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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 22.01.2009
Aktenzeichen: 1 U 82/08
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 4 Abs. 1
RVG § 34 Abs. 1
1. Die Erstellung eines wissenschaftlichen Aufsatzes, hier mit einem "bestellten" Ergebnis, fällt so sehr aus dem üblichen Rahmen anwaltlicher Tätigkeit für einen Mandanten heraus, dass sie von einer Vergütungsvereinbarung über "außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeiten" nicht erfasst wird.

2. Auf den Vergütungsanspruch hierfür ist § 34 Abs. 1 RVG direkt oder entsprechend anwendbar; mündlichen oder konkludenten Vergütungsabreden steht § 4 Abs. 1 RVG a.F. nicht entgegen.

3. Beruft sich der Mandant auf eine unentgeltliche Leistungserbringung, so muss er den Nachweis der Unentgeltlichkeit führen.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 82/08 OLG Naumburg

verkündet am 22.01.2009

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 15.01.2009 unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel, des Richters am Oberlandesgericht Wiedemann und des Richters am Oberlandesgericht Dr. Tiemann für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 04.08.2008 verkündete Urteil des Landgerichts Halle (6 O 586/08) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.854,80 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger macht aus abgetretenem Recht Gebührenansprüche für die Erstellung eines Fachaufsatzes geltend. Die streitgegenständliche Forderung wurde dem Kläger mit Abtretungserklärung vom 10.04.2008 (Bl. 3) von der V. und Partner Partnerschaftsgesellschaft (i. F. Zedentin) abgetreten. Die Beklagte befasst sich (u. a.) mit der vorzeitigen Beendigung von kapitalbildenden Lebens- und Rentenversicherungen. In diesem Zusammenhang stellen sich - auch - Fragen nach dem Anfall von Kapitalertragssteuer. Nach dem Vortrag des Klägers kam es am 09.02.2007 zu einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Beklagten. In diesem Gespräch sei die Zedentin mit der Erstellung verschiedener steuerlicher Musterschreiben beauftragt worden, die von den Auftraggebern der Beklagten ihren Steuererklärungen beigefügt werden sollten. Außerdem sei die Zedentin mit der Erstellung eines Aufsatzes zu der vorgenannten Problematik zum Anfall von Kapitalertragssteuer beauftragt worden, wobei die Beklagte ausdrücklich auf die Entgeltlichkeit dieser Tätigkeit (auf Stundenlohnbasis) hingewiesen worden sei. Die Zedentin erstellte mit Datum vom 14.02.2007 (Bl. 4/4R) eine Vergütungsvereinbarung, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Nach dem Vortrag des Klägers wurde diese Vereinbarung an die Beklagte übermittelt und von dieser unterschrieben zurückgereicht. Die Beklagte bestreitet, dass die Vereinbarung von ihr, insbesondere einem ihrer (ehemaligen) Geschäftsführer unterzeichnet worden ist. Nach dem Vortrag des Klägers hat es am 14.03.2007 ein weiteres Gespräch über die Tätigkeit der Zedentin gegeben, insbesondere sei dort erneut - auch - über den zu erstellenden Aufsatz gesprochen worden. Den Inhalt des Gesprächs habe die Zedentin mit Schreiben vom 19.03.2007 (Bl. 31 - 33) zusammengefasst und der Beklagten übermittelt. Der Aufsatz selbst sei von Rechtsanwalt Dr. G. nach umfangreicher Recherche konzipiert und von Rechtsanwalt V. überarbeitet worden. Dafür hätten insgesamt 28 Arbeitsstunden (x 175,-- Euro) aufgewandt werden müssen, die die Zedentin mit der streitgegenständlichen Rechnung vom 10.04.2008 (Bl. 10) abgerechnet habe. Der Aufsatz wurde der Beklagten übergeben und zwischenzeitlich in der Zeitschrift D. (2008, 1883) veröffentlicht. Die Beklagte bestreitet nicht, einen Aufsatz bestellt zu haben, bestreitet aber, dass dafür ein Entgelt zu zahlen gewesen sei. Es habe sich vielmehr um eine - unentgeltliche - Akquisitionstätigkeit der Zedentin gehandelt.

Das Landgericht hat zum Beweisthema wie Verfügung vom 18.06.2006 (Bl. 16 R) Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 22.07.2008 (Bl. 37 - 48).

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Sie rügt vorrangig, dass es für eine Vergütungsvereinbarung an der erforderlichen Schriftform aus § 4 Abs. 1 RVG a. F. fehle. Abgesehen davon, dass die Vergütungsvereinbarung vom 14.02.2007 nicht von ihr unterzeichnet worden sei, werde der Aufsatz dort nicht erwähnt. Im Übrigen rügt sie die Beweiswürdigung durch das Landgericht. Zur Frage der Schriftform verweist der Kläger auf seinen erstinstanzlichen Schriftsatz vom 14.07.2008, aus dem sich ergebe, dass die gesetzlichen Gebühren höher seien, als die, die mit der streitgegenständlichen Rechnung auf der Basis der Gebührenvereinbarung geltend gemacht würden. Der Senat hat den Parteien einen schriftlichen rechtlichen Hinweis erteilt. Der Senat hat Rechtsanwalt V. als Zeugen sowie den Geschäftsführer der Beklagten H. informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 15.01.2009.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat jedoch keinen Erfolg. Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht die Vergütung für die Erstellung des Aufsatzes (Rechnung vom 10.04.2008 - Bl. 10 -) jedenfalls gemäß § 34 Abs. 1 S. RVG (in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonorar - BGBl. I. 2008 - S. 1000/§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG - geltenden Fassung) zu.

Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob ein Anspruch auf die Vergütungsvereinbarung vom 14.02.2007 gestützt werden könnte und ob diese von der Beklagten unterzeichnet wurde. Einer Vergütungsvereinbarung i. S. v. § 4 Abs. 1 RVG (a. F.). muss eindeutig zu entnehmen sein, für welche anwaltliche Tätigkeit der Auftraggeber die höhere als die gesetzliche Vergütung zahlen soll (Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl. - 2006 - RVG § 4, Rn. 24). Die Vereinbarung verweist lediglich auf außergerichtliche wie auch gerichtliche Tätigkeiten. Die Erstellung eines wissenschaftlichen Aufsatzes (zudem mit bestelltem Ergebnis) fällt so sehr aus dem üblichen Rahmen anwaltlicher Tätigkeit heraus, dass hinsichtlich einer Vergütungsregelung i. S. v. § 4 Abs. 1 RVG (a. F.) eine eindeutigere Bezeichnung in der Vereinbarung hätte erfolgen müssen.

Ebenso kann dahinstehen, ob bei einer (an dieser Stelle unterstellten) mündlichen Vereinbarung über eine entgeltliche Erstellung des Aufsatzes der Kläger bewiesen hätte, dass die Voraussetzungen von § 4 Abs. 1 RVG (a. F.) nicht vorlagen.

Anzuwenden ist vielmehr § 34 Abs. 1 RVG. Ob die Erstellung eines wissenschaftlichen Aufsatzes direkt unter das Tatbestandsmerkmal für die Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens fällt, bedarf keiner Entscheidung. Die Erstellung eines wissenschaftlichen Aufsatzes, der in keinem direkten Zusammenhang mit einem konkreten Fall steht, entfernt sich vom Leitbild anwaltlicher Tätigkeit i. S. d. RVG noch mehr als ein schriftliches Gutachten, sodass eine (zumindest) analoge Anwendung von § 34 RVG in Betracht kommt. Geht man grundsätzlich von § 34 RVG aus, steht mündlichen Absprachen § 4 Abs. 1 RVG (a. F.) nicht entgegen. § 4 Abs. 1 RVG (a. F.) betrifft Vergütungsvereinbarungen über eine höhere als die gesetzliche Vergütung. An einer gesetzlichen Vergütung fehlt es, soweit die Vergütung für eine außergerichtliche Beratung durch § 34 Abs. 1 RVG freigegeben wird und an die Stelle der bisherigen gesetzlichen Vergütung die vereinbarte Vergütung tritt (Hartung/Römermann/Schonz RVG, 2. Aufl. - 2006 -, § 34, Rn. 47; im Ergebnis ebenso: Hartmann a. a. O., § 34, Rn. 27).

Ist auf den Vergütungsanspruch des Klägers grundsätzlich (analog) § 34 RVG (a. F.) anzuwenden, kann im Ergebnis letztlich dahinstehen, ob - mündlich - eine konkrete Vergütungsvereinbarung zwischen dem Zeugen V. und dem Geschäftsführer der Beklagten H. getroffen wurde, weil jedenfalls ein Fall von § 34 Abs. 1 S. 2 RVG (a. F.) vorliegt. Diese Regelung verweist auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts (dazu: Hartmann a. a. O., § 34, Rn. 28), womit - vorliegend - konkret die §§ 612, 632 BGB gemeint sind. Ob der vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Senatstermin geäußerten Ansicht gefolgt werden kann, dass es sich im konkreten Fall um einen Werkvertrag handelt oder - wie im Regelfall - ein Dienstvertrag anzunehmen ist (z. B. MK - Müller-Glöge BGB, 5. Aufl. § 611, Rn. 119/120), kann im Hinblick auf die gleichen Rechtsfolgen (§§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB) dahinstehen. Eine Vergütung gilt danach (§ 612/632 BGB) als vereinbart, wenn die Leistung nach den Umständen nur gegen ein Entgelt zu erwarten ist. Dies gilt dann nicht, wenn ausdrücklich eine Unentgeltlichkeit vereinbart wurde. Die Beweislast für die Voraussetzungen von § 612 Abs. 1/632 Abs. 1 BGB trägt dabei der Dienstleistende/Unternehmer (= Kläger), der Dienstberechtigte/Besteller (= Beklagte) für die Vereinbarung von Unentgeltlichkeit (Palandt/Weidenkaff BGB, 68. Aufl., § 612, Rn. 4; Palandt/Sprau BGB a. a. O., § 632, Rn. 18). Dass ein Rechtsanwalt - wie bereits im Senatstermin angesprochen - regelmäßig nur gegen Entgelt tätig wird, bedarf keiner nähren Begründung. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn - wie vorliegend unstreitig (dazu unten) - ist, dass mit der Tätigkeit ein erheblicher zeitlicher Aufwand verbunden war (vorliegend: 28 Stunden). Unstreitig ist über die Erstellung eines Fachaufsatzes über die steuerliche Bewertung vorzeitig gekündigter kapitalbildender Lebens- und Rentenversicherungen zwischen dem Zeugen V. und dem Geschäftsführer der Beklagten H. gesprochen worden. Der Zeuge V. hat dabei bekundet, den Geschäftsführer der Beklagten ausdrücklich darauf angesprochen zu haben, dass es doch klar sei, dass das [ gemeint ist der Aufsatz ] bezahlt werde. Dies habe der Geschäftsführer so bestätigt. Der Geschäftsführer der Beklagten konnte - auch auf Nachfrage - nicht einmal bestätigen, dass im Zusammenhang mit der Erstellung des Aufsatzes ausdrücklich von einer Akquisitionstätigkeit die Rede gewesen sei, von der er selbst ausgegangen sei. Da über die Erstellung des Aufsatzes unstreitig gesprochen wurde und die Erbringung einer solchen Leistung regelmäßig nur gegen Entgelt zu erwarten ist, ist es im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast für die Unentgeltlichkeit der Tätigkeit nicht ausreichend, wenn eine Seite (= Beklagte) subjektiv davon ausgeht, dass es sich unter Berücksichtigung des Gesamtvertragsverhältnisses lediglich um eine Akquisitionstätigkeit handeln sollte. Vor dem Hintergrund der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast, kann dem von der Beklagten im Senatstermin noch einmal wiederholten Gesichtspunkt, warum die Abrechnung der Tätigkeit im Zusammenhang mit der Erstellung des Aufsatzes erst im April 2008 erfolgte und damit mehrere Monate nach dessen Erstellung, nur geringe Bedeutung zukommen. Soweit nach dem Inhalt der Beweisaufnahme unstreitig ist, dass es auf ein Erinnerungsschreiben von Rechtsanwalt V. von 23.02.2007 ein Antwortschreiben der Beklagten (in Form einer E-Mail) gegeben hat, kann der Inhalt dieses Schriftstücks (der Zeuge V. spricht davon, dass es Einwendungen enthalten habe) bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden, weil es von keiner Seite, insbesondere nicht von der beweisbelasteten Beklagtenseite zur Gerichtsakte gereicht wurde. Im Ergebnis steht für den Senat damit nicht fest, dass sich die Parteien im Zusammenhang mit der Erstellung des streitgegenständlichen Aufsatzes auf Unentgeltlichkeit geeinigt hätten.

Dem Kläger steht damit die übliche Vergütung gemäß § 612 Abs. 2/632 Abs. 2 BGB BGB zu. Dabei ist ein Stundensatz von 175,-- Euro (dass dieser Satz im Durchschnitt liegt: Hartung u. a. a. a. O., § 34, Rn. 56 ) selbst dann anzunehmen, wenn auf die Gebührenvereinbarung vom 14.02.2007 insoweit nicht abgestellt werden kann. Das Landgericht hat die Klageforderung in vollem Umfang zugesprochen. Der Entscheidung liegt damit der vom Beklagten behauptete Stundensatz von 175,-- Euro zugrunde. Diese Feststellung des Landgerichts wird von der Berufung ebenso wenig bestritten, wie der behauptete zeitliche Aufwand von 28 Stunden. Den entsprechenden Feststellungen des Landgerichts folgt daher auch der Senat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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