Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 12.07.2005
Aktenzeichen: 1 U 8/05
Rechtsgebiete: RBerG, BGB, ZPO, StBerG


Vorschriften:

RBerG § 1
RBerG § 1 Satz 1
RBerG § 5 Nr. 2
BGB § 249
BGB § 276
BGB § 280
BGB § 675
BGB § 823 Abs. 2
ZPO § 313 a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 540 Abs. 2
StBerG § 2
1. Ein Steuerberater, der einen Mandanten in Fragen gesellschaftsrechtlicher Gestaltung berät (hier: Rat zur Übernahme der Notgeschäftsführung durch einen Angestellten einer GmbH), verstößt gegen Art. 1 § 1 Satz 1 RBerG, weil diese Rechtsberatung nicht zum Wirkungskreis eines Steuerberaters i.S.v. Art. 1 § 5 Nr. 2 RBerG gehört. Für Vermögensschäden, die im Rahmen einer unerlaubten Rechtsberatung auf Grund eines Beratungsfehlers entstehen, haftet der Berater nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 1 § 1 RBerG.

2. Wer unerlaubt Rechtsrat erteilt, muss sich mindestens an dem Verschuldensmaßstab messen lassen, der für zugelassene Rechtsanwälte gilt, und darf nicht privilegiert werden, weil er die fachlichen Voraussetzungen für eine Rechtsberatung nicht besitzt.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 8/05 OLG Naumburg

verkündet am: 12.07.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink sowie die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 21.01.2005 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dessau wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer des Beklagten übersteigt 20.000,00 EUR nicht.

Gründe:

I.

Von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung ist nicht zu beanstanden.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 10.634,17 Euro nebst Zinsen zu. Dabei kann letztlich offen bleiben, ob der Beklagte die Erlaubnis hatte, den streitgegenständlichen Rechtsrat zu erteilen. Geht man - wie das Landgericht - von einem Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz aus, ergäbe sich der Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 1 § 1 RBerG. Wollte man dem Beklagten folgen und annehmen, dass er im Rahmen des ihm erteilten steuerrechtlichen Mandates zur Erteilung des Rechtsrates berechtigt war, müsste er für den falschen Rat gemäß §§ 675, 280, 276, 249 BGB haften.

1. Zu Recht hat das Landgericht - wie schon das Arbeitsgericht Dessau und auch das Landesarbeitsgericht - festgestellt, dass der Kläger in Verfolgung seiner eigenen Interessen sowie der Interessen seiner Ehefrau seine Bestellung als Notgeschäftsführer aktiv betrieben hat, obwohl hierfür keinerlei Veranlassung bestand. Damit hat er seine Pflichten als Arbeitnehmer erheblich verletzt. Unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen der Parteien des Arbeitsvertrages konnte der N. GmbH die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger bis zum vereinbarten Ablauf am 30.04.2003 nicht zugemutet werden. Die Kündigung der N. GmbH vom 17.10.2002 war daher wirksam und führte zu einer Gehaltseinbuße des Klägers, der andernfalls erst Ende April 2003 ausgeschieden wäre.

2. Die Bestellung des Klägers zum Notgeschäftsführer beruht nach Überzeugung des Senats - zumindest auch - auf einer fehlerhaften rechtlichen Beratung durch den Beklagten.

a) Auf der Grundlage Beweisaufnahme kam die Kammer zu dem Ergebnis, dass zwischen den Parteien Ende September/Anfang Oktober 2002 ein Beratungsgespräch stattgefunden habe, in welchem der Beklagte trotz Bedenken der Zeugin R. den Vorschlag gemacht habe, den Kläger zum Notgeschäftsführer der GmbH zu bestellen.

b) Diese tatsächlichen Feststellungen sind nicht zu beanstanden. Die Überzeugung der Kammer beruht auf den Aussagen der Zeugen P. und R. , die die Kammer als glaubhaft angesehen hat. Der Senat hat keine Veranlassung, diese Beweiswürdigung in Frage zu stellen. Die Aussagen der Zeugen waren in sich widerspruchsfrei. Zugleich stimmten sie aber miteinander nicht so stark überein, dass der Verdacht einer Absprache der Zeugen aufkommen könnte. Vielmehr handelt es sich bei den Zeugenaussagen ersichtlich um zwei Darstellungen desselben Gesprächsinhalts aus unterschiedlicher Sicht.

c) Diesem Beweisergebnis steht auch nicht entgegen, dass beide Zeugen ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens haben, wie der Beklagte im Berufungsverfahren betont. Diesen Umstand hat die Kammer berücksichtigt und ausdrücklich erwähnt. Gleichwohl hatte sie an der Glaubwürdigkeit der Zeugen keine Zweifel. Solche Zweifel vermag auch das Berufungsvorbringen des Beklagten nicht zu begründen. Denn er nennt keine stichhaltigen Indizien für eine Falschaussage und ein eigenes Interesse der Zeugen an der Sache schließt eine wahrheitsgemäße Aussage nicht ohne Weiteres aus.

3. Der Beklagte haftet für den Schaden, der durch die falsche Beratung entstanden ist.

a) Der Beklagte hat als Steuerberater unerlaubt eine fremde Rechtsangelegenheit geschäftsmäßig besorgt, wie die Kammer zu Recht angenommen hat. Über die erforderliche Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG verfügte der Beklagte zum damaligen Zeitpunkt nicht. Er hat jedenfalls bisher nicht nachvollziehbar dargelegt, dass er die Zulassung als Rechtsbeistand schon vor seiner Bestellung am 04.06.2003 erlangt haben könnte. Ob die Zulassung in O. von 1973 nach dem Ortswechsel noch gültig war, erscheint zweifelhaft und ist nicht belegt. Der Beklagte war zwar als Steuerberater nach § 2 StBerG zu unbeschränkter steuerlicher Hilfeleistung befugt. Dazu gehört nach Art. 1 § 5 Nr. 2 RBerG auch die Beratung in allgemeinen rechtlichen Angelegenheiten, die mit der steuerlichen Hilfeleistung unmittelbar zusammenhängen. Diese Voraussetzung lag hier aber nicht vor. Rechtliche Fragen, die nicht zu dem beruflichen Wirkungskreis des Steuerberaters gehören - insbesondere auch die Beratung in Fragen gesellschaftsrechtlicher Gestaltung - hatte er zu unterlassen (vgl. BGH, NJW-RR 1992, 1110 ff.; NJW 1963, 2027; NJW 1986, 1050, 1051). Daran ändert es auch nichts, dass die Abwicklung der Notgeschäftsführung nach seiner Behauptung mit dem Kläger intern durch einen Rechtsanwalt betreut werden sollte. Denn Vertragspartner und Berater des Klägers war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht der Zeuge P. , sondern der Beklagte (vgl. zur Konstellation bei Sozietät mit einem Rechtsanwalt: BGH, WM 2004, 2349 bis 2354).

b) Für Vermögensschäden, die im Rahmen einer unerlaubten Rechtsberatung auf Grund eines Beratungsfehlers entstehen, haftet der Berater gemäß aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 1 § 1 RBerG, weil diese Vorschrift Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist (vgl. BGHZ 15, 315, 317; 48, 12, 16). Die Haftung des Beklagten scheitert entgegen seiner Ansicht nicht an fehlendem Verschulden.

aa) Der Beklagte verkennt, dass es zunächst nur auf die schuldhafte Verletzung des Art. 1 § 1 RBerG ankommt, denn das Rechtsberatungsgesetz dient dem Schutz der Allgemeinheit und auch des Einzelnen gerade insoweit, als er vor der Gefahr bewahrt werden soll, die Erledigung seiner Rechtsangelegenheiten Personen zu überlassen, die nicht über die für eine ordnungsgemäße Erledigung erforderliche Sachkunde verfügen. Es soll verhindert werden, dass der Rechtsuchende durch eine unzulängliche oder fehlerhafte Besorgung seiner Rechtsangelegenheiten Nachteile erleidet oder Rechtspositionen verliert. Dieses Risiko hat sich hier verwirklicht. Der Beklagte muss als Steuerberater die rechtlichen Grenzen seiner Tätigkeit kennen und wissen, dass er keine Rechtsberatung im Bereich gesellschaftsrechtlicher Gestaltung durchführen darf.

bb) Aber auch der Beratungsfehler als solcher ist entgegen der Ansicht des Beklagten vorwerfbar. Wer unerlaubt Rechtsrat erteilt, muss sich mindestens an dem Verschuldensmaßstab messen lassen, der für zugelassene Rechtsanwälte gilt, und darf nicht allein deshalb privilegiert werden, weil er illegal handelt. Ein Rechtsanwalt an der Stelle des Beklagten hätte dem Beklagten nicht dazu raten dürfen, sich zum Notgeschäftsführer bestellen zu lassen - jedenfalls nicht, ohne auf das hohe arbeitsrechtliche Risiko des geplanten Vorgehens hinzuweisen.

c) Selbst wenn der Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits als Rechtsbeistand zugelassen oder aus anderen Gründen im vorliegenden Fall zur Erteilung des streitgegenständlichen Rates berechtigt gewesen wäre, entfiele seine Haftung nicht. Wie ein Rechtsanwalt müsste er dann für den falschen Rat gemäß §§ 675, 280, 276, 249 BGB haften. In einem solchen Fall gelten für den steuerlichen Berater die gleichen Anforderungen, die an die Wahrnehmung der Pflichten aus einem Anwaltsvertrag zu stellen sind (BGH, NJW-RR 1992, 1110 ff.).

4. Durch die falsche Beratung des Beklagten und die hieraus resultierende Kündigung seines Arbeitsverhältnisses ist dem Kläger ein Schaden in der vom Landgericht festgestellten Höhe entstanden.

a) An der haftungsbegründenden Ursächlichkeit des Pflichtverstoßes des Beklagten für den Schaden bestehen keine Zweifel. Insbesondere kann er sich nicht darauf berufen, dass der Kläger und vor allem dessen Ehefrau selbst an der Bestellung zum Notgeschäftsführer interessiert gewesen seien. Denn die bei der Anwaltshaftung geltende Vermutung, dass der Mandant sich bei sachgerechter Belehrung beratungsgemäß verhalten hätte (vgl. BGH, NJW 1983, 1665, 1666; NJW 1992, 240, 241), findet auf Regressprozesse gegen Steuerberater entsprechende Anwendung. Denn die die Vermutung begründenden Erfahrungstatsachen sowie die Interessenlage sind die gleichen (vgl. BGH, WM 1992, 238, 240). Daher ist anzunehmen, dass der Kläger von einer Notgeschäftsführung Abstand genommen hätte, wenn er auf das damit verbundene Risiko hingewiesen und umfassend belehrt worden wäre.

b) Die Berechnung des Gesamtnettolohnanspruchs als solche ist unstreitig.

c) Soweit der Beklagte die Kausalität mit der Begründung in Frage stellen möchte, dass die GmbH zur Zahlung des Gehalts ohnehin auch vor ihrer Insolvenz nicht mehr in der Lage gewesen wäre, handelt es sich um eine bloße Vermutung, die mangels ausreichender Anknüpfungstatsachen einer Beweiserhebung nicht zugänglich ist.

Dies gilt erst Recht vor dem Hintergrund, dass der Kläger frühere Lohnzahlungen erhalten hat, und auch seine Ehefrau unstreitig Zinszahlungen aus einem Darlehensvertrag erhielt. Der darlegungspflichtige Beklagte hat selbst keine konkrete ausgefallene Zahlung im streitgegenständlichen Zeitraum benannt.

5. Ein Mitverschulden (§§ 254 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, 278 BGB) des Klägers, der nach Ansicht des Beklagten die Risiken der Notgeschäftsführerbestellung selbst hätte erkennen müssen, kommt nicht in Betracht. Dabei kommt es auf die streitige Frage, welchen arbeits- und gesellschaftsrechtlichen Wissensstand der Kläger als Schweißer hatte, nicht an. Wer entgeltlichen Rechtsrat einholt, zeigt dadurch sein Beratungsbedürfnis und hat Anspruch auf eine sorgfältige Beratung, auch wenn er bereits über gewisse Rechtskenntnisse verfügt. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist dem Auftraggeber in aller Regel nicht schon deshalb ein Mitverschulden anzurechnen, weil er eine Gefahrenlage, zu deren Vermeidung er einen Fachmann hinzugezogen hat, bei genügender Sorgfalt selbst hätte erkennen und abwenden können (vgl. BGH, NJW 1993, 2045 ff., WM 1986, 675, 677; NJW 1992, 307, 309).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 20 Nr. 7 und 8 EGZPO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 sowie 543, 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

Zurück