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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 23.01.2002
Aktenzeichen: 1 W 32/01
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, Insolvenzordnung


Vorschriften:

ZPO § 575
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 116 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 127 Abs. 2 S. 2 a.F.
EGZPO § 26 Nr. 10
Insolvenzordnung § 55
Insolvenzordnung § 54
1. Grundsätzlich hat ein Insolvenzverwalter eine vollständige Übersicht über das gegenwärtige Vermögen vorzulegen und eine genaue Aufstellung der angemeldeten und von ihm anerkannten Insolvenzforderungen beizubringen, damit das Gericht in die Lage versetzt wird, die Zumutbarkeit von Kostenvorschussleistungen der wirtschaftlich Beteiligten selbst beurteilen zu können.

2. Prozesskostenhilfe kann nicht wegen unzureichender Angaben des Insolvenzverwalters versagt werden, wenn diese bereits ausreichen, um zu erkennen, dass die Kostentragung für die wirtschaftlich Beteiligten nicht zumutbar ist. Unzumutbar ist dabei insbesondere die Leistung eines Vorschusses, wenn auch im Falle eine Obsiegens der Vorschuss leistende Gläubiger nur mit einem geringen Ausgleich seiner Forderung rechnen könnte.

3. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO setzt nur die "Unzumutbarkeit" der Vorschussleistung voraus, nicht aber einen Versuch der Partei kraft Amtes, auch im Falle der Unzumutbarkeit einen Gläubiger dazu zu bewegen (überobligatorisch) einen Vorschuss zu leisten. Solches wäre im Übrigen mit der im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben der Partei kraft Amtes schwerlich zu vereinbaren.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

1 W 32/01 OLG Naumburg

Im Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 23. Januar 2002 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Zink und die Richter am Oberlandesgericht Geib und Wiedemann

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Halle vom 03.09.2001 aufgehoben.

Die Sache wird an das Landgericht Halle zur erneuten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Senats zurückverwiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

1. Der Antragsteller hat Prozesskostenhilfe beantragt. Er beabsichtigt, die Antragsgegnerin auf Zahlung von Werklohn in Höhe von 205.287,31 DM in Anspruch zu nehmen. In der Anlage PK 2 zu seinem Prozesskostenhilfeantrag trägt er die Höhe der Massekosten, Masseverbindlichkeiten und liquiden Mitteln vor und versichert die Richtigkeit seiner Angaben. Nach entsprechendem richterlichen Hinweis hat das Landgericht Halle mit Beschluss vom 03.09.2001 den Antrag zurückgewiesen, da der Antragsteller nicht dargetan habe, dass die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO vorlägen. Dem Antragsteller habe oblegen, eine vollständige Übersicht über das gegenwärtige Vermögen vorzulegen sowie eine genaue Aufstellung der angemeldeten und von ihm anerkannten Insolvenzforderungen, um das Gericht in die Lage zu versetzen, die Zumutbarkeit von Vorschussleistungen für die wirtschaftlich Beteiligten selbst zu beurteilen. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass der Antragsteller vergeblich versucht habe, die Insolvenzgläubiger zur Übernahme von Kosten zu bewegen.

Hiergegen richtet sich der mit Schriftsatz vom 20.09.2001 eingelegte und als "sofortige Beschwerde" bezeichnete Rechtsbehelf, in welchem der Antragsteller ergänzend darlegt, dass derzeit Forderungen von 43 Gläubigern in einer Gesamthöhe von 4.203.520,18 DM angemeldet seien, wovon er 75.743,53 DM zur Tabelle anerkannt habe.

2. Die Beschwerde ist zulässig und in der Sache mit der Maßgabe begründet, dass der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen war [§ 575 ZPO in der zum 31. 12. 2001 geltenden Fassung (a.F.); vgl. zur Zurückverweisung im Beschwerdeverfahren auch Zöller - Philippi, 22. Aufl., § 127 Rn. 38], um diesem Gelegenheit zu geben, die noch ausstehende Prüfung der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage nachzuholen.

2.1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO a.F. statthaft. Da die angefochtene Entscheidung vor dem 01.01.2002 der Geschäftsstelle des Landgerichts übergeben wurde, ist gem. § 26 Nr. 10 EGZPO die Zivilprozessordnung in der am 31. 12. 2001 geltenden Fassung anzuwenden. Sie wurde auch rechtswirksam eingelegt (§ 568 ZPO a.F.). Dem steht die fehlerhafte Bezeichnung als "sofortige Beschwerde" nicht entgegen, da der Wille, die angefochtene Entscheidung anzugreifen, aus dem eingereichten Schriftsatz jedenfalls unzweifelhaft hervorgeht (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 569 Rn. 7).

2.2. In der Sache hat das Rechtsmittel in o.g. Umfange Erfolg. Die Kammer hat den Antrag zu Unrecht mit der Begründung zurückgewiesen, die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO lägen nicht vor.

2.2.1. Gem. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO erhält eine Partei kraft Amtes auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen. Der Kläger kann nach den von ihm versicherten Angaben die Kosten des Rechtsstreites nicht aus der verwalteten Vermögensmasse aufbringen, da diese unzulänglich ist. Dies ist nicht zweifelhaft.

2.2.2.Entgegen der Auffassung der Kammer ist es auch den am Rechtsstreit wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten, die Kosten des Verfahrens vorzuschießen. Allerdings geht die Kammer im Grundsatz zutreffend davon aus, dass - entsprechend der Rechtsprechung des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg (Beschluss vom 28. November 2000, 5 W 139/00) - der Verwalter, wie jede andere Partei auch, eine vollständige Übersicht über das gegenwärtige Vermögen vorliegen und eine genaue Aufstellung der angemeldeten und von ihm anerkannten Insolvenzforderungen beibringen muss, damit das Gericht in die Lage versetzt wird, die Zumutbarkeit von Kostenvorschussleistungen der wirtschaftlich Beteiligten selbst beurteilen zu können. Allerdings dürfen insoweit keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere kann Prozesskostenhilfe nicht wegen unzureichender Angaben des Insolvenzverwalters versagt werden, wenn dessen Angaben zwar noch weiter hätten vereinzelt werden können, aber bereits jetzt ausreichen, um zu erkennen, dass die Kostentragung für die wirtschaftlich Beteiligten nicht zumutbar ist. Unzumutbar ist dabei insbesondere die Leistung eines Vorschusses, wenn auch im Falle eines Obsiegens der Vorschuss leistende Gläubiger nur mit einem geringen Ausgleich seiner Forderung rechnen könnte (BGH NJW 1994, 3170; vgl. auch BGH NJW 1991, 40f).

So liegt der Fall hier. Der Insolvenzverwalter ist im Hinblick auf seinen Vergütungsanspruch von vornherein nicht wirtschaftlich Beteiligter des Verfahrens ist (Zöller-Philippi, 22. Aufl., § 116 Rn. 10 a; Wax in Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., § 116 Rn. 17; BGH NJW 1998, 1229). Auch Massegläubigern i.S.d. § 55 Insolvenzordnung ist - entgegen einer abweichenden Auffassung der Kommentarliteratur (vgl. Wax in Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., § 116 Rn. 17) nicht zuzumuten, Prozesskosten vorzuschießen (Zöller-Philippi, 22. Aufl., § 116 Rn. 10 b; Pape, ZIP 1990, 1531). Demnach kommen als wirtschaftlich Beteiligte nur die weiteren Insolvenzgläubiger in Betracht. Diese könnten hier trotz eines hohen Prozessrisikos nur mit einer geringfügigen Erhöhung der Quote rechnen. Aus der Anlage PK 2 ergibt sich, dass Massekosten im Sinne des § 54 Insolvenzordnung in Höhe von 105.567,53 DM und Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 Insolvenzordnung in Höhe von 65.077,52 DM einem liquidem Vermögen von lediglich 10.902.91 DM gegenüberstehen. Selbst im Falle eines vollständigen Obsiegens könnten die Insolvenzgläubiger daher allenfalls erwarten, dass ein Restbetrag von 45.545,17 DM zur weiteren Verteilung erwirtschaftet wird. Da Forderungen in einer Gesamthöhe von 4.203.520,18 DM angemeldet wurden ist - ungeachtet des Umstandes, dass der Antragsteller bislang lediglich 75.743,53 DM zur Tabelle anerkannt hat - nicht zu erwarten, dass durch Übernahme des Prozessrisikos eine nennenswerte Verbesserung der Quote zu erwarten wäre.

2.2.3. Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht daraus, dass der Insolvenzverwalter nicht dargelegt hat, Gläubiger zur Leistung von Zuschüssen aufgefordert zu haben. Soweit die Kammer den Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg (Beschluss vom 28. November 2000, 5 W 139/00) dahingehend verstehen sollte, dass der Bewilligung von Prozesskostenhilfe immer der Versuch vorausgehen muss, einen Vorschuss zu erhalten, folgt der Senat dem nicht. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO setzt nur die "Unzumutbarkeit" der Vorschussleistung voraus, nicht aber einen Versuch der Partei kraft Amtes, auch im Falle der Unzumutbarkeit einen Gläubiger dazu zu bewegen, (überobligatorisch) einen Vorschuss zu leisten. Solches wäre im Übrigen mit der im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe der Partei kraft Amtes schwerlich zu vereinbaren.

2.3. Mit der Aufhebung des Beschlusses erhält das Landgericht Gelegenheit, erneut über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden, wobei - entsprechend der Rechtsauffassung des Senats - lediglich noch die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage zu prüfen sind. Zum weiteren Verfahren weist der Senat darauf hin, dass vorab der Antragstellerin noch Gelegenheit zu geben sein wird, zu den von der Antragsgegnerin aufgeführten Einwendungen gegen die Klageforderung Stellung zu nehmen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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