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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 30.04.2007
Aktenzeichen: 1 Verg 1/07 (1)
Rechtsgebiete: VOB/A


Vorschriften:

VOB/A § 8a Nr. 10
1. Die Auslegung der Vergabebekanntmachung hinsichtlich der formellen Anforderungen an den Nachweis der Eignung (geforderte Eignungsnachweise) ist regelmäßig "im Lichte" der inhaltlichen Eignungsanforderungen vorzunehmen.

2. Ohne besondere entgegenstehende Anhaltspunkte ist regelmäßig davon auszugehen, dass es bei einer Bietergemeinschaft ausreichend ist, wenn geforderte Nachweise oder Eigenerklärungen zur Fachkunde oder zur Leistungsfähigkeit für ein Mitglied der Bietergemeinschaft vorgelegt werden, während die Zuverlässigkeit von jedem Mitglied der Bietergemeinschaft in der geforderten Art zu belegen ist.

3. Der Vereinbarung einer Bietergemeinschaft ist immanent, dass die Gemeinschaft über die Kapazitäten ihrer einzelnen Mitglieder tatsächlich verfügen kann. Eines besonderen Nachweises i.S.v. § 8a Nr. 10 VOB/A bedarf es nicht.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG Beschluss

1 Verg 1/07 OLG Naumburg

verkündet am 30. April 2007

In dem Vergabenachprüfungsverfahren (Beschwerdeverfahren)

betreffend die u.a. im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 25. August 2006 (S-161) ausgeschriebene Vergabe des Bauauftrags "Erschließung des Industrieparks Chemiestraße in H. ; 2. Bauabschnitt; Los Nr. 3.1/4.1 Trink- und Abwasser",

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm auf die mündliche Verhandlung vom

16. April 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beigeladenen und die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 11. Januar 2007, 1 VK LVwA 41/06, aufgehoben.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer hat die Antragstellerin zu tragen. Die Kosten (Gebühren und Auslagen) werden auf 3.219,88 EUR festgesetzt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Beigeladenen haben die Antragstellerin und die Antragsgegnerin je zur Hälfte zu tragen. Eine Erstattung weiterer außergerichtlicher Auslagen findet nicht statt.

Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf eine Gebührenstufe bis zu 65.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin, eine Beteiligungsgesellschaft privaten Rechts zur Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, die von der Stadt H. beherrscht wird, schrieb im August 2006 den oben genannten Bauauftrag EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) - Ausgabe 2004 - zur Vergabe aus.

In der Bekanntmachung der Ausschreibung sind als Teilnahmebedingungen für Bieter in Abschnitt III.2.1) zunächst allgemein "Eignungsnachweise nach VOB/A § 8 Nr. 3" aufgeführt. In Abschnitt III.2.3) Technische Leistungsfähigkeit sind im Einzelnen u.a. gefordert: "... Angaben über die Zahl der in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren jahresdurchschnittlich beschäftigten Arbeitskräfte, gegliedert nach Berufsgruppen ..." sowie "... Angaben über die für die Ausführung der zu vergebenden Leistung zur Verfügung stehenden und vorgesehenen technischen Geräte und Ausrüstung". Für Bietergemeinschaften wird weiter vorgegeben, dass sie gesamtschuldnerisch haftend sein und einen bevollmächtigten Vertreter benennen sollen (Abschnitt III.1.3). Als Ausführungsfrist für den Auftrag war ursprünglich der Zeitraum vom 2. Januar bis 31. Juli 2007 vorgesehen.

Die Verdingungsunterlagen enthalten in den Bewerbungsbedingungen, dort Ziffer 6, eine Regelung zu Bietergemeinschaften. Darin heißt es, dass die Bietergemeinschaft mit ihrem Angebot eine von allen Mitgliedern unterzeichnete Erklärung vorgegebenen Inhalts abzugeben habe. Unter Ziffer 7 dieser Bewerbungsbedingungen ist für Eignungsnachweise für andere Unternehmen gefordert, dass der Bieter, der sich bei der Erfüllung des Auftrags der Fähigkeiten anderer Unternehmen bedienen will, dem Auftraggeber hinsichtlich seiner eigenen Eignung nachzuweisen hat, dass ihm die erforderlichen Mittel tatsächlich zur Verfügung stehen.

Die Beigeladene hat ein Hauptangebot und mehrere Nebenangebote in Form unselbständiger Änderungsvorschläge innerhalb der Angebotsfrist abgegeben. Dem Angebot der Beigeladenen waren sämtliche geforderten Eignungsnachweise für die St. AG beigefügt; für die R. GmbH fehlten Angaben über die jahresdurchschnittlich beschäftigten Arbeitskräfte - gegliedert nach Berufsgruppen - der letzten drei Geschäftsjahre (es waren lediglich einige Angaben zu den aktuellen Beschäftigungszahlen enthalten) sowie Angaben zur technischen Ausrüstung. Die Antragsgegnerin bewertete das Angebot der Beigeladenen als vollständig. Ausweislich ihres Vergabevermerks vom 24. November 2006 beabsichtigte die Antragsgegnerin, den Zuschlag auf das Hauptangebot der Beigeladenen einschließlich der angebotenen Änderungen zu erteilen.

Im Rahmen eines von der Antragstellerin geführten Nachprüfungsverfahrens mit dem Ziel einer Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Wiederholung der Wertung wurde die Beigeladene beteiligt. Die 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt hat dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nach mündlicher Verhandlung durch Beschluss vom 11. Januar 2007 stattgegeben und in den Gründen ihrer Entscheidung u.a. die Rechtsauffassung geäußert, dass das Angebot der Beigeladenen zwingend aus der Wertung auszuschließen sei, weil es die geforderten Eignungsnachweise nicht vollständig enthalte. Sie stützt diese Auffassung im Wesentlichen darauf, dass jedes Mitglied einer Bietergemeinschaft alle geforderten Eignungsnachweise für sich vollständig vorzulegen gehabt habe, d.h. auch die R. GmbH alle Angaben zum Nachweis ihrer technischen Leistungsfähigkeit.

Gegen diese ihr am 15. Januar 2007 zugestellte Entscheidung richtet sich die mit Schriftsatz vom 29. Januar 2007 erhobene und am selben Tage vorab per Fax beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangene sofortige Beschwerde der Beigeladenen.

Die Beigeladene ist u.a. der Meinung, dass ein Ausschluss ihres eigenen Angebots nur gerechtfertigt sei, wenn ihm Unterlagen fehlten, welche mit der Vergabebekanntmachung gefordert worden seien. Aus der Vergabebekanntmachung sei nicht ersichtlich, dass für jedes einzelne Mitglied einer Bietergemeinschaft die geforderten Eignungsnachweise einzureichen seien. Vielmehr sei auf Angaben abgestellt worden, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Mindestanforderungen an die Leistungsfähigkeit überprüfen zu können. Insoweit käme es stets auf die Bieterin insgesamt und nicht auf einzelne Mitglieder der Bieterin an.

Die Beigeladene hat gleichzeitig einen Antrag auf Anordnung der Verlängerung des Zuschlagverbots des § 115 Abs. 1 GWB gestellt. Diesem Antrag hat der Senat nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 5. Februar 2007 stattgegeben.

In der Hauptsache beantragt die Beigeladene,

unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,

die Antragsgegnerin darüber hinaus zu verpflichten, ihr Angebot zu werten und ihr als Mindestbietende den Zuschlag zu erteilen

hilfsweise,

die 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassungen des Senats erneut über die Sache zu entscheiden.

Die Antragsgegnerin und die Antragstellerin haben sich inhaltlich gegen die Beschwerde der Beigeladenen gewandt, die Antragstellerin beantragt,

die sofortige Beschwerde der Beigeladenen zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat weiter gegen die ihr am 15. Januar 2007 zugestellte Entscheidung der Vergabekammer mit einem am 29. Januar 2007 vorab per Fax beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und dieses Rechtsmittel mit einem am 6. Februar 2007 vorab per Fax beim Senat eingegangenen Schriftsatz begründet. Hiermit wendet sie sich eingeschränkt gegen die Kostenentscheidung im Verfahren vor der Vergabekammer und meint, dass der Antragstellerin trotz des Obsiegens die Kosten des Nachprüfungsverfahrens hätten auferlegt werden müssen, weil die letztlich erfolgreiche Rüge erst im Verlaufe des Nachprüfungsverfahrens erhoben worden sei.

Sie beantragt,

den Beschluss der 1. Vergabekammer des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 11. Januar 2007 teilweise, hinsichtlich der Kostenentscheidung, aufzuheben und die Kosten des Vergabenachprüfungsverfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.

Die Antragstellerin beantragt insoweit,

die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu verwerfen,

hilfsweise,

das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Der Senat hat am 16. April 2007 mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls von diesem Tage Bezug genommen (GA Bl. 238).

II.

Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen ist zulässig und begründet.

Die Vergabekammer hat zu Unrecht darauf erkannt, dass das Angebot der Beigeladenen wegen formeller Mängel von der weiteren Wertung auszuschließen gewesen wäre und deshalb für die beabsichtigte Zuschlagserteilung nicht in Betracht kommt. Das Angebot der Beigeladenen ist im Hinblick auf die geforderten Eignungsnachweise vollständig.

1. Allerdings hat die Antragsgegnerin - entgegen der Ansicht der Beigeladenen - für die inhaltliche Prüfung der technischen Leistungsfähigkeit eines Bieters verbindlich verlangt, dass Angaben über die Zahl der in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren jahresdurchschnittlich beschäftigen Arbeitskräfte, gegliedert nach Berufsgruppen, und Angaben über die für die Ausführung der zu vergebenden Leistung zur Verfügung stehenden und vorgesehenen technischen Geräte und Ausrüstung gemacht werden. Dies ergibt sich aus dem Inhalt der oben zitierten EU-weiten Vergabebekanntmachung. Insoweit waren Eigenerklärungen des Bieters zu beiden Fragestellungen wirksam gefordert.

2. Für die hier maßgebliche Streitfrage, ob die in der Vergabebekanntmachung geforderten Eignungsnachweise in Form von Fremd- und Eigenerklärungen bei einer Bietergemeinschaft für jedes Mitglied einzeln oder für die Bietergemeinschaft als Gesamtheit vorgelegt werden müssen, ist das Verlangen der Antragsgegnerin in der EU-weiten Vergabebekanntmachung auszulegen. Die Auslegung, d.h. die Ermittlung des Bedeutungsgehalts der Vergabebekanntmachung aus der Sicht eines fachkundigen Bieters, ergibt hier, dass sich die Forderung nach der Vorlage von Eigenerklärungen über die technische Leistungsfähigkeit auf die Bietergemeinschaft insgesamt und nicht auf deren einzelne Mitglieder bezieht.

2.1. Der Wortlaut der Vergabebekanntmachung bezieht sich auch hinsichtlich der Anforderungen für den Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit auf einen potenziellen Einzelbieter. Ein besonderes Anforderungsprofil für Bietergemeinschaften ist nicht aufgeführt. Das wäre im Übrigen auch unüblich.

2.2. Die Auslegung der formellen Anforderungen an ein Angebot im Hinblick auf Nachweise zur technischen Leistungsfähigkeit hat regelmäßig "im Lichte" der entsprechenden inhaltlichen Eignungsanforderungen zu erfolgen. Denn Eignungsnachweise haben eine dienende Funktion, d.h. sie sollen lediglich die Prüfung des Vorliegens der inhaltlichen Eignungsanforderungen ermöglichen.

Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin hier darüber hinaus auch solche für die Eignungsprüfung unergiebige Eigenerklärungen verlangen wollte, liegen nicht vor. Insbesondere enthält der Wortlaut der Vergabebekanntmachung - selbst aus einer rückschauenden Betrachtung - keinen Anhaltspunkt für besondere formelle Anforderungen ohne Bezug zu konkreten Mindestanforderungen an die Eignung. Das Verlangen nach Eigenerklärungen der Bieter jeweils über ihren Mitarbeiterstamm und ihre technische Ausstattung steht im unmittelbaren Zusammenhang zur geforderten technischen Leistungsfähigkeit eines Bieters zur Ausführung von Kanalbauarbeiten der ausgeschriebenen Komplexität. Ob die Anforderungen auch sachgerecht und verhältnismäßig waren, kann hier offen bleiben, weil keiner der Bieter die Teilnahmebedingungen als vergaberechtswidrig gerügt hat oder hierzu jetzt noch die rechtliche Möglichkeit hätte.

2.3. Die inhaltlichen Anforderungen an die technische Leistungsfähigkeit orientieren sich, soweit nichts anderes ausdrücklich verlangt wird, an dem einfachen Bedarf für die Ausführung der zu vergebenden Leistungen.

Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin höhere inhaltliche Anforderungen an die technische Leistungsfähigkeit, etwa im Sinne der Vorhaltung größerer Reservekapazitäten, aufgestellt hat, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

2.4. Unter Berücksichtigung des Vorausgeführten ist das Verlangen der Antragsgegnerin nach Vorlage von Eigenerklärungen über die technische Leistungsfähigkeit schon unter dem Gesichtspunkt der im Vergabeverfahren gebotenen Gleichbehandlung von Einzelbietern und Bietergemeinschaften dahin zu verstehen, dass die Vorlage dieser Eigenerklärung durch ein Mitglied der Bietergemeinschaft ausreicht. Denn die Bietergemeinschaft ist als Einheit zu behandeln, d.h. unabhängig von ihrer jeweiligen Gesellschaftsform vergaberechtlich als ein Bieter. Ebenso, wie für die Fachkunde des Einzelbieters regelmäßig die fachliche Kompetenz eines Mitarbeiters ausreicht und für die technische Leistungsfähigkeit etwa die technischen Geräte eines Betriebsteils des Einzelbieters, so muss für die Fachkunde und die Leistungsfähigkeit der Bietergemeinschaft regelmäßig das Vorliegen bei einem Mitglied genügen. Inhaltlich kommt es auch hier auf die technische Leistungsfähigkeit der Bietergemeinschaft insgesamt an.

2.5. Darüber hinaus ergibt sich der o.a. Grundsatz auch aus dem Zweck der Bietergemeinschaft. Die Bildung von Bietergemeinschaften hat u.a. gerade den Sinn, eigene unzureichende Kapazitäten, sei es im Bereich der Fachkunde oder in den Bereichen der personellen, sachlichen bzw. finanziellen Leistungsfähigkeit, zu ergänzen, um gemeinsam dem inhaltlichen Eignungsprofil zu entsprechen. Die gleichberechtigte Zulassung von Bietergemeinschaften neben den Einzelbietern soll einen erweiterten Zugang von kleinen und mittelständischen Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen eröffnen und damit mehr Wettbewerb organisieren. Dieses Ziel würde verfehlt, wenn es für das Vorliegen von Fachkunde oder einer besonderen Leistungsfähigkeit einer Bietergemeinschaft nicht zumindest grundsätzlich genügte, dass die entsprechende Fachkunde bzw. Leistungsfähigkeit von einem ihrer Mitglieder in die Bietergemeinschaft "eingebracht" und dieser vollständig zugerechnet wird. Lediglich hinsichtlich der Zuverlässigkeit wird regelmäßig der Nachweis für jedes Mitglied der Bietergemeinschaft gesondert gefordert; hierauf kommt es im vorliegenden Verfahren jedoch nicht an.

2.6. Für die vom Senat vorgenommene Auslegung der formellen Anforderungen an die Vollständigkeit des Angebots einer Bietergemeinschaft sprechen im Übrigen auch die - gemeinschaftsrechtskonformen - Ausführungen der Antragsgegnerin in ihren Bewerbungsbedingungen zum Einsatz von Nachunternehmern. Insoweit wird lediglich der Nachweis der fremden Fachkunde und Leistungsfähigkeit, d.h. derjenigen des Nachunternehmers, verlangt. Für die eigene Fachkunde und Leistungsfähigkeit reicht dem gegenüber der Nachweis, dass der Bieter über die Kapazitäten des Nachunternehmers zur Auftragsausführung tatsächlich verfügen kann. Die tatsächliche Verfügbarkeit der fremden Kapazitäten ergibt sich innerhalb einer Bietergemeinschaft allein aus dem Umstand des Zusammenschlusses zur Abgabe eines gemeinschaftlichen Angebots.

2.7. Dem gegenüber ist unerheblich, ob es die Antragsgegnerin bei rückschauender Betrachtung für wünschenswert hält, möglichst umfangreiche Informationen über die Leistungsfähigkeit eines jeden mitwirkenden Unternehmens einer Bietergemeinschaft zu erhalten, oder auch, ob ihr tatsächlicher Wille etwa auf eine umfangreichere Vorlage von Unterlagen gerichtet war. Maßgeblich ist der objektive Empfängerhorizont eines fachkundigen Bieters. Die Antragsgegnerin hätte Gelegenheit gehabt, ihre Anforderungen exakt zu formulieren, was wiederum den Interessenten an der Ausschreibung Gelegenheit gegeben hätte, dieses u.U. erhöhte Anforderungsprofil rechtzeitig einer Nachprüfung im Hinblick auf einen ausreichenden Auftragsbezug, auf dessen Verhältnismäßigkeit und auf Diskriminierungsfreiheit zu unterwerfen.

3. Nach diesen, einzig erheblichen Maßstäben gemessen waren die von der Beigeladenen mit dem Angebot vorgelegten Eignungsnachweise für ihre technische Leistungsfähigkeit vollständig. Ein Mitglied der Bietergemeinschaft hat die entsprechenden Angaben vollständig gemacht. Weiterer Angaben zur gleichartigen technischen Leistungsfähigkeit des zweiten Mitglieds dieser Bietergemeinschaft bedurfte es nach dem zuvor bekannt gemachten Anforderungsprofil nicht.

4. Zur Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens war es erforderlich, aber auch ausreichend, den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen. Damit verbleibt es - einen objektiv unveränderten Kenntnisstand und eine fortbestehende Vergabeabsicht der Antragsgegnerin jeweils unterstellt - bei der ursprünglichen Vergabeempfehlung. Ein weiter gehender Eingriff in die Entscheidungsmöglichkeiten der Antragsgegnerin war nicht veranlasst. Insbesondere ist es grundsätzlich und so auch hier nicht Sache der Nachprüfungsinstanzen, der Vergabestelle die Erteilung des Zuschlags "aus der Hand" zu nehmen. Denn für diese Entschließung können auch andere, außerhalb des Vergaberechts liegende Umstände maßgeblich sein.

III.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist lediglich als unselbständiges Anschlussrechtsmittel zulässig, denn sie ist nicht in der Frist des § 117 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 GWB begründet worden. Eine richterliche Verlängerung der Begründungsfrist kam nicht in Betracht, weil die Einlegungs- und Begründungsfrist eine gesetzliche Notfrist ist.

Die Anschlussbeschwerde ist im Ergebnis erfolgreich, weil das Hauptrechtsmittel, die sofortige Beschwerde der Beigeladenen, begründet ist.

IV.

1. Die Kostenentscheidung für das Verfahren vor der Vergabekammer beruht auf § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Unterliegende des Verfahrens war nach dem Vorausgeführten allein die Antragstellerin. Hinsichtlich der Höhe der Verfahrenskosten verbleibt es bei der Festsetzung der Gebühren und der Berechnung der Auslagen bei der zutreffenden und vom Senat nicht zu beanstandenden Entscheidung der Vergabekammer. Der Senat macht sich die Gründe der Kostenfestsetzung und Auslagenberechnung (BA S. 11) zu eigen.

2. Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Der Senat hat die inhaltliche Stellungnahme der Antragsgegnerin zur sofortigen Beschwerde der Beigeladenen als Antrag auf Zurückweisung ausgelegt. Dem entspricht der ausdrückliche Antrag auf Zurückweisung des Antrags nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB der Beigeladenen. Der Umstand, dass die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin, die mit der sofortigen Beschwerde der Beigeladenen im Kostenpunkt gleichgerichtet war, im Ergebnis Erfolg hatte, rechtfertigt keine abweichende Entscheidung

3. Die Bestimmung des Kostenwerts des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus §§ 50 Abs. 2 i.V.m. 39 Abs. 1 GKG und § 3 ZPO. Danach war der Gesamtkostenwert als Summe aus dem Kostenwert der sofortigen Beschwerde der Beigeladenen und demjenigen der Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin zu bilden. Der Senat ist zur Festsetzung des isolierten Kostenwerts der sofortigen Beschwerde der Beigeladenen vom Brutto-Angebotspreis des Angebots der Beigeladenen ausgegangen, dessen Bewertung Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war. Hierzu war der Kostenwert des Rechtsmittels der Antragsgegnerin hinzuzurechnen, weil der Streitgegenstand dieses Rechtsmittels auch unter Berücksichtigung seiner Begründung von dem des Hauptrechtsmittels verschieden war. Die Festsetzung des Gesamtkostenwerts erfolgte schließlich nicht konkret beziffert, sondern nach der erreichten Gebührenstufe, um die Möglichkeit der Rückrechnung auf den konkreten Angebotspreis auszuschließen.

Ende der Entscheidung

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