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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 09.04.2009
Aktenzeichen: 1 Verg 1/09
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 128 Abs. 2 Satz 1
1. Bei der Festsetzung der Höhe ihrer Gebühren hat die Vergabekammer einen Ermessensspielraum, der im Beschwerdeverfahren nur eingeschränkt überprüfbar ist.

2. Die für die Kostenfestsetzung maßgebliche Bruttoauftragssumme bestimmt sich grundsätzlich nach dem objektiven Wert derjenigen Leistungen, von deren Vergabe an einen Dritten die Antragstellerin bei Einleitung des Vergabeverfahrens ausgehen durfte. Unerheblich ist dagegen, ob und inwieweit die Antragsgegnerin intern u.U. von der ursprünglichen Vergabeabsicht abgerückt ist und diese vermindert hat, wenn mit der Vergabenachprüfung letztlich eine Verbesserung der Chancen der Antragstellerin zur Erteilung des ursprünglich ausgeschriebenen Auftrages angestrebt wird.

3. Zur Ermittlung des Umfangs des ursprünglich ausgeschriebenen Auftrages (hier: Vorrang der verbalen Bezeichnung des Auftrags vor widersprüchlichen Angaben zu den Leistungskategorien und den CPV-Kennziffern).


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

1 Verg 1/09 OLG Naumburg

verkündet am: 9. April 2009

In dem Vergabenachprüfungsverfahren (Beschwerdeverfahren)

betreffend die u.a. im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Juli 2008 (S143) ausgeschriebene Vergabe des Dienstleistungsauftrags "Speisenversorgung für Patienten/Mitarbeiter, Unterhalts- und Glasreinigung, Sicherheitsdienste, Hausmeisterdienste, Pflege und Bewirtschaftung von Außenanlagen, Erwerb von Anteilen zu einer gemeinsamen Gesellschaft",

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiemann, Wiedemann und Grimm im schriftlichen Verfahren mit dem Schlusstermin

vom 26. März 2009

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Festsetzung der Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer in dem am 22. Januar 2009 verkündeten Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, VK 2 LVwA - 18/08, wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.633,30 € festgesetzt.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die Bruttoauftragssumme, die die Vergabekammer ihrer Festsetzung der angefallenen Verfahrensgebühren zugrunde gelegt hat, ist nicht zu beanstanden.

1. Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist zulässig. Es wurde frist- und formgerecht (§ 117 Abs. 1 bis 3 GWB) beim zuständigen Gericht (§ 116 Abs. 3 S. 1 GWB) eingelegt. Die auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfenden allgemeinen Voraussetzungen für die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens (§§ 98 bis 100, 102, 107 Abs. 1, 108 GWB) liegen vor. Mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde kann auch isoliert nur die Kostenfestsetzung bzw. Teile hiervon angegriffen werden.

2. Die Vergabekammer hatte die Kosten des Vergabenachprüfungsverfahrens nach § 128 Abs. 2 Satz 1 GWB nach ihrem personellen und sachlichen Aufwand unter besonderer Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes des Nachprüfungsverfahrens festzusetzen. Diese Festsetzung ist frei von Ermessensfehlern erfolgt.

2.1. Die Vergabekammer hat dabei zunächst den Richtwert ermittelt; die hierbei angewandte Vorgehensweise war zutreffend. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist es zulässig und sachgerecht, die Ermittlung des Richtwertes der Höhe der Verfahrensgebühren in Abhängigkeit von der Bruttoauftragssumme vorzunehmen und dabei die hier angewandte mathematische Formel zu verwenden. Hiergegen erhebt auch die Antragsgegnerin keine Einwendungen; vielmehr stützt sie ihre alternative Berechnung auf dieselbe mathematische Formel.

2.2. Hinsichtlich der für die Ermittlung des Richtwertes maßgeblichen Bruttoauftragssumme ist zu berücksichtigen, welchen Gegenstand derjenige Auftrag hatte, dessen Vergabe Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens war. Hierfür kommt es entscheidend auf die Sicht der Antragstellerin bei Einleitung des Nachprüfungsverfahrens an, d.h. die Bruttoauftragssumme bestimmt sich nach dem objektiven Wert der Leistungen, von deren Vergabe an einen Dritten die Antragstellerin zum vorgenannten Zeitpunkt ausgehen durfte. Unerheblich ist dagegen, ob und inwieweit die Antragsgegnerin intern u.U. von der ursprünglichen Vergabeabsicht abgerückt ist und diese vermindert hat, denn mit der Vergabenachprüfung strebt die Antragstellerin letztlich eine Verbesserung ihrer Chancen zur Erteilung des ursprünglich ausgeschriebenen Auftrages an.

Der Umfang des ursprünglich ausgeschriebenen Auftrages ergibt sich zunächst aus dem Inhalt der Vergabebekanntmachung. Die Antragsgegnerin hat die zu vergebenden Leistungen im Einzelnen verbal bezeichnet; dabei werden in Abschnitt II. 1. 1) zur Auftragsbezeichnung Dienstleistungen von mehreren unterschiedlichen Dienstleistungskategorien i.S.v. Anhang I der VOL/A aufgeführt: Kategorie 17 - Speisenversorgung für Personal und Mitarbeiter in beiden Häusern (und Losen); Kategorie 14 - Unterhalts- und Glasreinigung sowie Hausmeisterdienste; Kategorie 23 - Sicherheitsdienste; ggf. Kategorie 27 - Pflege und Bewirtschaftung von Außenanlagen. Diese Bezeichnung der Einzeltätigkeiten ist hier maßgeblich; sie wird im Übrigen bei der Bezeichnung der Einzelleistungen der Lose wiederholt. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin selbst die Einordnung der Kategorien der Dienstleistungen in der Vergabebekanntmachung abweichend vorgenommen hat (lediglich Kategorie 27 ist in II. 1. 2) aufgeführt) und dass die Angabe der CPV-Nummern unvollständig ist (hier ist in II. 1. 6) lediglich die Nummer für die Speisenversorgung aufgeführt).

Mit diesem Verständnis des Umfangs des ausgeschriebenen Auftrages stimmt die Leistungsbeschreibung der Antragsgegnerin überein, auf deren Grundlage die Antragstellerin ihr werthaltiges Angebot abgegeben hat. Soweit die Antragsgegnerin von den Bietern auch die Aufstellung eines Wirtschaftsplanes für die zu gründende Managementgesellschaft verlangt hat, spiegelt dies nach dem objektiven Erklärungswert der Vergabebekanntmachung und der Verdingungsunterlagen nicht den gesamten abgefragten Leistungsumfang wider.

2.3. Schließlich hat die Vergabekammer ausweislich der Gründe der angegriffenen Entscheidung und der Erläuterung dieser Entscheidung mit Schreiben vom 3. Februar 2009 ihr Ermessen auch dahin ausgeübt, den so ermittelten Richtwert daraufhin zu prüfen, ob er auch für das konkret vorliegende Verfahren eine angemessene Wertfestsetzung darstellt.

3. Die Entscheidung über die Kostentragung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Der Senat hat dabei die Differenz zwischen den Beträgen der bisher festgesetzten Verfahrensgebühren und der angestrebten niedrigen Verfahrensgebühren in Ansatz gebracht.

Ende der Entscheidung

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