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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 19.05.2003
Aktenzeichen: 10 SchH 1/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1035
ZPO § 1035 Abs. 3 S. 3 n.F.
ZPO § 1035 Abs. 4
ZPO § 1037
ZPO § 1062 Abs. 1 Ziff. 1
ZPO § 1062 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 1063 Abs. 1
1. Zur Frage, ob die nicht rechtzeitige Benennung eines Schiedsrichters durch eine Partei zum Ausschluss des Auswahlrechts führt (offen gelassen).

2. Die Abrede der Parteien einer Schiedsvereinbarung, dass die Benennung eines Schiedsrichters "per Einschreiben mit Rückschein" erfolgen soll, ist im Zweifel nicht als Vereinbarung eines konstitutiven Formerfordernisses auszulegen.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG Beschluss

10 SchH 1/03

In dem Verfahren auf Bestellung eines Schiedsrichters

betreffend das Schiedsgerichtsverfahren des W. H. gegen W. J. ,

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts Neuwirth und die Richter am Oberlandesgericht Handke und Wiedemann am 19. Mai 2003

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Antragstellers auf Bestellung eines Schiedsrichters für den Antragsgegner wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.

Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 163.613,40 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller betreibt die gerichtliche Bestellung eines Schiedsrichters für den Antragsgegner. Soweit er ursprünglich auch die gerichtliche Bestellung eines Obmanns des Schiedsgerichts beantragt hatte, hat er diesen Antrag inzwischen zurückgenommen.

Am 5. März 1996 wurde ein Gesellschaftsvertrag über die G. GmbH mit Sitz in Bg. geschlossen; diese Gesellschaft firmierte später in die P. GmbH um. In § 24 des Gesellschaftsvertrages wurde eine Schiedsabrede für Streitigkeiten der Gesellschafter untereinander sowie für Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern und der Gesellschaft hinsichtlich der Wirksamkeit, Auslegung, Anwendung und Durchführung des Gesellschaftsvertrages unter Ausschluss des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten getroffen. In § 24 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages ist zur Besetzung des Schiedsgerichtes sowie zur Bestellung der Mitglieder desselben Folgendes vereinbart:

"Das Schiedsgericht besteht aus zwei Beisitzern und einem Obmann.

Die Partei, die das Schiedsgericht anrufen will, hat dies unter gleichzeitiger Benennung eines Schiedsrichters der anderen Partei durch eingeschriebenen Brief mitzuteilen und die andere Partei gleichzeitig aufzufordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen seit Zustellung des Briefes ihrerseits einen Schiedsrichter zu benennen.

Die beiden benannten Schiedsrichter bestellen den Obmann des Schiedsgerichts, der die Befähigung zum Richteramt haben muss.

Wenn die andere Partei der Aufforderung zur Benennung eines Schiedsrichters nicht fristgerecht nachkommt oder wenn sich die beiden benannten Schiedsrichter nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Benennung des zweiten Schiedsrichters auf die Person des Obmanns einigen, werden der zweite Schiedsrichter oder der Obmann auf Antrag einer Partei durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Naumburg bestellt."

In § 24 Nr. 5 des Gesellschaftsvertrages wird im Übrigen die Anwendbarkeit des 10. Buches der Zivilprozessordnung bestimmt; es ist vereinbart, dass sich im Falle einer Inanspruchnahme der ordentlichen Gerichte die örtliche Zuständigkeit nach dem Firmensitz der Gesellschaft bestimmt.

Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2002 hat der Antragsteller dem Antragsgegner angekündigt, gegen ihn Klage im Schiedsverfahren erheben zu wollen; Gegenstand soll eine vermeintliche Ausgleichspflicht des Antragsgegners gegenüber dem Antragsteller im Hinblick auf die persönliche Inanspruchnahme des Antragstellers aus einem Darlehensverhältnis sein. Der Antragsteller macht eine Klageforderung in Höhe von 818.067,00 EUR geltend. Er benannte in diesem Schriftsatz einen Schiedsrichter und forderte den Antragsgegner zur Benennung des zweiten Schiedsrichters auf. Dieser Schriftsatz wurde dem Antragsgegner vorab per Fax übermittelt; der Antragsgegner bestreitet den Zugang dieses Faxes. Jedenfalls ist dem Antragsgegner der eingeschriebene Brief zugegangen, und zwar am 23. Dezember 2002.

Mit Schreiben vom 6. Januar 2003 teilte der Antragsgegner mit, dass er seinen Schiedsrichter bis zum 31. Januar 2003 benennen werde und berief sich insoweit auf die gesetzliche Monatsfrist des § 1035 ZPO. Mit weiterem Schreiben vom 9. Januar 2003 benannte er gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers den Rechtsanwalt und Notar H. M. aus Bn. als Schiedsrichter; der Zugang dieses Schreibens beim Antragsteller ist streitig. Schließlich zeigte Rechtsanwalt M. unter dem 17. Januar 2003 seine Bereitschaft zur Ausübung des Schiedsrichteramtes gegenüber dem Antragsteller an.

Der Antragsteller hat am 14. Januar 2003 beim Oberlandesgericht Naumburg die Bestellung eines Schiedsrichters für den Antragsgegner beantragt.

Der Senat hat den Antragsteller mit Verfügung vom 17. Februar 2003 u.a. darauf hingewiesen, dass die vorgelegte Schiedsvereinbarung die Vertragspartner - hier also die Gesellschafter der G. GmbH - nicht erkennen lasse, dass nicht eindeutig sei, ob die Streitsache vom Anwendungsbereich der Schiedsvereinbarung erfasst sei und dass sich der Antrag auf gerichtliche Schiedsrichterbenennung ggfs. erledigt habe. Der Antragsteller hat seinen Antrag aufrecht erhalten und meint, dass der Antragsgegner sein Recht zur Benennung eines Schiedsrichters inzwischen verwirkt habe. Einwendungen gegen den vom Antragsgegner benannten Schiedsrichter bestehen nicht.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Bestellung eines Schiedsrichters ist unbegründet.

Zwar ist der Senat gemäß § 1035 Abs. 4 i.V.m. § 1062 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO zur Bestellung des Schiedsrichters berufen. Der Antragsteller hat jedoch für das Gericht nachvollziehbar weder eine wirksame Schiedsabrede der Verfahrensbeteiligten dargelegt noch die Voraussetzungen für eine Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung.

1. Allerdings hat der Antragsteller eine Schiedsvereinbarung vorgelegt, die ein Bestellungsverfahren für das Schiedsgericht und im Falle der Undurchführbarkeit dieses Verfahrens eine gerichtliche Bestellung eines Schiedsrichters auf Antrag der betreibenden Partei vorsieht.

Es ist jedoch für den Senat nicht ersichtlich, wer die Vertragspartner dieser Schiedsvereinbarung sind und ob die Angelegenheit, die Gegenstand der Schiedsklage des Antragstellers ist, vom Anwendungsbereich der Schiedsvereinbarung erfasst wird. Letzteres ist jedenfalls nach dem Wortlaut des § 24 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages nicht der Fall. Der Senat hat mit seiner Verfügung vom 17. Februar 2003 auf diese Mängel des Antrags hingewiesen, ohne dass insoweit Abhilfe geschaffen wurde.

2. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat der Antragsgegner sein Recht zur Auswahl und Benennung eines Schiedsrichters rechtzeitig ausgeübt, so dass es nicht darauf ankommt, ob eine Fristversäumnis zu einer Verwirkung des Bestimmungsrechts des Antragsgegners geführt hätte.

2.1. Die Frage, ob die nicht rechtzeitige Benennung eines Schiedsrichters durch eine Partei zur Verwirkung des Bestimmungsrechts führt, ist in der Rechtsprechung und Literatur umstritten.

Nach der bis zur Reformierung des Schiedsverfahrensrechts herrschenden und auch danach vertretenen Auffassung ist die Monatsfrist des § 1035 Abs. 3 S. 3 ZPO n.F. bzw. eine an deren Stelle vereinbarte abweichende Frist für die Benennung eines Schiedsrichters keine Ausschlussfrist. Eine Partei könne noch bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Antragsverfahren nach §§ 1062 Abs. 1 Nr. 1, 1063 Abs. 1 ZPO einen Schiedsrichter benennen, weil auch mit der verspäteten Benennung durch die Partei dem Zweck des gerichtlichen Verfahrens Rechnung getragen werde und zugleich der erhebliche Eingriff in die Position einer Partei vermieden werde, der daraus resultiere, nicht selbst einen Schiedsrichter benennen zu können (vgl. OLGR Koblenz 2002, 115 f.; auch Voit in: Musielak, ZPO, § 1035 Rn. 3).

Dem gegenüber wird unter Berufung insbesondere auf die Begründung des Regierungsentwurfes für die Reformierung des Schiedsverfahrensrechts auch die Auffassung vertreten, dass die vorgenannte Frist eine Ausschlussfrist sei, weil nur dadurch Rechtsklarheit, beispielsweise hinsichtlich des Fristlaufs zur Bestimmung eines Obmanns, erreichbar sei (vgl. BayObLGZ 2002, 17-20, auch NJW-RR 2002, 933 f.; als Zwischenlösung: bis zum Antrag auf gerichtliche Ersatzbestellung - siehe Geimer in: Zöller, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 1035 Rn. 17).

Der Senat neigt der erst genannten Auffassung zu; dies auch deshalb, weil die Schiedsvereinbarung der Parteien regelmäßig so auszulegen sein wird, dass nicht jede (u.U. nur geringfügige) Verzögerung a priori zur Undurchführbarkeit des vereinbarten Bestellungsverfahrens führen soll, sondern dass die Inanspruchnahme staatlicher Gerichte im Bestellungsverfahren auf solche Konfliktlagen beschränkt bleiben soll, die ohne deren Anrufung nicht auflösbar sind. Indessen kann die Frage hier offen bleiben.

2.2. Unterstellt, dass die vorgelegte Schiedsvereinbarung zwischen den Verfahrensbeteiligten geschlossen wurde und auf den vorliegenden Streitfall anwendbar ist, hat der Antragsgegner die Frist zur Benennung eines Schiedsrichters jedenfalls eingehalten.

2.2.1. Der Senat geht davon aus, dass die Frist zur Schiedsrichterbenennung nach dem im Wege der Auslegung zu ermittelnden Inhalt der Schiedsabrede einen Monat beträgt.

Zwar ist in § 24 Nr. 2 S. 2 des Gesellschaftsvertrages eine Zwei-Wochen-Frist aufgeführt. Die Vereinbarung wurde jedoch zu einer Zeit geschlossen, als diese Zwei-Wochen-Frist noch der gesetzlichen Regelung entsprach, deren ergänzende Geltung die Vertragsparteien ausdrücklich vereinbart haben. Der Senat schließt aus dem Umstand, dass die Schiedsvereinbarung in allen Einzelregelungen die gesetzliche Regelung nachstellt, dass die Parteien, wenn sie bei Vertragsschluss die künftigen Gesetzesänderungen zur Anpassung des nationalen Rechts an die Grundsätze der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit sowie zur Erleichterung der Ausübung privater Schiedsgerichtsbarkeit gekannt hätten, eine Monatsfrist vereinbart hätten.

2.2.2. Die Monatsfrist hat frühestens am 23. Dezember 2002 begonnen. Soweit sich der Antragsteller auf einen frühzeitigeren Zugang seiner Aufforderung zur Schiedsrichterbestellung beim Antragsgegner beruft, hat er diesen nicht nachweisen können.

Zwar geht der Senat davon aus, dass die Vereinbarung der Form "Einschreiben mit Rückschein" nicht konstitutiv wirken soll, sondern lediglich der Sicherung eines Nachweises des Zugangs der Aufforderung zur Dokumentation des Fristbeginns der Monatsfrist dienen soll. Eine Telefax-Mitteilung ist danach grundsätzlich geeignet, ein Schiedsverfahren einzuleiten und zum Fristlauf zu führen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Zugang des Faxes unstreitig ist oder der Antragsteller diesen nachweisen kann. Ist der Zugang der Aufforderung jedoch - wie hier - vom Antragsgegner bestritten und kann der Antragsteller ihn nicht beweisen, so verwirklicht sich gerade das Nachweisrisiko, welches Hintergrund für die getroffene Vereinbarung zur Sicherung der urkundlichen Nachweisbarkeit des Zugangs war.

Der Zugang der Aufforderung des Antragstellers an den Antragsgegner, einen Schiedsrichter zu benennen, ist für den 23. Dezember 2002 nachgewiesen.

2.2.3. Die frühestens am 23. Januar 2003 ablaufende Benennungsfrist hat der Antragsteller gewahrt, und zwar selbst dann, wenn der Senat - zugunsten des Antragstellers - unterstellt, dass der Antragsteller erst am 17. Januar 2003 durch das Schreiben des vom Antragsgegner benannten Schiedsrichters von der Auswahl Kenntnis erlangt hat.

3. Soweit der Antragsgegner zugleich die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem vom Antragsteller gewählten Schiedsrichter geäußert hat, hat hierüber zumindest zunächst das Schiedsgericht selbst in dem vom Schiedsrichter M. aufgezeigten Verfahren zu entscheiden, § 1037 ZPO.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes des Bestellungsverfahrens findet ihre Grundlage in den §§ 12 Abs. 1 Satz 1, 25 Abs. 2 Satz 1 GKG i. V. m. 3 ZPO. Der Wert des Verfahrens auf Bestimmung eines Schiedsrichters bemisst sich nach einem Bruchteil des Wertes der Hauptsache (vgl. Herget in: Zöller, a.a.O., § 3 Rn. 16 Stichwort "Schiedsrichterliches Verfahren"), den der Senat regelmäßig auf ein Fünftel festsetzt.

Ende der Entscheidung

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