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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 16.10.2007
Aktenzeichen: 1 Verg 6/07
Rechtsgebiete: VOB/A
Vorschriften:
VOB/A § 24 Nr. 3 |
2. Ein Zuschlag in einem Vergabeverfahren ist nur dann wirksam erteilt und entfaltet eine das Vergabeverfahren beendende Wirkung, wenn ein wirksamer Vertragsschluss erfolgt ist. Der modifizierte oder verspätete "Zuschlag" ist wegen seines zivilrechtlichen Charakters als neues Angebot (noch) kein verfahrensbeendender Zuschlag.
3. Die Rüge einer angeblich vergaberechtswidrigen Aufhebung der Ausschreibung ist unbegründet, wenn zum Zeitpunkt der beanstandeten Maßnahme der Vergabestelle kein zuschlagfähiges Angebot der Antragstellerin mehr vorlag.
4. Eine inhaltliche Änderung des eigenen Angebots (hier: des Angebotspreises) nach Ablauf der Angebotsfrist verstößt auch dann gegen § 24 Nr. 3 VOB/A, wenn der Bieter zwar bereits vom öffentlichen Auftraggeber als Zuschlagsaspirant ausgewählt, ihm ein wirksamer Zuschlag aber noch nicht erteilt worden ist.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG Beschluss
1 Verg 6/07 OLG Naumburg
verkündet am: 16. Oktober 2007
In dem Vergabenachprüfungsverfahren (Beschwerdeverfahren)
betreffend die u.a. im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 1. August 2006 (S 144) und ergänzend vom 4. August 2006 (S 147) ausgeschriebene Vergabe des Bauauftrags "A 71...
hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm auf die mündliche Verhandlung
vom 27. September 2007
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den am 27. Juni 2007 verkündeten Beschluss der 2. Vergabekammer des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf eine Gebührenstufe bis zu 650.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die D. GmbH, eine Beteiligungsgesellschaft privaten Rechts, deren Geschäftsanteile vom Bund und von mehreren Bundesländern inne gehalten werden, schrieb im August 2006 im Auftrag der Bundesrepublik den oben genannten Bauauftrag EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) - Ausgabe 2002 - zur Vergabe aus. Der Auftragswert netto beträgt mehr als 10 Mio. EUR. Nach Ergänzung der Ausschreibung sollte das Ende der Auftragsausführung um ein Jahr auf den 27. April 2008 verschoben werden. Hintergrund dieser Bauzeitverlängerung waren archäologische Grabungen im Bereich der geplanten Trasse.
Nach dem Ergebnis der Auswertung der Angebote durch die Antragsgegnerin hatte die Antragstellerin mit ihrem Hauptangebot vom 7. September 2006 unter Berücksichtigung des Nebenangebotes Nr. 1 das wirtschaftlichste Angebot abgegeben. Die Antragsgegnerin vergab am 19. Dezember 2006 den Gesamtauftrag an die Antragstellerin durch insgesamt drei getrennte Auftragsschreiben, den Hauptauftrag namens und auf Rechnung der Bundesrepublik Deutschland und die Aufträge zur Baustelleneinrichtung und zur Stellung eines Baubüros für den Auftraggeber jeweils im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Das Auftragsschreiben zum Hauptauftrag (vgl. GA Bd. II Bl. 114 ff.) enthält zudem die "Erläuterung", dass die im Nebenangebot Nr. 1 der Antragstellerin dargestellten Abmessungen der Überbauten als Mindestabmessungen aufgefasst werden und dass bei einer Reihe von Teilleistungen vor Ausführung die Zustimmung der D. erforderlich sei.
Mit Schreiben vom 18. Januar 2007 wandte sich die Antragstellerin gegen die Zuschlagserteilung und vertrat die Ansicht, dass dieses Schreiben Abänderungen zum Angebot enthalte, weshalb das ursprüngliche Angebot der Antragstellerin nicht angenommen und daher erloschen sei (vgl. Anlage 6 zum Nachprüfungsantrag, BeiA Bl. 123 ff.). Das Schreiben endet mit der Aufforderung zur Suche nach einer pragmatischen Lösung des noch offenen Vertragszustandes. Unter dem 14. März 2007 unterbreitete die Antragstellerin der Antragsgegnerin ein Ergänzungsangebot, welches einen um knapp 1,1 Mio. EUR höheren Angebotspreis beinhaltet (vgl. BeiA Bl. 143 ff.). Nach weiterem Schriftwechsel erklärte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 30. April 2007 nochmals, dass sie die Durchführung von Nachverhandlungen verlange (vgl. BeiA Bl. 159 ff.). Dies lehnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 4. Mai 2007 (BeiA Bl. 167) ab; mit weiterem Schreiben vom 15. Mai 2007 kündigte die Antragsgegnerin den i.E. geschlossenen Bauvertrag nach § 8 Nr. 3 VOB/B (vgl. BeiA Bl. 170 f.). Mit Schreiben vom 16. Mai 2007 (vgl. BeiA Bl. 172 f.) widersprach die Antragstellerin der Kündigung und rügte "... die Kündigung als Fehler im Vergabeverfahren ...". Sie verwies auf ihre Verhandlungs- und Leistungsbereitschaft und vertrat die Auffassung, einen Anspruch auf Erteilung des Zuschlages auf ihr Angebot in der Fassung des Ergänzungsangebots vom 14. März 2007 zu haben. Sie forderte die Antragsgegnerin zur Vermeidung eines Nachprüfungsverfahrens auf, bis zum 23. Mai 2007 den Zuschlag auf dieses Angebot zu erteilen. Die Antragsgegnerin half der Rüge nicht ab und hat inzwischen denselben Bauauftrag erneut EU-weit im Offenen Verfahren ausgeschrieben, u.a. im Supplement des Amtsblattes der Europäischen Gemeinschaften vom 22. Juni 2007 (S 118).
Mit Schriftsatz vom 24. Mai 2007 hat die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit dem Ziel beantragt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet werden möge, ihr Angebot vom 14. März 2007 zu werten und den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin vom 7. September 2006 in der Fassung der Ergänzung vom 14. März 2007 zu erteilen.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss vom 27. Juni 2007 als unzulässig zurückgewiesen. Sie stützt ihre Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass das Vergabeverfahren seit dem 19. Dezember 2006 beendet sei, so dass ein Zugang zum Primärrechtsschutz nicht mehr eröffnet sei. Die Vergabekammer bewertete dabei die Zuschlagserteilung als angebotskonform, d.h. als wirksame Annahme des ursprünglichen Angebots der Antragstellerin.
Gegen diese ihr am 28. Juni 2007 zugestellte Entscheidung richtet sich die mit Schriftsatz vom 12. Juli 2007 erhobene und am selben Tage vorab per Fax beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin.
Die Antragstellerin wiederholt und vertieft ihre Rechtsansicht, wonach ein wirksamer Zuschlag nicht erteilt worden sei im Hinblick auf die Abweichungen der Schreiben vom 19. Dezember 2006 vom Angebot der Antragstellerin.
Die Antragstellerin beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer
die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr Angebot vom 14. März 2007 zu werten und den Zuschlag auf dieses Angebot zu erteilen;
hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Zuschlag auf das Angebot vom 7. September 2006 zu erteilen;
hierzu hilfsweise, die Vergabekammer zu verpflichten, über den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassungen des Senats erneut zu entscheiden;
äußerst hilfsweise, festzustellen, dass die subjektiven Rechte der Antragstellerin im Vergabeverfahren durch die Antragsgegnerin verletzt worden sind.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 28. August 2007 (GA Bd. I Bl. 159 ff.) rechtliche Hinweise erteilt; insbesondere darauf hingewiesen, dass die Frage des wirksamen Vertragsschlusses lediglich im Zusammenhang mit der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages von vergaberechtlicher Relevanz sei. Er hat auf Bedenken gegen die Schlüssigkeit des Nachprüfungsantrages hingewiesen, weil allein der Zuschlag auf das Ergänzungsangebot vom 14. März 2007 bzw. ein nach dem 19. Dezember 2006 zu verhandelndes Angebot begehrt werde, was wohl ein vergaberechtswidriges Verhalten (Verstoß gegen § 24 Nr. 3 VOB/A) beinhalte. Die einzig theoretisch in Betracht kommende Abhilfe gegen unzulässige Vertragsmodifikationen durch die Antragsgegnerin - Untersagung der Annahme unter abändernden Bedingungen - käme hier schon deshalb nicht mehr in Betracht, weil das ursprüngliche Angebot der Antragstellerin inzwischen erloschen sei. Hierzu haben beide Beteiligte schriftsätzlich als auch mündlich im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27. September 2007 Stellung genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des gerichtlichen Hinweises sowie des Sitzungsprotokolls vom 27. September 2007 Bezug genommen. Die nach dem Termin eingegangenen Schriftsätze der Antragstellerin vom 28. September 2007 und vom 9. Oktober 2007 sowie der Antragsgegnerin vom 10. Oktober 2007 sind bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig; sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Die Vergabekammer ist zu Recht von der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrages der Antragstellerin ausgegangen. Das Vergabeverfahren war bei Einreichung des Nachprüfungsantrages bereits beendet. Zudem hätte ein rechtzeitiger Nachprüfungsantrag jedenfalls nicht auf die nunmehr von der Antragstellerin erhobene Rüge gestützt werden können, dass die vermeintlich modifizierte Zuschlagserteilung vom 19. Dezember 2006 vergaberechtswidrig sei, weil die Antragstellerin mit dieser Rüge mangels unverzüglicher Geltendmachung gegenüber der Antragsgegnerin präkludiert gewesen wäre. Selbst wenn die Zuschlagserteilung vom 19. Dezember 2006 keine das Vergabeverfahren beendende Wirkung gehabt hätte, wäre zwar ein Nachprüfungsantrag, der auf die Rüge einer vergaberechtswidrigen de-facto-Aufhebung durch die Kündigung vom 15. Mai 2007 gestützt worden wäre, zulässig gewesen; er hätte aber nicht zu einer Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Fortführung des ursprünglichen Vergabeverfahrens geführt.
1. Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist zulässig. Es wurde frist- und formgerecht (§ 117 Abs. 1 bis 3 GWB) beim zuständigen Gericht (§ 116 Abs. 3 S. 1 GWB) eingelegt. Die auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfenden allgemeinen Voraussetzungen für die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens (§§ 98 bis 100, 102, 107 Abs. 1, 108 GWB) liegen vor.
Das Rubrum war hier von Amts wegen zu berichtigen. Antragsgegnerin ist hier nach dem Willen der Antragstellerin die Vergabestelle. Als Vergabestelle ist sowohl nach den Veröffentlichungen im EU-Amtsblatt (Vergabebekanntmachung am 1. August 2006, S 144, dort Abschnitt I.1); Bekanntmachung ergänzender Angaben am 4. August 2006, S 147, dort Titelzeile; Bekanntmachung über vergebene Aufträge vom 12. Januar 2007, S 8, dort Abschnitt I.1)) als auch nach dem Inhalt der Verdingungsunterlagen (jeweils Kopf der Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 21. Juli 2006, der allgemeinen Leistungsbeschreibung, des Leistungsverzeichnisses sowie vorgedruckte Anschrift des beigefügten Formulars des Angebotsschreibens) die D. GmbH selbst angegeben. Dem steht nicht entgegen, dass der ausgeschriebene Vertrag ganz überwiegend nicht mit ihr, sondern mit einem durch sie vertretenen Dritten zustande kommen soll. Fallen Auftraggeber und Vergabestelle formal auseinander, dann ist zwar insbesondere für die Frage der Anwendbarkeit des Rechtsregimes der öffentlichen Auftragsvergabe oder des Zugangs zum Rechtsschutz in funktionaler Sichtweise auf den Auftraggeber selbst abzustellen. Jedoch ist der Umstand, dass der Auftraggeber sich eines Dritten als Vergabestelle bedient und diesen Dritten statt seiner selbst zum Verfahrensbeteiligten des Vergabeverfahrens gewillkürt hat, ungeachtet seiner vergaberechtlichen Zulässigkeit und etwa bestehender Beschränkungen grundsätzlich und so auch hier im Nachprüfungsverfahren zu beachten.
2. Die Vergabekammer hat zu Recht darauf erkannt, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin schon deshalb unzulässig ist, weil er erst nach wirksamer Beendigung des Vergabeverfahrens bei der Vergabekammer eingegangen ist. Das Vergabeverfahren wurde durch die Zuschlagserteilung am 19. Dezember 2006 beendet.
2.1. Die Vergabekammer ist zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Frage der wirksamen Zuschlagserteilung darauf ankommt, ob ein wirksamer Vertrag mit der Antragstellerin abgeschlossen worden ist.
Im deutschen Vergaberecht ist ein Zuschlag nur dann wirksam erteilt und entfaltet eine das Vergabeverfahren beendende Wirkung, wenn ein wirksamer Vertragsschluss erfolgt ist. Der Zuschlag im Sinne einer verfahrensbeendenden Maßnahme der Vergabestelle ist stets zugleich der Vertragsschluss. Nur im Anwendungsbereich der VOF wird allein auf die Auftragserteilung abgestellt (§ 16 Abs. 4 VOF); der Begriff des Zuschlags wird dort nicht verwandt. Die Vorschrift des § 28 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A stellt den Zusammenfall von Zuschlag und Zustandekommen des Vertrages nicht in Frage, sondern setzt lediglich die gesetzliche Vermutung des § 125 Satz 2 BGB außer Kraft. Sie verleiht damit dem o.a. angeführten Verständnis von der Bedeutung des Zuschlags Nachdruck und schafft Rechtssicherheit. In § 28 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A wird für die Fälle des modifizierten oder verspäteten Zuschlags der Inhalt der zivilrechtlichen Regelung des § 150 BGB explizit aufgeführt. Auch diese Vorschrift dient dazu, die Einheit von verfahrensrechtlicher Zuschlagswirkung und materieller Wirkung des Zuschlags als Vertragsschluss aufrechtzuerhalten. Der modifizierte oder verspätete "Zuschlag" ist wegen seines zivilrechtlichen Charakters als neues Angebot (noch) kein verfahrensbeendender Zuschlag. Damit ist aber noch nichts über die vergaberechtliche Zulässigkeit eines verspäteten oder modifizierenden Zuschlags geregelt, sondern lediglich ein rechtlicher Hinweis erteilt, dessen Erforderlichkeit sich für den Normgeber aus dem ursprünglichen Hauptadressatenkreis des gesamten Regelwerkes abgeleitet haben mag.
2.2. Die Vergabekammer hat auch zutreffend festgestellt, dass "der Zuschlag" der Antragsgegnerin eine mit dem Angebot der Antragstellerin übereinstimmenden Inhalt hatte und daher zivilrechtlich als wirksame Annahme zu bewerten ist.
a) Der Umstand, dass Vertragspartner der Antragstellerin z.T. die Bundesrepublik Deutschland, z.T. die D. GmbH geworden sind und der ausgeschriebene Gesamtauftrag hierdurch gleichsam aufgeteilt worden ist, ist hier unbeachtlich. Der Antragstellerin war aus den Verdingungsunterlagen und weiter aus der Vergabe- und Vertragspraxis der Vergabestelle sehr wohl bekannt und bewusst, dass der vorliegende Auftrag letztlich in der geschehenen Weise aufgeteilt werden würde. Für sie kam es insoweit auf den Vertragspartner und die Abrechnungsstelle nicht an. Ihr Angebot vom 7. September 2006 ist dahin auszulegen, dass der Vertragsschluss mit demjenigen erfolgen sollte, "den es anging". Unter Berücksichtigung dieses Angebotsinhalts ist die "geteilte" Zuschlagserteilung hier unschädlich.
b) Die Vergabekammer hat das Angebot der Antragstellerin vom 7. September 2006 zutreffend auch dahin ausgelegt, dass die in den Zeichnungen des Nebenangebotes Nr. 1 angegebenen Maße für die Vergütungsabrechnung als Mindestmaße zu verstehen sind. Danach hatte der Zuschlag vom 19. Dezember 2006 auch insoweit keinen modifizierenden Charakter; der von der Antragstellerin gerügte Passus diente lediglich der Klarstellung.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt es nicht darauf an, welche Vorstellungen sie selbst hatte. Vorgabe des öffentlichen Auftraggebers in kaufmännischer Hinsicht war, dass jegliche Nebenangebote, die Pauschalpreise enthalten, für die Abrechnung die angegebenen Maße als Mindestmaße gelten lassen bzw. unterstellen. Dies bedeutet, dass ein wertungsfähiges Nebenangebot nur vorliegen konnte, wenn die Antragstellerin den Abrechnungsmodus der Auftraggeberin akzeptierte, und zwar unabhängig davon, ob ihr Nebenangebot lediglich ein kaufmännisches Nebenangebot im Sinne einer bloßen Pauschalierung der ursprünglichen Einheitspreispositionen beinhaltete oder ein Angebot mit technischen bzw. technologischen Abweichungen darstellte, welches zugleich mit einem Pauschalpreis kombiniert war. Ob das Angebot der Antragstellerin dieser Vorgabe entsprach, war durch Auslegung dieses Angebotes zu ermitteln. Die Auslegung war erforderlich, denn einerseits wurde der Begriff des durchschnittlichen Maßes in den technischen Darstellungen des Nebenangebotes verwendet, andererseits wurden die Ausschreibungsbedingungen - auch für Nebenangebote mit Pauschalpreisen - ausdrücklich anerkannt. Im Sinne einer angebotserhaltenden Auslegung, d.h. unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Antragstellerin gewiss kein unzulässiges, weil die kaufmännischen Vorgaben der Verdingungsunterlagen abänderndes Nebenangebot abgeben wollte, war es aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers, wie hier der Vergabestelle, mindestens vertretbar, wenn nicht sehr naheliegend, den Angaben auf den technischen Zeichnungen kein Gewicht für die Abrechnung der Leistungen zuzumessen.
3. Selbst wenn der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin rechtzeitig eingereicht worden wäre, wäre er lediglich mit der Rüge der vermeintlich vergaberechtswidrigen de-facto-Auf-hebung zulässig gewesen. Diese Rüge ist einen Tag nach Zugang der Kündigung, in der die aufhebende Maßnahme der Vergabestelle gesehen wird, gegenüber der Vergabestelle erhoben worden.
Dem gegenüber wäre die Rüge eines Verstoßes gegen das Nachverhandlungsverbot des § 24 Nr. 3 VOB/A, die einen Schwerpunkt der Beschwerdebegründung darstellt, ohnehin präkludiert gewesen. Sie wurde nicht unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB erhoben, denn die Antragstellerin hat Kenntnis von der angeblichen Modifizierung des Zuschlags seit Zugang der drei Auftragsschreiben am 19. Dezember 2006. Ihr Schriftwechsel Anfang des Jahres 2007 zeigt, dass sie sich der rechtlichen Bedeutung dieser Modifikationen durchaus bewusst war. Sie stützt sich in ihrer Verhandlungsposition maßgeblich auf das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 5. Dezember 2006, 24 U 58/05 (u.a. VergabeR 2007, 557), welches - ohne dass es für die Entscheidung in einem Rechtsstreit um vertragliche Vergütung darauf angekommen wäre - das Nachverhandlungsverbot des § 24 Nr. 3 VOB/A im Zusammenhang mit einer verspäteten Zuschlagserteilung diskutiert. Die Rüge selbst wurde gleichwohl erstmals im laufenden Nachprüfungsverfahren Ende Mai 2007 erhoben.
4. Die Rüge einer unzulässigen de-facto-Aufhebung wäre, selbst wenn sie zulässig gewesen wäre, unbegründet gewesen. Die Antragstellerin wäre durch eine Aufhebung der Ausschreibung im Mai 2007 nicht in ihren subjektiven Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB betroffen gewesen; insbesondere wären hierdurch ihre Chancen für eine Zuschlagserteilung nicht vermindert, sondern allenfalls erhöht worden.
Zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung lag ein zuschlagfähiges Angebot der Antragstellerin im ursprünglichen Vergabeverfahren nicht mehr vor. Das Angebot der Antragstellerin vom 7. September 2006 einschließlich des Nebenangebots Nr. 1 war erloschen, weil die Bindung der Antragstellerin an ihr Angebot abgelaufen war (§ 148 BGB). Die Annahme allein durch Zuschlagserteilung war nicht mehr möglich (§ 150 Abs. 1 BGB). Die Antragstellerin hatte die Bindung an dieses ursprüngliche Angebot nicht über den 31. Dezember 2006 hinaus verlängert. Dies ist auch nicht konkludent geschehen. Vielmehr hat die Antragstellerin Anfang des Jahres 2007 selbst ausdrücklich erklärt, dass das ursprüngliche Angebot erloschen sei. Sie hat unter Berufung auf die o.a. Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm darauf beharrt, dass sie Anspruch auf die Zuschlagserteilung auf ein verändertes Angebot habe. Ihr Ergänzungsangebot vom 14. März 2007 ist jedoch nicht zuschlagsfähig, weil es zum Zeitpunkt der Submission im September 2006 noch nicht vorlag. Die Angebotsänderung verstößt gegen § 24 Nr. 3 VOB/A. Einen Zeitraum zwischen Zuschlagserteilung und Wirksamkeit des Vertragsschlusses, den das Oberlandesgericht Hamm in seiner Entscheidung als vom Verbot des § 24 Nr. 3 VOB/A freigestellt unterstellt, gibt es wegen des Zusammenfallens von Zuschlag und Vertragsschluss nicht.
Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin auf die Rechtsprechung u.a. des erkennenden Senates, wonach es der Vergabestelle u.U. erlaubt gewesen wäre, den Zuschlag auch auf ein Angebot zu erteilen, dessen Bindungsfrist bereits abgelaufen war, hier auf das ursprüngliche Angebot der Antragstellerin. Die Antragstellerin verkennt insoweit, dass selbst dann, wenn ein solches Vorgehen als zulässig anzusehen ist, grundsätzlich und so auch hier kein vergaberechtlicher Anspruch auf Erteilung eines Zuschlages auf ein bereits erloschenes Angebot besteht. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme von diesem Grundsatz liegen hier jedenfalls nicht vor, weil die Antragstellerin es nicht nur selbst in der Hand gehabt hätte, in dem i.E. nicht beendeten Vergabeverfahren rechtzeitig eine Verlängerung der Bindefrist zu erklären, sondern hierfür auch ein äußerer Anlass bestanden hätte.
5. Die Entscheidung über die Kostentragung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Der Senat legt dabei die geprüfte Angebotssumme des Angebotes der Antragstellerin vom 14. März 2007 zugrunde, auf deren Annahme das Nachprüfungsverfahren primär gerichtet ist.
Ende der Entscheidung
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