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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 08.11.2007
Aktenzeichen: 1 U 81/07
Rechtsgebiete: PflVG


Vorschriften:

PflVG § 3 Nr. 3 Satz 2
PflVG § 3 Nr. 3 Satz 3
1. Die Verjährungsfrist des § 3 Nr. 3 Satz 2 PflVG ist keine absolute Verjährungsgrenze; ihr Lauf kann durch Anmeldung der Ansprüche nach § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG gehemmt werden.

2. Ist die Verjährung mangels formwirksamer endgültiger Entscheidung des Haftpflichtversicherers dauerhaft gehemmt, so kann sich der Geschädigte auf die Hemmung jedenfalls dann nach Treu und Glauben nicht mehr berufen, wenn er nach dem Zeitpunkt, zu dem alle Beteiligten der Schadensregulierung übereinstimmend von deren Abschluss ausgegangen sind, mehr als zehn Jahre nicht erneut einen weiteren Anspruch angemeldet hat (§ 242 BGB).


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 81/07 OLG Naumburg

Verkündet am 8. November 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm im schriftlichen Verfahren mit dem Schlusstermin

vom 7. November 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 31. Juli 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg, 10 O 2811/05, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer übersteigt 20.000 EUR nicht.

und beschlossen:

Der Kostenwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.745,25 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen i.S.v. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass die Klägerin einen etwaigen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte aus dem übergegangenen Recht ihres Versicherungsnehmers A. W. nicht mehr gerichtlich durchsetzen kann. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe sind im Ergebnis unbegründet.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen sog. Direktanspruch nach § 3 Nr. 1 PflVG geltend. Dieser Anspruch unterliegt nach § 3 Nr. 3 Satz 2 Halbsatz 2 PflVG der Verjährung spätestens in zehn Jahren vom Schadensereignis, hier dem Unfalltag am 19. April 1991, an. Ohne Berücksichtigung einer Unterbrechung oder Hemmung des Laufs dieser Verjährungsfrist war die Verjährung bei Klageeinreichung am 14. Dezember 2005 bereits lange vollendet, so dass die Beklagte nach § 214 Abs. 1 BGB berechtigt ist, die Leistung durch die Einrede der Verjährung zu verweigern. Die Beklagte hat diese Einrede bereits mit Schreiben vom 7. Oktober 2004 außergerichtlich erhoben und hat sie im Prozess wiederholt.

Die Klägerin kann sich hier nach Treu und Glauben auch nicht mehr auf eine dauerhafte Hemmung der vorgenannten Verjährungsfrist durch Anmeldung ihrer Ansprüche gegenüber der Beklagten am 4. November 1993 berufen, weil sie, nachdem die Beklagte Mitte November 1993 die einzig angemeldete Schadenersatzforderung durch umgehende Zahlung anerkannt und erfüllt hatte, mehr als elf Jahre nicht mehr auf die Angelegenheit zurückgekommen ist.

Allerdings ist die Verjährungsfrist des § 3 Nr. 3 Satz 2 Halbsatz 2 PflVG keine absolute Verjährungsgrenze, so dass Hemmungsgründe zur Wirkung gelangen können (so ausdrücklich OLG Düsseldorf, Urteil v. 17. April 1989, 1 U 110/88 - NJW-RR 1990, 472; ebenso BGH, Urteil v. 9. Januar 2007, VI ZR 139/06 - NJW-RR 2007, 467 <in juris unter Rn. 20>). Der Klägerin ist auch darin zu folgen, dass hier eine Hemmung nach § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG eingetreten ist durch die Anmeldung der Einzelschadensposition mit Schreiben vom 4. November 1993. Das Schreiben enthält darüber hinaus den Vorbehalt der Nachberechnung des Anspruchs für den Fall der Falschberechnung. Die bloße Zahlung des geforderten Betrages Mitte November 1993 konnte hier schon deshalb nicht als eine endgültige Entscheidung im Rahmen der Schadensregulierung gelten, weil u.U. eine Nachberechnung noch im Raume stand, vor allem aber deswegen, weil dem Schriftformerfordernis des § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG für die Entscheidung des Versicherers nicht genügt worden ist (vgl. zur regelmäßigen Formunwirksamkeit einer bloßen anerkennenden Zahlung BGH, Urteil v. 30. April 1991, VI ZR 229/90 - BGHZ 114, 299 = VersR 1991, 878 <in juris Rn. 14 ff>; und Urteil v. 28. Januar 1992, VI ZR 114/91 - VersR 1992, 604 <in juris Rn. 9>).

Die Klägerin kann sich hier nach Treu und Glauben aber nicht mehr auf die ursprünglich eingetretene Hemmung der Verjährung berufen (vgl. auch OLG Celle, Urteil v. 27. September 2005, 14 U 59/05 - zitiert nach juris). In Konstellationen, wie der vorliegenden, in denen ein Hemmungsgrund vorliegt und in denen eine Beendigung der Hemmung von keiner der beiden Beteiligten des Rechtsverhältnisses herbeigeführt worden ist, wäre die Verjährung des Anspruchs dauerhaft gehemmt, d.h. auch weit über den durch die Verjährungsvorschriften vorgezeichneten Zeitraum hinaus. Die durch die Festlegung der Verjährungsfrist gewollte Rechtssicherheit für den Anspruchsverpflichteten träte nie ein. Der Gesetzgeber hat im konkreten Fall der Verjährungsfrist nach § 3 Nr. 3 Satz 2 Halbsatz 2 PflVG der mit der Einführung des Direktanspruchs eingetretenen erhöhten Belastung der Versicherer Rechnung tragen und berücksichtigen wollen, dass der Schuldner des Anspruchs ein Unternehmen ist, welches auf einen möglichst baldigen Abschluss seines Rechnungswerks Wert legen muss (vgl. BT-Drs. IV/2252, S. 16; ebenso BGH, Urteil v. 24. Juni 2003, VI ZR 256/02 - VersR 2003, 1121 <in juris Rn. 17>). Diese Zielstellung würde bei Ermöglichung einer dauerhaften Hemmung verfehlt werden. Andererseits dient der Hemmungsgrund des § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG vor allem dazu, dem Geschädigten während des Laufs der Verhandlungen mit dem Versicherungsunternehmen die Sorge um eine Verjährung abzunehmen. Dieser Schutzzweck ist nicht mehr berührt, wenn beide Verhandlungspartner von einer Beendigung der Schadensregulierung ausgehen. So liegt der Fall hier. Mit Zahlung des geforderten Betrages und dem Unterbleiben einer Nachberechnung war für beide Beteiligte die Schadensregulierung abgeschlossen. Dieses Verständnis des Geschehensablaufs hat die Klägerin in ihrer Klageschrift selbst eingeräumt, indem sie darlegt, dass die ursprüngliche Unfallakte am 27. Dezember 1993 abgeschlossen worden sei (vgl. GA Bd. I Bl. 4). Unter diesen Umständen hatte die Beklagte nach 1993 keinen vernünftigen Grund mehr, der Klägerin einen schriftlichen Bescheid über den Abschluss der Schadensregulierung zu erteilen, vielmehr waren sich beide Parteien des Regulierungsverhältnisses darüber einig, dass die Regulierung abgeschlossen war. Diese Einigung steht einem schriftlichen Bescheid gleich. Zumindest aber hindert sie die Klägerin daran, sich auf das Fehlen eines schriftlichen Bescheides zu berufen, weil der Zweck des schriftlichen Bescheides, die Herbeiführung von Rechtsklarheit, hier stillschweigend erreicht worden war.

Das Ergebnis erscheint dem Senat auch nicht unbillig. Der Klägerin als Versicherungsunternehmen hätte es offen gestanden, zu unverjährter Zeit von der Beklagten die Abgabe einer einem Feststellungsurteil gleichkommenden Erklärung abzuverlangen oder eine entsprechende Feststellungsklage zu erheben. Das Risiko der Verjährung eines Schadenersatzanspruches für eine z.Zt. des Unfalls noch nicht vorhersehbare Unfallfolge ist durch die Rechtsordnung grundsätzlich auch dem Geschädigten zugeordnet. Hieran sollte die Vorschrift des § 3 PflVG nichts ändern.

III.

1. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 713 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Die Festsetzung des Streitwerts für die Kostenfestsetzung beruht auf §§ 47 und 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Der Senat hat für den Antrag zu 1) 5.745,25 EUR, wie beziffert, und für den Antrag zu Ziffer 2) nach seiner ständigen Rechtsprechung 2.000,00 EUR angesetzt.

Ende der Entscheidung

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