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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 09.10.2008
Aktenzeichen: 1 Verg 8/08
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 128 Abs. 3 Satz 1
1. Für die Beurteilung des Unterliegens eines Beteiligten im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer i.S.v. § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB ist allein der Ausgang des Verfahrens im Verhältnis zu dem von ihm gestellten Antrag bzw. zu den von ihm gestellten Anträgen maßgeblich; dies erfordert eine wertende Betrachtung der Antragsziele des Beteiligten.

2. Verfolgt die Antragstellerin im Vergabenachprüfungsverfahren primär das Ziel einer erneuten Wertung ihres bereits vorliegenden (preisgünstigsten) Angebots und begehrt sie daneben ganz allgemein eine Erhaltung einer Chance auf Auftragserteilung im materiellen Beschaffungsvorgang, z. Bsp. durch Einräumung einer Gelegenheit zur Erstellung eines neuen Angebotes, so liegen zwei nicht identische Antragsziele vor, die zueinander in einem Stufenverhältnis, wie Haupt- und Hilfsantrag, stehen.

3. Bei einem beiderseitigen teilweisen Unterliegen von Antragstellerin und Antragsgegnerin sind die Kosten nach § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB nach dem Verhältnis des jeweiligen Unterliegens zu verteilen. Im Falle der Zurückweisung des Hauptantrages der Antragstellerin sowie des Erfolgs ihres Hilfsantrages entgegen der von der Antragsgegnerin beantragten vollständigen Zurückweisung des Nachprüfungsantrages ist grundsätzlich eine Kostenaufhebung verhältnismäßig.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG Beschluss

1 Verg 8/08 OLG Naumburg

verkündet am: 9. Oktober 2008

In dem Vergabenachprüfungsverfahren (Beschwerdeverfahren)

betreffend die u.a. im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Dezember 2007 ausgeschriebene Vergabe des Bauauftrages "Schloss ?A. ? in W., Fassadeninstandsetzung Bereich Museum, Hoffassade", hier Los 2: "Steinrestaurierung mit Werksteinreinigung",

hier: (isoliert) Kostenlast im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm im schriftlichen Verfahren mit dem Schlusstermin

vom 30. September 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 31. Juli 2008, 1 VK LVwA 4/08, hinsichtlich Ziffer 2) des Entscheidungsausspruchs aufgehoben und, wie folgt, neu gefasst:

Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer (Gebühren und Auslagen der Vergabekammer sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin) haben die Antragstellerin und die Antragsgegnerin je zur Hälfte zu tragen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin, eine kommunale Gebietskörperschaft, schrieb im Dezember 2007 den oben genannten Bauauftrag EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) - Ausgabe 2006 - in zwei Losen zur Vergabe aus. Der Auftrag ist Bestandteil eines umfangreicheren Bauvorhabens. Als Zuschlagskriterium war allein der niedrigste Preis bekannt gemacht.

Zur Submission lagen 17 Hauptangebote und neun Nachlassangebote vor, darunter das Angebot der Antragstellerin als das nach rechnerischer Prüfung preisgünstigste Angebot für das Los 2 "Steinrestaurierung mit Werksteinreinigung". Im Rahmen der Angebotswertung schloss die Antragsgegnerin dieses Angebot jedoch nach § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A aus, weil sie den Angebotspreis als unangemessen niedrig bewertete.

Mit Schriftsatz vom 13. März 2008 hat die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit dem Ziel beantragt, dass der Antragsgegnerin aufgegeben werden möge, den Ausschluss ihres Angebotes, also desjenigen der Antragstellerin, rückgängig zu machen und die Wertung insbesondere in der vierten Wertungsstufe unter Einschluss dieses Angebotes zu wiederholen. Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung des Nachprüfungsantrages beantragt und eine Zuschlagserteilung hinsichtlich des Auftrages zu Los 2 an die Beigeladene beabsichtigt.

Die Vergabekammer hat die Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens im Termin der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2008 u.a. darauf hingewiesen, dass i.E. keines der siebzehn vorliegenden Angebote vollständig i.S. der Anforderungen der Verdingungsunterlagen sei und dies im Einzelnen ausgeführt. Sie hat darauf hingewiesen, dass die Anordnung der Aufhebung der Ausschreibung in Betracht komme. Sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin haben ihre ursprünglich gestellten Anträge aufrecht erhalten.

Mit Beschluss vom 31. Juli 2008 hat die Vergabekammer der Antragsgegnerin aufgegeben, das Vergabeverfahren hinsichtlich des Loses 2 aufzuheben. Sie hat ihre Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin jedenfalls aus formellen Gründen zwingend war und zu Recht erfolgte (vgl. BA S. 12 f.), eine Aufhebung der Ausschreibung jedoch gleichwohl erforderlich sei, weil gar kein zuschlagfähiges (vollständiges) Angebot vorliege und daher die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Transparenz und der Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs einer Zuschlagserteilung im vorliegenden Verfahren entgegen stünden (vgl. BA S. 16). Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens hat sie vollständig der Antragsgegnerin auferlegt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass dem Anliegen der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren letztlich entsprochen worden sei.

Gegen die Kostenlastentscheidung dieses ihr am 5. August 2008 zugestellten Beschlusses richtet sich die mit Schriftsatz vom 18. August 2008 erhobene und am selben Tage vorab per Fax beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangene sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin ist der Meinung, dass auch die Antragstellerin ihr Verfahrensziel nicht erreicht habe, weshalb eine hälftige Kostenteilung anzuordnen sei. Der Antragstellerin sei es um die Zuschlagserteilung im laufenden Vergabeverfahren gegangen, weil in diesem Verfahren ein scheinbar aussichtsreiches Angebot abgegeben worden sei. Der Eingriff der Vergabekammer in das Vergabeverfahren habe auf anderen Vergaberechtsverstößen der Antragsgegnerin beruht, als denjenigen, die die Antragstellerin gerügt habe. Die Aufhebung der Ausschreibung habe zudem zu einer Verschlechterung der Zuschlagschancen der Antragstellerin gegenüber der angestrebten Fortsetzung des ursprünglichen Vergabeverfahrens bis zum Zuschlag geführt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift vom 18. August 2008 und den ergänzenden Schriftsatz vom 30. September 2008 Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Kostenentscheidung zu Ziffer 2) des Tenors des Beschlusses der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom , 1 VK LVwA 4/08, teilweise abzuändern und die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer jeweils zur Hälfte ihr und der Antragstellerin aufzuerlegen.

Die Antragstellerin beantragt,

die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt im Wesentlichen die angefochtene Entscheidung und vertieft u.a. die Ansicht, dass es ihr allein um die Erhaltung einer Zuschlagschance gegangen sei. Letztlich habe die Vergabekammer auch eine Rechtsverletzung der Antragsgegnerin zu Lasten der Antragstellerin festgestellt und den Nachprüfungsantrag für begründet erachtet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 8. September 2008 Bezug genommen.

Der Senat hat im Einvernehmen mit beiden Beteiligten des Beschwerdeverfahrens die Durchführung eines schriftlichen Verfahrens mit dem Schlusstermin am 30. September 2008 angeordnet.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Vergabekammer ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass allein die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen war. Die Antragstellerin ist mit ihrem Begehren ebenfalls teilweise unterlegen geblieben; daher ist sie auch an der Verteilung der Kosten des Verfahrens zu beteiligen. Der Senat erachtet hier eine hälftige Kostenteilung für angemessen.

1. Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist zulässig. Es wurde frist- und formgerecht (§ 117 Abs. 1 bis 3 GWB) beim zuständigen Gericht (§ 116 Abs. 3 S. 1 GWB) eingelegt. Die auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfenden allgemeinen Voraussetzungen für die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens (§§ 98 bis 100, 102, 107 Abs. 1, 108 GWB) liegen vor. Eine isolierte Anfechtung der Kostenlastentscheidung der Vergabekammer ist nach § 116 Abs. 1 GWB statthaft (ständige Rechtsprechung u.a. des erkennenden Senats, vgl. nur Beschlüsse vom 7. August 2001, 1 Verg 1/01, sowie vom 6. April 2005, 1 Verg 2/05 - VergabeR 2005, 676 - , letzterer m.w.N.).

2. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist auch begründet.

Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer sind je zur Hälfte von der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu tragen, d.h. auch die Antragstellerin hat einen Teil dieser Kosten zu tragen.

2.1. Nach § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB sind die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer von demjenigen bzw. denjenigen zu tragen, die im Verfahren unterliegen. Für die Beurteilung des Obsiegens bzw. Unterliegens eines Beteiligten ist, worauf die Vergabekammer zu Recht abstellt, allein der Ausgang des Nachprüfungsverfahrens im Verhältnis zu dem von ihm gestellten Antrag bzw. zu den Anträgen in diesem Verfahren maßgeblich (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. nur Beschlüsse vom 7. August 2001, 1 Verg 1/01 - OLGR Naumburg 2002, 73 -, vom 28. September 2001, 1 Verg 9/01 - VergabeR 2002, 200 -, und vom 23. April 2003, 1 Verg 1/03 - ZfBR 2003, 831 <Ls.> - , jeweils m.w.N.). Der anzustellende Vergleich zwischen Antragszielen und Verfahrensausgang erfordert eine wertende Betrachtung der Antragsziele im Hinblick auf ihren Inhalt und auf ein etwaiges Stufenverhältnis zwischen mehreren Antragszielen.

a)Die Antragsgegnerin ist Unterlegene im Nachprüfungsverfahren i.S.v. § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Sie hat die Zurückweisung des Nachprüfungsantrages beantragt; dieser Antrag zielte auf eine Fortführung des ursprünglichen Vergabeverfahrens und den beabsichtigten Abschluss dieses Verfahrens mit der Zuschlagserteilung an die Beigeladene, hilfsweise an einen anderen Bieter. Dieses Verfahrensziel verfehlte die Antragsgegnerin; sie wurde vielmehr von der Vergabekammer verpflichtet, das ursprüngliche Vergabeverfahren zu Los 2 aufzuheben. In der damit verbundenen Untersagung der Erteilung des Zuschlags im laufenden Vergabeverfahren ist das Unterliegen der Antragsgegnerin begründet. Diese kostenrechtliche Wertung der Vergabekammer greift die Antragsgegnerin nicht an.

b)Die Antragstellerin ist ebenfalls teilweise Unterlegene im Nachprüfungsverfahren.

aa)Allerdings geht die Vergabekammer zu Recht davon aus, dass die Antragstellerin (z.T.) obsiegt hat. Die Vergabekammer hat eine Verletzung der subjektiven Rechte der Antragstellerin im Vergabeverfahren nach § 97 Abs. 7 GWB festgestellt und den Nachprüfungsantrag auch ausdrücklich als begründet angesehen. Sie hat, was im Hinblick auf die kostenrechtliche Bewertung des Verfahrensausgangs maßgeblich ist, in das laufende Vergabeverfahren eingegriffen, um die Rechtsverletzung zu Lasten der Antragstellerin zu beseitigen. Insoweit ist es kostenrechtlich unerheblich, ob die konkrete Rechtsverletzung, die die Vergabekammer zum Anlass für ihren Eingriff genommen hat, von der Antragstellerin selbst bereits gerügt worden ist oder nicht (so bereits der erkennende Senat in den Beschlüssen vom 7. August 2001, 1 Verg 1/01 <a.a.O.>, vom 28. September 2001, 1 Verg 9/01 <a.a.O.>, und vom 23. April 2003, 1 Verg 1/03 <a.a.O.>, jeweils für einen von Amts wegen aufgegriffenen Vergaberechtsverstoß). Grundsätzlich ist kostenrechtlich auch irrelevant, ob sich die von der Nachprüfungsinstanz ausgewählte Maßnahme zur Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens mit jener deckt, die der Antragsteller anregt; nach dem Grundgedanken des § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind einem Antragsteller Abweichungen zwischen Antragsziel und Verfahrensausgang dann kostenrechtlich nicht zuzurechnen, wenn sie auf einer Ermessensausübung des Gerichts bzw. hier der Nachprüfungsinstanz im Rahmen von § 114 Abs. 1 GWB beruhen (so schon Beschlüsse des erkennenden Senats vom 17. Februar 2004, 1 Verg 15/03 - VergabeR 2004, 634 - , sowie vom 31. März 2004, 1 Verg 1/04 - ZfBR 2004, 497 - ; ebenso - ohne nähere Begründung - auch BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06 - VergabeR 2007, 59 - ).

bb)Die Antragstellerin ist hier jedoch zugleich auch teilweise Unterlegene. Sie hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer gleichbleibend die Wiederholung der Wertung, insbesondere der Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote, unter Einbeziehung ihres eigenen (preisgünstigsten) Angebots beantragt, und zwar auch dann noch, als eine Aufhebung der Ausschreibung bereits erörtert worden war. Dieser Antrag ist auf einen Eingriff der Vergabekammer in das laufende Vergabeverfahren gerichtet, aber auf einen Eingriff, der die Fortsetzung des ursprünglichen Vergabeverfahrens und insbesondere die Wertung der bereits vorliegenden Angebote einschließlich des bereits vorliegenden eigenen Angebots der Antragstellerin zum Ziel hat. Der Antragstellerin ging es gerade darum, ihren eigenen Vorteil als Bieterin des preisgünstigsten Angebots in der bestehenden Ausschreibung zu wahren, für die lediglich der Preis als Zuschlagskriterium bekannt gemacht worden war. Soweit sie im Beschwerdeverfahren geltend macht, dass ihr Verfahrensziel allgemein in einer Erhaltung ihrer Zuschlagschancen bestanden habe, liegt hierin ein weiteres, mit dem vorgenannten Antragsziel nicht identisches Begehren: Das Rechtsschutzziel der Antragstellerin im Vergabeverfahren ist durchaus so auszulegen, dass neben dem primär verfolgten Ziel der Erhaltung der Zuschlagschance im ursprünglichen Vergabeverfahren durch Wertung des bereits vorliegenden Angebots sekundär die Erhaltung irgendeiner Chance auf Auftragserteilung im materiellen Beschaffungsvorgang durch Einräumung der Gelegenheit zur erneuten Angebotserstellung angestrebt wird. Die Verfolgung verschiedener Antragsziele in einem Nachprüfungsverfahren ist zulässig; die beiden nicht identischen Antragsziele stehen hier zueinander in einem Verhältnis wie Haupt- und Hilfsantrag. Dieser objektiven Bewertung steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin diese Terminologie nicht verwendet und die Vergabekammer diesem Stufenverhältnis keine Bedeutung beigemessen hat. Der Aussagegehalt einer Prozesserklärung, wie hier des Nachprüfungsantrages, bestimmt sich nach objektiven Maßstäben. Das Vorausgeführte zum Stufenverhältnis der beiden Antragsziele der Antragstellerin gilt auch ungeachtet des Umstandes, welches der beiden Antragsziele mit größeren Zuschlagschancen für die Antragstellerin verbunden war. Die Präferenz der Antragstellerin wird aus ihrem Vorbringen zur Begründung des Nachprüfungsantrages hinreichend deutlich.

Die von der Vergabekammer getroffene und in der Hauptsache inzwischen bestandskräftige Entscheidung, die Antragsgegnerin zur Aufhebung des Vergabeverfahrens zu verpflichten, entspricht einer Zurückweisung des Hauptantrags der Antragstellerin im vorgenannten Sinne und einem Obsiegen der Antragstellerin mit ihrem Hilfsantrag. Wird dem primären Antragsziel der Antragstellerin, das eigene, bereits vorliegende Angebot in die Wirtschaftlichkeitsbewertung einzubeziehen, nicht stattgegeben, sondern die Antragstellerin im Rahmen der Beseitigung der Verletzung ihrer subjektiven Rechte nach § 97 Abs. 7 GWB auf die Chance der Neuerstellung eines wettbewerbsfähigen Angebots verwiesen, so hat nur ihr hilfsweise verfolgtes Begehren Erfolg.

Dies ergibt sich auch aus nachfolgender Kontrollüberlegung: Die Antragstellerin wäre unzweifelhaft berechtigt gewesen, die Entscheidung der Vergabekammer in der Hauptsache mit einem eigenen Rechtsmittel nach § 116 Abs. 1 GWB anzufechten mit dem Ziel, statt der angeordneten Aufhebung der Ausschreibung eine Fortsetzung des laufenden Vergabeverfahrens durch Wiederholung der Wertung zu erreichen. Hierfür hätte es aus den o.g. Gründen weder an einer materiellen noch an einer formellen Beschwer gemangelt. Die formelle und materielle Beschwer eines Beteiligten durch eine Entscheidung legt aber mindestens nahe, dass der Beteiligte auch im kostenrechtlichen Sinne teilweise unterlegen war. Ausnahmen bestehen lediglich im Anwendungsbereich des Rechtsgedankens des § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, sind im vorliegenden Fall jedoch nicht einschlägig.

2.2. Im vorliegenden Fall ist eine Kostenteilung zwischen Antragstellerin und Antragsgegnerin je zur Hälfte verhältnismäßig.

Bei einem beiderseitigen teilweisen Unterliegen von Antragstellerin und Antragsgegnerin sind die Kosten nach § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB ("Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt ...") nach dem Verhältnis des jeweiligen Unterliegens zu verteilen. Der Senat hält daran fest, dass im Falle der Zurückweisung des Hauptantrages der Antragstellerin sowie eines Eingriffs der Vergabekammer in das Vergabeverfahren auf einen Hilfsantrag der Antragstellerin bzw. von Amts wegen entgegen der von der Vergabestelle beantragten vollständigen Zurückweisung des Nachprüfungsantrages grundsätzlich für eine Kostenquote zu ungleichen Teilen kein Raum ist (vgl. Beschluss vom 23. April 2003, 1 Verg 1/03 <a.a.O.>). Denn Maßstab für die Anteile der Verfahrenserfolge ist letztlich der (fiktive) Kostenwert der Anträge: Der Kostenwert eines auf Primärrechtsschutz gerichteten Nachprüfungsantrages wird bei der gerichtlichen und anwaltlichen Gebührenberechnung nach § 50 Abs. 2 GKG bzw. nach § 23 Abs. 1 RVG pauschal und ohne Differenzierung des Gegenstandes im Einzelnen, z. Bsp. der Intensität und Zielrichtung des begehrten Eingriffs, jeweils nach der Bruttoauftragssumme ermittelt. Im vorliegenden Fall haben mithin der Hauptantrag der Antragstellerin, mit dem sie unterlegen ist, und der Hilfsantrag der Antragstellerin, hinsichtlich dessen die Antragsgegnerin unterlegen ist, denselben fiktiven Kostenwert. Dies lässt die Kostenaufhebung als verhältnismäßige Kostenteilung erscheinen (im Ergebnis ebenso OLG Dresden, Beschluss vom 25. Januar 2005, W Verg 0014/04 - OLGR Dresden 2005, 285 -; OLG Naumburg, Beschluss v. 28. September 2001, 1 Verg 9/01 <a.a.O.>). Dem steht die von der Antragstellerin angeführte Entscheidung des X. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06 - VergabeR 2007, 59 - ) nicht entgegen: Ausweislich des Abschnitts VI. Ziffer 1 der Entscheidungsgründe ging auch der X. Zivilsenat trotz erkannter Begründetheit des Nachprüfungsantrags wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes bei ausschließlichem Vorliegen von Angeboten mit einem identischen formellen Mangel von einer Konstellation im Sinne des § 92 ZPO aus, d.h. von einem teilweisen Unterliegen auch des dortigen Antragstellers. Seine Entscheidung, der Vergabestelle sämtliche Kosten aufzuerlegen, beruhte nicht etwa darauf, dass er sie als einzige Unterlegene ansah, sondern auf einer Anwendung der Grundsätze des § 92 Abs. 2 ZPO; in der besonderen, ihm vorliegenden Fallgestaltung erachtete er eine Belastung des Antragstellers mit den Kosten für nicht gerechtfertigt, ohne dies weiter auszuführen. Die Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 ZPO liegen hier jedoch nicht vor.

3. Die Entscheidung über die Kostentragung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Antragstellerin unterliegt in der Rechtsmittelinstanz.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Das Interesse der Antragsgegnerin an der begehrten Senatsentscheidung bemisst sich nach der Hälfte der Gesamtkosten des Vergabenachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer. Der Senat schätzt diese Gesamtkosten unter Einbeziehung der bereits festgesetzten Gebühren und Auslagen der Vergabekammer und der noch nicht festgesetzten anwaltlichen Gebühren und Auslagen der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin auf ca. 6.000 €.

Ende der Entscheidung

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