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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 03.09.2009
Aktenzeichen: 1 W 23/09
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 812 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 S. 2
1. Zur Frage der Anwendbarkeit der Rechtsprechung des XII. Zivilsenates des BGH zum bereicherungsrechtlichen Ausgleich einer gemeinschaftsbezogenen Zuwendung im Falle der Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft durch den Tod eines Partners.

2. Aufwendungen eines Lebensgemeinschaftspartners für den gemeinsamen laufenden Unterhalt sind keinesfalls gemeinschaftsbezogene Zuwendungen.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

1 W 23/09 OLG Naumburg

In dem Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Wiedemann als Einzelrichter

am 3. September 2009

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 8. Juni 2009, 4 O 312/09, wird zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen; außergerichtliche Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen die testamentarischen Erben ihres verstorbenen Lebenspartners.

Die Antragstellerin und der Verstorbene waren in der Zeit von Mai 1997 bis zu dessen Tod im November 2007 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft verbunden und wohnten seit März 1998 gemeinsam in der Wohnung der Antragstellerin. Sie führten getrennte Konten. Die Antragstellerin hat behauptet, dass nach einer internen und so auch "gelebten" Absprache zwischen ihnen ihre gesamten Einkünfte und nur ein geringer Teil seiner Einkünfte für die gemeinsame Lebensführung verwendet worden seien, während der Großteil seiner Einkünfte zur gemeinsamen Altersvorsorge, insbesondere zur Vorsorge für einen etwaigen Pflegefall eines oder beider Partner, gespart worden sei, und hierfür das Zeugnis ihrer im selben Haus wohnenden Tochter und ihres Schwiegersohnes als Beweis benannt. Für den Zeitraum von 2003 bis 2007 ist belegt, dass der Verstorbene ca. 4/5 seines Einkommens zur Vermögensbildung einsetzte.

Der Verstorbene hatte in einem gemeinschaftlichen Testament mit seiner im Jahre 1997 verstorbenen Ehefrau die Erbfolge unabänderlich geregelt; danach waren die Antragsgegnerinnen Ersatzerben. Der Ersatzfall ist eingetreten.

Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, dass sie gegen diese Erbinnen ihres verstorbenen Lebenspartners einen bereicherungsrechtlichen Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Ausgleich der Hälfte des während der Lebensgemeinschaft gesparten Anlagevermögens sowie des Wertes des Pkw des Verstorbenen habe.

Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 8. Juni 2009 zurückgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass die beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Angesichts des Bestreitens der Antragsgegnerinnen sei entscheidungserheblich, dass der Antragstellerin schriftliche Belege für einen entsprechenden Verteilungswillen des Verstorbenen fehlten. Die von ihr zitierte Entscheidung des XII. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes vom 9. Juli 2008, XII ZR 179/05 (BGHZ 177, 193) sei hier nicht einschlägig, weil sie lediglich Ausgleichsansprüche nach Beendigung der Lebensgemeinschaft durch Trennung, d.h. zwischen noch lebenden früheren Lebenspartnern, erfasse.

Hiergegen hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 3. Juli 2009 Beschwerde eingelegt. Der Beschwerde hat das Landgericht nicht abgeholfen und die Sache unter Bestätigung ihrer Rechtsansicht in der angefochtenen Entscheidung mit Beschluss vom 30. Juli 2009 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO als sofortige Beschwerde zulässig; insbesondere wurde es form- und fristgerecht eingelegt. Die sofortige Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht darauf erkannt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, was einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 114 ZPO entgegensteht.

Allerdings ist die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin nicht auf einen erbrechtlichen, sondern auf einen bereicherungsrechtlichen Ausgleich einer angeblich gemeinschaftsbezogenen Zuwendung wegen Zweckverfehlung gerichtet. Ein solcher Anspruch kommt grundsätzlich in Betracht. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat mit seinen Urteilen vom 9. Juli 2008, XII ZR 179/05 (= BGHZ 177, 193, u.a. auch NJW 208, 3277) und XII ZR 39/06 (u.a. NJW 2008, 3282) die Rechtsprechung der Familiengerichte zum teilweisen Ausgleich bzw. zur Rückabwicklung sog. ehebedingter Zuwendungen auf gleichartige Zuwendungen im Rahmen einer auf Dauer angelegten nichtehelichen Lebensgemeinschaft übertragen. Diese Entscheidungen haben in der Literatur breite Zustimmung erfahren; inzwischen hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes seine Rechtsauffassung nochmals bestätigt (vgl. Versäumnisurteil vom 18. Februar 2009, XII ZR 163/07 - FamRZ 2009, 849). Ein korrigierender Eingriff erfolgt in die während der Lebensgemeinschaft vollzogenen Vermögensverschiebungen nur dann, wenn dem Leistenden in diesem speziellen Vertragsverhältnis die Beibehaltung der durch die Zuwendung geschaffenen Vermögensverhältnisse nicht zuzumuten ist.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts knüpft die vorzitierte Rechtsprechung an die "Beendigung" der nichtehelichen Lebensgemeinschaft an, ohne dass es nach dem aufgestellten Rechtssatz auf die Art der Beendigung ankäme. Zwar sind alle drei bislang entschiedenen Fälle solche, in denen ein Ausgleich unter den noch lebenden ehemaligen Lebensgefährten begehrt wird. Eine sachliche Beschränkung des Anwendungsbereichs ergibt sich hieraus allein jedoch noch nicht. Soweit in der Literatur (jeweils unter Berufung auf Coester JZ 2008, 315, 316, zitiert auch von Löhning DNotZ 2009, 59, 61; Schwab ZJS 2009, 115, 122) ein bereicherungsrechtlicher Ausgleich gemeinschaftsbedingter Zuwendungen im Todesfall eines Partners generell abgelehnt wird, überzeugt die Begründung nicht ohne Weiteres (so wohl auch Griwotz FamRZ 2008, 1829, 1831). Danach soll den Erben des verstorbenen Partners kein Anspruch gegen den überlebenden Partner zustehen. Es ist schon zweifelhaft, ob diese Begründung den Ausschluss einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung in toto zu rechtfertigen vermag, denn die aufgezeigte Gefahr besteht nur in derjenigen Konstellation, in der der Verstorbene der Zuwendende war. Eine solche Situation liegt hier im Übrigen nicht vor; vielmehr geht die Antragstellerin davon aus, dass der Verstorbene Zuwendungsempfänger war. In der Sache ist auch nicht recht nachvollziehbar, weshalb die Verfehlung des Zwecks der dauerhaften Teilhabe an einem durch die Zuwendung geschaffenen Vermögenswert des Lebenspartners nur im Falle seines Überlebens rechtlich relevant sein sollte. Für die Vermeidung unbilliger Ergebnisse eines bereicherungsrechtlichen Ausgleichs zwischen den Erben des vorverstorbenen Lebenspartners und dem Überlebenden bedarf es eines vollständigen Ausschlusses solcher Ansprüche auch nicht. Über das Merkmal der Zumutbarkeit der Beibehaltung der durch die Zuwendung geschaffenen Vermögensverhältnisse für die Erben des Zuwendenden erscheint eine angemessene Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen des überlebenden Zuwendungsempfängers realisierbar. Jedenfalls trägt die Erwägung der Nichtanwendbarkeit der vorzitierten Rechtsprechung auf Fälle der Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft durch den Tod eines Partners die Entscheidung des Landgerichts nicht, weil die Rechtsfrage aus den vorgenannten Gründen derzeit offen und auch schwierig zu beantworten ist, so dass ihre Klärung im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens unangemessen erscheint.

Eine Abweisung des Prozesskostenhilfegesuchs kann auch nicht auf eine unzureichende Darlegung einer Zweckabrede gestützt werden. Die Antragstellerin hat eine solche Zweckabrede schlüssig behauptet. Hierfür genügt zwar das Vorbringen zum (einseitigen) Willen des Verstorbenen, die Pflichtteilsberechtigten weitgehend von der Erbschaft auszuschließen, nicht (vgl. Langenfeld ZEV, 494); dieser Umstand kann allenfalls im Rahmen der Billigkeitserwägungen eine (untergeordnete) Bedeutung erlangen. Die Antragstellerin hat jedoch angeführt, dass der Verstorbene und sie sich über eine gemeinsame Teilhabe an den Ersparnissen des Verstorbenen zur Alters- und insbesondere Pflegevorsorge - je nach künftig anfallendem Bedarf - einig gewesen seien. Für dieses Sachvorbringen hat die Antragstellerin Beweis angeboten. Alles Weitere ist Tatfrage, mithin von einer Beweisaufnahme und der Würdigung der Aussagekraft der Beweismittel abhängig.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist aber ohne Aussicht auf Erfolg, weil schon nach dem Vorbringen der Antragstellerin eine gemeinschaftsbedingte Zuwendung nicht vorliegt.

Bei Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft findet - ebenso, wie bei Beendigung der Ehe - keine Gesamtabrechnung statt. Auslgleichsfähig sind nur Leistungen, die den Bereich des täglichen Zusammenlebens überschreiten, die also über die bloße Verwirklichung der Lebensgemeinschaft hinausgehen. Aufwendungen für den laufenden Unterhalt sind danach keinesfalls Zuwendungen i.S. der vorzitierten Rechtsprechung (vgl. Langenfeld a.a.O.,; Schwab ZJS 2009, 115, 121; v. Proff NJW 2008, 3266, 3268 f.; Griwotz FamRZ 2009, 852).

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 97 Abs. 1 und 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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