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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 06.11.2007
Aktenzeichen: 1 U 79/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 240
ZPO § 249 Abs. 3
Trotz einer zwischenzeitlich eingetretenen Unterbrechung des Verfahrens nach § 240 ZPO kann eine Beschlussverwerfung einer vorher unzulässigen Berufung in entsprechender Anwendung von § 249 Abs. 3 ZPO dann erfolgen, wenn ausgeschlossen ist, dass der Grund der Unzulässigkeit noch geheilt werden könnte.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

1 U 79/07 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm am 06. November 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 13. August 2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg (Az.: 9 O 2152/06) wird verworfen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 19.059,06 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Berufung der Beklagten ist unzulässig und daher zu verwerfen. Dabei ist nach der am 01.11.2007 eingetretenen Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Passivrubrum von Amts wegen zu berichtigen gewesen und anstelle der Gemeinschuldnerin die Insolvenzverwalterin als Partei aufzunehmen gewesen (zur Rechtsstellung des Insolvenzverwalters im Prozeß vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 27.A., § 51 Rdn 25 ff. m.w.Nw.), auch wenn sie den Prozess nicht aufgenommen hat.

Die Verwerfung hat zu erfolgen, denn die Berufung ist zwar form- und fristgerecht eingelegt, jedoch nicht in der Berufungsbegründungsfrist begründet worden und Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist sind weder ersichtlich noch vorgetragen (§§ 522 Abs. 1, 520 Abs. 2 ZPO). Die inzwischen eingetretene Unterbrechung des Verfahrens nach § 240 ZPO hindert diese Beschlussverwerfung nicht, da die Unzulässigkeit bereits vorher feststand.

Das angefochtene Urteil ist der Beklagten am 16.08.2007 zugestellt worden, damit lief die Berufungsbegründungsfrist mit Ablauf des 16.10.2007 ab (§ 520 Abs. 2 ZPO). Eine Berufungsbegründung liegt bis heute nicht vor. Der Beklagten wurde mit Schreiben des Vorsitzenden vom 22.10.2007 zur beabsichtigten Verwerfung rechtliches Gehör gewährt. Unter Ausschöpfung der Äußerungsfrist nahm die Beklagte mit Schreiben vom 24.10.2007 Stellung. Dabei trug sie keine Wiedereinsetzungsgründe vor. Sie verwies lediglich darauf, dass vom Amtsgericht Magdeburg mit Beschluss vom 28.09.2007 ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden sei (Az.: 340 IN 1034/07 (371) und demnächst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu rechnen sei.

Die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters war nicht mit der Auferlegung eines allgemeinen Verfügungsverbots für den Schuldner verbunden gewesen, sondern nur mit der Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts (§ 11 Abs. 2 InsO) und hatte damit keine Unterbrechungswirkung (§ 240 Abs. 2; BGH NJW 99, 2822; Zöller/Greger, ZPO, 26. A., Rdn. 5 zu § 240).

Unterbrechung nach § 240 ZPO trat am 01.11.2007 mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein. Damit wurde das Verfahren zwar unterbrochen, da die Insolvenzmasse betroffen war. Allerdings hindert dies nicht den Erlass des Verwerfungsbeschlusses, da das Ereignis, das die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Beklagten zur Folge hat, bereits vor der Insolvenzeröffnung eingetreten war und daher bereits vor der Unterbrechung des Verfahrens zur Verwerfung ihres Rechtsmittels hätte führen können und müssen. Dieser Sachverhalt rechtfertigt eine entsprechende Anwendung von § 249 Abs. 3 ZPO (BGH, NJW 1959, 532; OLG Düsseldorf, MDR 2001, 470; zustimmend HK-ZPO/Wöstmann, § 249 Rdn.11; Thomas-Putzo/Hüßtege, ZPO, 27.A., § 249 Rdnr. 10; Musielak/Stadler, ZPO, 5.A., § 249 Rdn. 5 a.E.). Der Senat hat die dieser Rechtsprechung kritisch gegenüberstehenden Meinungen zur Kenntnis genommen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65.A., § 249 Rdnr. 13; MüKo/Feiber, ZPO, 2.A., § 249 Rdnr. 28; AK-ZPO/Ankermann, § 249 Rdnr. 5). Allerdings ist die von Ankermann (a.a.O.) geforderte Mindestbedingung für eine Berufungsverwerfung trotz Verfahrensunterbrechung vorliegend gegeben. Es ist ausgeschlossen, dass der Formmangel noch hätte geheilt werden können, da die Beklagte und Berufungsklägerin im Rahmen des rechtlichen Gehörs zur beabsichtigten Verwerfung keinerlei Wiedereinsetzungsgründe geltend gemacht hat. Soweit die Gegenansicht es für problematisch ansieht, dass mit einer solchen Vorgehensweise im Einzelfall der Partei die Möglichkeit der Rücknahme mit der Kostenprivilegierung nach KV 1221 der Anlage 1 zum GKG genommen wird, dürfte dies nicht vom Schutzzweck des § 240 ZPO umfasst sein. Dieser soll dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit einräumen, sich ohne Zeitdruck schlüssig zu werden, ob er den Prozess aufnehmen will (Zöller/Greger, a.a.O., § 240 Rdnr. a.E.). Um diese Frage kann es im vorliegenden Fall jedoch niemals gehen, denn kein Insolvenzverwalter würde bei pflichtgemäßem Handeln einen Prozess aufnehmen, um ihn durch Rücknahme des Rechtsmittels des Gemeinschuldners zu beenden.

Es verbleibt somit bei der Verwerfung der Berufung der Berufungsklägerin als unzulässig mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug ist nach §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festzusetzen und entspricht dem Maß der Verurteilung der Gemeinschuldnerin im ersten Rechtszug, welches auch die Beschwer darstellt.

Ende der Entscheidung

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