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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 19.07.2005
Aktenzeichen: 1 U 83/04
Rechtsgebiete: BGB, StGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 125 Satz 2
BGB § 134
BGB § 138
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 139
BGB § 162
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1
BGB § 818 Abs. 2
StGB § 203
ZPO § 533
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
1. Wird in einem Vertrag über die entgeltliche Übernahme einer Steuerberatungspraxis die Höhe des Kaufpreises am Netto-Jahresumsatz des letzten vollen Geschäftsjahres orientiert, so erfüllt eine Vertragsklausel über eine nachträgliche Kaufpreisreduzierung den objektiven Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB, die bestimmt, dass jeglicher Umsatzrückgang in den ersten zwei Jahren ab Übernahme der Praxis, unabhängig von seinem Grund und unabhängig von einem Vertreten-müssen des Veräußerers, in voller Höhe zur Reduzierung des Kaufpreises führt.

2. Ein Wettbewerbsverbot in einem Praxisübernahmevertrag, welches dem Veräußerer für einen Zeitraum von zehn Jahren ab Übernahme der Praxis jegliche Steuerberatertätigkeit für die überzuleitenden Mandanten sowie jegliche Berufsausübung im Gebiet der Landeshauptstadt und in einem Umkreis von weiteren 60 km untersagt, ist wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Die Nichtigkeit dieser Vertragsklausel kann durch eine salvatorische Klausel nicht abgewandt werden.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 83/04 OLG Naumburg

Verkündet am 19.07.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm auf die mündliche Verhandlung vom

12. Juli 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 18. November 2004 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg, 6 O 1308/04, wird zurückgewiesen.

Die Widerklage des Beklagten wird abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 75 % und der Beklagte zu 25 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten wegen seiner nach Kostenausgleich verbleibenden außergerichtlichen Auslagen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden bzw. des tatsächlich vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer beider Parteien übersteigt jeweils 20.000 EUR.

Gründe:

I.

Die Prozessparteien streiten um vermeintliche finanzielle Ansprüche aus einem zwischen ihnen geschlossenen Vertrag über die Übernahme einer Steuerberatungspraxis in M. . Der Kläger als Erwerber macht eine Reduzierung des ursprünglich vereinbarten Kaufpreises geltend und begehrt eine erhebliche Rückzahlung des bisher geleisteten Kaufpreises. Der Beklagte als Veräußerer begehrt die Zahlung des restlichen Kaufpreises.

Der Beklagte unterhielt seit März 1991 eine eigene Steuerberatungspraxis im Stadtzentrum von M. (im "A. " ), zunächst gemeinsam mit einem Partner und nach dessen krankheitsbedingtem Ausscheiden allein. Der Kläger betrieb und betreibt noch heute u.a. eine Steuerberatungspraxis in St. .

Ende des Jahres 2001 wurde der damals 48-jährige Beklagte von einem Vermittler von Praxisübernahmen angesprochen, ob er bereit sei, seine Praxis zu veräußern. Der Beklagte erklärte seine Verkaufsbereitschaft im Hinblick darauf, dass die Praxis nach seinen eigenen Angaben "keine übermäßigen Gewinne" erwirtschaftete und dass ihm der Verkaufserlös die Ablösung sämtlicher Bankverbindlichkeiten ermöglichen konnte, die die Praxis insbesondere seit dem Ausscheiden seines Partners nicht unerheblich belasteten. Als potenzieller Erwerber wurde ihm der Kläger vermittelt. Die Parteien des Rechtsstreits einigten sich bereits im Januar 2002 vorab mündlich darüber, dass der Kläger die Praxis des Beklagten für einen Kaufpreis in Höhe von 100 % des Jahresumsatzes von 2001 übernehmen solle. Es wurde weiter mündlich vereinbart, dass der Beklagte vom Kläger als Kanzleileiter angestellt werde, um eine konfliktlose Überleitungsphase ohne Mandatsverluste sicherzustellen und dem Beklagten ein festes Erwerbseinkommen zu sichern. Hierüber sollten in Wechselbeziehung stehende schriftliche Verträge über die Praxisübernahme und über die Anstellung des Beklagten beim Kläger geschlossen werden.

Am 26. März 2002 schlossen die Parteien des Rechtsstreits einen schriftlichen Praxisübernahmevertrag. In der Präambel des Vertrages schickten die Vertragsparteien voraus, dass sie davon ausgingen, dass der Jahresumsatz der Praxis im Jahre 2001 nach den Unterlagen des Beklagten netto 800.000 DM betragen habe; der Beklagte versicherte, diese Unterlagen nach bestem Wissen und Gewissen erstellt zu haben und dass deren Inhalt den tatsächlichen Verhältnissen entspreche.

Nach dem Inhalt des Vertrages verpflichtete sich der Beklagte zur Übereignung des Inventars zum 1. April 2002 und zur Überleitung sämtlicher Mandate. Die Zustimmung der Mandanten hierzu sollte gemeinsam eingeholt werden (§ 1 Abs. 2; § 2 Abs. 1 Vertrag). Die Einsicht in und die Aushändigung von Akten und Unterlagen sollte erfolgen, sobald das Einvernehmen der jeweiligen Mandanten dazu vorliegt (§ 6 Vertrag).

Als Kaufpreis wurde in § 9 Abs. 1 Vertrag "100 % der in der Mandantenliste (Anlage 1) genannten nachhaltigen Honorarsumme (409.000 EUR - der gerundete Gegenwert von 800.000 DM, Anm. des Senats) ..." vereinbart, und zwar netto 409.000 EUR. Der Kaufpreis sollte auch die Übergabe des Inventars der Praxis abgelten. § 9 Abs. 2 Vertrag enthält eine Kaufpreisreduzierungsklausel mit folgendem Wortlaut:

"Scheiden in der Mandantenliste aufgeführte Mandanten innerhalb von 24 Monaten nach dem Übernahmetag aus oder sinkt der Beratungsumsatz mit diesen Mandanten und sinkt damit der der Kaufpreisbemessung zugrunde liegende Umsatz, so hat der Verkäufer den Differenzbetrag zu 100 % zu erstatten."

Für die Zahlung des Kaufpreises wurde eine Ratenzahlung sowie eine Verzinsung der ausstehenden Zahlungen ab dem 1. April 2002 vereinbart.

Im Vertrag wird in § 1 Abs. 3 auf eine Mandantenliste zum 31. März 2002 als Anlage 1 verwiesen, die wesentlicher Vertragsbestandteil sein solle. Es wurde im Einzelnen aufgeführt, welche Angaben die Liste enthalten solle. Der Beklagte erklärte, dass alle darin aufgeführten Mandate, soweit sie nicht besonders gekennzeichnet seien, ausnahmslos nachhaltige Mandate seien, deren Bestand nicht gefährdet sei "durch absehbares Ausscheiden aus Altersgründen, aus Gründen der Überschuldung oder Geschäftsaufgabe" (§ 1 Abs. 3 ff. Vertrag). Tatsächlich war dem Vertrag eine solche Mandantenliste nicht beigefügt; sie existiert auch bis heute nicht. Der Kläger hat behauptet, dass der Beklagte sich verpflichtet hatte, diese Liste nachträglich zu erstellen, dieser Verpflichtung jedoch nicht nachgekommen sei.

In § 12 des Praxisübernahmevertrages wurde aufgenommen, dass die Wirksamkeit des Praxisübernahmevertrages vom "Zustandekommen" des Anstellungsvertrages abhängig sei und umgekehrt diejenige des Anstellungsvertrages vom "Zustandekommen" des Praxisübernahmevertrages.

Der Vertrag enthält in seinem § 13 Regelungen zum Konkurrenzverbot. Danach wurde vereinbart, dass der Beklagte - vorbehaltlich einer schriftlichen Ausnahmegenehmigung - künftig bis zum 1. März 2012, also für zehn Jahre, nicht für die auf den Kläger überzuleitenden Mandanten tätig sein dürfe sowie sich verpflichte, für diesen Zeitraum keine Tätigkeiten i.S. des Steuerberatungsgesetzes im Stadtgebiet von M. und in einem Umkreis von 60 km auszuüben, und zwar weder in eigener Praxis noch als Partner oder Angestellter eines anderen Berufsangehörigen oder einer Gesellschaft. Für den Fall des Verstoßes gegen das Konkurrenzverbot wurde eine Vertragsstrafe von 200 % des aktuellen Mandantenjahresumsatzes vorgesehen. In Abs. 5 enthält § 13 eine spezielle salvatorische Klausel für den Fall, dass das vereinbarte Konkurrenzverbot "insgesamt oder teilweise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen (Zeitdauer, geografischer Umfang, bezogener Personenkreis) unwirksam sein ..." sollte - dann sollte ein Verbot gelten, "welches entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung den Schutzzweck des Käufers optimal gewährleistet".

Die Schlussbestimmungen enthalten in § 16 Abs. 2 Vertrag eine allgemeine salvatorische Klausel, wonach sich Parteien verpflichten, unwirksame Klauseln durch entsprechende neue Vereinbarungen zu ersetzen.

Ebenfalls am 26. März 2002 schlossen die Prozessparteien einen Vertrag über die Anstellung des Beklagten beim Kläger als Kanzleileiter der übernommenen Steuerberatungspraxis für ein monatliches Festgehalt von 3.800 EUR.

Nach der Überleitung der Steuerberatungspraxis auf den Kläger gestaltete dieser das Unternehmenskonzept in Richtung einer stärker Gewinn orientierten Beratungs- und Betreuungstätigkeit grundlegend um und nahm diverse Veränderungen auch in technischen Arbeitsabläufen sowie in der personellen Besetzung der Praxis vor. So führte er ab August 2002 andere Softwaresysteme für die Lohn- und Finanzbuchhaltung, für die Jahresabschlusserstellung und Einkommens- und Körperschaftssteuererklärungen ein (jeweils Wechsel von "D. " auf "S. " bzw. "B. " bzw. "R. "). Er wirkte darauf hin, dass die Mandanten der Praxis ihre Buchungen künftig selbst vornehmen. Als neue Tätigkeitsfelder wurden Erbfolge- und Nachfolgeberatung, betriebswirtschaftliche und Unternehmensberatung und Vermögensgestaltungsberatung aufgenommen. In personeller Hinsicht kündigte der Kläger zunächst das Anstellungsverhältnis des Beklagten fristlos; in einem nachfolgenden arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit einigten sich die Prozessparteien schließlich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung zum 30. Juni 2003 gegen Zahlung einer Abfindung. Bis zum März 2004 entließ der Kläger auch die Mehrzahl der ursprünglichen Angestellten des Beklagten, die er mit Praxisübernahmevertrag ebenfalls mit übernommen hatte. Inzwischen wurde das Mietverhältnis über die Büroräume der Steuerberatungspraxis wegen Zahlungsverzugs vom Vermieter gekündigt; die "Steuerberatungsstelle" des Klägers in M. befindet sich nach unwidersprochen gebliebenem Sachvortrag des Beklagten in einer Stadtrandlage. Der Beklagte hat darüber hinaus behauptet, dass der Kläger neue Mandanten der Praxis, die der Beklagte während seiner Tätigkeit als Kanzleileiter akquiriert hatte, umgeleitet und als Mandanten seiner St.' er Steuerberaterpraxis übernommen habe.

Der Kläger zahlte an den Beklagten mindestens 342.785,35 EUR auf den Kaufpreis.

Der Kläger hat erstinstanzlich einen Zahlungsanspruch in Höhe von 259.022,15 EUR geltend gemacht und diesen auf § 9 Abs. 2 des Praxisübernahmevertrages vom 26. März 2002 gestützt. In den zwei Jahren nach dem Stichtag der Praxisübernahme sei es zu einem Minderumsatz von insgesamt 477.069,03 EUR gekommen, d.h. zu einer Minderung um 79,52 %. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der ursprünglich vereinbarte Kaufpreis um diesen Prozentsatz zu mindern sei, weshalb bereits eine Überzahlung vorliege.

Der Beklagte hatte sich zunächst auf die Unwirksamkeit des Praxisübernahmevertrages nach § 134 BGB i.V.m. § 203 StGB berufen und behauptet, dass die hierzu getroffenen vertraglichen Abreden nicht eingehalten worden seien. Nach Einleitung eines berufsrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen ihn selbst hat der Beklagte diese Behauptung nicht mehr aufrecht erhalten.

Der Beklagte hat weiter die Auffassung vertreten, dass der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei, weil er zum Abschluss des einseitig zugunsten des Käufers ausgestalteten Vertrages gedrängt worden sei. Dazu hat er behauptet, dass der Kläger den Vertragstext vorgegeben und ihm keinerlei Änderungsmöglichkeiten zugestanden habe. Der Kläger habe ihm zudem wahrheitswidrig vorgespiegelt, dass es sich bei dem Vertragstext um einen Mustervertrag der Bundessteuerberaterkammer handele, weshalb er - der Beklagte - kein Misstrauen gegen die Vertragsklauseln im Einzelnen gehegt habe. Missbräuchlich sei insbesondere die Gestaltung der Klausel des § 9 Abs. 2 Vertrag, auf die der Kläger sich nunmehr berufe, und der Regelung des § 13 Vertrag. Wegen der Einzelheiten wird vor allem auf den Schriftsatz des Beklagten vom 2. September 2004 (GA Bd. I Bl. 127 ff, ab S. 4) verwiesen.

Hilfsweise hat der Beklagte sich darauf berufen, dass die Regelung in § 9 Abs. 2 keine hinreichend bestimmte Vereinbarung sei. Angesichts der unstreitig fehlenden Anlage 1 (Mandantenliste mit Umsatzzahlen und Kennzeichnung etwa fehlender Nachhaltigkeit von Umsätzen) seien die Voraussetzungen für eine Kaufpreisreduzierung nicht klar erkennbar.

Höchst hilfsweise hat der Beklagte die Auffassung vertreten, dass die Geltendmachung der Klageforderung als unzulässige Rechtsausübung i.S.v. § 162 BGB anzusehen sei, weil der Kläger selbst die Erzielung eines gleich bleibenden Umsatzes der Praxis durch seine unternehmerischen Entscheidungen vereitelt habe.

Der Beklagte hat erstinstanzlich mehrfach darauf hingewiesen, dass er sich vorbehalte, widerklagend den Restkaufpreis geltend zu machen.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht Magdeburg hat die Klage als unbegründet abgewiesen und diese Entscheidung nach entsprechenden vorausgegangenen Hinweisen des Beklagten im Schriftsatz vom 29. August 2004 (vgl. GA Bd. I Bl. 127 ff., insbesondere S. 9 bis 13) und einer Erörterung dieser Problematik im Termin der mündlichen Verhandlung am 4. November 2004 im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Rückzahlungsanspruch nach § 9 Abs. 2 Vertrag jedenfalls nicht schlüssig vorgetragen habe. Die Kammer hat offen gelassen, ob der Vertrag im Hinblick auf einen der vom Beklagten angeführten rechtlichen Aspekte ggf. unwirksam sei. Selbst wenn § 9 Abs. 2 Vertrag wirksam vereinbart worden sei, fehle der Ausgangspunkt für eine Feststellung des Minderumsatzes in Form einer aussagekräftigen Aufstellung der zum Übernahmestichtag geführten Mandanten und der mit ihnen erzielten nachhaltigen Umsätze. Auch genüge es nicht, prozentuale Umsatzrückgänge der Praxis insgesamt darzulegen, weil hieraus nicht ersichtlich sei, ob und inwieweit diese auf den Verlust eines nachhaltigen Mandates laut Aufstellung zurückzuführen seien. Schließlich sei auch die vom Kläger selbst aufgestellte Berechnung nicht frei von Widersprüchen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 23. November 2004 zugestellte Urteil mit einem am 20. Dezember 2004 beim Oberlandesgericht vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung innerhalb der ihm bis zum 24. Februar 2005 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch begründet.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass ihm eine andere Berechnung seines Kaufpreisminderungsanspruchs als diejenige auf der Basis der Brutto-Soll-Buchungen des Beklagten bis zum Übernahmetag nicht zumutbar sei, weil es dem Beklagten oblegen habe, die beabsichtigte Anlage 1 zum Praxisübernahmevertrag anzufertigen, und weil dieser seiner Pflicht nicht nachgekommen sei. Eine Differenzierung zwischen nachhaltigen und nicht nachhaltigen Umsätzen des Beklagten vor dem Übernahmestichtag sei nicht gerechtfertigt, weil alle Umsätze als nachhaltig bezeichnet worden seien.

Hilfsweise und unter Berufung auf eine vermeintliche Verletzung der gerichtlichen Hinweispflichten in erster Instanz trägt der Kläger erstmals eine "bereinigte" Mandantenliste mit Angaben zu den erzielten Umsätzen vor und beruft sich hierauf zur Feststellung der eingetretenen, für die Bestimmung der Kaufpreishöhe relevanten Umsatzrückgänge.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 195.452,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 30. April 2004 zu zahlen;

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Magdeburg zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertritt darüber hinaus die Auffassung, dass der Praxisübernahmevertrag vom 26. März 2002 im Hinblick auf das Fehlen eines wichtigen Vertragsbestandteils - nämlich der Anlage 1 - nichtig sei. Jedenfalls sei § 9 Abs. 2 Vertrag wegen mangelnder Bestimmtheit nicht anwendbar.

Der Senat hat nach Vorberatung mit Verfügung vom 12. April 2005 u.a. darauf hingewiesen, dass der Praxisübernahmevertrag nach vorläufiger Bewertung nicht gegen § 203 StGB verstoße und die Vermutung des § 125 Satz 2 BGB wohl nicht eingreife. Hinsichtlich der Vereinbarung zur Kaufpreisreduzierung in § 9 Abs. 2 Vertrag sei eine geltungserhaltende reduzierende Auslegung erforderlich, aber auch möglich. Andernfalls erschiene der Vertrag wegen der damit verbundenen einseitigen Risikoverteilung als sittenwidrig. Der Senat hat weiter Hinweise zu den Anforderungen an einen schlüssigen Vortrag der Klageforderung für den Fall der geltungserhaltenden Auslegung des § 9 Abs. 2 Vertrag gegeben.

Der Kläger meint, dass eine geltungserhaltende Auslegung hier nicht in Betracht komme. Er behauptet, dass er dem Beklagten im Hinblick auf diese Klausel in den Vertragsverhandlungen erläutert habe, dass die Gründe des Umsatzrückgangs keine Rolle spielten und dass sich der Beklagte hierauf diskussionslos eingelassen habe (Beweis: Zeugen M. K. , J. S. ). Der Beklagte habe diese Klausel bewusst akzeptiert.

Mit einem dem Kläger am 20. Mai 2005 zugestellten Schriftsatz beantragt der Beklagte widerklagend,

den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 66.214,65 EUR nebst 6 % Zinsen seit dem 1. April 2002 zu zahlen.

Mit der Widerklageforderung begehrt der Beklagte den Restkaufpreis, dessen Höhe sich aus den Angaben des Klägers in erster Instanz über die Höhe des geschuldeten Kaufpreises und die Höhe der bisher geleisteten Zahlungen ergebe.

Der Kläger beantragt insoweit,

die Widerklage abzuweisen.

Er erhebt weitere Einwendungen gegen die Widerklageforderung. Insbesondere hat der Kläger im Termin der mündlichen Verhandlung des Senats einen Schriftsatz zur Gerichtsakte gereicht, in dem er erstmals vorträgt, dass er insgesamt bereits 376.307,69 EUR auf den Kaufpreis gezahlt habe; der Widerspruch zu seinem bisherigen eigenen Vorbringen wird nicht erklärt. Der Beklagte hat sich hierzu nicht erklärt.

Der Senat hat am 12. Juli 2005 mündlich zur Sache verhandelt. In diesem Termin hat der Senat beide Parteien persönlich zu einzelnen Umständen des Zustandekommens des Praxisübertragungsvertrages angehört sowie den Zeugen J. S. hierzu vernommen. Auf die Vernehmung der vorbereitend geladenen Zeugin M. K. wurde einvernehmlich verzichtet. Im Anschluss an die Beweisaufnahme und nach erneutem gerichtlichen Hinweis auf eine mögliche Nichtigkeit der Klausel des § 9 Abs. 2 des Praxisübernahmevertrages wurde den Parteien des Rechtsstreits Gelegenheit eingeräumt, eine vergleichsweise Beilegung des Rechtsstreits untereinander zu erörtern. Die Vergleichsbemühungen scheiterten. Wegen der weiteren Einzelheiten der mündlichen Verhandlung wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats vom 12. Juli 2005 (vgl. GA Bd. III Bl. 123-125) Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Widerklage des Beklagten ist zulässig; insbesondere erachtet es der Senat als sachdienlich, hierüber im vorliegenden Rechtsstreit zu entscheiden, § 533 ZPO. Sowohl die Berufung des Klägers als auch die Widerklage des Beklagten haben in der Sache jeweils keinen Erfolg.

Die Prozessparteien haben keine vertraglichen Ansprüche gegeneinander, weil die Vertragsklauseln § 9 Abs. 2 und § 13 des Praxisübernahmevertrages vom 26. März 2002 jeweils sittenwidrig sind und deren Nichtigkeit die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages zur Folge hat. Für etwaige außervertragliche Ansprüche fehlt es bereits an Sachvorbringen, welches in der Berufungsinstanz auch nicht mehr nachholbar ist.

1. Im Hinblick auf die Unwirksamkeit des Praxisübernahmevertrages vom 26. März 2002 nach § 138 Abs. 1 BGB sind andere Einwendungen des Beklagten nur noch eingeschränkt zu bescheiden.

1.1. Es kann offen bleiben, ob die Prozessparteien mit dem Praxisübernahmevertrag vom 26. März 2002 gegen das gesetzliche Verbot nach § 203 StGB verstoßen haben.

Zumindest der Wortlaut des Vertrages lässt keinen Schluss auf ein verbotswidriges Verhalten zu, wenn der Senat weiter berücksichtigt, dass die Anlage 1 zum Vertrag (Mandantenliste) unstreitig nicht vorgelegen hat. Dafür, dass die Parteien die vertraglichen Abreden nur zum Schein geschlossen und der Beklagte dem Kläger bereits vor Einwilligung der betreffenden Mandanten Einblick in deren Akten gewährte bzw. entsprechende Einwilligungen gar nicht einholte, bestehen keine Anhaltspunkte mehr, nachdem der Beklagte diesen Sachvortrag nicht mehr aufrecht erhalten hat.

1.2. Der Vertrag ist trotz des Fehlens der Anlage 1, auf die insbesondere die Regelungen des § 9 Vertrag Bezug nehmen (Mandantenliste mit ausgewiesenen Einzelumsätzen sowie weiteren Angaben zum Mandanten), nicht formunwirksam, denn zur Überzeugung des Senats sollte die Wirksamkeit des Praxisübernahmevertrages nach dem Willen der Prozessparteien nicht von der rechtzeitigen Beibringung der Anlage 1 abhängen. Die gesetzliche Vermutung des § 125 Satz 2 BGB greift nicht ein.

Hierfür spricht bereits die objektive Interessenlage beider Parteien. Die Einbeziehung einer entsprechenden Aufstellung in den Vertrag hätte wohl gegen § 203 StGB verstoßen und mithin die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge gehabt. Es mag allerdings zweifelhaft sein, ob sich die Vertragsparteien dessen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bewusst waren.

Maßgeblich für den Senat ist eher, dass der Vertragsabschluss nach der erfolgten mündlichen Einigung unter einem gewissen Zeitdruck stand, der einen Verzicht auf Förmlichkeiten nachvollziehbar erscheinen lässt. Gerade die Anlage 1 war aus Sicht der Vertragspartner nachholbar. Sie war nämlich nicht dazu bestimmt, den Vertragsgegenstand hinreichend zu bezeichnen, insbesondere also die vollständige Überleitung der Mandanten vom Beklagten auf den Kläger zu sichern. Sie diente vielmehr allein der Ermittlung der Höhe des endgültigen Kaufpreises. Die Bemessung des ursprünglichen Kaufpreises war zum Zeitpunkt der Abfassung des Vertragstextes bereits erfolgt. Ihr hatten ausnahmslos alle Umsätze des Beklagten nach dessen Angaben zugrunde gelegen, und zwar ohne eine Differenzierung in nachhaltige und nicht nachhaltige Umsätze. Die Anlage 1 war danach vor allem für eine etwaige nachträgliche Kaufpreisreduzierung von Bedeutung, über die jedoch erst nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Übernahmetag zu befinden war.

Für die Auffassung des Senats spricht weiter, dass § 1 Abs. 3 Vertrag detaillierte Regelungen darüber enthält, welchen Inhalt die Aufstellung haben soll. Eine solche Regelung im Vertrag wäre entbehrlich gewesen, wenn der Vertragsschluss die Fertigstellung und Beifügung der Mandantenliste voraussetzte.

Schließlich haben die Vertragsparteien auch nach dem Vertragsabschluss dessen Wirksamkeit bis zum Beginn des Streits über die endgültige Kaufpreishöhe nie in Frage gestellt.

Dem gegenüber kann es für die Entscheidung des Senats offen bleiben, ob und ggf. inwieweit dem Beklagten eine vertragliche Nebenpflicht zur nachträglichen Erstellung der Mandantenliste oblag, wie es der Kläger geltend macht.

1.3. Der Senat geht - entgegen der Auffassung des Landgerichts - weiter davon aus, dass die Vertragsklausel des § 9 Abs. 2 trotz der fehlenden Anlage 1 hinreichend bestimmt ist.

Die Vertragsparteien haben ungeachtet des Wortlauts von § 9 Abs. 1 Vertrag alle Mandanten des Beklagten mit sämtlichen Umsätzen in die Umsatzbetrachtungen zur Kaufpreisbemessung einbezogen. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang zwischen den Regelungen der Präambel Abs. 1 und der §§ 1 Abs. 3 bis 5 und 9 Abs. 1 Vertrag sowie aus den insoweit übereinstimmenden Angaben der Parteien zu den tatsächlichen und rechnerischen Grundlagen der Ermittlung des ursprünglichen Kaufpreises. Nach § 1 Abs. 4 Vertrag wäre es Sache des Beklagten gewesen, nicht nachhaltige Umsätze, also einmalige, sich nicht wiederholende Umsätze im Geschäftsjahr 2001 ausdrücklich zu kennzeichnen. Diese hätten dann bei der Kaufpreisbemessung außer Betracht bleiben müssen. Der Beklagte hat jedoch weder im Zusammenhang mit der vertraglichen Vereinbarung noch im Verlaufe dieses Rechtsstreits geltend gemacht, dass er zum Teil auch nicht nachhaltige Umsätze erwirtschaftet hätte. Er hat sich vielmehr selbst darauf berufen, dass der der Kaufpreisbemessung zugrunde liegende Gesamtumsatz seiner Praxis nachhaltig gewesen sei.

2. Die Vereinbarungen der Prozessparteien über eine Kaufpreisreduzierung bei Umsatzrückgang in § 9 Abs. 2 sowie über das Konkurrenzverbot in § 13 Abs. 1 und 2 des Praxisübernahmevertrages vom 26. März 2002 sind jeweils sittenwidrig i.S.v. § 138 Abs. 1 BGB.

2.1. Die Vertragsklausel zur Kaufpreisreduzierung in § 9 Abs. 2 Vertrag entwertet die in § 9 Abs. 1 Vertrag getroffene Vereinbarung über die Höhe des Kaufpreises und führt letztlich dazu, dass dem Beklagten nachträglich das gesamte Geschäftsrisiko des Klägers in den ersten zwei Jahren nach Praxisübernahme aufgebürdet wird, ohne dass hierfür eine sachliche Rechtfertigung besteht.

a) Nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 Vertrag sollte der Beklagte für jeglichen Umsatzrückgang der Praxis in den ersten zwei Jahren nach dem Übernahmetag finanziell allein einstehen, unabhängig vom Grund des Umsatzrückgangs.

Soweit der Senat ursprünglich im Hinblick auf die in der Präambel Abs. 2 und in § 1 Abs. 5 enthaltenen Zusicherungen des Beklagten eine korrigierende Vertragsauslegung dahin in Betracht gezogen hatte, dass der Beklagte lediglich für die Richtigkeit seiner Angaben zum Jahresumsatz 2001 sowie für das Fehlen von Erkenntnissen über absehbare Umsatzrückgänge einzustehen habe, steht dem das Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme entgegen. Beide Prozessparteien und auch der Zeuge J. S. haben übereinstimmend angegeben, dass ein uneingeschränktes Einstehenmüssen des Beklagten für jede Umsatzminderung ausdrücklich gewollt war.

b) Mit dieser Vereinbarung verblieb das Geschäftsrisiko des Praxisbetriebes trotz der Praxisübertragung vom Beklagten auf den Kläger für weitere zwei Jahre beim Beklagten. Obwohl der Beklagte am Übernahmetag den Einfluss auf die Unternehmensführung vollständig verlor, blieb er wirtschaftlich betrachtet allein dafür verantwortlich. Hierin liegt eine extrem einseitige, unausgewogene Risikoverteilung, weil sie die Übernahme selbst solcher Risiken umfasst, die für den Beklagten weder steuerbar noch auch nur vorhersehbar waren.

Die vorgenannten Risiken haben sich im konkreten Fall auch zumindest teilweise verwirklicht. Denn der Kläger hat nach der Praxisübernahme unstreitig unternehmerische Entscheidungen im Hinblick auf die Tätigkeitsfelder der Praxis, deren technische Ausstattung, personelle Besetzung und örtliche Präsenz getroffen, die die Steuerberatungspraxis objektiv völlig verändert haben und für deren wirtschaftliche Auswirkungen er den Beklagten hier in Anspruch nimmt.

c) Darüber hinaus eröffnet die Klausel des § 9 Abs. 2 Vertrag objektiv ein erhebliches Missbrauchspotenzial. Sie schließt eine wirtschaftliche Verantwortlichkeit des Beklagten in Ge-stalt einer Reduzierung des Kaufpreises selbst dann nicht aus, wenn der Kläger die Höhe des Jahresumsatzes der ersten beiden Jahre bewusst manipulierte, und sei es durch eine Umsatzreduzierung auf Null. Durch den nachträglichen einseitigen Einfluss des Klägers auf die Höhe des endgültigen Kaufpreises wird die in § 9 Abs. 1 Vertrag gemeinsam getroffene Abrede zur Kaufpreishöhe verdrängt und seines Regelungsgehaltes entledigt.

d) Die einseitige Risikoverlagerung lässt sich sachlich nicht rechtfertigen.

Allerdings bestehen bei der Übernahme einer Steuerberatungspraxis berechtigte Interessen des Erwerbers, sich hinsichtlich der Werthaltigkeit des Vertragsgegenstandes abzusichern, weil der Vertragsschluss regelmäßig erfolgt, bevor der Erwerber Detailkenntnisse über die Praxis erworben hat. Diesen Interessen kann aber auch ohne eine derart weit gehende, verschuldensunabhängige Einstandspflicht des Veräußerers, wie hier geregelt, Rechnung getragen werden. Das Gesetz sieht im Grundsatz auch beim Unternehmenskauf eine verschuldensabhängige Gewährleistung für Sach- und Rechtsmängel vor. Üblich sind auch Vertragsgestaltungen, in denen der Veräußerer zusätzlich eine Haftung für die Richtigkeit seiner Angaben über das Unternehmen übernimmt oder ggf. auch eine Verpflichtung, den Mandantenstamm intakt zu halten. Allen Vertragsgestaltungen ist gemeinsam, dass eine wirtschaftliche Einstandspflicht nur für Risiken besteht, die in die Risikosphäre des Veräußerers fallen, also von ihm besser beherrschbar oder zumindest vorhersehbar sind. Diese Grenze ist in § 9 Abs. 2 Vertrag erheblich überschritten.

2.2. Die vertraglichen Regelungen zum Wettbewerbsverbot in § 13 Vertrag schränken auch unter Berücksichtigung des zunächst geschlossenen Anstellungsvertrages zwischen den Prozessparteien die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Beklagten derart stark ein, dass dies einer Knebelung gleich kommt.

a) Allein die zeitliche Ausdehnung des Wettbewerbsverbots auf zehn Jahre nach Praxisüberleitung verstößt gegen § 138 Abs. 1 BGB. Typischer Weise haben sich bereits nach einem Zeitraum von zwei bis drei Jahren ab Ausscheiden aus der Praxis die während der Zugehörigkeit zur Steuerberatungspraxis geknüpften Mandantenbeziehungen so gelöst, dass der Ausscheidende wie jeder andere Wettbewerber behandelt werden kann. Angesichts des Lebensalters des Beklagten bei Vertragsabschluss unter weiterer Berücksichtigung eines mindestens zwei Jahre andauernden Anstellungsverhältnisses in der Praxis des Klägers läuft das vereinbarte Wettbewerbsverbot de facto auf ein Berufsverbot bis zum Ende des Erwerbslebens des Beklagten hinaus.

b) Die Regelung des § 13 Abs. 2 Vertrag verstößt darüber hinaus auch gegenständlich und örtlich gegen § 138 Abs. 1 BGB.

Sie untersagt dem Beklagten jegliche Berufsausübung ohne Bezug zu dem übergeleiteten Mandantenstamm. Die räumliche Ausdehnung des Wettbewerbsverbots auf das gesamte Gebiet der Landeshauptstadt und einen Umkreis von weiteren 60 km ist völlig überzogen, denn sie erfasst geografische Gebiete weit außerhalb des typischen Einzugsbereichs einer Steuerberatungspraxis.

2.3. Der Senat ist im Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Kläger sich die für ihn aus dem Vertrag ergebenden Vorteile in Ausnutzung einer schwierigen Lage des Beklagten hat einräumen lassen.

a) Bei dem hier vorliegenden sehr groben Missverhältnis in der Verteilung der Vertragsrisiken besteht bereits eine tatsächliche Vermutung für eine verwerfliche Einwirkung des Klägers. Diese Vermutung hat der Kläger nicht entkräften können.

b) Der Beklagte vermochte während der Vertragsverhandlungen die erheblichen Nachteile der beiden vorgenannten Vertragsklauseln nicht zutreffend zu beurteilen.

Dafür mag bereits von Bedeutung gewesen sein, dass dem Beklagten der Vertragstext erstmalig zwei Monate nach den mündlichen Vereinbarungen über die wesentlichen Vertragsbestandteile aus seiner Sicht (nomineller Kaufpreis, Kopplung mit einer Anstellung als Kanzleileiter) vorgelegt wurde, dass ihm die Modifizierung der Kaufpreisabrede durch § 9 Abs. 2 Vertrag unzutreffend als eine übliche Vertragsklausel vorgestellt wurde und dass er ggf. von einem längeren Bestand seines Anstellungsverhältnisses beim Kläger ausging.

Aus Sicht des Senats fällt jedoch besonders ins Gewicht, dass der Beklagte im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Vermittlers des Praxisübernahmevertrages, u.a. zur Herkunft des Vertragsmusters, auf jegliche eigene rechtliche Beratung verzichtete. Der Vermittler J. S. hatte dem Beklagten wahrheitswidrig vorgespiegelt, dass der Vertragstext auf eine Empfehlung der Bundessteuerberaterkammer zurückgehe. Tatsächlich stammte das vom Vermittler an den Kläger übersandte Vertragsmuster, welches nach Angaben des Klägers in seiner Anhörung auch Grundlage des Praxisübernahmevertrages der Prozessparteien vom 26. März 2002 war, von einem Unternehmen, welches Steuerberatungspraxen gewerbsmäßig aufkauft. In Kenntnis dieser Herkunft hätte es ggf. auch für den Beklagten nahe gelegen, die Vertragsklauseln näher zu prüfen im Hinblick auf eine dem Erwerber günstige Vertragsgestaltung.

c) Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung eingeräumt, dass er ganz bewusst und gezielt auf eine Vereinbarung hingewirkt habe, nach der der Beklagte für jeden Umsatzrückgang vollständig einzustehen hat, unabhängig vom Grund des Umsatzrückgangs und unabhängig von einem Verschulden des Beklagten. Er hat sich damit zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen, dass der Beklagte sich nur deshalb auf die für ihn ungünstigen Vertragsklauseln eingelassen hat, weil er die einseitigen Vertragsrisiken und -belastungen für sich selbst nicht überschaut hat. Das erfüllt bereits den subjektiven Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB. Der Kläger hat darüber hinaus die Zwangslage für den Beklagten dadurch noch verschärft, dass er nach der mündlichen Einigung über die Praxisüberleitung auf der Einfügung insbesondere der Klausel des § 9 Abs. 2 Vertrag bestanden und deutlich gemacht hat, dass er insoweit nicht verhandlungs- und kompromissbereit sei.

3. Die Nichtigkeit der beiden angeführten Vertragsklauseln führt hier zur Nichtigkeit des gesamten Praxisübernahmevertrages.

3.1. Nach § 139 BGB bewirkt die Nichtigkeit eines Vertragsbestandteils regelmäßig die Nichtigkeit des Gesamtvertrages, es sei denn, dass sich der Sittenverstoß auf einen eindeutig abtrennbaren Teil der Gesamtvereinbarung bezieht und dass die Aufrechterhaltung des "Restvertrages" ohne den sittenwidrigen Teil dem erklärten oder mutmaßlichen Willen beider Vertragsparteien entspricht. Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

3.2. Die Vereinbarung zur Höhe des Kaufpreises in § 9 Vertrag ist nicht teilbar; sie lässt sich insbesondere nicht aufspalten in einen sachlich gerechtfertigten Teil und einen hinsichtlich der Risikoverteilung unausgewogenen Teil. Eine solche Aufteilung wäre ein Eingriff in das von den Vertragspartnern zu bestimmende Äquivalenzverhältnis. Der Kläger hat zudem in seiner Anhörung unmissverständlich erklärt, dass er eine eingeschränkte Kaufpreisreduzierungsklausel nicht akzeptiert hätte.

Gleiches gilt für die Vereinbarungen zum Wettbewerbsverbot: Auch diese sind nicht teilbar. Es widerspräche im Übrigen auch dem Zweck des § 138 BGB, wenn dem sittenwidrig Handelnden ein Teilerfolg seines anstößigen Verhaltens verbliebe.

3.3. Eine geltungserhaltende Reduktion des Regelungsgehalts beider sittenwidriger Vertragsklauseln bzw. eine Aufrechterhaltung des Vertrages ohne diese Klauseln kommt aus den vorgenannten Gründen nicht in Betracht. Der Kläger hat einem Vertragsschluss ohne Kaufpreisreduzierungsklausel eine Absage erteilt.

a) Der Gesamtnichtigkeit des Vertrages steht nicht entgegen, dass die Parteien in § 16 Abs. 2 Vertrag eine allgemeine salvatorische Klausel vereinbart haben. Dabei kann dahin stehen, ob eine solche Klausel generell geeignet ist, eine Sittenwidrigkeit des Gesamtvertrages abzuwenden. Jedenfalls haben die Prozessparteien die hierin vereinbarte Möglichkeit nicht wahrgenommen. Nach § 16 Abs. 2 Vertrag sollte eine etwaige Vertragsunwirksamkeit durch nachträgliche Vertragsanpassung abgewandt werden. Eine solche Vertragsanpassung ist nicht zustande gekommen. Die Vertragsparteien haben sich trotz dieser Regelung und der sich hieraus ergebenden beiderseitigen Verpflichtung nicht auf eine Ersetzung der sittenwidrigen Vertragsklauseln verständigen können. Dies hat sich zuletzt in den gescheiterten Vergleichsbemühungen im Termin vor dem Senat gezeigt.

b) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf die spezielle salvatorische Klausel des § 13 Abs. 5 Vertrag berufen. Für diese Klausel wäre ein Anwendungsbereich eröffnet, wenn lediglich die zeitliche Ausdehnung des Wettbewerbsverbots sittenwidrig gewesen wäre. Angesichts der unteilbaren Bestimmungen mit gleichzeitiger sittenwidriger räumlicher und gegenständlicher Ausdehnung des Wettbewerbsverbots kommt eine geltungserhaltende Reduktion jedoch nicht in Betracht.

4. Soweit die Prozessparteien bisher im Hinblick auf den nichtigen Praxisübernahmevertrag vom 26. März 2002 Leistungen erbracht haben, sind diese zwar bereicherungsrechtlich nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB herauszugeben; derartige Ansprüche sind jedoch nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits. Insbesondere fehlt es dem bisherigen Prozess-Stoff an Sachvortrag zu den vom Kläger gezogenen Nutzungen und zum objektiven Wert der vom Kläger übernommenen, in seiner Beschaffenheit völlig veränderten Steuerberaterpraxis im Hinblick auf § 818 Abs. 2 BGB.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nrn. 7 und 8 EGZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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