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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 21.02.2002
Aktenzeichen: 10 Sch 8/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1027 S. 1
ZPO § 1047 Abs. 1 S. 2
1. Führt ein Schiedsgericht, für dessen Verfahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht ausgeschlossen ist, trotz entsprechenden Antrags einer Partei des Schiedsgerichtsverfahrens eine mündliche Verhandlung nicht durch, so handelt es verfahrensfehlerhaft, § 1047 Abs. 1 S. 2 ZPO.

2. Eine Partei eines schiedsgerichtlichen Verfahrens ist im Verfahren auf Aufhebung des Schiedsspruches mit der Rüge dieses Verfahrensfehlers nach § 1027 S. 1 ZPO ausgeschlossen, wenn sie den Fehler nicht unverzüglich nach Kenntniserlangung gerügt hatte. Zur Kenntniserlangung genügt es, dass der Partei die Anordnung des Schiedsrichters zugeht, aus der sich ergibt, dass der Schiedsrichter trotz des Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Wege des schriftlichen Verfahrens zu entscheiden beabsichtigt.

3. Die - ausdrückliche oder konkludente - Weigerung des Schiedsgerichts, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, führt jedenfalls dann nicht zu einer Versagung rechtlichen Gehörs, wenn die Parteien des schiedsgerichtlichen Verfahrens Gelegenheit haben, sich schriftlich zur Sache zu äußern.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG Beschluss

10 Sch 8/01 OLG Naumburg

Verkündet am: 21.02.2002

In dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruches

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts Neuwirth und die Richter am Oberlandesgericht Handke und Wiedemann aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2002

beschlossen:

Tenor:

Der Schiedsspruch des Schiedsrichters G. H. vom 28. August 2001 ist hinsichtlich des folgenden Ausspruches vollstreckbar:

Die Beklagten werden zur Zahlung von DM 24.186,54 (in Worten Deutsche Mark vierundzwanzigtausendeinhundertsechsundachtzig 54/100) nebst 4 % Zinsen jährlich seit dem 30. Juli 2001 als Gesamtschuldner an den Kläger verurteilt.

Die Antragsgegner tragen die Kosten dieses Verfahrens.

Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.

Gegenstandswert des Verfahrens: 12.366,38 EUR (entspricht 24.186,54 DM)

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruches.

Der Antragsteller ist Rechtsanwalt. Er war als freier Mitarbeiter in der Rechtsanwaltssozietät der Antragsgegner beschäftigt. Für den Fall von Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Beschäftigungsverhältnis war zwischen den Parteien eine schriftliche Schiedsvereinbarung unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges getroffen.

Der Antragssteller hat auf dem Schiedswege mit Klageschrift vom 21. März 2001 Honorarforderungen in Höhe von 24.186,54 DM für das Jahr 1999 und das erste Halbjahr 2000 gegen die Antragsgegner geltend gemacht. Die Verfahrensbeteiligten haben daraufhin für das Schiedsverfahren übereinstimmend den Notar G. H. , H. , zum Schiedsrichter bestellt.

In der Schiedsklageschrift hat der Antragsteller die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der Schiedsrichter hat stattdessen mit Schreiben vom 07. Mai 2001 (Bl. 26 d. A.) den Antragsgegnern eine Frist zur schriftlichen Klagebeantwortung gesetzt. In dem Schreiben heißt es wörtlich:

"Unter Verweisung auf §§ 1047 Abs. 1 ZPO i. V. m. 146 Abs. 1 ZPO entscheide ich, dass das Verfahren auf der Grundlage von Schriftstücken und anderen Unterlagen durchzuführen ist, sowie eine Frist von 3 Wochen ab Zustellung dieses Schreibens zur schriftlichen Klagebeantwortung gesetzt wird."

Die Antragsgegner zu Ziff. 1 und zu Ziff. 2 ließen diese Frist unbenutzt verstreichen. Der Antragsgegner zu Ziff. 3 wandte sich in der Sache nicht gegen den Anspruch.

Der Schiedsrichter hat daraufhin am 28. August 2001 einen Schiedsspruch erlassen und die Antragsgegner antragsgemäß zur Zahlung von 24.186,54 DM nebst 4 % Zinsen jährlich seit dem 30. Juli 2001 als Gesamtschuldner verurteilt.

Der Antragsteller beantragt nunmehr,

den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären.

Der Antragsgegner zu Ziff. 1 beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, dass der Schiedsspruch unter Verletzung des § 1059 Abs. 2 Ziff. 1 lit. d) ZPO ergangen ist. Da der Antragsteller bereits in der Klageschrift die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt hätte, hätte der Schiedsrichter gemäß § 1047 Abs. 1 ZPO zwingend eine mündliche Verhandlung abhalten müssen. Aus der Verfügung vom 07. Mai 2001 sei für den Antragsgegner zu Ziff. 1. keineswegs hervorgegangen, dass der Schiedsrichter beabsichtigt habe, den Parteien nahezulegen, auf die beantragte mündliche Verhandlung zu verzichten. Zwar habe sich der Antragsgegner zu Ziff. 1 hierzu nicht geäußert; dies könne jedoch nicht als ein stillschweigender Verzicht auf die mündliche Verhandlung gedeutet werden. Die Verhandlung wäre schon deshalb notwendig gewesen, da die Klageschrift vom 21. März aus der Sicht des Antragsgegners zu 1. nicht schlüssig war.

Der Antragsgegner sei mit diesem Einwand auch nicht gemäß § 1027 ZPO präkludiert. § 1047 Abs. 1 S. 2 ZPO fiele nicht unter diese Vorschriften.

II.

Der Schiedsspruch des Schiedsrichters G. H. vom 28. August 2001 ist für vollstreckbar zu erklären, nachdem der Antragsteller eine beglaubigte Abschrift des Schiedsspruches vor dem Schiedsgericht vorgelegt hat §§ 1053 Abs. 1, 1064 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Gründe, die der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches gemäß §§ 1060 Abs. 2, 1059 Abs. 2 ZPO entgegenstehen, liegen nicht vor. Der Antragsgegner zu Ziff. 1 ist mit dem Einwand, der Schiedsrichter habe in verfahrensfehlerhafter Weise auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet, gemäß § 1027 ZPO ausgeschlossen. Darüber hinaus liegt auch keine Verletzung rechtlichen Gehöres vor.

1. Der für das Verfahren vor den staatlichen Gerichten § 128 Abs. 1 ZPO niedergelegte Grundsatz der Mündlichkeit gilt im Schiedsverfahren nicht in gleicher Weise. Mündliche Verhandlung ist jedoch anzuordnen, wenn die Parteien sie vereinbart oder beantragt haben. Unterbleibt sie entgegen der Parteivereinbarung, so liegt im Schiedsspruch grundsätzlich ein unzulässiges Verfahren zugrunde (BGH NJW 1994, 2155 f. zur Rechtslage nach alten Recht).

Im vorliegenden Fall hätte der Schiedsrichter daher gemäß § 1047 Abs. 1 S. 2 2. Hs. ZPO eine mündliche Verhandlung durchführen müssen. Insoweit war das schiedsrichterliche Verfahren fehlerhaft.

2. Der Antragsteller zu Ziff. 1. ist jedoch mit der Rüge dieses Verfahrensfehlers gemäß § 1027 S. 1 ZPO ausgeschlossen.

a) Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unterliegt im Schiedsverfahren grundsätzlich der Disposition der Parteien und damit dem Anwendungsbereich des § 1027 S. 1 ZPO. Wie § 1047 Abs. 1 S. 1 1. Hs. ZPO zeigt, können die Parteien die Abhaltung oder Nichtabhaltung einer mündlichen Verhandlung vereinbaren.

b) In der Nichtabhaltung einer mündlichen Verhandlung liegt - im Gegensatz zur Auffassung des Antragsgegners zu Ziff. 1 - auch kein Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs vor, der die Anwendung des § 1027 ZPO ausschließen könnte.

Wie bereits ausgeführt, ist im Schiedsverfahren der Grundsatz der Mündlichkeit gelockert. Die Parteien haben daher keinen Anspruch darauf, dass ihnen das rechtliche Gehör in einer bestimmten Form, nämlich durch eine mündliche Verhandlung eingeräumt wird.

Der Schiedsrichter hatte mit der genannten Verfügung den Antragsgegnern eine Frist von 3 Wochen zur Stellungnahme eingeräumt. Dadurch ist das rechtliche Gehör gewahrt.

Die Antragsteller zu Ziff. 1 und Ziff. 2 haben von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, obwohl sie ohne weiteres die Möglichkeit dazu gehabt hätten. Sie konnten sich nicht darauf verlassen, dass eine unterlassene Stellungnahme das Verfahren blockieren werde. Wie im gerichtlichen Verfahren wäre eine mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorzubereiten gewesen. Der Schiedsrichter hatte aber gerade für die schriftliche Stellungnahme eine Frist gesetzt. Auch sofern sie die Schiedsklageschrift für unschlüssig ansahen, hätten sie ihre Einwände schriftlich vorbringen müssen. Sie hatten keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Schiedsrichter ihre Auffassung teilte.

c) Der Antragsteller zu Ziff. 1. hat den Verfahrensmangel nicht unverzüglich im Sinne des § 1027 S. 1 ZPO gerügt.

Unverzüglich im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, dass die Rüge entweder in der nächsten mündlichen Verhandlung , oder, wenn eine solche nicht festgesetzt ist, in einem sofortigen Schriftsatz erhoben werden muss (Zöller/Geimer, ZPO, 22. Aufl. , § 1027 Rdn. 2).

Im vorliegenden Fall hätte der Antragsgegner zu Ziff. 1. daher sofort nach Erhalt der Verfügung vom 07. Mai 2001 den Verfahrensverstoß rügen müssen. Aus der fraglichen Verfügung geht eindeutig hervor, dass der Schiedsrichter beabsichtigte, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Der Schiedsrichter verwandte wörtlich die Formulierung, die § 1047 Abs. 1 S. 1 ZPO für den Fall vorsieht, dass keine mündliche Verhandlung abgehalten werden soll:

"... das Verfahren auf der Grundlage von Schriftstücken und anderen Unterlagen durchzuführen...".

Außerdem heißt es dort, dass der Schiedsrichter sich für diese Art der Verfahrensdurchführung entschieden habe. Darin liegt zugleich die Ablehnung der in § 1047 Abs. 1 S. 1 ZPO genannten Alternative, nämlich der mündlichen Verhandlung. Angesichts dieses eindeutigen Wortlauts konnte sich der Antragsteller zu Ziff. 1, der als Rechtsanwalt über die notwendige Fachkenntnis verfügte, nicht darauf verlassen, dass dennoch eine mündliche Verhandlung stattfinden werde.

3. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 1064 Abs. 2 ZPO, die Kostenentscheidung und Festsetzung des Gebührenstreitwertes findet ihre Grundlage in den §§ 91 u. 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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