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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 04.06.2008
Aktenzeichen: 1 Ws Reh 179/08
Rechtsgebiete: StrRehaG
Vorschriften:
StrRehaG § 17 Abs. 1 | |
StrRehaG § 17 a Abs. 1 S. 1 |
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS
1 Ws Reh 179/08 OLG Naumburg
In dem Verfahren
hat der 1. Senat für Rehabilitierungsverfahren des Oberlandesgerichts Naumburg am 04. Juni 2008 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krüger, den Richter am Oberlandesgericht Sternberg und den Richter am Oberlandesgericht Halves
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Landgerichts Halle - Kammer für Rehabilitierungssachen - vom 27. Februar 2008 aufgehoben.
Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. November 2007 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht frei von Gerichtskosten. Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Mit rechtskräftigem Beschluss vom 09. September 1997 hatte das Landgericht Halle - 1. Kammer für Rehabilitierungssachen - das gegen den Betroffenen ergangene Urteil des Kreisgerichts Eisleben vom 07. Januar 1963 für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben sowie die Dauer des zu Unrecht erlittenen Freiheitsentzugs für die Zeit vom 17. November 1962 bis zum 14. Mai 1963 festgestellt.
Den Antrag des Betroffenen auf Gewährung einer besonderen monatlichen Zuwendung (Opferpension) gemäß § 17 a StrRehaG hat die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 16. November 2007 abgelehnt.
Auf den dagegen gerichteten Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung hat das Landgericht Halle - Kammer für Rehabilitierungssachen - mit Beschluss vom 27. Februar 2008 (1.) den Bescheid der Beschwerdeführerin vom 16. November 2007 aufgehoben, (2.) festgestellt, dass der Betroffene im Sinne des § 17 a Abs. 1 StrRehaG Berechtigter nach § 17 Abs. 1 StrRehaG ist, der eine mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbare Freiheitsentziehung von insgesamt mindestens sechs Monaten erlitten hat, (3.) das Verfahren zur erneuten Entscheidung über den Antrag nach § 17 a StrRehaG unter Beachtung der unter Ziffer 2. erfolgten Feststellung an die Beschwerdeführerin zurückverwiesen und (4.) eine Kosten- und Auslagenentscheidung getroffen.
Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde vom 18. März 2008.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 13 Abs. 1, 25 Abs. 1 S. 4 StrRehaG) und hat auch in der Sache Erfolg.
Entgegen der im angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung des Landgerichts hat die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 16. November 2007 dem Betroffenen zutreffend die Gewährung einer besonderen monatlichen Zuwendung (Opferpension) versagt, weil die vom Betroffenen erlittene und mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbare Freiheitsentziehung nicht - wie § 17 a Abs. 1 S. 1 StrRehaG voraussetzt - die Dauer von insgesamt mindestens sechs Monaten erreicht.
Die Meinung des Landgerichts, grundsätzlich anspruchsberechtigt nach § 17 a Abs. 1 S. 1 StrRehaG seien (bereits) alle Betroffenen, die Anspruch auf eine Kapitalentschädigung für sechs Monate Freiheitsentziehung gemäß § 17 Abs. 1 StrRehaG haben und hierbei jeder angefangene Kalendermonat mitzählt, teilt der Senat nicht.
Zwar wird die Kapitalentschädigung nach § 17 Abs. 1 StrRehaG für eine mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbare Freiheitsentziehung für jeden angefangenen Kalendermonat bemessen. Demgegenüber ist die besondere Zuwendung für Haftopfer nach § 17 a Abs. 1 S. 1 StrRehaG bereits seinem Wortlaut nach - enger - daran geknüpft, dass ein Betroffener diese "Freiheitsentziehung von insgesamt mindestens sechs Monaten erlitten" - also wenigstens sechs volle Monate dieser Freiheitsentziehung tatsächlich verbüßt - hat.
Soweit in § 17 a Abs. 1 S. 1 StrRehaG als Anspruchsberechtigte "Berechtigte nach § 17 Abs. 1" StrRehaG genannt sind, folgt aus dieser isolierten Formulierung nicht, dass auch im Rahmen des § 17 a Abs. 1 S. 1 StrRehaG bereits jeder angefangene Kalendermonat der Verbüßung von sechs Monaten der vorgenannten Freiheitsentziehung für die Gewährung der besonderen Zuwendung für Haftopfer ausreicht. Vielmehr ist damit - als erste Voraussetzung der Norm - zunächst lediglich der Kreis der berechtigten Antragsteller beschrieben, die überhaupt als Anspruchsberechtigte einer Opferpension in Betracht kommen. Als weitere Voraussetzungen kommen die besondere Bedürftigkeit und die vorgenannte Mindestverbüßungsdauer hinzu. Hierbei sind in § 17 a Abs. 1 S. 1 StrRehaG auch nicht etwa Berechtigte genannt, denen eine Kapitalentschädigung nach § 17 Abs. 1 StrRehaG für mindestens sechs Monate Freiheitsentziehung zusteht, sondern es wird auf die Mindestdauer der "erlittenen" Freiheitsentziehung abgestellt.
Diese Auslegung des § 17 a Abs. 1 S. 1 StrRehaG steht auch im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers. Zur Begründung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR ist unter A. II. 1. ausgeführt, dass die besondere Zuwendung für Haftopfer neben der wirtschaftlichen Bedürftigkeit eine bestimmte Schwere der politischen Verfolgung voraussetzt, wobei an politische Haft unter SED-Diktatur geknüpft werden soll, die "insgesamt mindestens sechs Monate betragen haben muss" (BT-Drucksache 16/4842 vom 27. März 2007, S. 5). Diesen Gesetzentwurf hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages hierzu mit Beschlussempfehlung und Bericht vom 23. Mai 2007 (BT-Drucksache 16/5532 vom 31. Mai 2007) gebilligt. Sodann wurde durch Art. 1 Nr. 4 des Dritten Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR vom 21. August 2007 (BGBl. I S. 2118) mit Wirkung ab dem 29. August 2007 § 17 a StrRehaG neu in das Gesetz eingefügt.
Es ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Leistungsvoraussetzungen für die neu eingeführte laufende besondere Zuwendung enger gefasst sind als bei der (einmaligen) Kapitalentschädigung nach § 17 StrRehaG; dass solche einschränkenden Leistungsvoraussetzungen im Einzelfall - ähnlich wie Stichtagsregelungen - Härten mit sich bringen, ist üblich und vom Gesetzgeber beachtet, macht die Regelung aber nicht etwa verfassungswidrig (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München, 12. Senat, Beschluss vom 02. April 2008 - 12 C 08.608 -, Abs. 6 der Gründe - Juris-Datensammlung).
Ergänzend bemerkt der Senat, dass der Betroffene durch die im Beschwerdeschriftsatz aufgeführte - zugunsten eines Antragstellers vorgenommene - Berechnung einer sechsmonatigen Freiheitsentziehung im Sinne des § 17 a Abs. 1 S. 1 StrRehaG mit 180 Tagen (6 x 30 Tage) nicht beschwert wäre, sollte diese Berechnung auch dem Bescheid der Beschwerdeführerin vom 16. November 2007 zugrunde liegen. Dahinstehen kann hier, ob für die Berechnung der Haftdauer § 43 StPO i. V. m. §§ 25 Abs. 1 S. 4, 15 StrRehaG entsprechend heranzuziehen sein könnte, weil auch bei Anwendung dieser Vorschriften der Betroffene die sechsmonatige Mindestverbüßungsdauer nicht erreicht hat.
Verfahrenskosten werden nicht erhoben, §§ 14 Abs. 1, 25 Abs. 1 S. 4 StrRehaG.
Die Auslagenentscheidung folgt aus §§ 14 Abs. 4, 25 Abs. 1 S. 4 StrRehaG, 473 StPO.
Gegen diesen Beschluss gibt es kein weiteres Rechtsmittel.
Ende der Entscheidung
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