sachverständigen Zeugen über den Aussagegehalt seines Befundberichtes, wie von den Klägern angeregt, ist entbehrlich, denn für die Entscheidung kommt es allein darauf an, wie die Beklagten dessen Befundbericht nach objektivem Empfängerhorizont auffassen mussten und durften.

2.4.2. Der - theoretischen - Möglichkeit einer Infiltration des rechten Eierstocks der Patientin mit Tumorzellen durch Karzinose eines andernorts stationierten malignen Tumors stand aus Sicht der Beklagten gegenüber, dass das aufgefundene Karzinom vom Pathologen selbst als primäres, also am Auffindeort entstandenes Karzinom bewertet wurde, dass die aufgefundene solitäre Netzmetastase sowohl hinsichtlich ihrer Platzierung als auch histologisch diese Diagnose bestätigte, dass klinische und sonstige Parameter für ein weiteres Karzinom völlig fehlten, und schließlich auch, dass die umliegenden Lymphknoten sämtlich frei von Metastasen waren. Angesichts der überwiegend lymphogenen Ausbreitung von Metastasen war es, wie der gerichtliche Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt hat, mehr als nur vertretbar, die differential-diagnostische Untersuchung der Patientin zu beenden. Das Krankheitsbild der Patientin war gerade nicht mehr mehrdeutig. Im Verlaufe der weiteren Behandlung der Patientin durch die Beklagten sind keinerlei Veränderungen im Krankheitsbild der Patientin aufgetreten, die zu einer erneuten Überprüfung der Diagnose "originäres Ovarialkarzinom" Veranlassung gegeben haben.

2.4.3. Aus der Ungewissheit, welchen Entwicklungsstand das im August 2000 entdeckte Sigmakarzinom im Dezember 1999 aufwies, ergibt sich zudem, dass die Kläger nicht nachweisen können, ob und inwieweit eine Behandlung des kolorektalen Karzinoms bereits zum Jahreswechsel 1999/2000 zu geringeren körperlichen Belastungen und zu einer höheren Lebenserwartung der Patientin geführt hätte oder nicht. Sie tragen aber die Beweislast für den kausalen Zusammenhang zwischen den behaupteten Behandlungsfehlern - hier der Nichterhebung gebotener Befunde sowie der Nichtbehandlung trotz eines mit hoher Wahrscheinlichkeit reaktionspflichtigen Befundes - und dem Tod der Patientin. Gründe für eine Beweislastumkehr sind nicht gegeben.

3. Schließlich haben die Beklagten die ihnen im Rahmen der durch Überweisung übertragenen gynäkologischen Behandlung der Patientin obliegenden Pflichten zur therapeutischen Aufklärung nicht verletzt.

3.1. Aufgrund der Überweisung der Patientin durch Dr. med. R. haben die Beklagten die gynäkologische Behandlung vollständig übernommen; nach Abschluss der Behandlung oblag ihnen die Information des überweisenden Arztes über die abschließende Diagnose, den Behandlungsverlauf und sonstige, für die weitere Behandlung relevante Umstände. Dieser Pflicht sind die Beklagten mit ihrem Arztbrief vom 31. Januar 2000 nachgekommen. Der vorgenannte Arztbrief enthielt u.a. auch den histologischen Befund vom 1. Dezember 1999 im Wortlaut.

3.2. Dem gegenüber bestand keine Verpflichtung der Beklagten, auch den Kläger zu 1) als Hausarzt der Patientin unaufgefordert in gleicher Weise zu informieren. Es wäre Sache der Patientin selbst bzw. ihres Gynäkologen gewesen, eine Erstinformation an den Hausarzt zu erteilen, um diesem eine Nachfrage bei den Beklagten zu ermöglichen. Im vorliegenden Fall ist zudem davon auszugehen, dass der Kläger zu 1) als Ehemann der Patientin Kenntnis von deren stationären Behandlung hatte.

3.3. Soweit die Kläger erstmals in der Berufungsinstanz behaupten, dass eine therapeutische Aufklärung der Patientin selbst durch die Beklagten über prophylaktische Untersuchungen des Magen-Darm-Traktes medizinisch geboten gewesen wäre, haben sie schon die Voraussetzungen einer Zulassung dieses neuen Angriffsmittels i.S.v. § 531 Abs. 2 ZPO nicht dargelegt.

3.4. Darüber hinaus ist jedoch festzustellen, dass die Beklagten aus rechtlichen Gründen nicht verpflichtet waren, die Patientin über die Möglichkeit oder ggf. Zweckmäßigkeit weiter gehender, invasiver Krebsvorsorgeuntersuchungen aufzuklären bzw. ihr zu deren Vornahme zu raten.

3.4.1. Den Beklagten oblag auf Grund der Überweisung die gynäkologische Behandlung der Patientin im Hinblick auf einen konkreten, bereits bestehenden pathologischen Zustand des rechten Eileiters einschließlich seiner Adnexe. Hierzu gehören nicht Vorsorgeuntersuchungen zum Ausschluss von Krebserkrankungen des Magen-Darm-Traktes. Es ist auch grundsätzlich Sache des Patienten selbst, an eine allgemeine Vorsorge zu denken, etwa die aus medizinischer Sicht bei Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe empfohlene Durchführung einer Koloskopie spätestens ab dem 50. Lebensjahr.

3.4.2. Die Beklagten waren ohne konkrete Verdachtsgründe auch nicht verpflichtet, die Patientin an einen Gastroenterologen bzw. Internisten weiter zu überweisen (vgl. KG, Urteil v. 12. Dezember 1996, 20 U 201/95 - nachfolgend: BVerfG ArztR 1998, 176; vgl. auch OLG Düsseldorf VersR 1988, 1297; OLG München VersR 1995, 1499). Diese Pflicht besteht nur, wenn es gilt, dadurch einen dem Patienten erkennbar drohenden Schaden abzuwenden. Wie vorausgeführt, mussten die Beklagten - entgegen der Auffassung der Kläger - gerade nicht an die Möglichkeit eines Sigmakarzinoms denken.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nrn. 7 und 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Zulassung der Revision ist ausschließlich auf eine abweichende tatsächliche Würdigung des Prozess-Stoffes hinsichtlich des Aussagegehaltes des histologischen Befundes vom 1. Dezember 1999 gestützt und wirft keinerlei rechtliche Probleme auf.

Ende der Entscheidung

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