Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 08.04.2008
Aktenzeichen: 1 W 64/07
Rechtsgebiete: ZPO, GVG


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 5
ZPO § 37
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 2
GVG §§ 95 ff.
GVG § 102
Gegen den Beschluss einer Zivilkammer, die ihr ursprünglich zugewiesene Rechtssache nicht an eine andere Zivilkammer desselben Gerichts abzugeben im Hinblick auf eine Zuweisungsregel im gerichtsinternen Geschäftsverteilungsplan, sondern das Verfahren weiter selbst zu führen, ist ein isoliertes Rechtsmittel nicht eröffnet.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

1 W 64/07 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel und die Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und Grimm am 8. April 2008

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 9. November 2007 wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 96.422,21 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die funktionelle Zuständigkeit der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg.

Der Kläger hat am 30. Dezember 2004 eine Klage gegen den Beklagten eingereicht, die von der Eingangsgeschäftsstelle des Landgerichts Magdeburg als Amtshaftungssache angesehen und der hierfür nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts funktionell ausschließlich zuständigen 10. Zivilkammer zugewiesen wurde. Gegen diese Zuweisung hat weder die empfangende noch sonst eine Kammer Einwendungen erhoben.

Die Kammer hat am 16. März 2005 einen frühen ersten Termin in der Sache durchgeführt. Im Termin hat die Kammer im Zusammenhang mit einer vermeintlichen Grundsatzfrage darauf hingewiesen, dass sie als funktionell ausschließlich für Amtshaftungssachen zuständige Zivilkammer alle vergleichbaren Fälle ebenfalls zu entscheiden hätte. Der Beklagte hat sich gleichwohl rügelos weiter zur Sache eingelassen. Inzwischen hat im Rechtsstreit eine umfangreiche Beweisaufnahme stattgefunden.

Nachdem die Kammer die Absicht auf Einholung eines weiteren gerichtlichen Gutachtens bekundet hatte, hat der Beklagte erstmals am 16. Juli 2007 die Abgabe an die 9. Zivilkammer beantragt, welche nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts funktionell ausschließlich zuständig ist für Arzthaftungssachen.

Das Präsidium des LG hat eine Entscheidung über die funktionelle Zuständigkeit abgelehnt, weil keine Meinungsverschiedenheit zweier Spruchkörper vorliegt (sog. Auslegungsstreit), sondern ein Rechtsmittel einer Prozesspartei. Daraufhin hat die Kammer den Antrag auf Abgabe mit Beschluss vom 9. November 2007 abgelehnt.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner sofortigen Beschwerde vom 30. November 2007, der die Kammer nicht abgeholfen hat.

Der Senat hat die Parteien am 13. März 2008 auf die nach seiner damals vorläufigen Rechtsauffassung fehlende Zulässigkeit des Rechtsmittels sowie darauf hingewiesen, dass auch eine Umdeutung in einen Antrag nach §§ 37, 36 Abs. 1 Nr. 5 ZPO nicht in Betracht kommt, weil bislang nur ein Spruchkörper mit der Sache befasst gewesen ist. Der Senat hat den Parteien Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme eingeräumt. Hiervon haben beide Parteien auch fristgerecht Gebrauch gemacht.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist unzulässig.

Gegen die Ablehnung der Abgabe der Rechtssache an eine andere Zivilkammer ist aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Rechtsmittel eröffnet. Der Kläger bleibt darauf beschränkt, seine Einwendungen gegen die funktionelle Zuständigkeit erforderlichenfalls im Rahmen eines Rechtsmittels gegen die in der Sache ergehende Entscheidung geltend zu machen, soweit er durch diese Entscheidung in der Hauptsache beschwert sein wird.

Wie der Beklagte einräumt, ist ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen, wie die vorliegende Ablehnung der Abgabe der Rechtssache an eine andere Zivilkammer desselben Gerichts, weder im GVG noch in der ZPO ausdrücklich vorgesehen.

Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde ergibt sich auch nicht aus § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Zwar ist durch die angefochtene Entscheidung ein Prozessgesuch des Beklagten im schriftlichen Verfahren zurückgewiesen worden, ein Beschwerderecht gegen diese Entscheidung ist jedoch ausgeschlossen. Der Senat entnimmt dies dem Rechtsgedanken insbesondere des § 102 GVG, wonach Verweisungen zwischen einer Zivilkammer und einer Kammer für Handelssachen bzw. auch die Zurückweisung eines entsprechenden Verweisungsantrages unanfechtbar sind. Wenn sogar für den Fall einer gesetzlich geregelten funktionellen Zuständigkeit, wie in den §§ 95 ff. GVG, eine isolierte Anfechtbarkeit der einmal getroffenen Zuständigkeitsentscheidung ausgeschlossen ist und damit dem Interesse an einer beschleunigten Verfahrensdurchführung Vorrang vor der Richtigkeit der funktionellen Zuordnung der Sache zu einem Spruchkörper desselben Gerichts eingeräumt wird, so muss dies erst recht für eine nur durch einen Geschäftsverteilungsplan konstituierte funktionelle Zuständigkeit zutreffen. Es ist jedenfalls auch unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen des Beklagten nicht ersichtlich, weshalb insoweit eine unterschiedliche Behandlung zwischen gesetzlich angeordneter und gerichtsintern bestimmter funktioneller Zuständigkeit bestehen sollte. Für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht auch, dass der Gesetzgeber für die gesetzlich geregelte örtliche und sachliche Zuständigkeit in § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO ebenfalls einer beschleunigten, nicht durch Zuständigkeitsstreitigkeiten belasteten Verfahrensführung das Primat vor einer isolierten Anfechtbarkeit gegeben hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Kostenwerts des Beschwerdeverfahrens erfolgt lediglich deklaratorisch im Hinblick auf etwaige Anwaltsgebühren; die gerichtliche Gebühr ist nach KV Nr. 1812 in Anlage 1 z. GKG eine Pauschalgebühr.

Ende der Entscheidung

Zurück